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leseleucht
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Alfter

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Insgesamt 137 Bewertungen
Bewertung vom 23.07.2023
Der Bornholm-Code (MP3-Download)
Rehm, Thorsten Oliver

Der Bornholm-Code (MP3-Download)


weniger gut

Mit Längen
Archäologische Funde vor Bornholm, die eine Verbindung zwischen der Varus-Schlacht und dem legendären Schatz der Nibelungen erahnen lassen, ziehen nicht nur Taucher und Wissenschaftler an, sondern auch machthungrige Politiker, die damit die Weltherrschaft erstreben.
Insbesondere die Bezüge zwischen Varus und Siegfried bieten durchaus interessantes Potential, leider veranlassen sie die Hauptfigur zu langen, sich des öfteren wiederholenden belehrenden Vorträgen, denen zu folgen gerade in der Hörfassung schwer fällt. Diese dominieren die ersten zwei Drittel so sehr, dass die Thrillerhandlung, auch wenn sie im letzten Drittel an Fahrt aufnimmt und dabei zugegebenermaßen schon recht absurde Züge annimmt, mich als Zuhörer gar nicht mehr in den Bann ziehen konnte. Dies wird durch die recht monotone Vortragsweise, mit der sowohl die Wissensreferate als auch die Partien mit mehr Handlung (Entführung, Mordanschlag uswusf.) gleichermaßen vorgetragen werden, nicht gerade besser. Ein eher zähes Hörvergnügen.

Bewertung vom 26.06.2023
Die Wölfe von Pompeji
Harper, Elodie

Die Wölfe von Pompeji


gut

Die Vergessenen der Geschichte
Das Leben von Frauen, zumal von Sklavinnen in der Antike führte in der antiken Geschichtsschreibung immer ein Schattendasein: zu unbedeutend, um groß Worte darauf zu verschwenden. Umso weniger ist von ihrem Alltag, ihren Wünschen und Träumen bekannt. Umso mehr bietet es Anlass für Spekulationen und fiktive Vervollständigung. Das Thema des historischen Romans „Die Wölfe von Pompeji“ ist durchaus gut gewählt und gelungener Gegenstand für einen opulenten historischen Wälzer à la Colleen Mcloughlin.
Amara, Tochter aus guten Hause, verschlägt das harte Schicksal in die Welt der Bordelle von Pompeji. Konfrontiert mit der brutalen Realität eines Lebens als Sklaven im Dienste der Liebe und getragen von der Hoffnung, ihre einstige Freiheit wieder zu erlangen, sucht sie Trost und Rückhalt bei den anderen Sklavinnen. Doch neben Liebe und Freundschaft regieren auch Intrigen und Verrat. Wird Amara eine Chance auf eine bessere Zukunft haben?
Insgesamt gibt die Autorin interessante Einblicke in das Bordellleben der Zeit und arbeitet ihre Hauptfiguren recht gut aus. Der Stil ist flüssig und leicht zu lesen. Allerdings bleibt der historische Ort, Pompeji, etwas blass. Und auch die Handlung zieht sich. Es scheint sich im Moment in der Unterhaltungsliteratur, besonders im Genre historischer Roman der Trend abzuzeichnen, mehr über die Gefühlslagen und Gedankenwelten der Figuren in der Innensicht zu erzählen, statt Handlung wirklich geschehen zu lassen und den Leser mit in den Strudel von Ereignissen zu ziehen. Da sind für mich die Wälzer einer Colleen Mcloughlin voll packender Spannung, dafür ohne seitenlange innere Monologe über Befindlichkeiten, dann doch das größere LeseERLEBNIS.

Bewertung vom 20.06.2023
Zwischen Himmel und Erde
Rodrigues Fowler, Yara

Zwischen Himmel und Erde


weniger gut

Sehr artifiziell
Eine Doktorarbeit führt die brasilianische Studentin Catarina nach London und in die WG von Melissa. Beide sind sehr unterschiedlich, scheinen aber über das Land Brasilien eine Verbindung zu haben. Es entwickelt sich eine Freundschaft, die die Geschichten von Brasilien und London zu verbinden scheinen.

