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Benedikt Bögle

Bewertungen

Insgesamt 406 Bewertungen
Bewertung vom 04.05.2021
Wer waren die Nationalsozialisten?
Herbert, Ulrich

Wer waren die Nationalsozialisten?


ausgezeichnet

Wer waren die Nationalsozialisten? Wer waren die Menschen, die Krieg, Tod und Verderben über einen ganzen Kontinent brachten? Was trieb sie an, wie sahen ihre Biographien aus? Dieser Frage geht Ulrich Herbert in einem bei C.H. Beck erschienenen Band nach: "Wer waren die Nationalsozialisten" enthält eine Sammlung verschiedener Essays, die allesamt um diese Frage kreisen. Herbert stellt dabei vor allem heraus, dass in der frühen Bundesrepublik eine bestimmte Argumentation entwickelt wurde, die vor allem die Größen der NSDAP zu den Nationalsozialisten zählte: Hitler, Göring, Goebbels. Daneben wurden auch einige als Verbrecher angesehen, die vielleicht nicht in der Führungsriege handelten, aber dafür in den Konzentrationslagern ihren grauenhaften Dienst verrichteten. Die Folge: Bestimmte Nazis konnten ohne größere Probleme in die neue Bundesrepublik integriert werden - Juristen etwa, die vorher leitend in NS-Ministerien tätig waren, danach in der Führungsebene großer Unternehmer. Nochmals also die Frage: "Wer waren die Nationalsozialisten?" Diese Frage kann ja auf zweierlei Weise gelesen werden. Zunächst: Wer war Nationalsozialist; wer also ist unter die Nazis zu rechnen, wer nicht? Daneben: Wer waren - vom Charakter, von der Biographie her - diese Nationalsozialisten?

Ulrich Herbert fragt nach dem Judenhass und der Rolle deutscher Professoren, nach dem Russlandfeldzug und der Ermordung der europäischen Juden, nach dem Weg in den Nationalsozialismus und nach den Nachklängen in der Bundesrepublik. Entstanden ist ein sehr interessantes, informatives, fundiertes, gleichzeitig aber auch flüssig zu lesenden Buchs. Es kann allen nahegelegt werden, die sich historisch für die Zeit des Nationalsozialismus interessieren.

Bewertung vom 03.05.2021
Aus der Mitte des Sees
Heger, Moritz

Aus der Mitte des Sees


ausgezeichnet

Bruder Lukas fühlt sich verlassen. Gleichzeitig mit einem anderen jungen Mann war er in sein Benediktinerkloster eingetreten. Der andere, sein bester Freund innerhalb der Klostermauern, hat das klösterliche Leben hinter sich gelassen, hat geheiratet, ist Vater geworden. Jeden Tag geht Bruder Lukas zum See neben dem Kloster, schwimmt eine Runde, schwelgt in Gedanken. Wie soll es weitergehen mit dem Kloster, dessen Brüder immer älter werden, während kein Nachwuchs zu kommen scheint? Beneidet er den ausgetretenen Mitbruder oder soll er eher wütend auf ihn sein? Diese Fragen werden drängender, als eine junge Frau die Gottesdienste des Konvents besucht, immer wieder im Kloster auftaucht. Bruder Lukas beginnt sich zu verlieben - und setzt sich neu mit seiner Berufung auseinander. "Aus der Mitte des Sees" ist ein faszinierender Roman, den Moritz Heger geschaffen und bei Diogenes veröffentlicht hat. Setzt sich Literatur dieser Tage mit christlichem Glauben oder gar zölibatärem Leben auseinander, sind bestimmte Richtungen immer wieder zu sehen: Entweder wird völlig uninformiert über den Glauben geschrieben oder aber völlig abwertend. Entweder also ist die Welt der Glaubenden eine, die sich von vornherein verschließt, oder eine, die von vornherein abzuwerten ist.

Ganz anders und deswegen so erfrischend "Aus der Mitte des Sees". Zunächst: Der Autor beschreibt gut informiert das Leben in einem Kloster. Die Begriffe passen, ein authentisches Bild wird gezeichnet. Darüberhinaus nimmt Moritz Heger Glaubensfragen und Berufungszweifel ernst. Er stellt sich und dem Leser wirklich die Frage: Welchen Sinn hat ein klösterliches Leben? Welchen Zweifel könnte sich ein Mönch in unserer Zeit in unserem Land ausgesetzt sehen? Am Ende zeichnet der Autor das Bild einer Berufung, die sich nicht immer ohne Brüche verwirklicht - aber doch dem lebenslangen Suchen nach Gott Ausdruck verleiht. Ein faszinierender Roman.

