Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Büchermaulwurf
Wohnort: 
Dreieich

Bewertungen

Insgesamt 148 Bewertungen
Bewertung vom 11.07.2020
Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1
Stern, Anne

Schatten und Licht / Fräulein Gold Bd.1


ausgezeichnet

Gelungener Auftakt einer Hebammen-Saga im Berlin der frühen Zwanziger

Dieser Roman hat mich durch den sehr gelungene Mix aus historischem Roman, Krimi und einer zarten Liebesgeschichte wirklich positiv überrascht und begeistert.

Im Mittelpunkt steht die gewitzte und unerschrockene Hebamme Hulda Gold, die sich mit viel Hingabe um die zumeist armen Schwangeren und Wöchnerinnen im Elendsviertel Bülowbogen kümmert. Bei einem Hausbesuch einer ihrer Schwangeren, hört sie von deren Nachbarin Rita, die tot im Landwehrkanal gefunden wurde. Ihre Schwangere glaubt nicht an einen Unfall oder Selbstmord der Nachbarin und Hulda versucht für sie mehr herauszufinden. Bei ihren Nachforschungen stößt sie auf den undurchsichtigen Kommissar Karl North, der scheinbar kaum Interesse an einer Aufklärung des Falls hat. Rita lässt das Schicksal der armen Rita keine Ruhe und sie bringt sich durch ihre Nachforschungen selbst mehr als einmal in große Gefahr.

Anne Stern hat die Atmosphäre der frühen zwanziger Jahre in Berlin sehr gut eingefangen. Die Auswirkungen des ersten Weltkriegs sind noch immer spürbar. Es herrscht Armut und Prostitution und viele Waisenkinder hungern und führen ein trostloses Leben auf der Straße. Die Unterschiede zwischen Arm und Reich treten offen zu Tage. Politische Unruhen zeichnen sich bereits ab und das Geld verliert zusehends an Wert. Die damalige Zeit wird für den Leser sehr lebendig beschrieben und bildete einen authentischen Hintergrund für die Handlung.

Die lebendige Erzählweise gefiel mir sehr gut und lies mich an Huldas Seite durch den Bülowbogen radeln, in dem Licht und Schatten oft dicht beieinander lagen.
Huldas Charakter fand ich sehr authentisch und mit vielen Facetten. Sie ist eine unabhängige Frau, die ihre Arbeit als Hebamme mit viel Herzblut verrichtet. Das Schicksal ihrer Schwangeren liegt ihr sehr am Herzen. Durch ihre Hilfsbereitschaft gerät sie aber auch oft in Schwierigkeiten. Sie hat schon einiges hinter sich und stürzt sich auch mal heimlich und unerkannt ins Nachtleben. Kommissar North ist ebenfalls ein interessanter Charakter, der ein Geheimnis aus seiner Vergangenheit mit sich herumträgt. Aber auch viele Nebencharaktere hauchen der Geschichte Leben und Authentizität ein wie z.B. Bert der Kioskbetreiber, die Hausmeisterin Koslowski oder der Zuhälter Pedro.
Besonders tragisch ist das Schicksal von Rita. Ihre Geschichte wird mit ihrem Tagebuch eingeflochten und zeigt ihren bewegenden sozialen Abstieg. Über sie erhält man auch Einblicke in die damaligen Irrenanstalten und Nervenlazarette mit sehr fragwürdigen, erschreckenden Behandlungsmethoden.

Hulda Gold war für mich ein sehr sympathischer und lebendiger Charakter, der mich in das Berlin der 20er Jahre entführte und mir die damalige Zeit sowie die schwierige Arbeit einer Hebamme nahebrachte. Nebenbei ist sie noch federführend an der Aufklärung von Ritas Tod beteiligt. Der Kriminalfall fand eine überraschende und glaubwürdige Auflösung.

Insgesamt ist der Auftakt zur Hulda Gold-Trilogie sehr gelungen in seiner Kombination aus historischem Roman, Krimi und zarter Liebesgeschichte und auf jeden Fall lesenswert. Ich freue mich schon auf die Fortsetzung im November um zu erfahren, wie es mit Hulda weitergeht.

