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Leseratte
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Frankfurt

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Insgesamt 123 Bewertungen
Bewertung vom 17.10.2022
Tohrus Japan
Nakamura, Tohru

Tohrus Japan


ausgezeichnet

Tohru Nakamura, der vielfach ausgezeichnete und sehr bekannte Sternekoch, hat hier sein eigenes Kochbuch vorgelegt. Leider durfte ich noch kein Gericht von Herrn Nakamura genießen. Dafür kann ich jetzt aber in seinem Buch stöbern. Es vermittelt mir eine ungefähre Ahnung von seiner Philosophie und seinen kulinarischen Kreationen.
Es beginnt mit einer längeren Einleitung, in der er über seinen Werdegang berichtet. Als Sohn einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters pendelt Nakamura zwischen den Kulturen, was sich auch in seiner Kochkunst niederschlägt. In seinem Buch hat er nun 60 tolle, kreative und nicht zuletzt hervorragend fotografierte und wunderschön anzuschauende Gerichte versammelt und zum Nachkochen aufbereitet.
Die Aufteilung des Buchs in einzelne Zutaten, um die die Gerichte kreisen, erstaunt. So findet man Rezepte zu "Katsuobushi", "Umeboshi", "Miso", "Tofu" und anderen japanischen Basics. Viele Kreationen zeichnen sich durch einen aufregenden und spannenden Mix verschiedener kulinarischer Traditionen aus. Da werden Katsuobushi (Bonitoflocken) mit Oliven und Speck kombiniert, Entenbrust bekommt durch Umeboshi (in Salz eingelegte Pflaumen) einen interessanten Kick und Weißkohlsalat erhält durch Misopaste (eine Würzpaste aus Sojabohnen) einen japanischen Akzent.
Die Rezepte sind nicht kompliziert und sollten auch Kocheinsteigern gelingen. Ich jedenfalls kann es kaum erwarten, die wunderbaren Kreationen von Herrn Nakamura nachzukochen!
Fazit: Ein wunderschönes Kochbuch, das sich durch seine außergewöhnlichen Rezepte und den Ideenreichtum des Autors auszeichnet. Eine klare Kaufempfehlung!

Bewertung vom 14.10.2022
Die Pestinsel
Hermanson, Marie

Die Pestinsel


sehr gut

Die Geschichte ist in Göteborg im Jahr 1925 angesiedelt. Eine Leiche wird gefunden, der Mann kam auf ungewöhnliche Art zu Tode. Der Kommissar Nils Gunnarson erkennt sofort, dass die Todesumstände denen in einem Buch, das er früher gelesen hatte, gleichen. Er macht sich auf die Suche nach dem Mörder und stößt auf den Mörder Arnold Hoffman, der auf einer Insel vor der schwedischen Küste in Gewahrsam lebt. Unterstützung bei seinen Ermittlungen bekommt Nils von der Reporterin Ellen Grönblad, mit der ihn nicht nur Interesse an dem Fall verbindet.

Der Roman startet stark. Eindrucksvolle Naturschilderungen, eine düster wirkende Flusslandschaft sowie deren etwas unheimlich scheinende Bewohner verbreiten eine leichte Gänsehautatmosphäre. Dem gegenüber stehen der sympathische, bodenständige Ermittler und die patente, selbstbewusste Reporterin, sowie der klare Schreibstil der Autorin. Das leicht Schaurige verflüchtigt sich aber im Laufe der Geschichte, es wird nicht weiter verfolgt und ist vielleicht auch nur eine der vielen Spuren, auf die die Autorin den / die Leser*in schickt und die sich im Laufe der Geschichte als nicht weiterführend entpuppen.

Auch der Fokus der Geschichte verändert sich: Von der Suche nach dem Mörder zur Beschreibung der Insel und ihrer Bewohner. Schon nach etwa zwei Dritteln ist die Lage klar, es kommen keine Überraschungen hinzu. Trotzdem bleibt es spannend, denn bei ihrer Recherche begibt sich Ellen in große Gefahr.

