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Zauberberggast
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München

Bewertungen

Insgesamt 162 Bewertungen
Bewertung vom 19.07.2020
Mit dir für alle Zeit
Grunwald, Lisa

Mit dir für alle Zeit


gut

Paranormale nostalgische Romanze

Die Autorin Lisa Grunwald war mir vor der Lektüre kein Begriff. Mich hat hauptsächlich das wunderschöne nostalgische Cover angesprochen. Reine Liebesgeschichten lese ich nur, wenn sie wirklich vielversprechend klingen und das war hier auch der Fall. Eine Liebe "durch alle Zeiten" verlautbarte eine Pressestimme, das klang ein wenig nach "Outlander". Auch in “Mit dir für alle Zeit” gibt es eine Liebe, die eigentlich nicht sein kann und darf, weil sie die Gesetzmäßigkeiten von Raum und Zeit aus den Angeln hebt.

Die Liebe zwischen Joe und Nora beginnt im Jahr 1937, als der Weichenmechaniker aus Queens am Grand Central Bahnhof in New York die junge Frau aus gutem Hause kennenlernt. Er ist 33, sie 23, alles könnte so schön sein, doch da ist die unverbrüchliche Tatsache, dass Nora eigentlich tot ist. Sie ist 1925 bei einem Subway-Unglück im Grand Central, dem Hauptbahnhof von New York City, ums Leben gekommen und taucht in manchen Jahren an ihrem Todestag im Dezember wieder auf. Ja, Fantasy-Elemente spielen in diese Liebesgeschichte hinein und sollten alle potenziellen Leser außen vor lassen, die mit so etwas nicht klar kommen. Auch ich musste mich auf das Buch einlassen und hinnehmen, dass es eine quasi “magische” Geschichte ist und manche Handlungselemente eben so sind wie sie sind. Wenn man anfängt, die Dinge zu hinterfragen, wird es nämlich problematisch. Also: “willentliche Aussetzung der Ungläubigkeit” (”willing suspension of disbelief”), wie es der englische Dichter Samuel Taylor Coleridge zum Thema unrealistischer Szenen sagte. Es ist schließlich eine Liebesgeschichte, Intention dürfte es also sein, das Herz des Lesers zu berühren. Das hat die Autorin bei mir nur bedingt geschafft. Ich muss sagen, die Geschichte war schon tragisch, aber ich hätte mir noch etwas mehr Intensität und Leidenschaft gewünscht. Die Protagonisten Joe und Nora machen doch viel mit sich selbst aus, hadern mit sich und ihrer Situation oder setzen sich mit ihrer Familie (Joe) oder ihrer Vergangenheit bzw. merkwürdigen Gegenwart (Nora) auseinander. Manchmal leben sie richtig nebeneinander her und ihre innige Verbundenheit kommt nur in sehr wenigen Szenen kurz zum Vorschein.

Auch von der Struktur her habe ich mir diesen Roman ein wenig anders vorgestellt [evtl. Spoiler]. Ich dachte wirklich, dass Nora nur an ihren Todestagen, also einmal im Jahr, auftauchen und dann wieder verschwinden würde. Tatsächlich ist es aber so, dass sie nach ein paar Jahren bereits über ein Jahr mit Joe im Bereich des Terminals zusammenlebt, ohne zu verschwinden. Warum das so ist, erfahren wir zwar mit der Zeit, aber es wird erstmal so hingenommen von den Protagonisten. Ich hätte mir eine größere Zeitspanne gewünscht, in der Nora wirklich nur einmal pro Jahr auftaucht und nur diesen einen Tag bleibt. Erzählt werden nämlich nur die Jahre 1937-1947 (mit einigen Rückblenden in Noras Vergangenheit). Der Autorin hat es aber wohl gereicht, die Problematik des Alterns bei Joe nur anzuschneiden. Es wäre spannend gewesen zu erfahren, wie Nora mit einem z.B. 86-jährigen Joe umgegangen wäre bzw. er mit ihr.

Was thematisch sehr interessant ist, ist das Phänomen "Manhattanhenge", das im Buch eine wichtige Rolle spielt. Jeder, der schon mal einen Sonnenauf- oder -untergang in Manhattan erlebt hat, weiß, wie mystisch und eindrucksvoll sich dieses Erlebnis auf den Betrachter ausnimmt. Von daher fand ich es sehr schön, dass dieses Ereignis, das sich durch das Aufeinandertreffen des Urbanen mit dem Natürlichen speist, einmal in einem Roman gewürdigt wird.

Fazit: Ein ganz netter paranormal-historischer Liebesroman, der aber meines Erachtens noch besser und intensiver hätte sein können.

Bewertung vom 18.07.2020
Wieso? Weshalb? Warum?: Mein erster Europa-Atlas
Erne, Andrea

Wieso? Weshalb? Warum?: Mein erster Europa-Atlas


ausgezeichnet

“Mein erster Europa-Atlas” der Wieso?Weshalb?Warum?-Reihe von Ravensburger für Kinder von 4-7 Jahren ist ein extradicker Sonderband (24 Seiten, sonst sind es in der Regel 16). Wir haben bereits einige Bücher aus der Reihe zuhause.