Bewertung vom 09.07.2020
Der Würfelmörder / Fabian Risk Bd.4
Ahnhem, Stefan

Der Würfelmörder / Fabian Risk Bd.4


sehr gut

Vielschichtig, komplex und hochspannend
Dieses Buch ist bereits im vergangenen Jahr unter dem Titel „10 Stunden tot“ erschienen und bereits der 4. Band einer schwedischen Reihe um Kommissar Fabian Risk. Der Verlag hat es nun nochmals unter dem Titel „Der Würfelmörder“ herausgebracht, zusammen mit dem 2.Teil „Die Rückkehr des Würfelmörders“. Beide Teile bilden quasi eine optisch sehr gut zusammenpassende Miniserie.

Ich kannte die ersten drei Bände noch nicht, konnte mich aber trotzdem gut in die Handlung und die Charaktere der Ermittler einfinden.
Stefan Ahnhem hat mich mit einer sehr komplexen Handlung und einem außergewöhnlich guten Schreibstil positiv überrascht. Es gibt mehrere Handlungsstränge und mit jedem Kapitel wechselt die Erzählperspektive, was das Erzähltempo und die Spannung stetig steigert. Ahnhem hat in seinem Krimi gleich mehrere gesellschaftskritische Themen wie Ausländerhass, Rechtsradikalismus, Pädophilie aufgegriffen und glaubwürdig in die Handlung integriert. Der ständige Wechsel der Erzählperspektive und die vielen Handlungsstränge erfordern allerdings auch eine gehörige Portion Aufmerksamkeit, um nichts zu verpassen. Der rote Faden war für mich aber immer vorhanden.

Die handelnden Charaktere fand ich durchweg glaubwürdig, hatten sie doch (wie in skandinavischen Krimis üblich) alle ihr Päckchen zu tragen. Fabian Risk kämpft gegen das Auseinanderbrechen seiner Familie, nachdem seine Tochter im Koma lag und der Sohn vermutlich in ein Verbrechen verwickelt ist. Außerdem ermittelt er heimlich gegen einen Kollegen aus der Kriminaltechnik, der vermutlich für mehrere Morde verantwortlich ist. Seine Chefin kämpft gegen ihre Alkoholsucht und die Kollegin Irene Lilja gerät ins Visier von rechtsradikalen Rockern.

Als Leser wurde ich diesmal wirklich gefordert: gleich mehrere grausame Verbrechen, mehrere Täter, ein Mörder in den eigenen Reihen und dazu ein Serienmörder, der seine Opfer mit Hilfe eines Spezialwürfels auswählt (ebenso wie den Tatort und die Waffe). Dazu noch die privaten Probleme der Ermittler, die zusätzlich für Spannung sorgten. Ich konnte das Buch jedenfalls kaum aus der Hand legen und werde die ersten drei Bände demnächst nachholen um meine Lücken aufzufüllen.

Einziger Wermutstropfen: es werden nicht alle Verbrechen in diesem Band aufgeklärt. So wird der Würfelmörder nicht gefasst und der mordverdächtige Kollege Molander konnte auch noch nicht überführt werden. Die Fortsetzung „Die Rückkehr des Würfelmörders“ erscheint glücklicherweise zeitgleich, sodass man sofort weiterlesen kann.

Bewertung vom 24.06.2020
DUNKEL / HULDA Trilogie Bd.1
Jonasson, Ragnar

DUNKEL / HULDA Trilogie Bd.1


ausgezeichnet

Vom Ende zum Anfang
„Dunkel“ ist der außergewöhnliche Auftakt einer Thriller-Trilogie um die wohl einsamste Kommissarin Islands, Hulda Hermannsdóttir. Die weiteren Bände „Insel“ und „Nebel“ erscheinen schon im Juli bzw. September.

