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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 05.05.2016
Männer mit Erfahrung
Freeman, Castle

Männer mit Erfahrung


ausgezeichnet

Alle gegen Blackway, so könnte man die Ausgangslage von Castle Freemans Roman „Männer mit Erfahrung“ beschreiben. Und wer die grünen Hügel von Vermont kennt, kann sich die Szenerie bildlich im Detail vorstellen: ein kleines Dorf mit holzverschalten Häusern, Männer verschiedenen Alters sitzen vor einer Sägemühle in der Sonne, die auch schon bessere Tage gesehen hat und führen launige Gespräche. Träge Langeweile bestimmt die Situation. Willkommene Abwechslung naht in Gestalt einer jungen Frau, Lilian.

Seit ihr Partner sie verlassen hat, wird sie von Blackway, dem „bad guy“ der Gegend gestalkt und bedroht. Und nachdem er nun auch noch ihre Katze getötet hat, fürchtet Lilian um ihr Leben. Da es nur Vermutungen, aber keine handfesten Beweise gibt, kann ihr der Sheriff des Ortes nicht helfen. Er schickt sie zu Whizzer und den Einheimischen, jenen Männern, die sich auskennen, nichts zu tun haben, aber wissen, wie man hier Probleme löst. Dort empfiehlt man ihr, Lester und Nate anzusprechen. Diese beiden könnten helfen, sagt man ihr. Aber als Lilian deren Bekanntschaft macht, beschleichen sie Zweifel. Lester ist ein altes Männlein, der keiner Fliege etwas zuleide tun kann, und Nate ist zwar jung und groß und kräftig, aber eher von geringem Verstand. Und diese beiden glauben, es mit dem Schurken Nr. 1 aufnehmen zu können? Doch ohne viel Federlesens ergreift Lester die Initiative, und so machen sich die drei Gefährten auf in die Wälder, um Blackway zu stellen…

Es ist die klassische Gut gegen Böse Konstellation, die Castle Freeman seinem schmalen Roman zugrunde legt. Eine Jungfer ist in Nöten und die edlen Ritter springen ihr bei, um das Problem zu lösen, wobei diese aus einem tumben Toren mit reichlich Körperkraft und einem schlauen Fuchs bestehen. Im Hintergrund kommentiert und reflektiert der Chor, wie in den griechischen Tragödien, das Geschehen. Das Ganze dann angesiedelt in der wunderbaren, ursprünglichen Landschaft von Vermont, des „Green Mountain State“.

Ein Thriller, eine Love Story und die Geschichte einer „Reise“ - kein Wort zu viel, immer auf den Punkt, mit einem Augenzwinkern erzählt, sehr weise und mit einem tiefen Verständnis für die menschliche Seele – eine kleine Kostbarkeit, der ich viele Leser wünsche!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.04.2016
Unterleuten
Zeh, Juli

Unterleuten


ausgezeichnet

Unterleuten ist ein fiktiver Ort in Brandenburg und der Titel des neuen Romans von Juli Zeh. Die mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnete Autorin seziert mit klarem Blick eine dörfliche Gemeinschaft im Osten Deutschlands nach der Wende. Möglicherweise hat Zeh hier auch eigene Erfahrungen verarbeitet, lebt sie doch seit geraumer Zeit im Havelland.

Die Bewohner von Unterleuten haben wechselhafte Zeiten hinter sich. Zumindest ein Teil von ihnen. Bezahlte Arbeit war und ist knapp, im Wesentlichen leben sie von den Erträgen ihres Grund und Bodens. Die Enteignungen im Zuge der Zwangskollektivierung in den sechziger Jahren haben sie weggesteckt, ebenso die Umverteilungen nach der Wende. Natürlich gibt es innerhalb des Dorfes Gewinner und Verlierer, und die daraus entstandenen Animositäten prägen den Umgang miteinander. Und dann sind da noch die Zugezogenen, Stadtflüchtlinge aus Berlin, die in Unterleuten ihren Traum vom Landleben verwirklichen möchten. Konflikte mit den Alteingesessenen sind hier schon fast vorprogrammiert. Es geht um Rivalitäten, um Intrigen, um Wendegewinner und Altkommunisten, um Abhängigkeiten finanzieller und emotionaler Natur, um Liebe und Hass. Und um einen projektierten Windpark und somit natürlich um Geld.