Der experimentelle Schreibstil verhindert ein Abtauchen in eine Erzählhandlung und eine innere Annäherung an die Figuren. Immer wieder wird der Leser durch den Wechsel zwischen Prosa und Poesie, zwischen kurzen Fließtexten und vermeintlich zusammenhangslosen Wortfetzen aus dem Lesefluss katapultiert. Dabei changieren die Themen zwischen banaler Alltagsprosa, realhistorischer Politik und philosophischer Gesellschaftslehre.

Sicherlich ein spannendes Experiment, aber ein wenig überfrachtet und zu gekünstelt. Und auf über 500 Seiten ein Marathon für den Leser. Wie bei einem Experiment: Ausgang offen – für den einen klappt`s, für den anderen nicht. Aber ohne garantierte Wiederholbarkeit bleibt die Frage nach dem Sinn des Ganzen.

Da nutzt das wunderschöne Cover auch nur dem Büchersammler, der mehr sammelt, als liest.

Bewertung vom 18.06.2023
Der Traum vom einfacheren Leben
Fredriksson, Anna

Der Traum vom einfacheren Leben


gut

Ein zweifelhaftes Lob auf die Selbstverwirklichung
Drei Generationen Frau zwischen Schweden und Dänemark auf der Suche nach einem gelingenden Leben: Die jüngste ist Josefin. Sie kämpft mit ihrem Freund Harald für den Erhalt eines alten Hofes, der einmal ein Selbstversorgerdasein ermöglichen soll. Doch das Geld ist immer knapp und die Arbeit immer viel. Da lockt ein Angebot in einem trendigen Laden mit nachhaltigen, aber teuren Klamotten in Malmö zu arbeiten und wieder Großstadtluft und – leben zu schnuppern und genießen. Passt das zum Traum vom einfachen Leben ohne Konsum? Und was wird aus ihrer Beziehung zu Harald?
Ihre Mutter Sally eröffnet währenddessen eine kleine Frühstückspension im Fischerdorf Kivik. Lange hat sie sich als alleinerziehender Mutter als Pflegehelferin durchschlagen müssen. Mit Männern hatte sie kein Glück. Auch bei ihr ist das Geld immer ein Problem. Und die Männer auch. Kann sie sich mit ihrer Pension durchsetzen? Und wird sie sich für den Richtigen entscheiden?
Die dritte im Bunde ist Sallys Mutter und Josefins Großmutter Vanja. Sie ist gestaltende Künstlerin, hat ihren Mann und ihre Tochter im Alter von drei Jahren verlassen, zog in der Welt umher und landete dann in Stockholm. Auch sie kann keine großen Sprünge machen. Und künstlerisch ist auch sie auf der Suche. Eigentlich zieht sie alles zurück nach Kivik, um sich mit ihrer Tochter zu versöhnen. Können die Frauen noch zu einander finden? Und kann sie ihrer Enkelin helfen, ihren Traum vom einfachen Leben zu leben?
Der Autorin gelingt es gut, die Sommerstimmung in Skandinavien einzufangen. Doch der so locker leichte äußerliche Rahmen zeigt drei Lebenswege, die alles andere als einfach sind. Die Figuren dabei sind durchaus interessant konzipiert und ihre Lebenswege thematisieren auf ganz unterschiedliche Weise diei Frage: Wie willst du leben? Und welchen Preis bist du dafür bereit zu zahlen? Ich finde die Entscheidungen der Figuren dabei allerdings häufig auch ein wenig schwer nachzuvollziehen. Sie wirken bisweilen doch sehr eigennützig oder sehr ich-bezogen. Die Selbstverwirklichung wird dann gerne auch einmal auf Kosten anderer durchgezogen, aber genauso leichtfertig wieder über den Haufen geworfen. Die Haltungen dabei scheinen mir von allen Parteien recht starr und dogmatisch, was auch immer wieder zu Konflikten zwischen den einzelnen Parteien, z. B. Harald und seinen Eltern, Sally und ihrer Mutter Vanja oder Josefin und Harald führt. Vielleicht wäre es hilfreich gewesen, den ersten Band der Reihe zu kennen, um die Beweggründe der Personen besser nachvollziehen zu können. So ist mir der Umschwung der Meinungen stellenweise zu abrupt.
Auch die Sprache in der Übersetzung ist stellenweise ein wenig unelegant, soddass man über Wendungen wie „am + substantiviertem Infinitiv“ hängen bleibt.
Insgesamt zeigt sich, dass der Traum vom einfacheren Leben einfacher zu träumen als zu leben ist.