Bewertung vom 03.05.2021
Platon
Szlezák, Thomas Alexander

Platon


ausgezeichnet

Bei C.H. Beck hat der Altphilologe Thomas Alexander Szlezák etwas veröffentlich, das man als Einführung in das platonische Denken bezeichnen könnte: "Platon. Meisterdenker der Antike." Wenn man an den Begriff der Einführung denkt, würde sich vielleicht eine kurze Skizzierung wesentlichen Lebensstationen und bedeutende Züge des platonischen Denkens aufdrängen. Nun: "Kurz" ist dieses Werk nicht. Es informiert den Leser auf immerhin knapp 800 Seiten über den großen Philosophen der Antike. Und gleichzeitig kann dieses Werk wohl zurecht als eine "Einführung" bezeichnet werden, denn im Zentrum stehen nicht lediglich Spezialprobleme, sondern das platonische Werk als Ganzes. So bietet Szlezák zunächst eine Biographie Platons, die auch die politischen und geschichtlichen Aspekte seiner Zeit beleuchtet. Anschließend geht der Autor auf das Spezifische des platonischen Werkes ein, um dann auf einzelne Züge der Philosophie Platons zu sprechen zu kommen.

Szlezák zeichnet ein umfangreiches Bild des Denkers. Er führt behutsam in die Frage ein, welche Rolle in der platonischen Philosophie dasjenige spielte, das eben nicht in den Dialogen und anderen Schriften auf uns gekommen ist, sondern nur in mündlicher Lehre überliefert wurde und überliefert werden sollte. Szlezák geht auf den Ideenbegriff bei Platon ein und auf die Frage nach Gott, auf die politischen Entwürfe wie auf Platons Ethik. Entstanden ist so tatsächlich eine - wenngleich sehr umfangreiche - Einleitung; denn dieser Band ersetzt ja nicht die Lektüre Platons, sondern regt vielmehr immer wieder zu ihr an. "Platon. Meisterdenker der Antike" ist so etwas wie ein Fahrplan für alle, die in das Werk des Philosophen eintauchen wollen - und damit sehr zu empfehlen.

Bewertung vom 03.05.2021
Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche
Fuchs, Guido

Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche


sehr gut

In der Kirche muss man sich benehmen. Das ist klar. Die Frage nur: Was heißt denn gutes, was schlechtes Benehmen in der Kirche? Als Frage der Liturgiewissenschaft erscheint diese Frage etwas seltsam. Aber sie hat ja einen sehr berechtigten Kern: Ein bestimmtes Benehmen bringt Haltungen und Einstellungen zum Ausdruck. Meine Einstellung zum Heiligen kann ich auch darüber kommunizieren, wie ich mich in einer Kirche und während eines Gottesdienstes verhalte. Umso spannender, dass der Liturgiewissenschaftler Guido Fuchs der Frage des Benehmens in einem eigenen Buch nachgeht: "Kleine Geschichte des schlechten Benehmens in der Kirche" ist bei Friedrich Pustet in Regensburg erschienen. Der Autor geht dort schlechtem Benehmen nach: Wie sollte man sich in der Kirche kleiden? Dürfen Hunde in die Kirche, darf dort geraucht oder getrunken werden? Manche der Fragen erscheinen geradezu offensichtlich. Spannend ist, dass Guido Fuchs dem Benehmen auch historisch nachgeht: Wie haben sich Menschen frühen in der Kirche benommen? Wie hat sich das Verhalten im heiligen Raum über die Jahrhunderte hinweg entwickelt?

Guido Fuchs hat ein informatives und sehr lesenswertes Buch geschrieben. An so mancher Stelle kann sich der Autor des erhobenen Zeigefingers aber nicht erwehren - und das sicherlich immer wieder zu Recht. Gleichwohl wird man Guido Fuchs hin und wieder widersprechen müssen. Sind kurze Hosen in einer Kirche wirklich derart unangemessen? Wird man nicht noch Unterschiede feststellen müssen zwischen einer Badehose und einer kurzen Hose als Arrangement gepflegten Auftretens? Wie etwa würden wir dann mit bayerischen Trachten umgehen, die ja oft aus kurzen Hosen bestehen? Man merkt an Fragen wie diesen, dass die Frage nach gutem und schlechtem Benehmen in der Kirche nicht immer so eindeutig ist, wie man zunächst meinen möchte. Wer darüber nachdenken möchte, sollte sich an den neuen Band von Guido Fuchs halten.

