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Aus Liebe zum Lesen
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Rannungen

Bewertungen

Insgesamt 203 Bewertungen
Bewertung vom 08.01.2023
Irgendwann werden wir uns alles erzählen
Krien, Daniela

Irgendwann werden wir uns alles erzählen


ausgezeichnet

Endlich habe ich auch mal ein Buch von Daniela Krien gelesen. Ihr Erstlingswerk „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“ erschien jetzt in einer schönen gebundenen Ausgabe mit einem Vorwort der Autorin bei Diogenes.

Die 16-jährige Maria zieht zu ihrem Freund auf den Bauernhof in einem ostdeutschen Provinznest und wird dort gut aufgenommen. Während sich alle mit Arbeiten auf dem Hof und dem Zusammenfall der DDR und der ungewissen Zukunft im vereinigten Deutschland beschäftigen, verliebt sich Maria in den wesentlich älteren Bauern vom Nachbarhof.

Die Autorin schafft es auf beeindruckende Art und Weise die historischen Geschehnisse aus einem wenig beachteten Blickwinkel zu zeigen und ganz subtil in die außergewöhnliche Liebesgeschichte einzuweben. Ebendiese wird von Seite zu Seite intensiver und der Leser wird voll in ihren Sog gezogen und fiebert mit Maria dem nächsten geheimen Treffen entgegen, immer im Hinterkopf, dass sie entdeckt werden könnten.

Daniela Kriens Schreibstil ist toll. Während die ersten Seiten noch locker daherkommen, wird die Geschichte dichter und dichter. Auch das Ende – oftmals ja die Schwachstelle eines Romans – konnte mich voll überzeugen. Auch die Figuren sind authentisch angelegt und deren Konstellation geschickt konstruiert.

Ein intensiver Roman, der sowohl sprachlich als auch inhaltlich überzeugen konnte und sicher nicht mein letzter von Daniela Krien.

Bewertung vom 06.01.2023
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


gut

In ihrem Erzählband „Miss Kim weiß Bescheid“ zeigt uns Cho Nam-Joo kurze Ausschnitte aus dem Leben von 12 südkoreanischen Frauen.

In den meisten Geschichten stehen die Figuren an einem Scheitelpunkt in ihrem Leben, als z. B. der Vater von einem Tag auf den anderen verschwindet oder die Frau, die endlich die Polarlichter sieht und sich entscheidet, wie sie ihr weiteres Leben als Großmutter führen möchte. Die Titelstory hat mir dabei am besten gefallen, denn der Clou um Miss Kim wird tatsächlich erst am Ende aufgelöst.

Bei allen Geschichten fehlt mir die Nähe zu den Figuren. Mir sind ausnahmslos alle Protagonistinnen fremd geblieben, die Figuren unnahbar, kühl, trotz der emotionalen Momente in ihrem Leben. Vielleicht liegt das an der Mentalität, dennoch hat mir beim Lesen etwas gefehlt, ich hätte mich gerne mehr berührt gefühlt.

Wie das bei den meisten Erzählbänden so ist, haben mir manche Geschichten besser gefallen, andere eher weniger, ganz überzeugen konnte mich das Buch letztlich nicht.

Bewertung vom 04.01.2023
Emil:ia
Jongeling, Peer

Emil:ia


ausgezeichnet

Was macht eine Frau zur Frau? Genau diese Frage stellt dich auch Trans-Mann Emil, der als Emilia geboren und erzogen wurde, in Peer Jongelings Graphic Novel „Emil:ia“ aus dem kleinen Indie-Verlag „Jaja“.

Emilia fühlt sich in ihrem weiblichen Körper nicht wohl und beschließt, künftig als Emil zu leben und beginnt eine Transition. Von den Eltern und der neuen Mitbewohnerin unverstanden und durch die Endgültigkeit der OP zur Brustentfernung verunsichert, stellt sich Emil die Frage, was Weiblichkeit für ihn bedeutet.

Dass diese Frage nicht einfach zu beantworten ist und es für jeden etwas anderes bedeutet, macht das Buch gut deutlich und diese Botschaft ist wichtig für einen toleranten Umgang miteinander.