Natürlich muss man bei 47 europäischen Ländern eklektizistisch vorgehen und viel zusammenfassen, wenn man nur 24 Seiten zur Verfügung hat. Ich finde, das wurde hier hervorragend gelöst. Länder, die nebeneinander liegen, werden auf einer oder zwei Seiten zusammen dargestellt (Benelux-Länder/Baltikum/Deutschland und Schweiz/Österreich und Liechtenstein/Italien und Malta, etc.). Es werden immer die “Highlights” des jeweiligen Landes hervorgehoben, bzw. die Fakten oder Dinge, die es einzigartig machen und die es nur dort gibt (z.B. Trolle und Elfen in Island, Kilt und Dudelsack in Schottland, Mythos Dracula in Rumänien). Der Autorin Andrea Erne ist es gelungen, mit Kinderaugen auf die Länder zu schauen und sich zu überlegen, was diese an einem bestimmten Land interessieren könnte. Zum Beispiel dass England die Geburtsstätte des Fußballs ist, Pizza und Spaghetti aus Italien stammen oder eine Sechs in Polen die beste Schulnote ist, dürften in der Tat Fakten sein, die Kinder interessant finden. Auch zu den unterschiedlichen Sprachen finden sich viele Infos im Text und außerdem illustriert durch Kinder mit Sprechblasen, in denen Wörter aus der jeweiligen Sprache artikuliert werden. Die Klappen, die sich hinter Landschaftsbildern oder Landkartenausschnitten auf jeder Seite befinden, sind auch diesmal sehr gut gemacht und gehören einfach als Markenzeichen zu dieser Reihe dazu.

Was sehr gut rüberkommt, ist, dass Europa ein kontinentales Konglomerat aus vielen landesspezifischen Eigenheiten, Kulturen, geografischen Zonen und Traditionen ist. Ab wann Kinder das Konstrukt Europa oder das Konzept von Staatengemeinschaften verstehen, ist natürlich die Frage. Die Infos im Buch sind schon sehr zahlreich und geballt, so dass manche Kinder wohl erst im fortgeschrittenen Grundschulalter Interesse zeigen könnten. Als ich meiner vierjährigen Tochter die Euromünzen erklären wollte, hat sie eine Klappe geöffnet und den Atlas mit den Worten: “Ein tolles Buch, das lesen wir morgen weiter” beiseite gelegt. Ich denke sie hat einfach noch keine Interesse an dem Thema Länder und Kulturen. Als heimatliche Ergänzung zum schulischen Sachkundeunterricht dürfte dieses Buch hingegen wunderbar funktionieren. Auch das große, herausnehmbare Europa-Poster im Anhang sollte dann einen tollen Mehrwert für die Grundschulkinder haben.

Ein supertolles Kindersachbuch, das ganz viel Europawissen kindgerecht aufbereitet hat und Kindern sowie Eltern einfach Spaß am Wissenserwerb bringt.

Bewertung vom 12.07.2020
Vegan! Das Goldene von GU

Vegan! Das Goldene von GU


ausgezeichnet

Sehr praktisch ist die Tatsache, dass die Herstellung bestimmter Basics wie vegane Mayonnaise, Hafersahne oder Nussmus gleich am Anfang des Buches stehen. Nachher wird in den Rezepten oftmals darauf verwiesen, wenn das Basic-Produkt, das man auch selbst herstellen kann, für ein Gericht benötigt wird. Wer also nachhaltig denkt und so etwas wie Seitan oder veganen Milchersatz nicht fertig in Plastik verpackt einkaufen möchte, ist hier schon mal gut bedient. Auf Käse-, Ei- und Fleischersatz wird in einem Infoteil hinten im Buch näher eingegangen. Die entsprechenden Rezepte folgen dann im Kapitel “Küchenklassiker Vegan”, in denen Gerichte, die normalerweise mit Fleisch, Käse oder Ei (Bolognese, Carbonara, Mozzarella, etc.) gemacht würden, “veganisiert” werden.

Die veganen Frühstücksideen und Aufstriche haben mir sehr zugesagt. Endlich mal ein ordentliches Rezept für veganes “Rührei” (Rührtofu) - gerade die “einfachen” Gerichte, auf die Veganer sonst “verzichten” müssen, sind ja oft die Besten und am meisten vermissten. Wer einen veganen Brunch mit einer vielfältigen Auswahl an “Tapas” auf den Tisch bringen möchte, findet in diesem und im nächsten Kapitel alles, was er dafür benötigt.

Reichlich originell und leicht nachzukochen ist auch das Party- bzw. Fingerfood (Kapitel: “To Go und Zwischendurch: Salate, Snacks und Fingerfood”). Grünen Spargel einzeln in Filoteig zu packen, wie im Rezept “Knusperspargel mit Bärlauch-Mayo”, finde ich eine tolle Idee und das wird bestimmt auch bei meinen Gästen einen Wow-Effekt hervorrufen. Dass man den Filoteig dabei nicht selbst machen muss, finde ich nicht schlimm, im Gegenteil. Bei manchen Komponenten hört einfach der Kochspaß auf und ich kenne eigentlich niemanden aus meiner Generation, der Blätterteig selbst herstellen kann und möchte. Sehr ansprechend finde ich auch die Salate im Glas, die als ausgewogene Power-Mahlzeiten perfekt sind, um sie z.B. unterwegs oder ins Büro mitzunehmen. Die derzeit sehr beliebten und gehypten “Bowls” dürfen natürlich auch nicht fehlen. In diesem Kapitel gibt es viele kleine Fingerfood-Gerichte bzw. “Tapas”, die zum Brunch, Abendessen oder als Vorspeise gereicht werden können.

