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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 17.03.2017
Mopsnacht / Holmes und Waterson Bd.4 (eBook, ePUB)
Richter, Martina

Mopsnacht / Holmes und Waterson Bd.4 (eBook, ePUB)


sehr gut

Der clevere Mops Holmes kommt einfach nicht zur Ruhe. Auch dieses Mal ist wieder sein kriminalistisches Talent gefragt. Es wäre ja alles recht einfach, wenn diese Menschen nur auf ihn hören würden, aber eingeschränkt in ihren Sinnen, verstehen sie kein Hündisch.
Frauchen hat sich einen Traum erfüllt und eine alte Scheune ersteigert, damit sie ihre Menagerie noch um ein Pferd erweitern kann. Natürlich hat Holmes sie dabei beraten und so kommt sie nicht nur mit Cooper zurück, sondern hat auch noch Collino dabei, den sie kurzerhand vorm Pferdemetzger gerettet hat. Aber in dieser Scheune gibt es ein dunkles Geheimnis, unter altem Stroh wird eine mumifizierte Säuglingsleiche entdeckt und wie gruselig: auf dem Balken darüber sind die Worte eingeritzt – Marlene Schuster – und genau so heißt Holmes Frauchen. Die Namensgleichheit ist ja kein Zufall, Frauchen Marlene ist viel tiefer von der Geschichte betroffen, als sie ahnt.
Wäre Holmes nicht so abgelenkt gewesen, Frau Distel, eine neue Nachbarin mit abscheulichen Angewohnheiten, ist das Frauchen von Bena Hula, einer sehr kapriziösen Mopsdame, wäre er vielleicht schon früher auf die entscheidenden Spuren gestoßen. So aber lässt er sich den Kopf verdrehen und tapst in die Liebesfalle.
Wie immer ist bei Martina Richters Mopskrimis der Unterhaltungsfaktor sehr hoch. Dabei gefällt mir, dass die Geschichten nie ins Alberne abgleiten. Wenn man erstmal akzeptiert, dass Holmes ein Hund mit detektivischem Spürsinn ist – und dass Möpse etwas Besonderes sind – weiß man nicht erst seit Loriot, macht dieser Krimi mit seinen Ausflügen in die Vergangenheit viel Spaß. Natürlich kommen auch die menschlichen Verwicklungen nicht zu kurz, denn es sind ja immer die Menschen, den anderen etwas antun, wie Holmes weiß. Dem Charme dieses Krimis kann man sich nur schwer entziehen und dazu muss man nicht mal ein ausgesprochener Mopsfan sein. Auch der vierte Band hat nichts von der Frische seiner Vorgänger verloren, die Handlungsideen der Autorin sind schier unerschöpflich.
Eine amüsanter, locker zu lesender Krimi, der aus einer ungewöhnlichen Perspektive erzählt wird. Ein Muss für Fans von Martina Richter und eine Empfehlung für Leser, die Spaß an witzigen Krimis haben.

Bewertung vom 15.03.2017
Mörderische Insel
Taylor, Marsali

Mörderische Insel


sehr gut

Cass Lynch, eine leidenschaftliche Seglerin, lebt auf ihrem Boot, das im Hafen von Brae auf den Shetland Inseln liegt. Natürlich entgeht ihr nichts, was sich Hafen und an der Küste abspielt. Als zwei Luxusboote im Hafen anlegen, kann sie es nicht lassen, das seltsame Verhalten der beiden Paare zu beobachten und ihr seltsames heimliches Verschwinden. Als dann einer ihrer Segelschüler ums Leben kommt, will sie nicht an einen Unfall glauben und beginnt zu auf eigene Faust zu schnüffeln. Dabei begibt sie sich in große Gefahr. Gut, dass sie den zuständigen Kriminalbeamten vom schottischen Festland kennt, denn die Sache beginnt größere Kreise zu ziehen.
Bei diesem Krimi hat mir von Anfang an alles gefallen. Die raue Landschaft der Shetlands, wind- und sturmumtost, ist ein toller Hintergrund. Man erfährt sehr viel über der Geschichte der Inseln, über die frühere Armut und das raue Leben der Fischer , das inzwischen einem durch die Ölförderung entstandenem Wohlstand gewichen ist. Aber die Ölvorkommen sind nicht unendlich und diese ökonomische Delle ist auch in Brae zu spüren. Gut fand ich auch die Fußnoten, die bestimmte Ausdrücke oder Dialekte erklären. Dadurch war ich noch mehr mitten im Geschehen. Cass ist sympathisch und ihre Segelleidenschaft ist richtig ansteckend. Obwohl sie aus einer wohlhabenden Familie stammt, zieht sie ein ungebundenes Leben an Bord ihres kleinen Seglers vor. Das wirkt sicher deshalb so authentisch, weil die Autorin selbst segelt und ihre Törns sicher das Vorbild für Cass‘ Fahrten waren.
Die Handlung beginnt verhalten und steigert sich dann zunehmend. Bald führen die Beobachtungen von Cass und dem Hafenmeister Magnie, einer urig gezeichneten Nebenfigur, zu einem verwickelten Krimi und Familiendrama, in das Cass tiefer hineingezogen wird, als ihr lieb ist. Die Charakterisierung der Insulaner und die gelungene Landschaftsbeschreibung geben dem Krimi noch ein ganz besonderes Flair.
Ein klassischer, typisch englischer Krimi mit einer großartigen Landschaft und einer stimmigen Atmosphäre. Überzeugend!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.03.2017
Der grüne Palast
Hohmann, Peggy