Die meist zweifarbigen Illustrationen sind bildgewaltig und obgleich oder gerade wegen ihres minimalistischen Zeichenstils eindringlich und ausdrucksstark und lassen zugleich die Liebe zum Detail erkennen. Einzig die animalische Darstellung der Gesichter sagt mir nicht ganz so zu.

Es wird Zeit, dass wir die künstliche Einteilung in zwei Geschlechtskategorien hinter uns lassen und endlich allen Menschen zugestehen, über das eigene Geschlecht selbst zu bestimmen und diese Graphic Novel kann dazu beitragen.

Bewertung vom 03.01.2023
Der Duft von Schokolade (Erfolgsausgabe)
Arenz, Ewald

Der Duft von Schokolade (Erfolgsausgabe)


sehr gut

In einer wunderschönen Sonderausgabe ist jetzt Ewald Arenz‘ Roman „Der Duft von Schokolade“ von 2011 neu bei ars vivendi erschienen. Da musste ich natürlich zugreifen.

Leutnant August quittiert 1881 seinen Dienst, um künftig als Einkäufer in der Wiener Schokoladenfabrik seines Onkels zu arbeiten. Aufgrund seines außergewöhnlichen, ja vielleicht eher magischen Riechvermögens ist er in Sachen Schokolade genau der Richtige. Doch sein neues Leben wird schnell von einer geheimnisvollen Frau durcheinandergewirbelt.

Anders als seine neueren Erfolgsromane hat sich Ewald Arenz diesmal ins historische Wien begeben und schildert es gewohnt bildreich, wobei er sich, soweit ich das recherchiert habe, an die historischen Fakten hält. Dieser Teil konnte mich überzeugen. Die übersinnlichen olfaktorischen Fähigkeiten seines Protagonisten hingegen nicht wirklich. Das war mir ein bisschen zu viel des Guten. Außerdem konnte blieben mir August und seine Liebe Elena bis zum Schluss fremd und ihre Handlungen nicht immer nachvollziehbar.

Dennoch ist die Geschichte lesenswert und die Beschreibungen von Düften, Schokolade und den historischen Schauplätzen gelungen.

Bewertung vom 19.12.2022
33 Sportereignisse, die die Welt verändern
Sommavilla, Fabian

33 Sportereignisse, die die Welt verändern


ausgezeichnet

Ich boykottiere diese Farce von einer WM und wenn ihr das auch machen, dabei aber nicht auf Sport verzichten wollt, dann lege ich euch Fabian Sommavillas neues Buch „33 Sportereignisse, die die Welt veränderten“ aus dem Katapult-Verlag sehr ans Herz.

Natürlich spielt die aktuelle Fußball-WM in Katar eine Rolle und als Antwort auf die laut FIFA angeblich “fünf coole[n] Dinge über Katar“ präsentiert der Autor „fünf uncoole Dinge über Katar“. Er beschäftigt sich aber auch mit staatlich verordnetem Verlieren im Iran, einem Radrennfahrer im Widerstand gegen die Nazis, Klimaauswirkungen von Formel 1, Fußball, Cricket & Co oder sportlichen Höchstleistungen nordkoreanischer Staatschefs.

Natürlich dürfen auch die zahlreichen Grafiken im Katapult-Stil nicht fehlen und so entsteht eine extrem hohe Informationsdichte auf etwas mehr als 200 Seiten, die neben den bekannten Sportarten und Events z. B. auch Ziegenpolo und Ohrenziehen sowie „die WM der verbotenen Staaten“ beinhalten. Dass es aber nicht zu einem langweiligen Sportalmanach verkommen ist, verdankt das Buch neben poppigen Illustrationen vor allem Fabian Sommavillas spritzigem Schreibstil.

Der Journalist Sommavilla legt nach seinem ebenfalls sehr gut recherchierten Buch „55 kuriose Grenzen und 5 bescheuerte Nachbarn“ mit seinem interessanten Sportbuch nach, das nicht weniger politisch ist und sich u. a. mit Themen, wie Menschenrechten, queere Sportler*innen, Rassismus und dem Klimawandel beschäftigt. Aber auch weniger Sportbegeisterte können darin noch etwas über die Welt lernen, und zwar ohne sich zu langweilen.