Wir lernen Hulda am Ende ihrer Karriere kennen. Einige Monate vor ihrer Pensionierung muss sie verfrüht in den Ruhestand gehen, um Platz für einen jüngeren Kollegen zu machen. Da ihr das sehr schwer fällt, kann sie ihrem Chef einen letzten Fall abringen, den ungelösten Todesfall einer jungen Asylbewerberin, der bisher nicht aufgeklärt werden konnte und deshalb als Selbstmord zu den Akten gelegt wurde. Hulda stellt schnell fest, dass die bisherigen Ermittlungen zum Tod der jungen Frau sehr schlampig und oberflächlich geführt wurden und stürzt sich unter Zeitdruck in ihre Ermittlungen. Sie ist von der Ermordung Elenas, einer Russin, überzeugt und will unbedingt den Mörder finden, um ihr Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Rückschläge halten sie nicht davon ab, immer tiefer in dem alten Fall zu graben, um die Wahrheit ans Licht zu bringen und so wird die Ermittlung zur riskantesten ihres Lebens.

Die Handlung wird durch drei Handlungsstränge bestimmt, die sich abwechseln. Einmal schauen wir Hulda bei ihren Ermittlungen in der Gegenwart über die Schulter. Dazwischen finden sich eingeschobene Kapitel in kursiver Schrift aus Sicht des Opfers und in einem weiteren erhalten wir Einblicke in Huldas Kindheit, die recht traurig und bedrückend sind. Diese wechselnden Perspektiven und kurzen Kapitel sorgen für ein hohes Lesetempo und drehen an der Spannungsschraube. Das Ende kommt mit einem Paukenschlag und lies mich sprachlos zurück.

Kaum begonnen, hat das Buch einen großen Sog bei mir entwickelt, der es mich kaum zur Seite legen ließ. Hulda war für mich eine außergewöhnliche Protagonistin, in die ich mich sehr gut hineinversetzen konnte. Sie hat kein Privatleben, nur ihre Arbeit und ist tatsächlich sehr einsam. Ihre Kindheit war alles andere als glücklich und auch als Erwachsene hatte sie einige Schicksalsschläge zu erleiden. Ihre Tochter, die früh starb hieß Dimma, was Dunkel bedeutet. Ihr einziger Lichtblick für die Zeit nach der Pensionierung ist Pétur, ein Freund aus dem Wanderverein, zu dem sie gerade vorsichtig eine Beziehung aufbaut. Die Einblicke in ihre Vergangenheit, die sie ihm gewährt sind sehr bewegend und auch schockierend, denn sie bewahrt ein dunkles Geheimnis. Hulda ist eine komplexe Figur und wirklich großartig charakterisiert. Ich möchte unbedingt noch mehr über sie erfahren und warte schon sehnsüchtig auf den 2. Band, in dem wir die junge Hulda kennenlernen werden.

Ich fand „Dunkel“ als Reihenauftakt grandios und kann es allen Nordic Noir Fans nur wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 24.05.2020
Das Dorf der toten Seelen (eBook, ePUB)
Sten, Camilla

Das Dorf der toten Seelen (eBook, ePUB)


sehr gut

Typisch skandinavischer Thriller mit Gänsehautgarantie
Alice Linstedt plant einen Dokumentarfilm über die ehemalige Bergarbeitersiedlung Silvertjärn, Schwedens einige Geisterstadt, zu drehen. In 1959 verschwanden hier alle 900 Einwohner unter bis heute ungeklärten Umständen von einem Tag auf den anderen, nur ein Säugling wurde gefunden. Alice hat einen biografischen Bezug zu Silvertjärn, denn ihre Großmutter ist dort aufgewachsen und kurz vor dem Verschwinden der Bewohner fortgezogen. Nun kommt sie mit ihrem vierköpfigen Team zu Probeaufnahmen in den verfallenen Ort, in der Hoffnung herauszufinden, was damals geschehen ist.
Doch kurz nach der Ankunft geschehen unheimlichen Dinge, die ihnen das Gefühl geben, nicht allein in dem verlassenen Ort zu sein. Ihre Handys haben hier keinen Empfang und so sind sie von der Außenwelt abgeschnitten, als ein Teammitglied spurlos verschwindet und ein anderes ermordet wird. Werden sie den Ort je wieder lebend verlassen?

Nach der Leseprobe hatte ich hohe Erwartungen, die nicht enttäuscht wurden. Ich war von Anfang an gefesselt von der Geschichte. Der Schreibstil von Camilla Sten war für einen Erstling sehr fesselnd und angenehm zu lesen, so dass ich das Buch kaum zur Seite legen wollte. Sie erzählt sie Handlung auf zwei Zeitebenen, die sich abwechseln - heute und damals (1959), die sie sehr geschickt miteinander verwoben hat.

