Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
duenefi
Wohnort: 
Bünde

Bewertungen

Insgesamt 87 Bewertungen
Bewertung vom 27.08.2019
Die Nickel Boys
Whitehead, Colson

Die Nickel Boys


sehr gut

Würmer in der Besserungsanstalt ...

Colson Whitehead schildert in "Die Nickel Boys" die Geschichte von Elwood, einem schwarzen Jungen im Amerika 60er Jahre, der eine Menge Pech hat.
Eifrig, ambitioniert und immer daran glaubend, daß die Welt gerecht ist und die Schwarzen irgendwann die gleichen Rechte haben wie die weiße Bevölkerung, wächst Elwood bei seiner Großmutter auf.
Er gerät beim Trampen zufällig in ein gestohlenes Auto, und da ihm natürlich niemand glaubt, dass er nichts damit zu tun hat, wird er ins "Nickel" geschickt, eine Besserungsanstalt für Jungs.
Die dort herrschenden Zustände sind furchtbar. Schwarz und Weiß auch hier streng getrennt, desweiteren sind schlechte Behandlung, minderwertiges Essen, Repressalien, Prügelstrafen und Mißbrauch an der Tagesordnung. Es gibt sogar einen geheimen Friedhof neben dem offiziellen, denn ab und zu wird schon mal ein Junge "vermisst weil er ausgerissen" ist, wurde aber stattdessen von den Wärtern zur Bestrafung abgeholt...
Die neuen Insassen werden "Würmer" genannt und können sich durch mustergültiges Verhalten über mehrere Stufen zum "Pionier" hocharbeiten und dann theoretisch früher entlassen werden...wenn es denn gerecht und fair zuginge!
Die Thematik ist sehr bewegend und emotional, der Schreibstil des Autors prägnant und flüssig zu lesen.
Dennoch finde ich es stellenweise zu "nett" geschrieben, sexueller Mißbrauch beispielsweise wird stets nur im Nebensatz erwähnt bzw. in wispernden Andeutungen.
Die Ehemaligen des Nickel sind allesamt traumatisiert und für ihr ganzes Leben gezeichnet, wir lesen hier ein Stück tragischer amerikanischer Geschichte, wie es sie ganz sicher gegeben hat...

Bewertung vom 27.08.2019
Liebes Kind
Hausmann, Romy

Liebes Kind


ausgezeichnet

PAAAMMMM - beeindruckend - erschütternd - packend!

Mit "Liebes Kind" hat Romy Hausmann meiner Meinung nach einen echten Volltreffer gelandet!
Matthias Beck vermisst seine Tochter Lena. Lena, die vor 4825 Tagen spurlos verschwand.
Eine verwirrte Frau und ein Mädchen werden ins Krankenhaus gebracht, nachdem die Frau vor ein Auto lief. Das Mädchen Hannah. Mit ihrer Mama, wie sie sagt. Deren Name ist Lena, sagt Hannah. Und sagt auch die Frau. Die mit Lena undc über Lena denkt und spricht...Ist das wirklich Lena?
Und was hat es mit Hannahs Bruder auf sich, der den Teppich reinigen muss? Und mit Papa? Dem kontrollsüchtigen Psychopathen oder liebevollen Vater?!
"Liebes Kind" wird aus 3 verschiedenen Erzählperspektiven geschildert, das hat mir wahnsinnig gut gefallen. Hannah, Lenas Vater Matthias und die verletzte Frau schildern ihre Erlebnisse.
Das ist teils sehr emotional, besonders aus der Sicht des leicht aufbrausenden und zu spontanen Handlungen neigenden Matthias...und, wenn Hannah erzählt, genau das Gegenteil. Hannah, emotional schwer gestört , kennt keinerlei äußere Einflüsse. Ihr Wissen basiert auf dem, was Mama und Papa ihr beigebracht haben (man muss immer...) und aus den Definitionen eines auswendig gelernten Wörterbuches. Ende. Daraus resultieren kurze Sätze und pragmatische Aussagen, was den Leser bzw. Hörer sicherlich des öfteren schockiert. Aber so klingt das alles nun mal aus der Sicht von Hannah.
Die Charaktere sind detailliert und doch geheimnisvoll erschaffen. Ich habe beim Hören eine Riesenpalette von Empfindungen durchgemacht...Mitleid, Wut, Trauer, Fassungslosigkeit, Entsetzen, Hass, Sympathie, Empathie und und und - es war alles dabei.
Im Verlauf der Geschichte werden immer mehr Details aufgedeckt, teilweise sehr krass...
Die Handlung hat mich von Anfang an gepackt und es war fesselnd und spannend bis zum Schluß.
Wer es noch nicht gelesen oder gehört hat: Es lohnt sich unbedingt!