Besonders gespannt war ich auf das “One-Pot-Seelenfutter”, also Suppen, Eintöpfe und Currys. Hier findet man Klassiker wie Kartoffelsuppe mit veganen Würstchen, Wirsing- und Linseneintopf - also wie von Oma nur eben ohne Schwein & Co.

Als passionierter Nudelesser bin ich auch von den einfallsreichen Pastarezepten sehr begeistert. Toll finde ich dass es auch ein Rezept für veganes Pesto Rosso gibt - jetzt muss ich meine Lieblings-Pastasauce nicht mehr fertig kaufen, sondern kann es ganz einfach selbst machen - ohne fiese Inhaltsstoffe, die in Fertigprodukten oft drin sind. Auch die Lasagne mit geschmorten Pilzen ist für mich ein wahr gewordener kulinarischer Traum!

Auch achtet die Autorin darauf, ihre Gerichte ausgewogen zu gestalten und in ihnen viele Komponenten zu arbeiten, die Veganern wichtige Nährstoffe zuführen, die sie mangels tierischer Produkte ansonsten nicht konsumieren. Zum Beispiel gibt es viele Gerichte mit Linsen, Sesam, etc., die als Eisenlieferanten bekannt sind. Natürlich darf auch das Superfood Chia-Samen nicht fehlen. Wichtig sind auch die veganen Eiweißlieferanten wie Soja und Lupinenprodukte sowie Jackfruit, die in einem Infoteil ausführlich vorgestellt werden.

Die süßen Gerichte und Kuchen, die wunderbar ohne Ei (selbst Baisers lassen sich ohne Zusatz von Ei zaubern!) und Kuhmilch auskommen, runden das Buch ab.

Alles in allem bin ich sehr positiv überrascht von diesem Kochbuch! Es ist wirklich ein Grundlagen-Standardwerk, das sich jeder anschaffen sollte, der immer oder öfters mal vegan kochen bzw. leben möchte.

Bewertung vom 12.07.2020
Madame le Commissaire und die Frau ohne Gedächtnis / Kommissarin Isabelle Bonnet Bd.7
Martin, Pierre

Madame le Commissaire und die Frau ohne Gedächtnis / Kommissarin Isabelle Bonnet Bd.7


gut

Ein Sommer ohne “Madame le Commissaire” Isabelle Bonnet aus dem fiktiven Provence-Städtchen Fragolin? “Mais non!”, dachte ich lange Zeit. Ich habe die gesamte Reihe gelesen und deshalb konnte ich mir auch “...und die Frau ohne Gedächtnis” nicht entgehen lassen. Durch die Reihe habe ich viel über das exekutive System Frankreichs gelernt, also z.B. den Unterschied zwischen Police nationale und Gendarmerie, außerdem weiß ich jetzt, was ein Sous-Brigadier ist. Des Weiteren ist die Reihe perfekt, um die Provence “im Kopf” zu bereisen (was ja in Zeiten von Covid-19 nicht das Schlechteste ist). Im vorliegenden Fall mit der “Frau ohne Gedächtnis” kommt unsere Madame le Commissaire besonders viel rum in ihrer Gegend, Fragolin ist nur der Ausgangspunkt eines wilden Roadtrips, der für die Ermittlerin sogar im Kauf eines speziellen fahrbaren Untersatzes gipfelt.

Leider muss ich sagen, dass der Plot diesmal sehr verworren und irgendwie spannungsarm war. Es gibt erstmal überhaupt keinen Mordfall, sondern "nur" eine Frau mit Amnesie, die Apollinaire vors Auto läuft. Daraus entwickelt sich eine Schnitzeljagd durch Südfrankreich, bei der schon begangene Verbrechen ans Licht kommen, die Isabelle und ihr Sous-Brigardier aufklären müssen. Mir persönlich waren es zu viele Baustellen, der “rote Faden” franste im Lauf der Handlung immer mehr aus und die Fussel, die überall verstreut lagen, waren mir zum Großteil zu klein und zu uninteressant.

Außerdem geriet das Buch immer mehr zur Selbstdarstellungs-Tour-de-force der Madame le Commissaire. Ihre Figur wird leider zunehmend unsympathisch. Das dauernde Reflektieren Isabelles über bestimmte Redewendungen und Ausdrücke, die im Dialog mit anderen fallen, hat mich in diesem Buch besonders gestört. Wenn z.B. Apollinaire sagt: “Ich habe ihren Anruf sehnlichst erwartet”, denkt Isabelle sofort ausführlich darüber nach, warum er diese Wendung benutzt und bewertet es dann z.B. als “nett, aber unsinnig” oder an anderer Strelle als eine “Unverschämtheit”. Leider kommen diese Szenen oft vor. Die Formulierungen der anderen werden in Isabelles Kopf zerpflückt und es wird darauf rumgehackt, als ob es kein Morgen gäbe. So kam es mir jedenfalls vor. Das war in den Vorgänger-Bänden auch schon so, aber diesmal ist es extrem, wie ich finde. Das ist kein amüsanter Schlagabtausch mehr, sondern nur noch anstrengend. Ich lese doch selber, was da steht, warum will man mir es bis ins Kleinste vorkauen? Und wenn es nicht Isabelle ist, dann ist es der Autor, der manche Metaphern wieder und wieder bemüht. Zum Beispiel das Sprachbild vom Spürhund, mit dem Isabelle sich vergleicht - und zwar, wir ahnen es schon, in mehreren Situationen. Das alles lässt die Handlung repetitiv und etwas zäh wirken. Ist der sich hinter einem Pseudonym versteckende Autor etwa Fragolin-müde geworden und möchte langsam zum Schluss kommen?