In der Gegenwart folgen wir Alice und ihrem Team bei ihrer Erkundung des verlassenen Dorfs und haben durch die Ich-Pespektive das Gefühl hautnah dabei zu sein. Die unheimlichen Dinge, die passieren, sorgten bei mir für so manche Gänsehaut, ebenso wie die düstere Atmosphäre des verfallenen Dorfes. Außer Alice hat auch ihre psychisch angeschlagene Freundin Tone einen biografischen Bezug zum Dorf, denn ihre Mutter war der überlebende Säugling von damals. Als sie plötzlich verschwindet, beginnt die Situation zu eskalieren. Es war sehr spannend zu verfolgen, wie sich aus dem anfangs harmlosen Filmprojekt ein Kampf ums Überleben entwickelte.

Der andere Erzählstrang schildert die Geschehnisse in 1959 aus der Sicht von Alices Urgroßmutter Elsa und durch Briefe von ihrer Tochter Aina, die diese an ihre Schwester (Alice Großmutter) schrieb. So erfährt man häppchenweise was damals wirklich geschah. Die meisten Sympathien hatte ich für Elsa, die für ihre Zeit eine sehr starke Frau war, hilfsbereit und stets mit einem offenen Ohr für die Probleme der anderen Dorfbewohner. Sie kümmert sich rührend um eine Außenseiterin im Dorf, selbst gegen die Widerstände der Dorfbewohner und des neuen Pfarrers. Diese Rückblenden fand ich besonders fesselnd.
Die Auflösung war für mich überraschend, schlüssig und nachvollziehbar, auch wenn nicht alles erklärt wurde.

Camilla Sten ist ein spannender und düsterer Thriller mit leichten Horrorelementen ganz in der skandinavischen Tradition gelungen. Mir hat er sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf weitere Bücher von ihr.

Bewertung vom 29.04.2020
Tiefer Fall / Doggerland Bd.2
Adolfsson, Maria

Tiefer Fall / Doggerland Bd.2


ausgezeichnet

Karens zweiter Fall auf Doggerland
„Tiefer Fall“ ist der zweite Band der Doggerland-Trilogie, einer nordischen Krimireihe von Maria Adolfsson. Der Fall ist abgeschlossen und kann durchaus separat gelesen werden. Empfehlen würde ich aber vorher Band eins zu lesen, da das Privatleben der Kommissarin Karen Eiken Hornby viel Platz einnimmt, und viele Zusammenhänge dann besser zu verstehen sind.

Die Doggerland-Reihe punktet vor allem mit dem ungewöhnlichen Schauplatz:
Der fiktiven Inselgruppe Doggerland, die zwischen Dänemark und Großbritannien in der Nordsee liegt und eigentlich vor 8000 Jahren versunken ist. Adolfsson gelingt es die rauhe Inselwelt und deren Bewohner so realistisch zu schildern, als würde sie tatsächlich existieren.
Gerne bin ich auch diesmal wieder Karen bei ihren Ermittlungen gefolgt. Es ist Weihnachten, nur wenige Wochen nach dem Ende des ersten Bandes. Karen, die in ihrem letzten Fall schwer verletzt wurde, ist eigentlich noch im Krankenstand, als ihr Chef sie zu einem neuen Fall ruft. Auf der Nachbarinsel Noorö wurde ein pensionierter Lehrer tot in einer Kiesgrube gefunden. Sein Tod stellt sich schnell als Mord heraus und im Zuge der Ermittlungen entdeckt sie, dass ihre auf Noorö lebende Familie in den Fall verstrickt zu sein scheint. Ihre Ermittlungen werden zunehmend zu einem Balanceakt zwischen ihrem Beruf als Polizistin und ihrem Privatleben.
Neben diesem verzwickten Fall muss sie sich um ihre Freundin Aylin kümmern, die häuslicher Gewalt durch ihren Ehemann (einem angesehenen Anwalt und zukünftigem Politiker) ausgesetzt ist. Gerade diese Nebenhandlung war sehr spannend und ein kleines Highlight.