Bewertung vom 17.12.2022
Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3
Izquierdo, Andreas

Labyrinth der Freiheit / Wege der Zeit Bd.3


ausgezeichnet

Endlich ist er da, der dritte Band um das Triumvirat, Arthur, Carl und Isi. Mit „Labyrinth der Freiheit“ schließt Andreas Izquierdo seine Wege-der-Zeit-Trilogie ab. Nachdem ich von „Schatten der Welt“ hellauf begeistert war, enttäuschte mich „Revolution der Träume“ etwas, das den Charme des ersten Buchs vermissen ließ und sich sehr auf die Politik der Zeit konzentrierte.

Der Schauplatz ist auch diesmal Berlin, wobei sich die Zeitspanne der Erzählung trotz der stattlichen gut 500 Seiten nur auf das Jahr 1922 beschränkt. Wie zu erwarten, werden die 3 Protagonisten wieder in allerlei Schwierigkeiten verwickelt und alte Fehden mit den von Torstayns und Boysens aber auch den Rechten werden weiter ausgetragen. Mir gefällt es gut, dass sich die Handlung diesmal wieder mehr mit den Figuren und weniger mit politischen Entwicklungen beschäftigt, denen dennoch sehr subtil Beachtung geschenkt wird.

Auch die Figuren, ihre Charakterzüge und Entwicklungen passen wieder besser als im zweiten Band und knüpfen eher an den ersten Band an. Wenngleich die Handlung an einigen Stellen doch etwas hanebüchen daherkommt und die Leichtigkeit des ersten Buchs mit der politischen und persönlichen Entwicklung der Figuren verloren ging, hat Andreas Izquierdo wieder einen spannenden Roman mit liebenswerten Figuren geschrieben, sodass der Lesende bis zum Ende mitfiebern muss.

Bewertung vom 14.12.2022
artgerecht durch den Familienalltag / artgerecht-Reihe Bd.4
Schmidt, Nicola

artgerecht durch den Familienalltag / artgerecht-Reihe Bd.4


ausgezeichnet

Nicola Schmidt dürfte den meisten Eltern wohl bekannt sein. Als Autorin der artgerecht-Bücher und des gleichnamigen Projekts, hat sie in den vergangenen Jahren maßgeblich zur Verbreitung des Konzepts der bedürfnisorientierten Erziehung beigetragen. Nun ist ihr neustes Buch aus dieser Reihe erschienen: „artgerecht durch den Familienalltag… weil das Leben auch echte Lösungen braucht!“.

Darin gibt sie Antworten auf die häufigsten Fragen, die sie von Eltern gestellt bekommt. Die Fragen decken die volle Bandbreite von der Geburt bis hin zum Schulalter ab. Außerdem widmet sie sich auch Trennungsfamilien und dem Thema Wut und Aggressionen. Dabei sind die Fragen mal relativ allgemein gehalten, mal ziemlich konkret.

Zu jedem Problem formuliert sie zunächst ihre Soforthilfemaßnahmen, ergründet die Frage hinter der Frage und gibt dann in einem Fazit Vorschläge und Ideen, wie man das Problem lösen könnte. Nicola Schmidts Ton ist dabei stets wertschätzend und ihre Anmerkungen und Hilfestellungen sind sehr alltagstauglich und realitätsnah.

Nicola Schmidts neues artgerecht-Buch ist die ideale Ergänzung zu ihrem Baby- und Kleinkind-Buch. Es beantwortet viele Fragen, die wohl die meisten Eltern bewegen und bietet alltagsnahe Lösungen.

Bewertung vom 08.12.2022
Die Bücher, der Junge und die Nacht
Meyer, Kai

Die Bücher, der Junge und die Nacht


ausgezeichnet

Bereits vor vielen Jahren habe ich Kai Meyer als grandiosen Erzähler entdeckt. Ich habe schon viele seiner Kinder- und Jugendbücher gelesen, einige regelrecht verschlungen. Entsprechend gespannt war ich auf seinen neuen Roman „Die Bücher, der Junge und die Nacht“, mit dem er das gewohnte Genre verlässt.