Fazit: Ich habe das Buch gern gelesen und mich gut unterhalten gefühlt. Es war für mich kein wirklicher Page-Turner, aber solide Unterhaltung mit sympathischen Protagonisten. In seiner Atmosphäre entspricht es der Zeit in der es spielt: Einer Zeit, in der Briefe eine wichtige Rolle spielen, in der die Ermittler zu Fuß oder mit dem Fahrrad unterwegs sind und ihre Ermittlungen noch ganz „händisch“ und ohne Computer erledigen.

Bewertung vom 08.10.2022
Wiener Küche mit Herz
Herkner, Stefanie

Wiener Küche mit Herz


sehr gut

Als erstes fällt die ungewöhnliche Gestaltung des Kochbuchs auf. Das ganz puristisch in den Farben beige – schwarz – knallrot gehaltene Cover fällt aus der Masse der Kochbücher heraus und in ein echter Hingucker. Auf dem festen, sich angenehm anfühlenden Papier kommen die schönen Fotografien besonders gut zur Geltung. Neben den Gerichten beinhalten diese auch private Fotos der Autorin sowie Fotos ihres Wirtshauses.
Das Buch ist ganz klassisch unterteilt in die Kapitel „Vorspeisen“, „Suppen“, „Hauptspeisen“, „Nachspeisen“ und Drinks. Die Rezepte sind gut beschrieben und beinhalten Zutaten, die überall erhältlich sind. Sie sind unkompliziert in der Zubereitung, sodass auch Kocheinsteiger sie problemlos nachkochen können. So gelingen Gefüllte Kalbsbrust, Serbische Krautrouladen und Nockerl ganz bestimmt!
Sehr gut gefällt mir, dass hier auch einige vegetarische Gerichte aufgeführt sind! Kohlrabigemüse, Blumenkohlauflauf und Pilze mit Semmelknödel können problemlos als Hauptspeise – oder eben als Beilage zu Fleischgerichten – gereicht werden.
Ein kleines, für mich als Deutsche charmantes Detail: Österreichische Bezeichnungen wie Dille, Schulterscherzel, Sterz und speckig (in Verbindung mit Kartoffeln) hören sich für mich fremd an, verleihen dem Kochbuch aber seinen besonderen Reiz. Zum Glück gibt es am Ende des Buchs ein Glossar, in dem man nachschauen kann, was die einzelnen Bezeichnungen bedeuten!
Freunde der Wiener Hausmannskost werden unter den Rezepten garantiert fündig werden. Ein kleiner Kritikpunkt: Wirklich Neues findet man in dem Buch nicht. Sowohl die Rezepte als auch die Zubereitungen sind ganz klassisch und enthalten nichts wirklich Überraschendes. Es ist eben ein Buch für Freunde der Wiener Küche in ihrer ursprünglichen Art, für Fans von bodenständigen Gerichten, so wie sie von der Großmutter zubereitet wurden.