Der grüne Palast


sehr gut

Für ihren historischen Roman „Der grüne Palast“ wählt die Autorin Peggy Hohmann ein besonderes Stilmittel: den Brief. In Briefform erschließt sich die Geschichte der Erzherzogin Leopoldine von Österreich. Wie bei den Habsburgern üblich, dienten die Töchter meist als Vertrags-und Verhandlungsobjekte. Nicht von ungefähr kommt der Ausspruch „Tu felix Austria nube“! (du glückliches Österreich heirate) Leopoldine wird durch Vermittlung des Fürsten Metternich mit dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro verlobt, der vom Gesandten des Landes in glühenden Farben geschildert wird. Der gebildeten Leopoldine, mehrsprachig erzogen, mit außergewöhnlichen Interessen an Naturwissenschaften und Musik, erscheint die Reise nach Brasilien, wo die portugiesische Königsfamilie im Exil lebt, als Aufbruch in ein neues abenteuerliches Leben.

Allerdings wird die Wirklichkeit sehr viel rauer sein, Dom Pedro ist ein ungebildeter, vulgärer Weiberheld, der seine unpassenden Liebschaften nie sehr diskret behandelt, Leopoldine ist isoliert und einsam. Geschwächt von jährlichen Schwangerschaften und Fehlgeburten, wird sie knapp 10 Jahre nach ihrer Ankunft sterben. Es ist ihr allerdings gelungen, trotz des schwächlichen Gatten, Brasilien in die Unabhängigkeit zu begleiten.
Dies alles erfährt der Leser aus den Briefen, die den Roman bilden. Die Schreiber sind Leopoldine selbst, ihre Hofdame, Fürst Metternich und portugiesische Gesandte. Aus deren jeweiligen Sicht erschließt sich die Geschichte der jungen Österreicherin in ihrer ganzen Dramatik.

Sehr gekonnt gelingt es der Autorin, jedem Schreiber eine unverwechselbare Sprache zu geben. Die Ränke des Fürsten und seine Neigung zu amourösen Anspielungen genauso, wie die diplomatischen Gemeinplätze des Gesandten. Ganz besonders die Briefe der Gräfin Lazansky an ihre Schwester und Fürst Metternich bilden das historische und gestalterische Gerüst des Romans. Die Autorin bleibt nahe an der Geschichte, fügt natürlich einige erdichtete Personen, wie die Hofdame Lazansky und Liebesverwirrungen der Dramatik wegen ein, was dem Romans über das Zeitbild hinaus noch lebendiger werden lässt. Die Briefe ermöglichen einen sehr persönlichen, vielschichtigen Zugang zu diesem Buch und erzeugen von Anfang an Spannung und Sogwirkung. Wenn ich anfangs noch zweifelte, ob dieses Stilmittel das ganze Buch trägt, war ich schon nach wenigen Seiten restlos überzeugt.