Bewertung vom 07.06.2023
Die Reisenden der Nacht
Correa, Armando Lucas

Die Reisenden der Nacht


sehr gut

Die im Dunkeln leben

Über vier Generationen erstreckt sich der Roman „Die Reisenden der Nacht“ von Armando Lucas Correa. Schon Ally muss ihre Tochter Lilith, einen „Rheinlandbastard“, die die dunkle Haut von ihrem Vater geerbt hat, bei Nacht auf eine Reise ins Unbekannte schicken, um sie vor den Hygienegesetzen der Nazis zu retten. Mit Hilfe eines jüdischen Ehepaares erreicht sie auf der St. Louis Kuba, wo sie bei ihnen aufwächst, sich in einen Mann verliebt und mit ihm eine Tochter bekommt, Nadine. Und zwar genau in der Nacht, als die Kommunisten die Herrschaft über das Land übernehmen und die Anhänger der alten Regierung, wie Lilith Mann, beseitigen. Auch Lilith muss sich von ihrer Tochter trennen, die zu Adoptiveltern kommt. Das Ehepaar zieht sie in New York groß, bis die Frau und Adoptivmutter Nadines als Österreicherin der Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Nazi-Regimes in Deutschland angeklagt wird. Somit schließt sich der Kreis, denn Nadine macht sich mit ihrem Adoptivvater nach Deutschland auf, da er seine Frau in ihrem Prozess unterstützen will. Nadine fasst in Berlin Fuß, studiert, verliebt sich und bekommt eine Tochter, Luna, die vieles von ihrer Urgroßmutter geerbt hat: die Dichtkunst und die Vorliebe für die Dunkelheit.
Correa gibt mit seinem Familienroman ein erschütterndes Zeugnis ab über die Grausamkeit der Menschen und des Schicksals, das die Protagonistinnen immer wieder aus ihrem Leben vertreibt und mit schrecklichen Schlägen dafür straft, das sie anders sind, nicht dazu gehören und dafür verfolgt und ausgegrenzt werden. In einer seltsam anmutenden Verbindung von Poesie und der historisch fundierten Schilderung zweier verschiedener Epochen des Unrechts und der Gewalt in Deutschland und Kuba nimmt er den Leser mit auf diese Reise durch die Nacht, die zeigt, dass der Mensch der Geschichte und auch seiner eigenen Lebensgeschichte nicht entkommen kann. Während das Leben Allys in Deutschland sehr surreal wirkt, weil sie quasi nur bei Nacht lebt, um ihre Tochter zu verstecken, wirkt die Lebensphase Liliths in Kuba dagegen solange recht real und lebendig, bis auch sie sich gänzlich in der Finsternis ihres Haus abschottet vom Leben ohne ihre Tochter. Der letzte Teil, Nadines und Lunas Leben in Berlin, wirkt dagegen wieder sehr realitätsnah. Hier stören ein wenig die großen Zeitsprünge, die den Leser immer wieder aus der Kontinuität der Geschichte reißen. Vielleicht will der Autor hier zu viele Erzählfäden zu ihrem Ende und zusammenführen, ohne sich dafür die Zeit zu nehmen. Auch die Art, wie der ein oder andere Faden sein Ende findet, ist im Angesicht des dramatischen Schicksals dieser Familie dann doch mit zu großem Willen zur Harmonie zu Ende gesponnen.