Es gibt immerhin einen neuen Mann in Isabelles Leben, den Maler Nicolas de Sausquebord, der ihren ermordeten Lebensgefährten Thierry, den ehemaligen Bürgermeister Fragolins, quasi “ersetzt” hat und die Ménage-à-trois-Situation (mit Rouven) aufrechterhält. Die einzige Figur, die mich davon abhält die Reihe in Zukunft ad acta zu legen, ist Apollinaire. Mit seiner unkonventionellen, nerdigen Art sorgt er nach wie vor für manchen Schmunzler und ruft beim Leser einige Sympathien hervor. In diesem Band hat mir besonders die Observation gefallen, bei der Apollinaire zu Höchstform aufläuft. Einfach ein echt toller (fiktiver) Charakter! Leider ist es schade und ein wenig anstrengend, dass Isabelle immer die harte, toughe und energische raushängen lassen muss und Apollinaire nach wie vor immer der devote, sich entschuldigende Untergebene ist. Ein wenig Rollentausch oder mal andere Seiten der beiden “Ermittler”, wären wünschenswert gewesen. Isabelle lässt partout kaum Gefühle bei sich zu, auch das ist irgendwie unsympathisch.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.07.2020
Der achtsame Mr. Caine und das allerletzte Lied / Vincent Caine ermittelt Bd.2
Anholt, Laurence

Der achtsame Mr. Caine und das allerletzte Lied / Vincent Caine ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Das englische Städtchen Glastonbury ist seit jeher ein Ort der Mythen und Legenden: Artus und Avalon, der heilige Gral, ein mystischer keltischer Hügel und mittendrin ein einmal im Jahr stattfindendes Festival, das die größten Musikstars der Welt anzieht wie Motten das Licht. Auch der achtsame Mr. Caine, seines Zeichens Detective Inspector mit Hang zu Zen-Buddhismus, Karma-Glauben und Öko/Veganismus, feiert inmitten der ekstatischen Menge auf dem Glastonbury Festival (liebevoll “Glasto” genannt), während die legendäre Band Stigma den Ton angibt. Als plötzlich der Messias-artige & ziemlich ätherische Bandleader Ethan Flynn durch einen über seine E-Gitarre induzierten Stromschlag vor aller Augen das Zeitliche segnet, wird aus dem musikalischen ein mörderisches Festival.

Während der erste Band mit den Ermittlern Caine und Joyce (Link) sich im Kunst-Milieu bewegte, lernen wir nun die Musiklandschaft und New-Age-Kultur von Somerset kennen. So ungewöhnlich und besonders wie der friedliebende, buddhistische Polizist Caine ist auch das Setting dieses Kriminalromans. Eigentlich ein mystischer und legendärer Ort in England, zu dem sich Neuheiden, Hippies und anderweitig alternativ orientierte Menschen hingezogen fühlen, wird Glastonbury einmal im Jahr - um die Sommersonnenwende herum - zur “Sparkasse” von Somerset, das den Anwohnern, die vom Tourismus leben, entsprechend viel Geld - aber auch Unruhe, Lautstärke und Müll bringt. Anholt erschafft in seinem zweiten Caine-Krimi wieder ein Kaleidoskop von eigenwilligen Charakteren, die das berühmte Fesitval organisieren, besuchen bzw. dort auftreten oder in irgendeiner Weise davon profitieren. Von der neureichen Popstar-Sippe über die Jurten bewohnende Hippie-Organisatorin bis hin zu den alteingesessenen Gasthof-Besitzern, die eher an die Flodders erinnern, ist alles dabei - mit unseren beiden Detective Inspectors natürlich auch wieder zwei starke Hauptfiguren.

Die bodenständige DI Shanti Joyce zeigt sich mal wieder immun gegen das Hippie-Flair und Caines buddhistische Weisheiten, obwohl der außergewöhnliche Cop, der sich auf dem Festival ganz in seinem Element und unter Gleichgesinnten befindet, sie insgeheim schon ein wenig fasziniert. Während Shanti immer wieder die professionelle Seite ihres “Verhältnisses” betont, macht Caine mehrfach Andeutungen, dass er mehr für die toughe Kollegin empfindet.
Natürlich könnte man sagen, die Figuren seinen etwas klischeehaft, aber selbst wenn: who cares? Es macht einfach Spaß, wie unterschiedlich die beiden Ermittler an den Fall herangehen, den sie am Ende natürlich auch wieder lösen.

Wie schon der erste Teil hat auch dieser Krimi eine skurrile Komponente, die sich allerdings so richtig erst zum Ende hin entfaltet. Ob es diesen etwas “unrealistischen” Twist zum Ende hin noch gebraucht hätte? Ich weiß es nicht. Im Großen und Ganzen war die Handlung auch diesmal wieder sehr spannend, mit leicht esoterisch-phantastischen Zügen, die aber wunderbar zur Thematik des Krimis gepasst haben. Ich habe mich jedenfalls während der Lektüre köstlich amüsiert und bestens unterhalten gefühlt.