Bewertung vom 27.08.2019
R.I.P. / Kommissar Huldar Bd.3
Sigurdardóttir, Yrsa

R.I.P. / Kommissar Huldar Bd.3


sehr gut

Grausam , kaltblütig und sehr spannend !

R.I.P., der neue Thriller von Yrsa Sigurdardóttir :
Stella, Angestellte eines Kinos, hat abends nach den Vorstellungen als Letzte Dienst und ist ganz allein im Gebäude. Sie wundert sich auf dem Weg zur Toilette über eine seltsame Nachricht mit einem heute geschossenene Foto von ihr, die sie über Snapchat bekommen hat. Während des Pinkels hört sie Türen schlagen, dann sich nähernde Schritte...als sie ihre Hose wieder hochgezogen hat, hämmert jemand gegen die Tür ihrer Kabine und schlägt diese dann ein...Stella erblickt ihren Mörder, ganz in schwarz mit einer Darth Vader Maske, der sie zuerst mal zwingt, sich zu entschuldigen (sie fragt sich wofür?!?) , mit der Entschuldigung ist er aber nicht zufrieden.
Er schlägt Stella bewusstlos,schleift sie hinter sich her nach draußen und als sie sich zwischendurch regt, zerschmettert er ihren Kopf mit einem Feuerlöscher und winkt lässig in die Überwachungskamera...das ist sehr kaltblütig, und besonders grausam wird das Ganze noch dadurch, dass der Täter Fotos von der Szenerie in der Toilette über Stellas Handy an ihre Snapchat-Freunde versendet, die sich dann also Stellas Tod quasi live mit ansehen müssen. Wer tut so etwas? Kannten sich der Täter und Stella? Hat sie ihn unfreundlich bedient oder ist es vielleicht eine Verwechslung?
Bei diesem Fall, der ja nicht der einzige grausame Mord bleibt, hatten, Erla, Huldar und das ganze Team sowie Psychologin Freya eine ganze Menge zu tun.
Es geht um Mobbing, live und über soziale Netzwerke, ein brandaktuelles Thema. Yrsa Sigurdardóttir schreibt spannend, es war teils sehr grausam und detailliert beschrieben und hat mich permanent gefesselt. Ich mag es auch, daß der private Aspekt um die einzelnen Charaktere recht ausführlich geschildert wird, so werden die Protagonisten noch lebendiger und man entwickelt diverse Sympathien oder auch Antipathien.
Zum Ende hin wurde es sehr komplex und etwas verworren, mehr kann ich ohne zu spoilern leider nicht verraten. Das Ende an sich hat dann aber für vorherige evtl. Längen entschädigt, es war absolut überraschend und tragisch!