Es sind sehr unterschiedliche Charaktere, die die Handlung tragen: Jule und Gerhard, sie eine Übermutter in Reinkultur, er ein verkrachter Soziologe, der nun als Vogelwart die seltene Spezies der Kampfläufer in der Unterleutner Heide schützt und sämtliche Bebauungswünsche der Einwohner durch Einsprüche blockiert. Linda, von ihrem Partner insgeheim „Rossfrau“ genannt, eine willensstarke Pferdeflüsterin aus Berlin, die sich und ihren Vierbeiner in der Villa Kunterbunt ein neues Heim schaffen möchte. Grombowski, Großgrundbesitzer und Geschäftsführer der Ökologica, schon zu DDR-Zeiten auf der Siegerstraße, der skrupellos in der Wahl seiner Mittel ist. Kron, ein kämpferischer Altkommunist, vom Leben gezeichnet und seiner Behinderung gehandicapt. Und Schaller, ein Typ raue Schale, weicher Kern, der begnadete Mechaniker und Nachbar von Jule und Gerhard, die ihn nur „das Tier“ nennen - meine Lieblingsfigur.

Die Autorin lässt in ihrem umfangreichen Roman einen auktorialen Erzähler die Geschehnisse aus den wechselnden Perspektiven der Unterleutner schildern. Die einzelnen Kapitel sind jeweils mit dem Namen des Protagonisten überschrieben, sodass die Zuordnung sehr einfach ist. Der Leser entwickelt Nähe zu diesen Menschen, aber kaum Sympathien, da (fast) jeder in Unterleuten seine eigenen Ziele verfolgt.

Sie geizt auch nicht mit spitzen Bemerkungen zur politischen Situation in diesem unserem Lande, aber immer in dem passenden Kontext. Natürlich kann sie das eine oder andere Klischee nicht vermeiden, wenn Stadt und Land aufeinandertreffen. Aber darüber kann und sollte man großzügig hinwegsehen, es fällt auch kaum ins Gewicht. Juli Zeh hat mit „Unterleuten“ einen Gesellschaftsroman geschrieben, wie man es in erster Linie von den amerikanischen Autoren kennt. Mir fällt hier spontan Jonathan Franzen ein. Ein großer Wurf von einer der besten Autorinnen, die wir momentan in Deutschland haben – Lesen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.04.2016
Mississippi Jam / Dave Robicheaux Bd.7
Burke, James lee

Mississippi Jam / Dave Robicheaux Bd.7


ausgezeichnet

„Mississippi Jam“ (Original: Dixie City Jam, 1994), eines der früheren Bücher aus der mittlerweile zwanzigbändigen Robicheaux-Reihe des Südstaaten-Autors James Lee Burke. In der Übersetzung von Jürgen Bürger. Erschienen bei Pendragon.

Was hat ein gesunkenes U-Boot der Nazis vor der Küste Louisianas zu suchen? Warum haben plötzlich dubiose Geschäftemacher Interesse an dem Wrack? Und vor allem, was hat Dave Robicheaux damit zu schaffen? Ganz einfach - einer der Interessenten ist Hippo Bimstine, und dieser plant, das U-Boot an Land schaffen zu lassen und dann zu einem Casino umzubauen. Und dafür braucht er Robicheaux, denn der soll ihm helfen, die genaue Lage des Wracks zu bestimmen, hat er es doch vor vielen Jahren beim Tauchen entdeckt. Daves Begeisterung für diesen Auftrag hält sich in Grenzen, und wäre da nicht sein alter Kumpel Batist, würde er Bimstine mit Sicherheit die kalte Schulter zeigen. Aber was tut man nicht alles für Freunde? Es ist eine Menge Geld, die Bimstine Robicheaux für seine Dienste anbietet, und da Batist wegen Mordes in U-Haft sitzt und Bares für Anwalt und Kaution benötigt, stimmt er zähneknirschend zu. Doch dann taucht ein weiterer Interessent auf, der alles daran setzt, an Robicheauxs Informationen zu kommen, und deshalb auch nicht davor zurückschreckt, dessen Ehefrau in die Auseinandersetzungen mit hinein zu ziehen…

„Mississippi Jam“ ist keine Lektüre für den schnellen Genuss, denn neben der Haupthandlung gibt es noch viele kleine und größere Nebenstränge, die der Beachtung wert sind. Die Personen sind wie immer bei Burke durchgängig mit viel Liebe zum Detail angelegt, insbesondere natürlich der Protagonist Dave Robicheaux, in vielen Bereichen ein Ehemaliger: Vietnam-Veteran, Ex-NYPD Cop, trockener Alkoholiker. Mittlerweile aber fest verankert im Hier und Jetzt in seiner Gemeinde in den Bayous, und unerbittlich, wenn die bösen Jungs seinen Lebensraum und seine Familie bedrohen. Dann gerät er schon einmal in Rage – deshalb der Hinweis, dass Leser besser die Finger von dem Buch lassen sollten, wenn sie mit der Beschreibung gewalttätiger Auseinandersetzungen Probleme haben.