Bewertung vom 13.03.2017
Erntedank in Vertikow / Die Toten von Vertikow Bd.1
Friedrichs, Frank

Erntedank in Vertikow / Die Toten von Vertikow Bd.1


sehr gut

Seit seinem Motorradunfall sitzt Peer im Rollstuhl. Die Situation überfordert ihn, er fühlt sich hilf- und mutlos. Selbst für kleine Alltagsdinge braucht er Hilfe. Im mecklenburgischen Dörfchen Vertikow, wo er bis zu seinem Unfall Organist war, hatte er auch nicht allzu engen Kontakt mit den Nachbarn. Orgelspielen fällt weg, wie soll er denn auf die Empore kommen?
Da beobachtet er einen Unfall, die Nachbarin Gertrud Kuhn wurde von einem Pick up angefahren, der Fahrer flüchtet mit hoher Geschwindigkeit. Peer Wesendonk ist sich sicher, das war Absicht, das war Mord! Allerdings sieht die Polizei das anders, seine Beobachtungen schiebt man auf sein Unfalltrauma, zudem geht das Gerücht im Dorf um, Getrud Kuhn wäre dem Alkohol nicht abgeneigt gewesen.
Also beginnt Peer auf eigene Faust zu ermitteln, sogar die Pastorenfrau Peggy und der Altbürgermeister unterstützen ihn dabei, vielleicht hoffen sie, dass er mit dieser „Beschäftigungstherapie“ seinen Lebensmut wiederfindet. Kommissar Andrea Templin ist ebenfalls nicht ganz dagegen und dazu kommt, dass es zwischen den beiden recht heftig knistert.
Ein Dorf, ruhig, abgelegen und eigentlich ein Idyll, aber hinter den Fassaden brodelt es recht heftig. Alte Animositäten, die bin in die Wendezeit zurückreichen, lauern unter der Oberfläche. Für den Wessi Peer ist das nicht immer leicht zu durchschauen. Das Stimmungsbild des Dorfes hat mir ausnehmend gut gefallen, die Atmosphäre ist realistisch geschildert, die Menschen so vielschichtig wie im normalen Leben. Es gibt nicht nur Schwarz und Weiß und Gut und Böse. Die Vergangenheit bestimmt noch häufig das Handeln der Nachbarn.
Der Krimi kommt eher leise daher, es ist durchaus spannend, was Peer im Lauf seiner Detektivspielerei erfährt, viel wichtiger ist aber, wie sich die Menschen und er selbst mit dem Wissen arrangieren. Besonders gut gefallen hat mir die Beschreibung Peers. Wie ein Mann mit der plötzlichen Hilflosigkeit umgeht, wie er sich zuerst auflehnt, dann fast resigniert und nach vielen Rückschlägen seinen Platz findet , war mir genauso spannend dargestellt, wie die Mördersuche.
„Erntedank in Vertikow“ ist ein Regionalkrimi im besten Sinn. Ein Psychogramm eines Dorfes und seiner Bewohner, das in eine spannende und immer mit leisem Humor und Ironie unterlegte Geschichte gebettet ist.

Bewertung vom 12.03.2017
Sturmläuten / Kommissar John Benthien Bd.4
Ohlandt, Nina

Sturmläuten / Kommissar John Benthien Bd.4


sehr gut

John Benthien, der sympathische Bulle von der Küste ist auch in seinem 4. Band persönlich betroffen. Spielende Kinder haben im hohlen Stamm eines alten Ahorns eine fast schon mumifizierte Frauenleiche gefunden. Der Baum steht im Garten der Eltern seiner Exfreundin Karin. Aber damit nicht genug, auch Karins Tochter Celina, für die John Benthien sich immer noch verantwortlich fühlt, hat sich an einer üblen Sache beteiligt. Natürlich möchte er ihr eine Vernehmung ersparen und versucht zu vermitteln. Als dann einige Tage später auch noch seine Ex im Garten erschlagen wird, kommt Benthien als Verdächtiger in Teufels Küche.
Die Küstenkrimis von Nina Ohlandt beginnen immer sehr komplex. Zu Beginn des Buches legt sie all die Fährten, die sich im Lauf des Krimis zu einem spannenden Handlungsbogen verflechten. Fortlaufende Geschichten aus den vorherigen Bänden werden weitergesponnen, sind aber immer selbsterklärend und können auch von Erstlesern problemlos verstanden werden. Aber gerade die vielschichtigen Handlungsstränge machen den Krimi so spannend. Als Leser achte ich auf kleine Spuren, versuche mitzuraten und den Täter zu entlarven. Aber auch wenn mir das gelingen sollte, gibt es immer wieder eine ganz gewitzte Wendung, die den Schluss zu einem Höhepunkt führt. Die Kapitel sind kurz und mit schnellen Tempo- und Szenenwechseln. Ganz besonders hat mir eine Sturmnacht auf der Hallig Hooge gefallen, da spürte ich direkt den Wind und die Salzgischt der Nordsee.
Im Kriminalteam um Benthien gibt es viele witzige Charaktere, die dem Buch noch einen Schuss Ironie mitgeben. Auch die anderen Figuren sind sehr interessant charakterisiert und sehr lebensecht beschrieben. Ich hatte jedenfalls die einzelnen Personen immer sehr deutlich vor Augen.
Ein spannender und sehr flüssig geschriebener Krimi, der aber besonders am Anfang aufmerksam gelesen werden sollte. Ein Personenregister ist dabei sehr hilfreich.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.03.2017
Madame Cléo und das große kleine Glück
Wekwerth, Tanja