Alles in allem ein total unterhaltsamer Cosy-Krimi, den nicht nur Festival-Geher einfach ins Herz schließen werden!

Anmerkung zur deutschen Ausgabe: Die Besonderheit ist, dass das Buch bei Droemer Knaur zuerst in der Übersetzung erschienen ist (genau um den Zeitpunkt des Glastonbury-Festivals herum, das dieses Jahr Corona-bedingt nicht stattfinden kann). Das englische Original “Festival of Death” erscheint erst im November 2020.

Bewertung vom 06.07.2020
Zwischen den Seiten / Das Buch der gelöschten Wörter Bd.2
Garner, Mary E.

Zwischen den Seiten / Das Buch der gelöschten Wörter Bd.2


sehr gut

Nachdem ich von der Grundidee der Trilogie rund um das Buch der gelöschten Wörter sehr angetan war und nach dem eklatanten Cliffhanger am Ende von Band 1, war für mich Band 2 - “Zwischen den Zeilen” - ein Muss. Oft sind mittlere Bände einer Trilogie bzw. Reihe ja eher schwächer, selbst bei “Harry Potter” gab es meiner Meinung mal zwischendurch ein Buch mit einer weniger starken Storyline. Also hatte ich für diesen zweiten Band jetzt nicht die allerhöchsten Erwartungen, aber doch Erwartungen, die ein Anwachsen des Tempos der Handlung betreffen.
Die Idee, um die herum sich der Plot gruppiert, ist für mich nach wie vor sehr reizvoll und ich freute mich, wieder mit Hope Turner und ihren Kollegen in die Buchwelten abtauchen zu dürfen. Diesmal kommen ein paar neue Settings der Weltliteratur hinzu (u.a. “Anne of Green Gables”, “Der Zauberer von Oz”, “Gullivers Reisen”, etc.) und dementsprechend auch neue Figuren dieser Geschichten, mit denen die Verwandler, Wanderer und Gehilfen des “Bundes” interagieren können. Natürlich bleiben uns auch die “alten Bekannten” aus Band 1 weitestgehend erhalten.
An die Story aus Band 1 wird nahtlos angeknüpft, in der “Echtwelt” sind seit den Geschehnissen vom Anfang aber zwei Monate vergangen. Nach wie vor müssen Hope und ihre Gefährten gegen die bösen “Absorbierer” und deren Anführer kämpfen, derer sie aber zunächst nicht habhaft werden können. Deswegen werden die düsteren Settings der Weltliteratur auf der Jagd nach den Bösewichten abgesucht, wo unsere Protagonistin Hope aber zunächst nicht mitmachen darf, denn sie ist ja “sterblich”. Die spannende Suche nach dem Anführer der Absorbierer wird also im ersten Teil dieses Bandes bloß “aus dem Off” angedeutet, ohne dass die Hauptfigur der Geschichte in eine prekäre Gefahrensituation gebracht wird. Einzig in Tralala-Buchwelten, die höchstens einen leichten Nervenkitzel versprechen, darf sie eintauchen. Doch dann kommt plötzlich alles ganz anders und die Handlung nimmt - wie gewünscht - an Fahrt auf. Ich muss sagen, mir hat der zunehmend düstere und temporeichere Verlauf der Handlung sehr gefallen, der immer wieder mit dem der Autorin ureigenen Humor gespickt ist - das Stilmittel des “comic relief” ist typisch für diese Reihe und hat mir das ein oder andere Schmunzeln entlockt. Actiongeladene, James-Bond-artige Szenen und Mittelalter-Protagonistinnen im Catsuit verleihen der soliden Urban fantasy noch einen Touch von Agententhriller.
Am Anfang hat Hope mich ein wenig genervt mit ihrer Belesenheit, denn sie kennt jeden Klassiker der Weltliteratur genau, auch wenn es Jahre her ist, dass sie ihn gelesen hat (“Wer kennt sie nicht, die Geschichte von…”, “Das weiß doch jedes Kind…”), aber mit zunehmendem Verlauf der Handlung bin ich nicht mehr darüber gestolpert. Eigentlich ist sie ja eine recht sympathische Protagonistin und wenig selbstsicher, auch wenn das in Bezug auf ihre Belesenheit manchmal so rüberkommt.
Wie schon in Band 1 hat mich dagegen die Belesenheit und Imaginationskraft der Autorin Mirjam Müntefering alias Mary E. Garner sehr begeistert! Das alles so zu schreiben und zu konstruieren, wie sie es getan hat, verdient höchsten Respekt und ich werde natürlich auch Band 3 noch lesen, denn ich will ja wissen, wie die Geschichte um Hope und das Buch der gelöschten Wörter zu Ende geht.

Bewertung vom 30.06.2020
Alles über Bäume / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.52
Gernhäuser, Susanne

Alles über Bäume / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.52


sehr gut

Bäume sind essenziell: für das Klima, für die Natur, für uns Menschen. Um dieses Bewusstsein der Wichtigkeit von Bäumen auch Kindern nahezubringen, hat die verdiente Sachbuchreihe “Wieso? Weshalb? Warum?” von Ravensburger nun auch einen Band über Bäume herausgebracht. "Alles über Bäume" soll den Kindern von 4-7 Jahren Wissen über die Pflanzenriesen vermitteln.