Ein Wort noch zu der Übertragung ins Deutsche. Den vorliegenden Roman habe ich nicht im Original gelesen, aber das 2012 erschienene „Creole Bell“. Und wenn ich davon ausgehe, trifft Jürgen Bürger meiner Meinung nach den Tonfall des Originals perfekt. Das sind nun mal keine Intellektuellen, deren Dialogen wir folgen, sondern einfache Leute, die reden wie ihnen der Schnabel gewachsen ist.

Ich mag die gute Übersetzung, ich mag die spannende Story, ich mag die stimmungsvoll beschriebenen Handlungsorte - und vor allem mag ich Dave Robicheaux. Lesen!

Bewertung vom 31.03.2016
Water - Der Kampf beginnt
Bacigalupi, Paolo

Water - Der Kampf beginnt


ausgezeichnet

Paolo Bacigalupi ist ein amerikanischer Science Fiction Autor, der bereits zahlreiche Auszeichnungen für seine futuristischen Romane erhalten hat. Es sind düstere Welten, die er beschreibt, die Handlung geprägt von den Auswirkungen des Klimawandels auf Gesellschaft und Individuen. So auch in seinem neuesten Sci-Fi-Thriller „Water – Der Kampf beginnt“.

Der amerikanische Südwesten, in der Zukunft. Wasser ist das kostbarste Gut überhaupt. Die Sonne brennt seit Jahren vom Himmel, die Böden sind knochentrocken, die Landschaft ist versteppt, die Städte nahezu unbewohnbar. Für die Wohlhabenden werden spezielle Luxushabitate gebaut, in denen es ihnen an nichts mangelt. Alle anderen sind den Elementen gnadenlos ausgeliefert und wissen nicht, wie sie in dieser Wüstenei überleben sollen. Das machen sich bestimmte Stellen zunutze, denn die Gabe bzw. der Entzug von Wasser ist ein hervorragendes Instrument, um die Bevölkerung zu kontrollieren.

Nevada hat eine spezielle Behörde, die die Wasserreservoirs des Staates verteidigt und mit legalen oder illegalen Mitteln erweitert, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet. Sobald nur das leiseste Gerücht über unbekannte Wasserquellen die Runde macht, ist einer der speziell auf solche Ermittlungen trainierte Mitarbeiter auf dem Weg. Wie Angel Velasquez, der von seiner Chefin nach Phoenix, Arizona geschickt wird, da es dort angeblich eine neue Quelle geben soll. Dort trifft er auf Lucy Monroe, eine Journalistin, die die chaotischen Zustände in dieser kollabierenden Metropole ins Bewusstsein der Öffentlichkeit bringen möchte. Und auf Maria aus Texas, ein Mädchen, das um ihr Leben kämpft. Konfrontiert mit der Gewalt auf den Straßen stellen sie sehr schnell fest, dass ihre Überlebenschancen besser sind, wenn sie sich zusammenschließen und ein Zweckgemeinschaft bilden, denn in Phoenix brennt die Luft…

Angesichts der alljährlichen Probleme, die der amerikanische Südwesten jedes Jahr mit der Wasserversorgung in den Sommermonaten hat, ist beschreibt Bacigalupi in „Water – Der Kampf beginnt“ eine erschreckende Zukunft, die nicht so weit von der Realität entfernt scheint. Und wenn man sich vor Augen führt, dass in vielen Ländern der Dritten Welt die Versorgung mit sauberem Trinkwasser jetzt bereits problematisch bzw. nicht gewährleistet ist, mag man sich gar nicht vorstellen, wie es dort aussehen wird, wenn die Erderwärmung weiter fortschreitet.

Allerdings hätte ich mir gewünscht, dass der Autor die eher trockenen Fakten zum Thema nicht geballt zu Beginn präsentiert, sondern portionsweise in die Story einarbeitet. Ich könnte mir vorstellen, dass der eine oder andere Leser ob der Fülle der trockenen Informationen kapituliert und das Buch zur Seite legt, was allerdings schade wäre. Denn die Story an sich ist nicht nur sehr temporeich – allerdings einen Tick zu actionlastig - und spannend, sondern auch erschreckend, denn mit dem Wissen um die fortschreitende Klimaveränderung braucht es nicht viel Phantasie, um die Schilderungen des Autors in die Wirklichkeit zu übertragen. Noch ist Zeit, um dem entgegenzuwirken!