Bewertung vom 21.04.2021
Ist JURA das Richtige für mich?
Dyrchs, Franz Peter

Ist JURA das Richtige für mich?


ausgezeichnet

Soll ich Jura studieren? Diese Fragen stellen sich immer wieder Abiturienten. Jura ist ein beliebtes Studienfach, die Berufsaussichten sind nicht schlecht - und doch ist die Quote der Studienabbrecher relativ hoch. Also sollte man sich vor der Wahl des Studiums schon ein paar Gedanken machen. Glücklich, wer Juristen kennt und ihren Rat einholen kann. Wer keine Juristen kennt, kann sich nun aber an eine Veröffentlichung aus dem Vahlen-Verlag halten: "Ist Jura das richtige für mich? Ein Dialog mit dem Jurastudium" von Franz Peter Dyrchs. Der Autor ist ehemaliger Hochschullehrer, Richter, Staatsanwalt und Repetitor. Kurzum: Er muss wissen, wovon er spricht. Zunächst beschreibt Dyrchs Eigenschaften, die man als angehender Jurist mitbringen sollte. Hier kann sich jeder Leser selbst testen: Trifft das auf mich zu? Kann ich mir eine juristische Tätigkeit vorstellen? Anschließend erklärt der Autor dann, wie das Studium funktioniert und worauf man achten sollte. Wer also Jura studieren will, sich aber nicht ganz sicher ist, sollte sich unbedingt mit diesem Band beschäftigen. Und wer sich schon ganz sicher ist, am Besten auch. Ein toller Begleiter für den Studienbeginn.

Bewertung vom 20.04.2021
Sex and Crime
Fischer, Thomas

Sex and Crime


ausgezeichnet

Thomas Fischer erklärt nun schon seit Jahren der ganzen Nation das Strafrecht. Er tut das mal in Kommentaren, mal in Büchern. Egal in welcher Form: Thomas Fischer bemüht sich um eine harte Auseinandersetzung in der Sache und widerspricht damit unnötigen Zuspitzungen und Vereinfachungen. Strafrecht ist eben keine ganz einfache Materie, oft kommt es auf kleine Details an. Nun hat sich Thomas Fischer mit einem neuen Buch in den Bereich des Sexualstrafrechts vorgewagt: "Sex and Crime. Über Intimität, Moral und Strafe" ist bei Droemer erschienen. Bei diesem Titel könnte der Leser nun zugespitzte, ins Boulevard neigende Ausführungen erwarten. Das Gegenteil ist der Fall. Fischer erklärt das deutsche Sexualstrafrecht nüchtern und sachlich. Er wehrt sich dabei gegen verbale Aufrüstung und hinterfragt Gesetzesänderungen.

Zunächst führt Thomas Fischer in das große Thema der Sexualität ein. Er zeigt, wie umfassend menschliche Sexualität ist und stellt damit auch die Frage: Was muss der Gesetzgeber regeln? Was ist Verhalten, das wir nicht mehr nur als unmoralisch zu empfinden, sondern unter Strafe zu stellen haben? Dabei macht der Autor auch immer wieder deutlich: Moral und Recht sind nicht das gleiche. Strafwürdig sollte wohl nur sein, was wir auch als Verstoß gegen moralische Vorgaben sehen - umgekehrt ist aber nicht jedes unmoralische Verhalten auch strafbar. Das ist eine wichtige Weichenstellung für das Folgende. Fischer beschreibt nun das deutsche Sexualstrafrecht anhand von vier kurzen Fällen. Er zeigt, wie sehr es auf Nuancen ankommt, wie umstritten auch so manches Tatbestandsmerkmal ist.

Am Ende bliebt ein erhellendes Buch, das sich gerade nicht nur an Juristen richten möchte. Das Sexualstrafrecht ist ja immer wieder - gerade wegen aktueller Gesetzesänderungen - Gegenstand der öffentlichen Debatte. Gerade diese Öffentlichkeit sollte sich auch in Bild vom geltenden Recht machen können, ohne sich direkt an einer juristischen Fakultät einschreiben zu müssen. Diesem Bedürfnis kommt Thomas Fischer nach.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.04.2021
Söder
Clauß, Anna

Söder


ausgezeichnet

Markus Söder hat es geschafft. Selbst wenn er nicht zum Kanzlerkandidaten der Union gekürt wird: Diesen Mann muss Deutschland auf der Rechnung haben – über die Bundestageswahl in diesem Jahr hinaus. Seine Karriere in Bayern verlief geradlinig: Vorsitzender der Jungen Union, Generalsekretär, Minister, Ministerpräsident, Parteivorsitzender. Und das alles mit nicht wenigen Gegnern in der eigenen Partei, sogar Horst Seehofer wollte ihn als seinen Nachfolger verhindern – und gab sich nicht einmal sonderlich viel Mühe, das zu verbergen. Am Ende ist es ihm nicht gelungen. Markus Söder ist der „Unvermeidbare“.