Adolfsson punktet außerdem mit einem guten Plot, der den Leser lange im Unklaren lässt und in einem spannenden Finale noch eine Überraschung hinsichtlich des Täters bereithält. Sie legt viel Wert auf gut ausgearbeitete Charaktere. So erhält das Privatleben der Ermittlerin einen hohen Stellenwert. Trotzdem fand ich das Buch zu keiner Zeit langatmig oder gar langweilig. Man kann sich sehr gut in die einzelnen Charaktere, besonders Karen hineinversetzen. Ich habe den zweiten Band wieder sehr gerne gelesen (war fast noch besser als der erste!) und freue mich schon auf den dritten Band, der voraussichtlich im Dezember 2020 erscheinen wird.
Allen Krimifans möchte ich diese besondere Krimireihe ans Herz legen.

Bewertung vom 20.04.2020
Blutgott / Clara Vidalis Bd.7
Etzold, Veit

Blutgott / Clara Vidalis Bd.7


sehr gut

Blutige Abgründe
„Blutgott“ ist bereits der 7. Einsatz für die Kriminalkommissarin und Pathopsychologin Clara Vidalis und ihr Team. Dies ist mein erstes Buch von Veit Etzold, trotzdem konnte ich sofort in die Handlung eintauchen und mich der Sogwirkung kaum entziehen.
Gleich zu Beginn wird eine Studentin im IC von einer Gruppe Jugendlicher auf äußerst brutale und grausame Weise getötet. Wegen der rätselhaften Signatur werden Vidalis und ihr Mann Martin Friedrich (genannt „Mac Death“) hinzugezogen. Dieser Mord ist der Auftakt zu einer Reihe von außergewöhnlich brutalen Morden, allesamt begangen von minderjährigen und strafunmündigen Killer-Kommandos, die von dem sog. „Blutgott“ aus dem Dark Web gesteuert werden.

Gut gefallen hat mir der direkte, schnörkellose Schreibstil, mit dem Etzold die Handlung mit hohem Tempo vorantreibt und so einen Sog erzeugt. Die Spannung bleibt durchgängig auf einem hohen Niveau. Allerdings spart er nicht mit Blut und grausigen Einzelheiten, was die Morde und die Beschreibung der Tatorte betrifft. Hier sind starke Nerven gefragt und zartbesaitete Leser sollten besser nicht zu diesem Buch greifen. Beeindruckt hat mich auch das Hintergrundwissen des Autors, sei es zum Dark Web und Snuff Movies, zu Datenmengenfrequenzanalysen oder berühmten Serienkillern, welches er immer wieder einfließen lässt.

Clara Vidalis blieb für meinen Geschmack etwas blass. Besser gefallen hat mir da ihr Mann, der Profiler „Mac Death“, der ein wandelndes Lexikon für Serienkiller ist. Insgesamt hätte ich mir mehr Hintergrundwissen über die Protagonisten gewünscht, das vermutlich in den vorherigen Bänden zu finden ist. Es ist daher sicherlich besser die Reihenfolge einzuhalten.
Etzold gibt einen erschreckenden Einblick in die menschlichen Abgründe. Seine Geschichte ist erschreckend realistisch und das Thema Strafunmündigkeit, welches er aufgreift, macht nachdenklich, scheint es doch eine Lücke im Gesetz zu sein. Unrealistisch fand ich hingegen den Plan, eine 16-jährige als Lockvogel zu benutzen, da ich mir nicht vorstellen kann, dass die Polizei so agieren würde. Am Ende hat Etzold noch eine völlig unerwartete Wendung parat und lässt seinen Thriller dann völlig überraschend mit einem Cliffhanger enden, der auf eine baldige Fortsetzung hoffen lässt.

Mich hat der knallharte, spannungsgeladene und erschreckend realistische Thriller überzeugt und ich werde auf jeden Fall auch die restlichen Vidalis-Bände lesen. Empfehlen würde ich das Buch aber nur hartgesottenen Thrillerfans.