Bewertung vom 30.03.2016
Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3
Rademacher, Cay

Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3


weniger gut

Cay Rademacher hat sich mit seinen historischen Kriminalromanen „Der Trümmermörder“, „Der Schieber“ und „Der Fälscher“ einen Namen gemacht. 2014 folgte dann mit „Mörderischer Mistral“ der erste Provence-Krimi aus seiner Feder, ein Jahr später folgte „Tödliche Camargue“ und nun also „Brennender Midi“. Die französischen Handlungsorte erklären sich mit Sicherheit dadurch, dass der Autor seinen Lebensmittelpunkt zwischenzeitig in den französischen Süden, genauer nach Salon-de-Provence, verlegt hat.

„Brennender Midi“ führt den Leser nach Lançon-Provence, eine Kleinstadt in unmittelbarer Nähe von Salon-de-Provence. Capitaine Roger Blanc, der strafversetzte Polizist, der hier eine neue Heimat gefunden hat, muss den Absturz eines Kleinflugzeugs klären. Tatkräftig unterstützt von seinem Kollegen Tonon, nimmt er die Ermittlungen auf, in deren Verlauf zahlreiche Ungereimtheiten auftauchen. Die Suizidtheorie ist schnell verworfen, ebenso der technische Defekt. Der tote Pilot befand sich noch in der militärischen Ausbildung und war offenbar nicht sonderlich beliebt bei seinen Kameraden. Denn wie sonst ließe es sich erklären, dass kaum einer angesichts des Todes von Matelly Anzeichen von Trauer zeigt? Es scheint vielmehr, als ob dieser eher ein Einzelgänger gewesen wäre, der seine eigenen, nicht immer legalen Interessen verfolgte.

Und dann ist da noch Bondard, der den Olivenhain bewirtschaftet, in den das Flugzeug abgestürzt ist, und der seit geraumer Zeit unschöne Auseinandersetzungen mit den dort stationierten Militärs hat. Als einer seiner Arbeiter tot aufgefunden wird, verdichtet sich für Capitaine Blanc der Verdacht, dass es in diesem Fall um mehr als einen ungeklärten Flugzeugabsturz geht…

Ob Cay Rademachers „Brennender Midi“, Sophie Bonnets „Provenzalische Geheimnisse“ oder Jean-Luc Bannalecs „Bretonischer Stolz“– diese Art der Kriminalromane scheint der neue Trend unter deutschen Autoren zu sein. Und damit die Leser gleich in die richtige Urlaubsstimmung kommen, wird die vergleichsweise dünne Handlung in unser Nachbar-/Urlaubsland verlegt und mit einigen französischen Örtlichkeiten und einer gehörigen Portion „oh, là, là“ garniert. Heraus kommt ein konventionell gestrickter Kriminalroman ohne besonderen Anspruch, der dem Leser keinerlei Überraschung bietet.

Besonders enttäuschend finde ich diesen Umstand im Fall von Cay Rademacher, dessen frühere Romane durchaus am oberen Spektrum der deutschen Krimiliteratur einzuordnen waren und sich durch besonders gründliche Recherche und atmosphärische Dichte auszeichneten – beides habe ich in „Brennender Midi“ vermisst. Mein Fall war dieser Kriminalroman leider nicht, aber er wird mit Sicherheit seine Leser finden. Spätestens dann, wenn sich die Blechlawinen gen Süden bewegen…

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2016
In den Straßen die Wut
Gattis, Ryan

In den Straßen die Wut


ausgezeichnet

Am 3. März wird der Afroamerikaner Rodney King in Los Angeles von vier Polizisten fast zu Tode geprügelt. Ein Gerichtsverfahren wird eingeleitet. Die Urteilsverkündung ist ein Jahr später, am 29. April 1992. Die Polizisten werden freigesprochen.

Am gleichen Tag. Los Angeles. South Central. Die Wut bricht sich Bahn. Die Unruhen breiten sich aus. Eine Stadt versinkt im Chaos.

Vor diesem Hintergrund entfaltet der in Los Angeles lebende Autor Ryan Gattis (zum Zeitpunkt der „Riots“ 14 Jahre alt) seinen zeitgeschichtlichen Roman „In den Straßen die Wut“, basierend auf über zweijähriger Recherchearbeit und unzähligen Gesprächen/Interviews mit Gangmitgliedern und „normalen“ Angelenos, die diese Ereignisse hautnah miterlebt haben. Recht schnell kristallisiert sich heraus, dass die politische Komponente der Unruhen nur eine Nebenrolle gespielt hat. Vielmehr sind die chaotischen Verhältnisse, die in den Vierteln herrschen, bestens dafür geeignet, Rechnungen zu begleichen und die Auseinandersetzungen rivalisierender Gangs zu verschleiern. Dabei sind es nicht, wie man vermuten könnte, afroamerikanische sondern vielmehr Latino-Gangs, die in den Vierteln das Sagen haben und deren Bandenkämpfe der Autor schildert.