Bewertung vom 27.08.2019
Sal
Kitson, Mick

Sal


sehr gut

Stärke, Menschlichkeit, Überleben - Sal

"Sal" ist das Erstlingswerk des Englischlehrers Mick Kitson,
und es ist eine Geschichte über Menschlichkeit, Stärke und Überleben.
Die Geschichte wird aus der Sicht von Sal erzählt.
Salmarina (Sal), 13 Jahre alt und ihre Schwester Paula (Peppa), 10, leben in sehr schwierigen Verhältnissen.
Ihre Mutter Claire (Maw) trinkt, und deren Freund Robert trinkt, nimmt Drogen und klaut Kreditkarten. Und immer wenn Claire betrunken genug ist, um nichts mehr mitzubekommen, und er im Rausch, vergreift er sich sexuell an Sal.
Außerdem droht Robert, daß er das Gleiche demnächst auch mit Peppa tun will, und darum beschließt Sal, Robert zu töten und abzuhauen. Denn ansonsten werden sie Maw weggenommen und getrennt.
Sal bereitet sich lange vor auf das Überleben in der Wildnis, sie lernt durch YouTube etc. den Umgang mit dem Kompass, das Errechnen von Entfernungen, das Gerben von Tierfellen, besorgt mit den gestohlenen Kreditkarten über das Internet die notwendige Ausrüstung und vieles mehr.
Dann kommt der Tag der Tage, Robert vergeht sich ein weiteres Mal an Sal und sie tötet ihn mit ihrem Messer. Dann schließt sie Maw, die wieder einmal im Alkoholkoma liegt, in ihrem Zimmer ein, damit diese nicht des Mordes verdächtigt wird, und haut mit Peppa ab.
Es ist erschütternd zu lesen, wie es den Mädchen in ihrem Zuhause ergeht und es ist ganz toll, wie stark Sal ist und mit welcher unglaublichen Liebe sie sich um ihre kleine Schwester kümmert und diese beschützt.
Manchmal wirkt die Erzählung emotionslos, aber Sal leidet ja unter einem schrecklichen Trauma und unter dem Druck, nicht gefunden und von ihrer Schwester getrennt zu werden und alles richtig zu machen, also reißt sie sich permanent zusammen.
Ich finde das Buch sehr bewegend, Mick Kitson zeigt dem Leser, zu welcher Stärke Menschen in bestimmten Situationen fähig sind.
Die Schliderungen über die Natur und das Überlebenn in der Wildnis sind beeindruckend und wunderschön.
Bisweilen ist die Handlung ein wenig unrealistisch, aber das gleicht die erschreckende Realität der Grundstory wieder aus.
Ich finde, "Sal" ist eine gelungene Kombination aus wunderbarer Schwesternliebe, toller Natur und vielen schwierigen Themen, dadurch sehr vielfältig und ein ansprechendes Leseerlebnis!

Bewertung vom 27.08.2019
Harz
Riel, Ane

Harz


ausgezeichnet

Was im Sarg gesagt wurde, blieb im Sarg...Beklemmend und verstörend aber absolut großartig!

"Harz" ist harter Tobak, das geht direkt an die Psyche!
Liv wächst auf dem Kopf auf, dort gibt es nur den Hof ihrer Familie, abgeschieden vom Rest der Insel. Ihr Leben verläuft anders als das anderer Kinder, ganz anders. Liv wird vor der Außenwelt versteckt, bevor sie zur Schule kommt und so Kontakt zur Außenwelt hätte...weil ihr Vater Jens obsessiv an seiner Familie hängt und sie ganz für sich allein haben will.
Jens ist ein absoluter Messie, er kann sich von nichts trennen und häuft Lebensmittel, Schrott und alles andere in und ums Haus an. Er ist total gestört, der Zutritt auf seinem Grund und Boden ist verboten und es sind diverse Fallen eingebaut, die unerlaubtes Eindringen verhindern sollen.
Die Handlung wird aus unterschiedlichen Perspektiven geschildert, anfangs z.B. erfährt der Leser aus Livs Sicht, wie ihr Vater die Oma mit einem Kissen erstickt. Und dass immer nachts auf Diebestour in Korsted gegangen wird.
Das ist so subtil geschildert, still und trotzdem dramatisch, dass es sowohl skurril und morbide ist als auch zum Kopfschütteln verleitet.
Desweiteren wird bereits am Anfang des Buches klar, warum der Vater so eine Klatsche hat und dass ja scheinbar auch die Mutter getötet (gemästet, überfüttert) wird...und was passierte mit Carl?!?
Liv hat keine anderen sozialen kontakte als ihre Familie, für sie ist es vollkommen normal, wie sie aufwächst. Allerdings hat auch sie Gefühle wie Trauer oder Angst, die sie dann aber nicht selbst auslebt, sondern auf ihren Zwillingsbruder carl überträgt. Nur so ist es wahrscheinlich möglich, die Dinge auszuhalten, die ihrer kleinen Seele zugemutet werden... Dieses Buch von Ane Riehl ist absolut kein Standard, das Lesen fesselt und wühlt auf, nichts für schwache Nerven aber beeindruckend und großartig!