Bewertung vom 10.04.2020
Der König der Krähen / Die Silbermeer-Saga Bd.1
Hartwell, Katharina

Der König der Krähen / Die Silbermeer-Saga Bd.1


ausgezeichnet

Märchenhaftes Fantasyabenteuer
Die junge Edda lebt mit ihrem Bruder Tobin in dem Fischerdorf Colm. Das Leben dort ist eintönig und karg und jedes Jahr während der Kaltwochen verschwindet ein Kind. Diesmal ist es Eddas Bruder Tobin, der verschwunden ist; zurück bleibt nur eine schwarze Feder. Niemand im Dorf traut sich aufs feindliche Meer hinaus, um ihn zu suchen. Zu viele Gefahren lauern dort. Als Edda von einer Hexe erfährt, dass ihr Bruder sich im Inselreich beim geheimnisvollen Krähenkönig befindet, überwindet sie ihre Angst und macht sich auf die abenteuerliche Suche nach ihm...

Obwohl ich selten Fantasybücher lese, hat mich die besonders schöne Aufmachung des Buches angezogen. Die Umschlaggestaltung ist sehr schön und passend zur Handlung (einziger Wermutstropfen: die kupferfarbene Schrift löst sich sehr schnell ab), ebenso wie die Kapitelanfänge und die wunderschön gestaltete Karte des Inselreichs im Inneren, die ich häufig betrachtete, um Eddas Reise zu verfolgen.

Besonders gut gefallen hat mir der außergewöhnlich schöne, bildreiche Schreibstil von Katharina Hartwell, den ich bei einem Jugendbuch so nicht erwartet hätte. Sie schildert die von ihr erdachte fantastische Inselwelt, die nordisch angehaucht ist, so detailreich, dass man sie plastisch vor Augen hat. Ihre eigenen Wortkreationen (z.B. Landfüßer, Dachfreie,...) runden das Ganze noch ab. Die Autorin sorgte dafür, dass ich die klirrende Kälte Colms ebenso spüren konnte, wie die flirrende Hitze der Händlerinsel Akoban.

Die Protagonistin Edda mochte ich sofort. Sie ist stark, mutig und aufrichtig und geht keinem Hindernis aus dem Weg. Sie entwickelt sich stets weiter und wächst an ihrer Aufgabe. Ihr zeitweiser Weggefährte Talin Brand ist ebenso ein schillernder Charakter, bei dem man nicht weiß, auf welcher Seite er steht. Aber auch Nebencharaktere wie Goldzahn und Teofin sind wunderbar ausgearbeitet und hatten sofort meine Sympathie.

Der erste Band der Silbermeer Saga hat mich gefesselt und begeistert und gespannt bin ich Edda auf ihrer Reise in das fantastische und schillernde Inselreich gefolgt. Ich fiebere schon dem 2. Band entgegen, der aber leider erst in einem Jahr erscheinen wird.

Bewertung vom 10.03.2020
Feuerland
Engman, Pascal

Feuerland


ausgezeichnet

Großartiger Thriller aus Schweden
Camilla Läckberg hat nicht zuviel versprochen. „Feuerland“ ist wirklich einer der besten schwedischen Thriller der letzten Jahre und es war wirklich schwer ihn aus der Hand zu legen.
Der Thriller ist der gelungene Auftakt zu einer neuen Serie um die Kriminalkommissarin Vanessa Frank, die in ihrem ersten Fall gegen das organisierte Verbrechen kämpfen muss. Vanessa ist eigentlich vom Dienst suspendiert, da sie betrunken am Steuer erwischt wurde. Trotzdem stürzt sie sich in laufende Ermittlungen. Ein exklusives Uhrengeschäft wurde überfalllen, jedoch nichts geraubt. Kurz darauf werden zwei reiche Geschäftsmänner entführt und gegen Lösegeld wieder freigelassen. Die Fälle scheinen zuerst nichts miteinander zutun zu haben. Brisant wird das ganze als Flüchtlingskinder plötzlich verschwinden. Vanessa kommt einem ungeheuerlichen Verbrechen auf die Spur, die sie bis nach Chile führt.