Madame Cléo und das große kleine Glück


ausgezeichnet

Madame Cleo lebt in Berlin in recht „beengten“ Umständen. Ihre Tage als gefeiertes Model für Coco Chanel sind Jahrzehnte vorbei, aber die Eleganz und den Stil hat sie sich bewahrt. Wobei sich ihre Eleganz und ihr Stil sich nicht allein in der Kleidung spiegelt, sondern in ihrem Charakter Sie gibt Französischstunden um einigermaßen über die Runden zu kommen. Nachdem eine grundlegende Sanierung des Altbaus ansteht, droht auch eine gewaltige Mieterhöhung, die für Madame Cleo nur durch die Aufnahme von einem Untermieter zu stemmen ist.
Das Schicksal schickt ihr Adamo mit seiner kleinen Tochter Mimi ins Haus. Adamo, ein Süditaliener wie er im Buch steht und die altkluge und liebenswerte kleine Mimi wirbeln Cleos Leben durcheinander. Vor allem als Mimi im Park einen Rucksack mit sehr viel Geld findet. Blutgeld, wie sie bald erfahren, sollen sie das Geld wirklich zur Polizei bringen um dem Eigentümer noch den Gewinn aus seinen üblen Geschäften zu sichern? Oder doch etwas Gutes damit tun?
Mimi und Madame Cleo haben eine wunderbare Idee und daraus erwächst ihnen ein Glück, an das sie nicht zu glauben wagten.
Eine zauberhafte Geschichte, deren Charme ich mich nicht entziehen konnte. Die Lektüre zauberte mir ein Lächeln auf’s Gesicht, ich habe mich über Stunden in diesem Zauber verloren. Mit Esprit wird die Vergangenheit zum Leben erweckt und Madame Cleo findet in jedem neuen Tag ein neues Glück. Die Wohngemeinschaft der Drei erweckte in mir fast den Wunsch ein Teil davon zu werden. Die Autorin verwebt in ihrem leichten, liebenswerten Ton ein modernes Märchen mit den heutigen Alltagsproblemen. Es ist meist Mimi, das kleine Mädchen, das sich mit ihren einfachen kindlichen Ideen über alle Probleme und Bedenken hinwegsetzt und der betagten Madame Cleo Lebensfreude zurückbringt und ihr das Gefühl einer kleinen Familie gibt.
Der Ausflug der Drei nach Paris um noch einmal Cleos Spuren ihrer Zeit als Mannequin der großen Coco Chanel folgen, bringt eine Wende, die Madame Cleo nicht erwarten konnte.
Natürlich darf in einem Märchen die gute Fee nicht fehlen, auch wenn Mimi und Cleo sie beinahe verpasst hätten. Mit dieser Fee findet die Geschichte auch ein zauberhaftes Happy End.
Ich habe diesen liebenswerten Roman sehr gern gelesen, er hat mich auf Stunden in eine andere Welt entführt. Ein Gute-Laune-Buch, das ich gern weiter empfehle.