Bewertung vom 04.10.2022
Kräuterelfen erzählen neue Geschichten
Vogl, Christl

Kräuterelfen erzählen neue Geschichten


ausgezeichnet

Der Einhorn-Verlag hat mit „Kräuter-Elfen erzählen neue Geschichten“ ein zauberhaftes neues Buch der Autorin Christl Vogl vorgelegt. Als erstes fällt die hochwertige Gestaltung und das wunderschöne, in zarten Farben gehaltene Cover auf. Der Karton ist fest und stabil und fasst sich trotzdem angenehm weich an. Das Gleiche gilt für die Seiten: Das glatte, seidige Papier bringt die strahlenden Farben der Illustrationen besonders gut zur Geltung und ist fest genug, sodass ihm kleine, manchmal nicht ganz vorsichtige Kinderhände nichts anhaben können.
Auch der Inhalt begeistert. 28 Pflanzen und Kräuter und die dazu gehörigen Elfchen werden auf je einer Doppelseite in märchenhaften Texten und wunderschönen Illustrationen vorgestellt. Unter den Pflanzen sind so bekannte wie die Sonnenblume, Holunder und Rose, aber auch einige mir bis dato unbekannte, wie beispielsweise das Lungenkraut oder die Tauben-Skabiose. Die Vorstellung erfolgt in Form von märchenhaften, kurzen Geschichten, in denen man ganz nebenbei viel Wissenswertes über den Nutzen, die Verwendung und die Heilwirkung der einzelnen Pflanzen erfährt. So ist das Buch auch für Erwachsene sehr interessant.
Die liebevollen Illustrationen fangen das Typische der Pflanze sehr gut ein. Sie sind mit vielen liebevollen Details ausgestattet und es gibt auf ihnen viel zu entdecken. Besonders gut gefällt mir die farbliche Gestaltung. Während das Elfchen der Nachtkerze förmlich von innen zu strahlen scheint, ist die Rose – wie sollte es anders sein – in zartem Rosé gehalten. Wunderschön und nuancenreich ist auch das tiefe Blau des Leins.
Fazit: Ein wunderschönes Buch, das meine Enkel und mich durch den Jahreslauf begleiten wird. Es regt dazu an, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen. Vielleicht begegnet uns ja jetzt im Herbst das Rosskastanien-Elfchen. Auf jeden Fall werden wir beim Kastaniensammeln nach ihm Ausschau halten!

Bewertung vom 03.10.2022
Kaputte Wörter?
Heine, Matthias

Kaputte Wörter?


weniger gut

Der Autor hat in seinem Buch „Kaputte Wörter? Vom Umgang mit heikler Sprache“ einige Wörter gesammelt, die er als problematisch empfindet. Diese hat er alphabethisch geordnet, es beginnt mit Abtreibung und endet bei Zwerg. Jedes Kapitel ist unterteilt in Ursprung, Gebrauch, Kritik und Einschätzung.
Bei vielen aufgelisteten Wörtern und Ausdrücken, darunter „bemannt“, „Einmannpackung“ oder „Sehr geehrte Damen und Herren“ spielt das Bemühen um eine geschlechtergerechte Sprache eine Rolle. Andere Wörter stellen rassistische und diskriminierende Bezeichnungen dar, darunter das N-Wort oder diverse Bezeichnungen für kleinwüchsige Menschen. „Milch“ in dem Wort „Soja-“ oder „Hafermilch“ ist dagegen vor allem aus juristischen Gründen problematisch.
Jedes Kapitel startet mit den Teilen Ursprung und Gebrauch des Wortes. Sie sind teilweise ziemlich ausufernd und oft auch trocken formuliert, enthalten aber für mich manches Interessante. Danach schließt der Autor die Teile Kritik und Einschätzung an. Sie sind keine sachliche Darstellung, sondern stellen im Stil eines Kommentars die persönliche Meinung des Autors dar. Diese kann man teilen oder nicht – ich teile sie nicht. An vielen Stellen hat mich das Buch sogar richtig ärgerlich gemacht.
Tatsächlich legt der Autor schon in der Einleitung seine Grundüberzeugung dar: „Ich gehe von der Grundüberzeugung aus, dass keine Regierung, keine Behörden und erst recht keine Minderheiten den 200 Millionen Deutschsprechern vorzuschreiben haben, welche Wörter sie gebrauchen dürfen. Auch dann nicht, wenn solche Minderheiten sich von den Wörtern betroffen oder diskriminiert fühlen.“
Für mich geht es bei der Diskussion und Hinterfragung bestimmter Begriffe vor allem um eine gerechte, inklusive und nicht-diskriminierende Sprache und keinen Sprachkampf, der von einem fanatisierten Heer von Sprachpolizisten und „denen da oben“ gegen die Mehrheit ausgefochten wird, indem sie dieser einen bestimmten Sprachgebrauch oktroyieren wollen.
Mich hat das Buch nicht überzeugt. Zu willkürlich, zu veraltet oder nicht überzeugend ist die Auswahl der Wörter, von denen einige sowie als „alte Kamellen“ gelten können.