Man braucht ein klein wenig Zeit um in die Handlung hineinzukommen, denn der Autor baut die Geschichte langsam auf. Dafür erfährt man viel über die Hintergründe der handelnden Personen, lernt sie kennen und kann sich besser in sie hineinversetzen. Die Figuren sind alle sehr gut charakterisiert und ausgearbeitet. Vanessa war mir sehr sympathisch, vor allem auch weil sie sich für das Flüchtlingsmädchen Natasja einsetzt. Nicolas schien zuerst auf der Seite der Verbrecher zu stehen, aber mit der Zeit entpuppte er sich für mich zum heimlichen Helden und ich mochte seine Figur ebenfalls sehr.
Den Schreibstil empfand ich als leicht lesbar und mitreißend. Anfangs gibt es verschiedene Erzählstränge, die scheinbar nichts miteinander zu tun haben und man fragt sich natürlich wie alles zusammenhängt. Je weiter man liest um so mehr Puzzleteile setzen sich zusammen und münden in ein packendes Finale. Kurze Kapitel und Wechsel der Erzählperspektiven halten die Spannung hoch. Engman ist es sehr gut gelungen, aktuelle politische Themen wie unbegleitete Flüchtlingskinder, Organhandel und Bandenkriminalität in einem packenden Thriller zu vereinen. Neben Stockholm spielt die Handlung noch in Chile in der fiktiven „Colonia Rhein“, deren Vorbild die echte Colonia Dignidad ist. Die Geschehnisse dort sind wirklich schwer zu ertragen.

Insgesamt ist dem Autor ein spannender, temporeicher Thriller mit facettenreichen Figuren gelungen, der aktuelle Themen aufgreift und nicht mit Action spart. Für mich ein sehr gelungener Auftakt, der hoffentlich bald eine Fortsetzung findet.

Bewertung vom 23.02.2020
Abgefackelt / Paul Herzfeld Bd.2
Tsokos, Michael

Abgefackelt / Paul Herzfeld Bd.2


sehr gut

True-Crime - spannend und realitätsnah
„Abgefackelt“ ist bereits der 2. Band der Paul-Herzfeld-Reihe und erzählt die Vorgeschichte des Rechtsmediziners Paul Herzfeld aus dem Thriller „Abgeschnitten“ von Sebastian Fitzek und Michael Tsokos. „Abgeschnitten“ hatte mich bereits vor längerer Zeit beeindruckt und ich war sehr gespannt auf die Vorgeschichte von Herzfeld.
Tsokos hat mich schon mit dem Prolog abgeholt, obwohl danach die Spannung etwas abfiel, aber spätestens ab S. 60 nahm die Handlung wieder an Fahrt auf und fesselte mich bis zum Schluss.
Paul Herzfeld ist für mich ein sehr sympathischer und realitätsnaher Charakter, der immer zwischen seinem Beruf als Rechtsmediziner, für den er förmlich brennt und seiner kleinen Familie hin- und hergerissen ist. Eigentlich sollte der Job als Pathologe in Itzehoe eine ruhige Auszeit für ihn werden, nach seinem letzten Fall (Band 1). Aber die rätselhaften Todesumstände seines Vorgängers lassen ihm keine Ruhe und seine Nachforschungen bringen ihn in ernsthafte Gefahr und bald auch ins Visier einer eiskalten Killerin.
Neben dem Hauptfall hat Herzfeld aber auch wieder einige interessante Fälle auf dem Obduktionstisch, deren Todesumstände er klären muss, besonders der Fall des kleinen Nils war beindruckend.
Man merkt, dass Tsokos genau weiß worüber er schreibt. Es gelingt ihm perfekt, Fiktion mit Realität zu mischen. Die Schilderung der Fälle und Obduktionen ist sehr realitätsnah und er entführt die Leser in den Sektionssaal und zu Leichenfundortbegehungen und lässt sie dem Rechtsmediziner direkt über die Schulter schauen was ich wirklich spannend fand.
Das Nachwort ist auf jeden Fall lesenswert, denn hier schildert Tsokos welche wahren Begebenheiten ihn zu „Abgefackelt“ inspiriert haben. Auch die realen Fälle, die er in die Handlung eingebettet hat, werden hier erklärt.
Obwohl ich den ersten Band „Abgeschlagen“ verpasst hatte (liegt aber bereits auf meinem Lesestapel), konnte ich der Handlung gut folgen. Die kurzen Kapitel mit wechselnden Schauplätzen animieren stets zum Weiterlesen und der Kliffhänger am Ende gibt einen Ausblick auf den dritten Band. Mein einziger Kritikpunkt ist die doch recht vorhersehbare Handlung, aber fesselnd wars trotzdem.