Bewertung vom 21.05.2023
Die Macht der verlorenen Träume (MP3-Download)
Durst, Sarah Beth

Die Macht der verlorenen Träume (MP3-Download)


ausgezeichnet

Ein monstermäßiges Hörvergnügen
Es muss schrecklich sein, ein Leben zu führen, ohne jemals träumen zu können. Auf der anderen Seite ist das vielleicht besser so, wenn das oder der, was bzw. wen man träumt, zum Leben erweckt wird, Monster inklusive. So ergeht es dem Mädchen Sophie, deren Eltern unter ihrem Buchladen ein Geschäft für Träume haben. Sie destillieren die Träume anderer und verkaufen die kleinen Fläschchen mit den Extrakten, was eigentlich verboten ist. Denn es ist gefährlich: Eines Tages werden die Fläschchen mit den schlimmsten Träumen gestohlen. Und auch Sophies Eltern sind auf einmal verschwunden. Gemeinsam mit ihrem Freund Ethan macht sich Sophie auf die Suche nach ihnen und muss im Kampf gegen die verschiedensten Traummonster, die auf einmal zum Leben erwacht sind, selbst eine kleine Armee aus Traumgespinsten zum Leben erwecken. Doch um ihre Eltern retten zu können, wird sie einen hohen Preis zahlen müssen…
Das Hörbuch „Die Macht der verlorenen Träume“ von Sarah Beth Durst ist ein atemberaubendes Hörabenteuer, das vor Phantasie nur so übersprudelt. Eine ganze Parade von Monstern, die bisweilen an die Bewohner von „Alice im Wunderland“ erinnern, beflügeln die Phantasie des Zuhörers, der von einem Abenteuer in das nächste gestürzt wird. Mit vielen überraschenden Wendungen entwickelt sich die Handlung auf ein fulminantes Finale zu. Dabei geht es aber neben aller Träumerei auch um so ernste Themen wie das Anderssein, das Alleinsein, Freundschaft und die Überwindung von Angst. Denn Sophie ist auf dem Weg durch ihr Abenteuer nicht allein, obwohl sie, die nicht träumen kann, sich bis dahin so anders und allein gefühlt hat. Ein phantastisch gestaltete Welt und sympathische Figuren, mit denen der Hörer mitfiebern kann, machen das Buch zu einem großartigen Hörbuch, vervollkommnet durch die perfekt passende Stimme von Hannah Schepmann, die den Text einfach toll eingelesen hat.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.05.2023
Der Glanz verlorener Zeiten (MP3-Download)
Elste, Karen

Der Glanz verlorener Zeiten (MP3-Download)


gut

Eine unkonventionelle Frau
Alice wird als junges Mädchen mit dem älteren Aubrey verheiratet, um die verarmte Familie auf Creston Hall zu sanieren. Zwar ist Alice ein nicht ganz unerfahrenes Mädchen, doch stellt die Ehe mit Aubrey sie vor einige Hindernisse: Wer ist dieser schweigsame Mann, der kaum Interesse an ihr zu haben scheint, und warum hat er sie geheiratet? Der Hörer begleitet Alice auf den Irr- und Umwegen ihrer Ehe über Frankreich zurück nach England und von dort, als der 2. Weltkrieg auszubrechen droht, nach Amerika, begleitet von diversen Männerbekanntschaften, die die Leere ihrer Ehe durch die häufige Abwesenheit ihres Mannes füllen sollen. In Amerika beginnt für Alice ein neuer Lebensabschnitt: sie erhält die Möglichkeit, eine Kolumne in einer Zeitung zu schreiben und ihr erstes Buch zu veröffentlichen. Doch die dunklen Schatten aus Europa reichen sehr weit …
Das Hörbuch ist weder historischer Roman noch Familiensaga, vielleicht kann man es am ehesten als Sittengemälde beschreiben, um keine falschen Erwartungen zu wecken. Es geht um das Leben der Frauen, das sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch die zwei Weltkriege entscheidend zu verändern beginnt und das doch noch lange den alten Konventionen verhaftet bleibt. Auf der einen Seite ist die materielle Versorgung der Frau in der Ehe noch das gängige Modell, in dem sie sich dem Wunsch des Mannes zu fügen und kaum eine Chance hat, sollte sie ungewollt ein Kind erwarten. Auf der anderen Seite sind Frauen immer mehr gezwungen, sich selbst zu erhalten, durch Berufstätigkeit oder geschickte Ehepolitik. Alice bewegt sich irgendwo dazwischen. Zwar hat sie sich den Eheplänen ihrer Mutter zu beugen und ist lange so unselbständig, wie es junge Mädchen mit den entsprechenden Hauspersonal eben sind, so lässt ihr Mann ihr in ihrer Ehe doch reichlich Freiheit auch für Affären und sexuelle Abenteuer sowie für ihre schriftstellerischen Ambitionen. Doch bleibt sie letztlich in der Sehnsucht nach der Liebe des Mannes, mit dem sie zwar verheiratet ist, der aber zugleich unerreichbar scheint, gefangen. Weit über die Hälfte des Buches begleitet man sie durch zahl- und wahllose Affären und Selbstbespiegelungen ihrer Sehnsüchte, was ein wenig mühselig ist. Dabei scheint sie in einer Art luftleerer Blase zu leben, tangiert ihr Leben doch kaum etwas als ihr Seelenleben und ihre Beziehung(en). Erst mit der Zeit in Amerika nimmt auch die äußere Handlung an Fahrt auf, der Krieg tangiert zumindest in Briefform jetzt auch Alices Leben. Mit ihrer Schriftstellertätigkeit setzt allmählich auch ein Prozess der Selbständigkeit ein: sie kauft ein Haus, lernt Autofahren und auch ein wenig kochen.
Die breite Schilderung des Sitten- und Seelenlebens muss man mögen, auch wenn der Schluss mich etwas versöhnlicher stimmt.
Der Vortrag des Hörbuches passt für mich sowohl stimmlich als auch von der Intonation, sodass sich schnell das Gefühl einstellt, der Hörer folge Alice eigenen Worten und Gedanken.