Bewertung vom 06.03.2017
Anton zaubert wieder
Archan, Isabella

Anton zaubert wieder


sehr gut

Willa Stark, die eigenwillige österreichische Polizistin, hat sehr ungern das Europol – Austauschprogramm beendet und die Kölner Kollegen verlassen. Umso erfreuter ist, dass sie als Beraterin angefordert wird, als in Köln ein Mordverdächtiger aus Graz sich jeder Vernehmung verweigert. Man hofft, dass Willa einen Zugang zu diesem jungen Mann findet.
Anton ist Hauptverdächtiger, er saß traumatisiert mit der Leiche im Zimmer, einer Frau, die er am Abend zuvor in einer Bar kennenlernte und mit der er die Nacht verbrachte. Die Szene erinnert fatal an den Mord seiner Mutter, den er als kleiner Bub mitansehen musste.
Willa findet tatsächlich Zugang zu Anton, er spricht mit ihr und sie fühlt eine ganz besondere Verbindung und Anziehungskraft. Doch sie hält ihn nicht für den Mörder und als weitere Frauenleichen auftauchen, wird schnell klar, dass Anton als Täter nicht in Frage kommt.
Dieser spannende Krimi wird ganz von der Persönlichkeit der Ermittlerin getragen. Sie wird als vielschichtiger Charakter sehr menschlich dargestellt, mit ihren privaten Nöten und ihren Stärken. Willas Arbeitsweise ist unkonventionell, das macht es dem Leser leicht, sich mit ihr zu identifizieren und mit an der Lösung zu raten. Sie scheut vor Gefahren nicht zurück und wenn sie sich in brenzlige Situationen bringt, steht das Kölner Team fest hinter ihr.
Figuren in Extremsituationen beschreibt die Autorin immer mit besonderer Tiefe und Sorgfalt. Wenn „Frl. Ösi“ sich über bundesdeutsche Regeln hinwegsetzt, ist ein hintergründiger Witz garantiert. Die Handlung ist raffiniert aufgebaut, immer wieder gibt es Wendungen, die die Spannung durchgehend hoch halten. Aber am besten gefallen mir die Protagonisten dieses Krimis, bis zu den Nebenfiguren sind sie gut portraitiert und tragen zur psychologischen Tiefe bei.
Das ist der dritte Band um Willa Stark, aber auch ohne Vorkenntnis kann man diesen Krimi lesen, man wird sich danach wohl die Vorgängerbände auf die Leseliste setzen.

Bewertung vom 06.03.2017
Der Mordfall Franziska Spiegel
Sahrhage, Norbert

Der Mordfall Franziska Spiegel


ausgezeichnet

Franziska Spiegel, geborene Goldschmidt, eine Jüdin, lebt zurückgezogen mit Mann Gottfried und Sohn Rolf in Westfalen. Es ist der Familie bisher gelungen, die Mutter vor dem Zugriff der Nazis zu beschützen. Bis ein übereifriger Ortsgruppenleiter Franziska bei der SS denunziert und ihr Schicksal besiegelt. Am 4. November 1944 wird sie von SS - Leuten in einem nahegelegenen Waldstück erschossen.
Der Dorfpfarrer verweigert dem verzweifelten Witwer eine Beerdigung, mit Hilfe eines Bauern bekommt Franziska ein vorläufiges Grab am Waldrand.
Nach Kriegsende versucht Gottfried Spiegel die Mörder zur Verantwortung zu ziehen, allein Kriminalpolizist Zöllner ist an einer echten Aufklärung interessiert, aber er stößt auf eine Mauer des Schweigens und Desinteresse. Zöllner selbst hatte unter dem Regime zu leiden und erst nach dem Krieg wieder als Polizist arbeiten können, er geht allen Spuren nach, auch wenn er von seinen Vorgesetzten ausgebremst wird. Zeugen schweigen, werden eingeschüchtert und verschwinden, die Verantwortlichen leben längst wieder in gesicherten Verhältnissen und haben schon kurz nach der Entnazifizierung ihren Einfluss wieder gewonnen.
Man kann dieses Buch, das auf einer wahren, dokumentierten Begebenheit basiert nicht lesen ohne in einen Gefühlsstrudel gezogen zu werden. Entsetzen wechselt sich mit Wut ab.
Wütend wurde ich auf die Gleichgültigkeit der amtlichen Stellen, bei denen schon längst wieder die alten Seilschaften der Nazis das Sagen haben. Kaum jemand ist bereit sich der Vergangenheit zu stellen, es wird abgewiegelt und gebremst. Die karge, emotionslose Sprache, die Norbert Sahrhage für diesen wichtigen Roman gewählt hat, macht die Ungeheuerlichkeit der Vorgänge noch schockierender. Die Form bringt mir die Unmenschlichkeit des Nazi-Regimes und vor allem das willfährige Verhalten der Bevölkerung näher, als es eine trockene Dokumentation oder ein Geschichtsbuch könnte.
Ich halte das Buch für eine Pflichtlektüre vor allem auch für jüngere Leser, die keine Gelegenheit mehr haben, mit Augenzeugen oder Betroffenen zu sprechen.
Heute steht ein Gedenkstein an der Stelle, wo Franziska Spiegel ermordet wurde und die Gemeinde gedenkt ihr mit einem Straßennamen, eine kleine Geste der jetzigen Generation, wo die vorherige so bitter versagt hat.