Bewertung vom 27.08.2019
Du gehörst mir
Middendorp, Peter

Du gehörst mir


gut

In diesem Buch wird ständig zwischen Zeiten und Erinnerungen hin und her gesprungen, allerdings gar nicht störend sondern natürlich und darum wusste man auch immer, in welcher Zeit sich der Protagonist innerhalb seiner Gedankenwelt gerade befand.
Das Geschehen hat mich nicht wirklich mitgerissen, leider war man als Leser nicht mittendrin sondern es war so, als ob man durch den Spalt eines Vorhangs vorsichtig in das Haus der Familie Storkema blickt. Somit war es auch nicht möglich, besondere Sympathien oder Gefühle zu den Protagonisten aufzubauen, und das hat mein Lesevergnügen definitiv geschmälert.
Mein Fazit: lässt sich ganz gut lesen, wenn man es nicht kennt hat man aber auch nicht viel verpasst!

Bewertung vom 27.08.2019
Opfer / Carl Edson Bd.1
Svernström, Bo

Opfer / Carl Edson Bd.1


sehr gut

Schwedenkrimi mit mächtigem Nervenkitzel - spannend aber brutal!
Das Cover zu "Opfer" zeigt ein kleines Schwedenhaus unter blutrotem Himmel, das sich im Wasser dunkelblutrot spiegelt...das ist ein Thriller, gar keine Frage...
Der Prolog liest sich aus der Sicht des Entführers, der gerade auf sein Opfer lauert. Zitat: "Der Park liegt verlassen da. Abends wagt sich kaum jemand
hierher. Die Leute haben Angst. Vor den schlecht beleuchteten Wegen, den lauernden Gefahren, eingebildeten oder realen. Vor Gefahren wie mir."...das hat mir äußerst gut gefallen, es beschert eine prickelnde Gänsehaut...
Teil 1: Marco Holst, ein bekannter Krimineller, wird gekreuzigt in einer Scheune gefunden. Er wurde ausgesprochen brutal verstümmelt, aber er hat überlebt - Kälkül des Täters oder Zufall? 2 Tage später verstirbt er aber an der Schwere seiner Verstümmelungen im Krankenhaus, bevor die Polizei ihn verhören kann.
Recht bald werden weitere Opfer des brutalen Täters gefunden, diese sind alle tot und wurden zuvor ebenfalls extrem heftig gefoltert.
Das Ermittlerteam hat also alle Hände voll zu tun und muss sich alsbald auch vor der Presse rechtfertigen...Journalistin Alexandra Bengtsson vom Aftonbladet ist bereits dran an der Story und rückt Hauptermittler Carl Edson des Öfteren auf den Pelz...

Teil 2 erzählt Autor Bo Svernström aus der Sicht des Täters und wechselt hierbei zwischen Gegenwart und Vergangenheit, so dass man einiges über die Motive des Täters und seinen Charakter sowie seine Kindheitserlebnisse erfährt…das waren teils schon recht erschreckende Einblicke in eine kranke Psyche…
Dieser extreme Wechsel des Erzählstils hat mir sehr gut gefallen , das kannte ich in dieser Form bislang noch nicht.
In Teil 3 kam es dann zur Aufklärung des Falles, es gab noch diverse unvorhergesehene Wendungen und leider war ich beim Lesen dieses dritten Teils auch bisweilen etwas genervt und gelangweilt, da war die Handlung doch teilweise sehr abstrus und einige Fragen – wenn auch nichts unbedingt relevantes- sind offen geblieben…
Man weiß hier des Öfteren nicht, ob die Protagonisten Opfer oder Täter sind, bzw. sind sie meist beides…
Die Charaktere haben mir insgesamt gut gefallen, es gab sehr viele Leichen und die Tötungsmethoden waren sehr brutal und ziemlich detailliert beschrieben.
Wer damit keine Probleme hat, den erwartet ein spannender Krimi mit unkonventionellen Erzählmethoden und einem überraschenden Ende, obwohl man den Täter ja schon lange zuvor kennt.
Ich empfehle es weiter mit kleinen Abstrichen, von mir 4 Sterne.