Bewertung vom 18.05.2023
Gidget. Mein Sommer in Malibu
Kohner, Frederick

Gidget. Mein Sommer in Malibu


gut

Sommer eines Lebens
Franzie ist 15, ein aufgewecktes Mädchen aus den 50er Jahren in Amerika. Sie wohnt mit ihren Eltern in der Nähe zu Malibu und zum Meer. Und als sie eines Tages mit ihren Eltern den Strand besucht und die Surfer die Wellen vor der Küste reiten sieht, weiß sie, dass will sie auch können. Sie lernt nicht nur die coolen Surfer-Typen kennen, die ein ganz eigenes Lebensgefühl verkörpern, sondern auch die Liebe. Und sie wird, wie sagt, über Nacht erwachsen.
Der dünne Romanband beruht auf der wahren Geschichte eines amerikanischen Mädchens, das mit ihrem Traum von Surfen, den sie ihrem Vater erzählte, der daraus diesen Roman machte, zur Vorreiterin für eine ganze Sehnsuchtsbewegung wurde, die danach strebte, ein unbeschwertes Sommer-Sonne-Strand-und-Meer-Leben als Surfer:innen zu führen. Denn dieses Lebensgefühl fängt der Roman sehr gut ein. Mit den Augen eines frühreifen, recht selbstbewussten Teenagers, der in einem behütenden, aber auch sehr weltoffenen Haushalt groß wird, blickt der Leser auf die „Crew“, eine Gruppe alterslos jung erscheinender, braungebrannter Surfer, die den Wellen hinterher reisen, von Gelegenheitsjobs leben oder pro forma aufs College gehen und sich coole Namen geben. Sie leben stets im Hier und Jetzt, verschwenden keinen Gedanken an Sorgen oder Zukunftspläne. Ein verlockendes Lebensmodell. Konfrontiert wird dies mit den schwärmerischen Träumen eines Backfisch-Mädchens, das natürlich doch – trotz aller burschikosen Versuche, in dieser Crew gleichberechtigte Aufnahme zu finden – auf die große Liebe unter den sportlich braungebrannten Hünen hofft. Leider nimmt die Schilderung dieser glühend schwülstigen Sehnsüchte und der taktischen Überlegungen, sich zum begehrenswerten Objekt zu machen bei aller Angst, die Jungfräulichkeit doch allzu unüberlegt zu verlieren, zwischenzeitlich immer mehr Raum ein und wird zum dominierenden Thema. Hinzu kommt der für ein 15jähriges Mädchen der 50er Jahre doch bisweilen ziemlich schnoddrige Ton – „alter Falter“, der auch etwas nervtötend anmutet, auch wenn er vielleicht zu diesem unerschrockenen Mädchen passen mag.
Interessant und lesenswert ist auf jeden Fall das Nachwort von Volker Weidermann über die prominent Familie des Autors von „Gidget“ und seiner Tochter, der Vorlage für das Surfergirl im Roman.