Bewertung vom 05.03.2017
Der Mann, der Luft zum Frühstück aß
Knapp, Radek

Der Mann, der Luft zum Frühstück aß


ausgezeichnet

Was passiert, wenn ein Mensch entwurzelt wird? Genau damit muss Walerian klarkommen. Benannt nach einem Beruhigungsmittel, hat sich seine Mutter in seinem ersten Lebensjahrzehnt nicht groß um ihn gekümmert. Er wächst im ländlichen Polen auf, doch dann entreißt ihn seine Mutter seinem bisherigen Leben. Sie nimmt den 12jähren mit nach Wien, wo er auch wieder auf sich selbst gestellt ist. In einem fremden Land, mit einer unverständlichen Sprache und fremder Mentalität.
Doch nach unentschlossenen Schulschwänzerjahren, wieder allein gelassen von der Mutter sucht er seinen Weg in ein eigentlich kleinbürgerliches Leben. Dabei meistert er viele skurrile Situation, die mich manchmal von weitem an einen modernen Schwejk erinnerten. Sicher auch durch die ganz besondere Wiener Mentalität, mit der Walerian sich erst anfreunden muss.
Wie immer gelingt es Radek Knapp mit wenigen, aber pointierten Worten eine ganze Welt zu erschaffen. Wie ein Wurzelloser eine neue Heimat findet, das erzählt er mit einer ironischen, augenzwinkernden Distanz. Der Autor tritt ganz hinter seinen Protagonisten zurück und hat lässt Walerian schnell ganz lebendig und echt werden.
Natürlich kann man das Buch auch ganz aktuell und zeitkritisch lesen, aber da die Geschichte schon einige Jahrzehnte früher angesiedelt ist, bleibt es jedem selbst überlassen, was er zwischen den Zeilen liest und aus diesem schmalen Bändchen mitnimmt.
Seit „Herrn Kukas Empfehlungen“ lese ich Radek gern und bin auch dieses Mal wieder begeistert.

Bewertung vom 04.03.2017
Tod in den Karawanken
Nagele, Andrea

Tod in den Karawanken


ausgezeichnet

Andrea Nageles Bücher sind keine Krimis, deren Handlung sich in Mord – Spurensuche – Aufklärung erschöpfen. Sie schreibt psychologisch fein abgestimmte Dramen, die Menschen in Situationen zeigen, in denen der Alltag ins Wanken gerät.
Lilo, Gymnasiallehrerin hat ein Sabbatjahr genommen, sie braucht eine Auszeit, ihre Ehe scheint brüchig, die heftig pubertierende Tochter raubt ihr die Nerven, dazu kommt eine Bedrohung, die direkt aus der Vergangenheit aufgetaucht ist.
Als Lena, ihre Tochter, nicht wie vereinbart, mit dem Bus ankommt, macht sich Lilo erst noch keine Gedanken, es ist nicht das erste Mal, das Lena einfach nicht auftaucht. Aber ihr Mann Hanno reagiert panisch und bittet den gemeinsamen Schulfreund Simon Rosner, die Suche nach Lena zu starten. Rosner, ein Kriminalbeamter ist wegen seiner Alkoholsucht in einer Entzugsklinik und hat nur wenig Lust sich einzumischen. Lilo konnte er schon zur gemeinsamen Schulzeit nicht recht leiden, aber Hanno zuliebe, lässt er sich überreden. Aber Lena ist schon wieder da, sie hat einfach eine Nacht bei ihrem neuen Freund verbracht.
Aber damit beginnt der eigentliche Nervenkrieg, alle haben mit ihrer Vergangenheit zu kämpfen und nur sehr langsam kommt Licht ins Dunkel.
Das ist die Kunst der Autorin, sie lässt ihren Figuren tief in die Seele blicken. Dadurch erreicht sie eine Spannung, die keine vordergründigen Aktionen mehr braucht. Es ist der leise Schrecken alter Geheimnisse und unausgesprochener Lügen, die den Sog des Buches ausmachen. Die Autorin arbeitet auch als Psychotherapeutin, das spürt man in der Beschreibung der Charaktere, tiefgründige, vielschichte Personen, deren Handlungen nicht einfach in „Gut“ und „Böse“ einzuordnen sind.
Ein tolles Buch, spannend bis zur letzten Seite, wirkt es noch lange nach.