Dieses Wissen speist sich hauptsächlich aus biologischen, aber auch geologischen, geografischen, wirtschaftlichen und sozio-kulturellen Informationen, die kindgerecht aufbereitet werden. Die Kinder erfahren u.a. was Bäume eigentlich sind, wo und wie sie wachsen. Was es mit den Blättern, Samen und Blüten auf sich hat. Wie vermehren sich Bäume und welche Früchte wachsen an ihnen? Welche besonderen Bäume gibt es? Wie ist der Lebenszyklus eines Baums und was steht an dessen Ende? Was bedeuten Bäume für unseren Alltag? So manches Kind wird überrascht sein, wenn es erfährt, dass sein Schreibtisch und sein Malpapier mal Bäume waren.

Eine wichtige Grundinformation des Buches ist, dass Bäume schützenswerte Ressourcen sind, ohne die unser Leben in dieser jetzigen Form eigentlich nicht möglich wäre. Deshalb sind auch Hinweise enthalten, wie alle dazu beitragen können, Bäume zu schützen. Kinder sind ja sehr empfänglich für das Thema Umweltschutz, von daher werden diese Tipps viele kleine Baumschützer inspirieren, öfters zum Altpapier zu greifen oder ihre Eltern dazu zu überreden, doch mal einen Baum in den Garten zu pflanzen.

Im typischen “Wieso? Weshalb? Warum?”-Stil ist auch hier die grafische Gestaltung gehalten. Wir haben auf jeder Seite ein unterschiedliches Thema und Text, der von Zeichnungen und bebilderten Klappen umrahmt wird, hinter denen sich weitere Infos befinden. Sehr witzig ist in diesem Buch das kleine Eichhörnchen mit Sprechblase, in der es den Leser und Betrachter mit zusätzlichen Infos versorgt. Es macht Spaß den kleinen Baumbewohner auf jeder Doppelseite zu suchen, was einen zusätzlichen Anreiz für die Kinder bietet.

Für kleinere Kinder (ab 4) sind hauptsächlich die Klappen zum Entdecken sehr interessant. Ab der Grundschule stellt das Buch eine sehr sinnvolle heimatliche Ergänzung zum Sachkunde-Unterricht dar. Auch die Eltern werden beim Vorlesen merken, dass sie noch längst nicht alles über Bäume wissen. Was zum Beispiel "Kambium" ist - Ich habe das Wort nie zuvor gehört. Für mich war das Buch jedenfalls auch eine Bereicherung!

Zum Schluss ein O-Ton meiner vierjährigen Tochter: "Ich wollte schon immer ein Buch über Bäume haben. Dieses Buch gefällt mir."

Bewertung vom 30.06.2020
Das schwarze Band / August Emmerich Bd.4
Beer, Alex

Das schwarze Band / August Emmerich Bd.4


ausgezeichnet

“Regeln lenken den weisen Mann. Der Dummkopf befolgt sie.” Dieses Zitat des wunderbaren Oscar Wilde ist dem Buch vorangestellt. Ja, ja, die lieben Regeln. August Emmerich ist zwar Kriminalkommissar beim Dezernat “Leib und Leben” in Wien, aber an polizeiliche Vorschriften oder Regeln im eigentlichen Sinne hält er sich nicht allzu gerne. Schon gar nicht wenn sie ihm “von oben herab” aufoktroyiert werden von irgendwelchen Anzugträgern ( “Lackaffen”).
Als er den neu gewählten Bundeskanzler und ehemaligen Polizeipräsidenten Schober in dessen Anwesenheit persönlich beleidigt, ziehen seine Vorgesetzten die Reißleine. Ihre Meinung: Emmerich müsse diszipliniert und für 10 Tage in der Schwarzenbergkaserne weggesperrt werden. Erst nach erfolgreicher Absolvierung des polizeiinternen “Bennimmkursus’” darf er wieder “auf der Straße” ermitteln, schafft er es nicht, droht ihm ewiger Innendienst. Und das, wo gerade ein brutaler Mord an zwei Nackttänzerinnen in der Brigittenau auf dem Ermittlungsplan steht. Ferdinand Winter, ehemals Freiherr von Winter, ist nun auf sich allein gestellt und muss, um die Ermittlungen nicht an den ungeliebten Kollegen Peter Brühl zu verlieren, alleine in die gnadenlos undurchsichtige Wiener Unterwelt abtauchen.

Nicht nur der Wiener Hochsommer 1921 ist heiß. Das chaotische Wien der Nachkriegszeit und jungen Republik Österreich ist ein mehr als heißes Pflaster. Aufgrund der zunehmenden Inflation und des Devisenhandels werden die Reichen immer reicher, die Armen immer ärmer. Und jeder versucht sein Glück in dieser Stadt. Hier geht es um Alles oder Nichts, Himmel oder Hölle. Wunderbar spielt Alex Beer die Paradies/Höllen/Sündenpfuhl-Thematik auf ihrer metaphorischen Klaviatur. Das drückend warme Wetter untermauert das Gefühl des Lesers, an einem unerträglich heißen, höllischen Ort gelandet zu sein. Unerbittlich zeigt sich der “Moloch Wien” im Juli 1921 also von seiner besonders unangenehmen, diabolischen Seite.