Gattis lässt die sechs Tage dieses Ausnahmezustand in Los Angeles aus der Perspektive von siebzehn involvierten Beteiligten schildern, die jeweils ihre Sicht wiedergeben. Und da er nicht nur Gangmitglieder sondern beispielsweise auch eine Krankenschwester und einen Feuerwehrmann zu Wort kommen lässt, entsteht aus diesen verschiedenen Sichtweisen ein realistisches Abbild des Lebens und Sterbens in den Ghettos von Los Angeles.

Die Bilanz dieser sechs Tage ist erschreckend: 53 Tote, mehrere Tausend Verletzte und Sachschäden in Höhe von ca. einer Milliarde US-Dollar.

Gattis’ Reportage-Roman wurde mehrfach ausgezeichnet, und auch die Filmrechte hat sich zwischenzeitlich das amerikanische Time Warner Unternehmen HBO gesichert, um daraus eine Fernsehserie zu produzieren. Man darf gespannt sein!

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Bewertung vom 29.03.2016
Die Strömung / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.3
Börjlind, Cilla;Börjlind, Rolf

Die Strömung / Olivia Rönning & Tom Stilton Bd.3


ausgezeichnet

Nach „Die Springflut“ und „Die dritte Stimme“ ist „Die Strömung“ der dritte Kriminalroman aus der Feder des schwedischen Autorenpaars Cilla und Rolf Börjlind, in dem Tom Stilton und Olivia Rönning ermitteln. Olivia hat die Pläne für ein Kunststudium auf Eis gelegt, befindet sich aber noch immer in der Orientierungsphase. Mittlerweile arbeitet sie zwar als Polizistin, hat aber den Einsatzort gewechselt und das städtische Stockholm gegen das Leben und Arbeiten in einer ländlichen Kleinstadt eingetauscht. Aber auch dort fühlt sie sich fehl am Platz, sind die Kollegen doch eher einfache Gemüter und ihre Aufgaben simpler Natur. Das ändert sich, als ein Kleinkind ermordet und kurz darauf wird in der Nähe von Stockholm ein zweites Kind getötet wird. Die beiden Mordfälle hängen offenbar zusammen, und Mette ruft Olivia zurück nach Stockholm.

Parallel dazu sucht auch der ehemalige Kommissar Tom Stilton noch immer seinen Platz im Leben. Mit seiner früheren Tätigkeit will er eigentlich nichts mehr zu tun haben, aber da ist noch immer der alte, ungelöste Mord an einer jungen Prostituierten, der ihn nicht zur Ruhe kommen lässt.

Im Laufe der Ermittlungen ergeben sich erste Verbindungen zwischen den aktuellen Kindermorden und Stiltons „cold case“, denn alle Opfer waren dunkelhäutig. Die Vermutung liegt nahe, dass die rassistischen Mitglieder einer rechtsradikalen Zelle etwas mit den Morden zu tun haben. Aber noch fehlen die Beweise. Doch es gilt auch noch eine Spur zu verfolgen, die weit in die Vergangenheit reicht, zu einer Kommune, die sich nicht nur Love und Peace auf ihre Fahnen geschrieben hat…

Es ist ein interessantes und vielschichtiges Szenario, das Cilla und Rolf Börjlind hier entwickelt haben. Wie schon in den beiden Vorgängern bestimmen eine Vielzahl von Spuren und Verflechtungen diesen Kriminalroman, alles hängt mit allem zusammen. Und dass Cilla und Rolf Börjlind gelernte Drehbuchschreiber sind, merkt man der Geschichte an. Es gibt immer wieder Schnitte und Situationen, die augenscheinlich nicht in das Gesamtbild passen, deren Bedeutung sich aber mit fortschreitender Handlung erklärt. Und obwohl der Plot sehr ausgeklügelt ist, verlieren die Autoren nie ihre durchgehend sympathischen Hauptfiguren aus den Augen und entwickeln diese konsequent weiter.

Ein spannender Kriminalroman und eine ausgezeichnete Reihe, die sich wohltuend von dem Einheitsbrei der skandinavischen Thriller/Krimis abhebt, die seit geraumer Zeit den Buchmarkt überschwemmt. Zugreifen!

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