Bewertung vom 15.05.2023
Das Café ohne Namen
Seethaler, Robert

Das Café ohne Namen


sehr gut

Ein Ort zum Festhalten
Robert Simon erfüllt sich einen Traum und eröffnet ein Café am Karmelitermarkt im Wien der 60er Jahre. Es ist ein armes Viertel. Seine Kundschaft sind Arbeiter, Händler vom Markt und die ein oder andere Randexistenz der Wiener Gesellschaft. Doch das Café läuft gut an. Es ist ein Ort zum Festhalten in einer Zeit des schnellen Wandels, der die Figuren der Erzählung herumwirbelt und meist nicht vorwärts bringt. Wie das Leben selbst, so ist auch das Glück nicht von Dauer und lässt sich nicht festhalten. Simons Kellnerin Mila findet die Liebe, aber ihr Geliebter ist ein ausgedienter Preisboxer und dem Alkohol nicht abgeneigt. Simons Vermieterin ist eine alte Witwe, die in Simon noch einmal Gesellschaft findet, aber mehr und mehr ihre Erinnerungen an das Leben verliert. Simons Nachbar und Freund, wenn man so sagen will, der Fleischer, hat eine Frau und zwei Kinder, aber es kommt noch ein drittes, das krank ist. Die Milch- und Käsehändlerin Heide hat die Liebe zum Maler Mischa, doch der liebt auch andere Frauen.
Es sind eher die kleinen Schicksale die Robert Seethaler in seinem Roman vom Café ohne Namen porträtiert. Er ist ein Meister der ruhigen Stimmung und ein sanfter Erzähler. Beim Lesen seiner Bücher fällt der Leser ein wenig aus seiner eigenen hektischen Welt. Hier entsteht ein stimmungsvolles Bild eines armen Wiener Viertels. Das wechselnde Wetter, die warmen Sommer und die eisig kalten Winter stehen im Einklang mit der Freude und der Wehmut der Menschen. So steht der Winter häufig für Rückzug, Einkehr, aber auch Stillstand, während der Frühling die Genesung und den Aufbruch bringen. Dieses Wechselspiel findet sich auch in den Gesprächen der beiden Cafébesucherinnen, die nicht genauer benannt oder beschrieben werden, deren Wechselgespräche in der zweiten Hälfte des Romans in jedem zweiten Kapitel das Geschehen kommentieren. Auch hier haben wir eine eher resignierende Stimme und ein optimistisches Gegengewicht, die das Leben und die Menschen mit gnädigerem Blick bedenkt.
Die Hauptfigur Robert Simon wächst dem Leser ans Herz: der bescheidene Mann, der das kleine Glück für sich sucht, der still beobachtet, aber nie urteilt, der allen Gästen Respekt und Interesse entgegenbringt, der anpackt und seinen Laden wie sein Leben in Ordnung hält, der sich kümmert im Kleinen, wie z. B. um seine Vermieterin oder auch um den Besitzer des Hauses, in dem er sein Café gepachtet hat, aber auch im Großen, als er das Haus und den Markt vor einer Katastrophe bewahrt.
Es ist ein kleines, beschauliches Büchlein, das ohne großes Kino und große Gefühle auskommt. Es gibt auch keine durchgängigen Handlungsstränge, zum Festhalten für den Leser gibt es auch „nur“ das „Café ohne Namen“ als Dreh- und Angelpunkt. Neben den leisen Tönen muss man das Episodenhafte mögen. Dabei betreten manche Figuren den Schauplatz genauso unvermutet, wie sie ihn wieder verlassen, und lassen den Leser ein wenig ratlos zurück, wie z. B. die Frau mit der Taube, Jascha, die Simon für kurze Zeit den Kopf verdreht, bevor sich in ihrem Kopf alles zu verdrehen scheint. Aber wer sich einfach von Stimmungen berühren lassen mag und ein Herz für die einfachen, bisweilen aber auch recht verschrobenen Menschen hat und einen Ort zum Fest- oder eher Innehalten sucht, dem sei das kleine Buch ans Herz gelegt.