Bewertung vom 27.09.2022
Ein Alman feiert selten allein
Atmaca, Aylin

Ein Alman feiert selten allein


sehr gut

Elifs türkische Familie hat mit Weihnachten nicht allzu viel am Hut. Zwar wurde es gefeiert, um die Kinder nicht zu benachteiligen, aber eben auf türkische Art. Nun freut sich Elif, dass sie zusammen mit der Familie ihres deutschen Freundes Jonas, die sie bislang noch nicht kennengelernt hat, zum ersten Mal „richtig“ Weihnachten feiern soll.
Die Freude schlägt in Erstaunen um, als sie erlebt, das die Vorbereitungen für das Fest bereits im September beginnen. Heiligabend selbst ist minutiös durchgetaktet und natürlich verläuft das Fest – auch aufgrund des reichlich fließenden Alkohols – nicht ganz so harmonisch wie geplant. Elif selbst ist die Zielscheibe für ein naives, teilweise neugierig-taktloses Interesse. Sie muss Fragen nach ihren Essgewohnheiten, ihrem Alkoholkonsum und dem Tragen eines Kopftuchs beantworten – kein Klischee wird ausgelassen. Trotz aller Differenzen endet das Ganze versöhnlich, denn mit Liebe und etwas gutem Willen ist ein Verstehen über kulturelle Grenzen hinweg möglich.
„Ein Alman feiert selten allein“ ist ein witziges Buch mit einem ernsten Hintergrund. Die Autorin schildert überspitzt deutsche Sitten und Verhaltensweisen und wahrscheinlich kann sich jede*r Leser*in irgendwie in Jonas‘ Familie wiedererkennen. Gleichzeitig beschreibt sie pointiert und ironisch türkische Sitten und Gebräuche und malt sich aus, wie es wohl abliefe, wenn ein Deutscher zum türkischen Bayram Fest eingeladen würde. So gibt es auf beiden Seiten Unwissenheit, Vorurteile und Missgunst, aber auch Familiensinn, Fürsorge und natürlich Liebe.
Fazit: Ein empfehlenswertes Buch für alle Leser*innen, die mal einen Blick über den Tellerrand werfen möchten und über sich selbst, die deutsche Kultur und liebgewordene Traditionen lachen können.

Bewertung vom 25.09.2022
Es ist zu kühl für diese Jahreszeit
Harag, Anita

Es ist zu kühl für diese Jahreszeit


ausgezeichnet

Es ist gar nichts Besonderes, das in diesen „Storys“ – so der Untertitel des Buchs – passiert: Eine junge Frau ist genervt von der pflegebedürftigen Großmutter, eine andere fühlt sich fremd inmitten ihrer Arbeitskollegen, eine Tochter räumt nach dem Tod ihres alkoholkranken Vaters dessen verwahrloste Wohnung auf. Und doch offenbart sich in diesen kurzen Geschichten, die in der Regel nur zwischen 15 – 20 Seiten umfassen, eine ganz andere Welt. Eine Welt der Entfremdung, des Unbehaglich-Seins und der Angst, die sich ganz subtil, dafür aber umso nachhaltiger offenbart.
Es ist ein Wunder, wie die Autorin es schafft, auf so wenigen Seiten ein Gefühl des Schreckens, ja manchmal sogar Grauens zu entwickeln. Dafür bemüht sie gar keine Schockelemente, sondern ihr genügen ganz normale Alltagssituationen, die eine zutiefst verstörende Wirkung hinterlassen.
Vielen Geschichten haftet etwas Vages, Doppelbödiges, Zweideutiges an, das den besonderen Reiz und die Faszination der Lektüre ausmacht. In vielen Geschichten spürt man die untergründige Wut der Frauen, die aber nie geäußert wird, sondern sich – ebenso wie die Grausamkeiten und Zumutungen, die hinter der scheinbar normalen Oberfläche liegen – nie offen zutage treten. So phantasiert eine junge Frau den Tod des Welpen, der ihr von ihrem Freund geschenkt wurde herbei und der Tod der Großmutter wird von der Enkelin mit scheinbarem Gleichmut registriert.
Die Autorin ist eine ausgezeichnete Beobachterin, ihre Figuren sind junge, moderne Frauen, die einen urbanen, kosmopolitischen Lebensstil pflegen. So kann ich mich sehr gut mit ihnen identifizieren, sie wirken authentisch und überzeugend. Die Autorin schreibt einen sehr gut lesbaren, nüchternen, knappen Stil und auch die ausgezeichnete Übersetzung macht das Buch zu einem intensiven, nachhaltigen Lesegenuss!