„Söder“. Diesen Titel trägt eine bei Hoffmann und Campe erschienene Biographie der Spiegel-Journalistin Anna Clauß. Der Untertitel: „Eine andere Biographie“. Anders ist an dieser Biographie, dass ihr der klassische, bisweilen langweilende Aufbau fehlt. Kindheit, Jugend, Studium. Clauß setzt eher auf einzelne Situationen, auf politische Augenblicke, die etwas sagen können über den Menschen und Politiker Markus Söder. Clauß beschreibt das Vorgehen Söders und seziert so einige Merkmale seiner zumindest politischen Persönlichkeit. Seine Fähigkeit, Gefolgschaften zu knüpfen, sich selbst zu inszenieren und sich damit unvermeidbar zu machen. Für Söder sprachen in Bayern zunächst weder Umfragenwerte noch Wahlergebnisse. Er hat es trotzdem geschafft. Er hat es geschafft, dass in der bayerischen Politik zumindest in absehbarer Zeit niemand um ihn herumkommt.

Anna Clauß‘ Biographie ist lesenswert. Sie ist es dieser Tage natürlich besonders mit Blick auf die mögliche Kanzlerkandidatur Söders. Sie wird es aber auch darüber hinaus sein als das Porträt eines Mannes, der – wie auch immer die Entscheidung der Union ausgehen möge – die Politik in Deutschland wohl auch in den kommenden Jahren prägen wird. Und sie ist schlicht unterhaltsam, ja, bisweilen gar spannend.

Bewertung vom 19.04.2021
Der letzte Joker
Christie, Agatha

Der letzte Joker


gut

Auf einem geselligen Wochenende will eine Gruppe junger Erwachsener einem Freund eigentlich nur einen Streich spielen: Da er so schwer aufsteht, stellen sie ihm sieben Wecker in sein Zimmer, die ihn bereits am frühen Morgen wecken sollen. Doch nichts geschieht, noch am Mittag scheint der junge Mann zu schlafen. Die grausige Entdeckung: Gerry Wade liegt tot in seinem Bett. Ein Unfall, so scheint es, oder Selbstmord: Er hatte eine Überdosis Schlafmittel genommen. Als aber nur wenige Tage darauf sein bester Freund Ronny erschossen wird, ergibt sich ein anderes Bild. Immer mehr Indizien weisen auf den mysteriösen "Seven Dials Club" in London. Dort treibt eine verbrecherische Gruppe ein undurchsichtiges Spiel. Eine Gruppe um Lady Eileen Caterham versucht, dem Geschehen auf die Spur zu kommen.

Agatha Christie hat mit "Der letzte Joker" einen Roman geschaffen, dessen Plot Potential hätte. Die abenteuerlustige Lady Eileen stürzt sich in die Aufklärung des Verbrechens und am Ende überrascht Christie wie in so vielen ihrer Romane mit einer völlig unerwarteten Wendung. Leider zieht sich der Roman streckenweise sehr. Anfang und Ende verdienen höchstes Lob, auf den Seiten dazwischen wäre weniger vermutlich mehr gewesen.

Bewertung vom 15.04.2021
Sommernacht
Foley, Lucy

Sommernacht


ausgezeichnet

Jules und Will feiern ihre Hochzeit auf einer abgelegenen irischen Insel. Die Braut, Herausgeberin eines Online-Blogs, tut alles, um die Feier zu einem Erfolg zu machen. Die Hochzeit zieht Aufmerksamkeit auf sich, nicht zuletzt, weil der Bräutigam Star einer erfolgreichen Survival-Show ist. Doch schon bald wird deutlich: Zwischen den Gästen bestehen Spannungen. Immer wieder treiben Schatten aus der Vergangenheit wie Wolken in die Gegenwart. Was geht da zwischen dem Trauzeugen und der Braut vor sich? Was geschah vor Jahrzehnten auf der Eliteschule, die der Bräutigam besuchte? Lucy Foley hat mit "Sommernacht" wieder einen packenden Thriller geschaffen. Die Autorin schildert, wie schon in "Neuschnee", die Ereignisse aus verschiedenen Perspektiven. Immer wieder wechselt Foley gekonnt zwischen der Gegenwart und der jüngsten Vergangenheit, erzählt das Hochzeitswochenende so gleichzeitig vom Anfang und vom Ende her. Gekonnt verbindet die Autorin einzelne Stränge der Erzählung; am Ende mag man als Leser erstaunt sein, wie perfekt sich die Geschichte fügt. Ein packender, genialer Thriller.