Der vierte Band in der “August-Emmerich-Reihe” ist durch und durch politisch, ein historischer Politthriller allererster Güte. Der ursprüngliche Mordfall an zwei Freudenhaus-Mädchen zieht weite Kreise und die Parallelhandlung rund um Emmerich in der Kaserne ist auch nicht ohne Belang für das große Ganze, wie sich zunehmend zeigt. Die Autorin bringt ganz viele gesellschaftliche Brennpunkte und politische Brandherde der jungen Republik Österreich in ihrem feurigen Plot zusammen. Inhaltlich ist die Übervorteilung des Devisen besitzenden Geldadels, der den “echten” Adel in Österreich seit dem Adelsaufhebungsgesetz inoffiziell abgelöst hat, nur eine der sozialen Ungereimtheiten, die im Roman angesprochen werden. Das titelgebende “schwarze Band” fungiert dabei als Falkenmotiv und zieht die Erzählstränge am Ende zusammen.

Damit wären wir auch schon bei unserem “Antihelden-Ermittler”. Was August Emmerich angelangt, so macht er sich keine Illusionen über die gesellschaftlichen Zustände. Aus seiner Perspektive ist “das Leben, dieses elende Verräterschwein”, eine ungerechte Ausweglosigkeit. Um die Vergangenheit des ehemaligen Waisenkindes Emmerich besser zu verstehen, sollte man wohl die Vorgänger-Bände gelesen haben (auch ich werde und will das unbedingt nachholen). Es geht in diesem Band um seine private Situation als alleinerziehender Stiefvater dreier Kinder, der über seine Herkunft nur spekulieren kann. Schon lange habe ich keine literarische Figur mehr so “echt” und attraktiv gefunden wie Emmerich. Seine Figur ist einmal mehr Beweis dafür, dass Frauen glaubwürdige und anziehende männliche Protagonisten schreiben können.

Das Buch endet mit einem sehr fiesen Cliffhanger und ich kann nur hoffen, dass Alex Beer in der nächsten Zeit ganz viel Zeit zum Schreiben findet! Top - unbedingt lesen!

Bewertung vom 24.06.2020
Der Fall Alice im Wunderland
Martínez, Guillermo

Der Fall Alice im Wunderland


ausgezeichnet

Zwei Mathematiker im Wunderland - Metatextualität und dunkle Geheimnisse

Während ich "Die Oxford-Morde" mit anerkennendem, aber auch etwas distanziertem Interesse gelesen habe, hat mich dieser zweite Oxford-Kriminalroman aus der Feder von Guillermo Martínez vollends überzeugen und begeistern können. “Der Fall Alice im Wunderland” ist erstmals im Jahr 2019 erschienen, im Gegensatz zum Vorgängerband, der bereits 2003 publiziert wurde. Man merkt, dass sich der Autor in dieser Zeit literarisch extrem weiterentwickelt hat.

Die Handlung des Romans ist im Jahr 1994 angesiedelt. Für den Ich-Erzähler, der mit seinem Autor den Anfangsbuchstaben des Vornamens (G.) teilt, beginnt sein zweites Studienjahr in Oxford. Nachdem er und Logik-Professor Seldom im vorigen Jahr die "Oxford-Morde" lösten, sollte es für den Doktoranden nun etwas ruhiger zugehen. Seldom aber nimmt den Argentinier mit zu einer Sitzung der Lewis-Carroll-Bruderschaft, einem Verein von Wissenschaftlern, die sich der Erforschung von Leben und Werk des Erfinders von "Alice im Wunderland" verschrieben haben. Eine junge Doktorandin soll eine Entdeckung gemacht haben, die die Tagebücher Lewis Carrolls betrifft, die sie bei der Sitzung vorstellen möchte. Leider kommt es nicht dazu und der der Bruderschaft angehörende Seldom und sein Austauschstudent müssen mal wieder kriminalistisch denken, um einem tödlichen Rätsel auf die Spur zu kommen.

Mir ging es wie dem namenlosen Ich-Erzähler: Ich wusste kaum etwas über die Biographie von Lewis Carroll, schon gar nicht, dass er Mathematiker in Oxford war und eigentlich Charles Lutwidge Dodgson hieß. Umso mehr überrascht haben mich die ganzen Fakten und Enthüllungen, die im Roman über ihn gemacht werden. Martínez hält sich wohl an die tatsächlichen Forschungsergebnisse, die über Carroll existieren bzw. an Debatten über gewisse Vorlieben des viktorianischen Schriftstellers, die umstritten sind. Fiktiv ist die Bruderschaft und ihre Mitglieder, auch Oxford ist keine 1:1-Abbildung der realen Universitätsstadt, wie der Autor im Nachwort schreibt.