Bewertung vom 25.09.2022
Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1
Yokomizo, Seishi

Die rätselhaften Honjin-Morde / Kosuke Kindaichi ermittelt Bd.1


ausgezeichnet

Es wurde langsam Zeit, dass Seishi Yokomizo, der Meister des modernen japanischen Kriminalromans, nun auch in Deutschland - in der exzellenten Übersetzung von Ursula Gräfe - bekannt wird. Die in Japan 1946 erstmals veröffentliche Detektivgeschichte „Die rätselhaften Honjin-Morde“ ist der erste Band einer 77-teiligen Reihe rund um den exzentrischen Ermittler Kosuke Kindaichi und es ist sehr zu hoffen, dass noch weitere Bände in deutscher Übersetzung folgen werden.
Die Geschichte ist in der japanischen Provinz angesiedelt. Die Hochzeit von Kenzo, dem Sohn einer standesbewussten Familie, mit Katsuko endet in einer blutigen Katastrophe. Das Brautpaar wird tot in seinem eigenen Blut liegend aufgefunden, als Tatwaffe wird ein Schwert identifiziert. Allerdings ist der Raum von innen verschlossen und es gibt keinerlei Spuren, dass sich ein Täter von außen Einlass verschafft hat. Der ermittelnde Polizist steht vor einem Rätsel und erst der hinzugerufene Privatdetektiv Kindaichi – ein skuriller, schmuddlig wirkender Typ, der sich aber durch seine außergewöhnliche Intelligenz und ein überragendes Kombinationsvermögen auszeichnet – schafft es, den Fall zu lösen.
Der Roman beginnt langsam und gemächlich, so dass der / die Leser*in sich gut in die Geschichte einfinden kann. Von Kapitel zu Kapitel steigert sich die Spannung, was auch daran liegt, dass der Autor sukzessiv immer neue Hintergründe und Details rund um die Familie Ichiyanagi enthüllt. Ganz nebenbei erfährt der / die Leser*in dabei etwas von der traditionellen japanischen Kultur und dem herrschenden Wertesystem. Die letzten Kapitel stellen dann den Höhepunkt des Romans dar, indem in einem großen Finale der Täter sowie die Umstände der Morde präsentiert werden.
Besonders angenehm ist mir aufgefallen, dass sich die Spannung des Romans einzig und allein aus dem intelligenten Plot und nicht aus irgendwelchen Blutrünstigkeiten ergibt. Es gibt zwar blutige Elemente, der Autor fokussiert sich aber nicht darauf und sein Stil hat etwas angenehm Altmodisches im Stil von Agatha Christie oder Arthur Canon Doyle. Somit hebt er sich wohltuend von der Masse der gängigen Kriminalromane, die im Moment den Markt überschwemmen, ab.
Fazit: Ein faszinierendes Setting, ein interessanter Ermittler, eine intelligente, zum Mitknobeln auffordernde Handlung sowie ein überraschendes, jedoch in sich stimmiges Ende – „Die rätselhaften Honjin-Morde“ haben all das, was für mich einen guten Kriminalroman ausmacht. Ich hoffe sehr, dass wir noch weitere Kriminalfälle rund um den sympathischen Ermittler Kindaichi in deutscher Übersetzung lesen dürfen!