In drei Zeitebenen erzählt er die Geschichte des Buchexperten Jakob Steinfeld, der versucht, seine Vergangenheit zu ergründen und trifft dabei auf Menschen, die jede*r auf eine andere Art und Weise der Liebe zu den Büchern erlegen ist, die manchmal seltsame, bisweilen gar gefährliche Auswüchse annehmen kann.

Seine bis zum Ende hin spannende Geschichte packt Kai Meyer in historisch äußerst interessante Zeiten und Schauplätze, wie das graphische Viertel Leipzig als die Nazis die Macht ergreifen, mitten in den zweiten Weltkrieg und in die DDR. Die Charaktere sind toll ausgearbeitet von den Protagonisten bis hin zu den Nebenfiguren.

„Die Bücher, der Junge und die Nacht“ konnte mich von der ersten Seite an in seinen Bann ziehen. Die Liebe zu Büchern zieht sich durch den ganzen Roman und macht ihn zu einem außerordentlichen bibliophilen Lesegenuss mit ordentlich Spannung und einer guten Prise Historischem.

Bewertung vom 01.12.2022
Ein Lied für die Vermissten
Jarawan, Pierre

Ein Lied für die Vermissten


gut

Nachdem mir Pierre Jarawans Roman „Ein Lied für die Vermissten“ empfohlen wurde, habe ich ihn nun endlich von meinem SuB befreit. Er erzählt darin die Geschichte von Amin, der als Waisenkind von seiner unnahbaren Großmutter erzogen wird. Nach einigen Jahren in Deutschland kehren die beiden in den Libanon zurück, der sich im Umbruch nach dem jahrelangen Bürgerkrieg befindet. Gemeinsam mit seinem besten Freund Jafar zieht er durch zerbombte Häuserruinen und lernt ein Mädchen kennen.

In verschiedenen, sich abwechselnden Zeitebenen führt uns der Protagonist durch die verschiedenen Stationen seines Lebens, das stets geprägt von der Beziehung zu seiner Großmutter ist, die zeitlebens Geheimnisse vor ihm hat. Trotz der Erzählperspektive des Ich-Erzählers und der doch stattlichen Textlänge, konnte ich leider keine tiefe emotionale Verbindung zu Amin bekommen. Und während die Geschichte durchaus spannend angelegt ist und ich gut durch einige Längen gekommen bin, habe ich in vielen Fällen vergeblich auf eine Auflösung oder eine Erklärung gewartet.

Interessant fand ich die Einblicke in ein Land, über das ich bislang wenig wusste, über die Auswirkungen des Kriegs, das unsichere Leben danach, den arabischen Frühling und überhaupt die Lebensumstände, die Pierre Jarawan als Sohn eines Libanesen sicher gut einschätzen kann. Auch sprachlich konnte mich der Autor überzeugen. Dennoch bleibt das Buch leider hinter meinen Erwartungen zurück.

Bewertung vom 26.11.2022
Zeit für Kunst

Zeit für Kunst


gut

Ich liebe ja Kalenderbücher – kleine Häppchen Infos und Lesenwertes für zwischendurch, z. B. auf dem Nachttisch oder dem stillen Örtchen ;) Im Prestel-Verlag ist nun ein immerwährender Tageskalender erschienen: „Zeit für Kunst – 365 Meisterwerke Tag für Tag“.

Die vorgestellten Bilder erstrecken sich vom Barock bis in die Moderne, von Dürer bis Kandinsky. Für jeden Tag gibt es eine Doppelseite, rechts das Kunstwerk, links die Eckdaten zum Künstler, Name des Werks und Ausstellungsort, das Kalenderdatum und ein Zitat, das im weitesten Sinne zum Bild passt.
Die Gestaltung ist minimalistisch, meist recht harmonisch, wenngleich ich die Typografie nicht ganz gelungen finde. So weit, so gut.

Allerdings hatte ich mir ein paar Infos zum Bild, zum Künstler, zur Epoche erwartet. Ein paar kurze Informationen, aus denen hervorgeht, was das vorgestellte Kunstwerk zum Kunstwerk macht, was das Besondere am Bild oder der Technik ist, welche Technik überhaupt verwendet wurde. Natürlich erwarte ich in einem Kalenderbuch keinen Kunstführer, aber zwei, drei kurze, prägnante Informationen wären wünschenswert gewesen und hätten das Leseerlebnis abgerundet.