Wir haben es mit einem klassischen Krimi à la Arthur Conan Doyle zu tun. Seldom gelangt mithilfe seiner intellektuellen Betätigung (als Professor für Logik/Mathematik) zu Schlüssen, von denen ihn einer zur Aufklärung der rätselhaften Mordserie führt. Unterstützt von seinem Doktoranden G., der ihm assistiert und ihm gelegentlich die notwendigen Denkanstöße verleiht, bzw. ihm manchmal sogar einen gedanklichen Schritt voraus ist. Das Paar erinnert schon etwas an das berühmteste Ermittlerpaar der Krimiliteratur: Sherlock Holmes und Dr. Watson. Petersen, der eigentliche Kriminalpolizist, ist mal wieder der, der bei der Aufklärung des Verbrechens den Kürzeren zieht und staunend mit ansehen darf, wie die Mathematiker den komplexen Fall lösen - ganz wie Inspector Lestrade bei Conan Doyle. Im Gegensatz zum ersten Band ist, wie in einem Agatha-Christie-Krimi, ein geschlossener Personenkreis beteiligt, aus dem jeder der Täter sein könnte. Das macht diesmal besonders Spaß, zumal die “Verdächtigen” alle verschrobene Wissenschaftler (leider wird nicht bei allen klar, aus welcher Disziplin sie stammen) sind, die alle Bücher über Lewis-Carroll geschrieben haben und sich locker den “Fall Alice im Wunderland” ausgedacht haben könnten.

Ich liebe Krimis, die sich mit verschollenen Dokumenten, dunklen Geheimnissen und literarischen Vorlagen befassen. “Der Fall Alice im Wunderland” hat mich in dieser Hinsicht komplett überzeugt, denn hier strotz alles vor Metafiktionalität und literarischen Referenzen.
Das Buch ist wunderbar geplotted worden und viel gefälliger geschrieben als der erste Teil, der mathematisch und philosophisch "abgehobener" daherkommt.

Fazit: Ein wunderbar konstruierter literarischer Metakrimi, der den Leser auf viele spannende Irrwege “ins Wunderland” führt und gleichzeitig wunderbar unterhält.

Bewertung vom 24.06.2020
Die Oxford-Morde
Martínez, Guillermo

Die Oxford-Morde


sehr gut

Da ich Universitätsromane sehr mag und auch klassische Krimis, hat "Die Oxford-Morde" mein Interesse geweckt. Der Kriminalroman erschien im Original bereits im Jahr 2003 und 2006 auch als Übersetzung im Eichborn-Verlag unter dem Titel "Die Pythagoras-Morde". 2008 wurde er als "Die Oxford-Morde" für Hollywood verfilmt. Er stammt von Guillermo Martínez, einem argentinischen Mathematiker, der in Oxford studierte und ist damit zum Teil autobiographischen Einflüssen geschuldet. Im Roman geht es eben auch um einen jungen argentinischen Mathematikstudenten (der namenlose Ich-Erzähler), der für einige Zeit nach Oxford geht. Die Handlung und die Morde, die passieren, sind rein fiktiv.

Der Roman ist ein typischer Vertreter des Genres Universitätsroman, engl. "campus novel", denn er spielt in der bekanntesten Universitätsstadt der Welt: Oxford. Es geht um Wissenschaft - hier ist es hauptsächlich die Mathematik - und die beiden Hauptfiguren sind dementsprechend ein Professor und ein Doktorand, wir bekommen aber auch Einblicke ins nicht-akademische Milieu der Stadt. Der echte ermittelnde Polizist Petersen ist eher eine Nebenfigur, der die Denkweise von Oxfords geistiger Elite eher kurios anmutet. Seldom und der Doktorand sind sozusagen wissenschaftliche Berater der Polizei.

Die renommierte englische "Times" schrieb zum Erscheinen des Originals, dass der Krimi selbst für Leser "mit wenig Sinn für Mathematik ein Hochgenuss" sei. Ich persönlich kann jedenfalls nicht behaupten, dass ich alle wissenschaftlichen Gedankengänge der Protagonisten nachvollziehen konnte bzw. mit brennendem Interesse verfolgt habe. Theoreme und Axiome sowie abstrakte Probleme der Logik sind gedanklich einfach nicht meine Welt. Es gibt einige Stellen, an denen über solche mathematischen Gedankenspiele philosophiert wird. Oftmals liest sich der Krimi deshalb wie Auszüge aus einer eklektizistischen Überblicksvorlesung über mathematische Hypothesen. Auf ca. 200 Seiten werden viele Themen angeschnitten, aber nur eine geistige Bewegung wird etwas näher beleuchtet und die führt dann auch zum Schlüssel des Verbrechens.

Die Handlung - es passieren im Umfeld Arthur Seldoms Morde, die mit kryptischen Symbolen versehen sind - erinnert an die Robert-Langdon-Romane von Dan Brown. Wer hier allerdings einen actiongeladenen Symbolismus-Thriller erwartet, ist fehl am Platz. Eine rasante Schnitzeljagd findet nicht wirklich statt - nach jedem Mord erfolgt erstmal ein ausgiebiges "Brainstorming" des unfreiwilligen Ermittler-Duos. Sie gehen an den Fall wie an ein mathematisches Problem heran und versuchen den Mörder mit ihrer empirischen Denkweise zu überführen. Zum Ende hin schlägt die Handlung Kapriolen. Es gibt eine überraschende Wendung nach der nächsten und man fragt sich: wer ist jetzt hier der Mörder?

Ich fand diesen Roman interessant und relativ kurzweilig und kann ihn für Leser von Büchern, die im Universitätsmilieu spielen, empfehlen und auch solchen, die sich gerne mit abstrakten Denkmustern beschäftigen und klassische Krimis bevorzugen.

Fazit: Ein intellektueller Whodunit, gelegentlich etwas verkopft, aber durchaus gut konstruiert und mit einer überraschenden Auflösung.