Bewertung vom 21.09.2022
Lukusch
Heisenberg, Benjamin

Lukusch


ausgezeichnet

Das Buch beschreibt die Suche nach dem Schachgenie Anton Lukusch. Nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl wurde der 13jährige Anton von einer Hilfsorganisation aus der Ukraine nach Deutschland gebracht, um sich hier von der Strahlenbelastung zu erholen. Zufällig wird sein Talent für das Schachspiel entdeckt und der Junge avanciert zum Wunderkind, tritt in Shows auf und spielt sogar gegen den Bundeskanzler Helmut Kohl. Untrennbar mit Anton verbunden ist sein Freund Igor und zwischen beiden herrscht eine fast paranormale Verbindung. Irgendwann verschwindet Anton sang- und klanglos. Nach ein paar Jahren taucht Igor als Schachgroßmeister plötzlich wieder auf. Aber wo ist Anton? Simon Ritter, der Sohn von Antons deutscher Gastfamilie, macht sich auf die Suche nach ihm.
Fotos, Zeitungsartikel, Berichte, Briefe, Faxe sowie andere Einschübe ergänzen den Text und bewirken, dass sich für den / die Leser*in die Grenzen zwischen Fiktion und Realität verwischen.
Der Autor spielt hier geschickt mit mehreren Genres und Themen: Neben einigen fast kriminalistischen Elementen behandelt der Roman die Thematik vom Aufstieg und Fall eines Jungen, der für kurze Zeit ins Licht der Weltöffentlichkeit gezerrt wird, gleichzeitig wirft er einen Blick auf das Lebensgefühl der 1980er Jahre, als die Angst vor einer nuklearen Katastrophe allgegenwärtig war und Wetten, dass… die Familien am Samstagabend zusammenbrachte.
„Lukusch“ ist ein originelles, intelligentes, irritierendes, faszinierendes und spannendes Lesevergnügen. Was ist Fakt, was ist Fake, was ist Fiktion? Das muss jede*r selbst entscheiden!

Bewertung vom 17.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


gut

Dieses Buch konnte mich nicht wirklich erreichen. Den Plot finde ich eigentlich interessant: Der Polizist Kay Oleander wird während einer Demonstration von einer fliegenden Bierflasche im Gesicht getroffen und verliert in Folge ein Auge. Dieses Erlebnis wirft ihn vollkommen aus der Bahn, auch seine bisherige Arbeit im Außendienst kann er nicht mehr ausüben. Bei der Suche nach dem Täter trifft er auf Silvia Glaser, die ebenfalls eine Versehrte ist. Für ihre Gehbehinderung macht sie einen Polizisten verantwortlich, woraus ihr Hass auf die Polizei und den Staat resultiert. In Folge schließt sie sich einer rechtsradikalen Vereinigung an. Aus anfänglichem Misstrauen entsteht so etwas wie eine Beziehung zwischen den beiden…
„Bullauge“ ist kein typischer Krimi - dazu wird zu schleppend erzählt und die Tätersuche ist kein zentrales Thema. Es ist auch kein Zeitroman – das Problem des Rechtsradikalismus spielt keine wichtige Rolle. Es soll vielleicht so eine Art Psychogramm eines Menschen am Wendepunkt seines Lebens sein – allerdings ist der Stil des Autors so kalt, schmuck- und emotionslos, lakonisch und knapp, das ich überhaupt nicht mit der Hauptfigur warm werden konnte. Wir erfahren nichts über Oleanders Gefühle, das alles kann der / die Leser*in sich höchstens vorstellen – mir ist es nicht gelungen. Und so habe ich das Buch ebenfalls relativ emotionslos „durchgearbeitet“. Schade, ich hatte mir mehr davon versprochen.