Bewertung vom 04.02.2020
Draußen
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Draußen


sehr gut

Düsterer Survival-Thriller
Als Fan der Allgäukrimis um den schrulligen Kommissar Kluftinger war ich sehr gespannt auf den ersten Thriller des Autorenduos Klüpfel und Kobr. Ich finde der Wechsel ins Thrillergenre ist ihnen gut gelungen.
In ihrem packenden Debüt erzählen sie die Geschichte eines Trios, das im Wald im Verborgenen lebt und von einem unsichtbaren Feind gejagt wird.

Die Geschichte spielt überwiegend in den zum Teil urwaldähnlichen Wäldern Brandenburgs. Die Geschwister Cayenne und Joshua leben hier fernab von der Gesellschaft zusammen mit ihrem Ziehvater und Beschützer Stephan. Sie leben in ständiger Angst entdeckt zu werden; wer der unsichtbare Feind ist, weiß nur Stephan. Er lässt die Teenager ein hartes Training absolvieren und trainiert sie in verschiedenen Kampf- und Überlebenstechniken und im Umgang mit Waffen. Cayenne will dieses Leben unter Drill und ohne Kontakt zur Außenwelt immer weniger, doch dann wird sie im Wald plötzlich von einem Fremden angegriffen, der sie töten will. Damit beginnt der Kampf ums Überleben.

Ein weiterer Seitenstrang spielt in der Politikszene in Berlin. Der skrupellose und machtbesessene Lobbyist Jürgen Wagner zieht hier seine Strippen als Interessenvertreter der Stromindustrie.

Den dritten Seitenstrang bilden die Tagebucheinträge eines jungen Mannes, der in die französische Fremdenlegion eintritt und über seine Ausbildung und seinen ersten Auslandseinsatz berichtet.

Wie diese drei Szenarien zusammenhängen, bleibt lange Zeit im Dunklen und erhöht dadurch die Spannung. Das ist anfangs zwar ein bisschen verwirrend, aber nach und nach erfährt man häppchenweise wie alles zusammenhängt. Lange bleibt unklar, wer der unsichtbare Feind ist und es herrscht eine Atmosphäre ständiger Bedrohung.

Die beiden Autoren haben einige Themen in ihren ersten Thriller hineingepackt. Für einen interessanten Hintergrund sorgt die Prepper-Szene: Menschen, die Lebensmittel horten, Survivalkurse machen und sich auf den ultimativen Krisenfall vorbereiten. Ich hatte vorher noch nicht davon gehört. Auch Reichsbürger werden thematisiert sowie das Leben in der französischen Fremdenlegion. Der Blackout am Ende sorgt für ein Endzeitszenario. Ich finde nicht, dass zuviel in die Story hineingepackt wurde. Alles zusammen ergibt einen gut recherchierten Hintergrund für die Geschichte.
Der Schreibstil ist nüchtern und schnörkellos. Man kann sich den Handlungsablauf sehr gut vorstellen. Leider konnte ich mit keiner der handelnden Personen so richtig warm werden, ich konnte ihre Handlungen nicht immer nachvollziehen. Hier hätte ich mir mehr Tiefgang bei den Charakteren gewünscht.
Die Geschichte bietet fast durchgängig Spannung und viel Action. Die Kampfszenen sind allerdings brutal und gewalttätig- nichts für zartbesaitete Gemüter. Es ist eben ein actionreichen Thriller.
Einzig das Ende hat mir nicht so gut gefallen- ein bisschen zu dramatisch.

Insgesamt ein gelungener Ausflug des Autorenduos ins Thrillergenre. Gerne mehr davon. Von mir gibts für diesen düsteren, actionreichen Thriller 4 Sterne und eine Leseemfehlung.