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Maralind

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Insgesamt 83 Bewertungen
Bewertung vom 01.08.2019
Der Gesang der Flusskrebse
Owens, Delia

Der Gesang der Flusskrebse


ausgezeichnet

Das Mädchen Kya ist erst sechs Jahre alt, als sie von ihrer Mutter verlassen wird. Sie lebt in einer kargen Hütte in der Marsch, einer Sumpflandschaft. Ihr Vater ist immer mal wieder ein paar Tage verschwunden, er trinkt und ist bis auf wenige Ausnahmen unzuverlässig und unberechenbar. Die Geschwister von Kya sind bereits vor der Mutter gegangen und als dann ihr Vater auch immer wieder länger untertaucht, ist Kya ganz allein auf sich gestellt.

Ich musste mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass Kya erst sechs Jahre ist, dieses Warten darauf, dass ihre Mutter doch ganz bestimmt zurückkommt, obwohl sie ihre besten Schuhe und ihren Koffer dabei hatte, ist mir sehr nah gegangen. Gleichzeitig versucht die 6jährige sich an Sachen zu erinnern, die sie von ihren Geschwistern oder auch der Mutter gelernt hat, versucht sich im Kochen, im Wäsche waschen, später dann auch am eigenen Garten, um Gemüse anzubauen…Besonders bewegt hat es mich, als Kya in einen rostigen Nagel tritt und starr vor Angst ,aber trotzdem mutig versucht, sich selbst zu behandeln.

Dieses „Sumpfgesindel“ wie es im nahe gelegenen Städtchen heißt, ist jedoch nicht willkommen. Das weiß und spürt Kya jedes Mal, wenn sie mit anderen Menschen in Kontakt treten muss. Sei es beim nötigen Einkauf oder auch beim ersten und einzigen Versuch, die Schule zu besuchen. Ich hätte diese Leute gern geschüttelt! Ich war richtig froh, als Kya nachher die Möglichkeit gefunden hat ihre wenigen Lebensmittel und das Benzin für ihr Boot beim sympathischen Jumpin‘ zu bekommen und deswegen nicht mehr in die Stadt musste. Jumpin‘ wird als Dunkelhäutiger auch abgelehnt und er und seine Frau unterstützen Kya, ohne sie zu bevormunden. Diese „Gemeinschaft“ und Verbundenheit ohne große Worte hat mich sehr berührt. Der Roman spielt in den 50 zigern und die niederträchtigen Beschimpfungen, die sich Dunkelhäutige gefallen lassen mussten sowie die strikten Trennungen schnüren mir heute noch die Kehle zu.

Mitzuerleben, wie Kya langsam älter wird, immer besser ihr Leben im Sumpf meistert, aber auch lernt sich immer zu verstecken um nicht aufzufallen, ist wunderbar echt, authentisch, bewegend und auch spannend beschrieben. Aber die soziale Isolation, in der sie lebt, ist auch sehr bedrückend.
Das Buch ist für mich auch eine Liebeserklärung an die Natur. Selten war ich von Beschreibungen und Erklärungen der Tiere und auch der Pflanzen so fasziniert und gefesselt. Nicht ein einziges Mal hatte ich das Gefühl, es ist zu viel oder gar belehrend. Es fügt sich so wunderbar in die Geschichte ein, passt einfach für mich perfekt zusammen.
Kya spürt mit der Zeit die Einsamkeit immer mehr und sehnt sich nach anderen Menschen. Nach Kontakten, nach Berührungen, nach Halt und Sicherheit. Diese wachsende Sehnsucht konnte ich sehr gut nachvollziehen. Als sie eines Tages entdeckt, dass jemand vorsichtig versucht, mit ihr Kontakt aufzunehmen, wagt sie sich aus ihrer Deckung… Und glaubt schließlich am Ziel ihrer Wünsche zu sein…..

Dass das Buch mit dem Fund einer Leiche im Jahr 1969 beginnt, und immer wieder Kapitelweise über den Stand der Ermittlungen berichtet wird, macht es noch mal besonders spannend! Und auch, wenn ich schon gewisse Vorahnungen hatte, wollte ich unbedingt wissen, ob und wie sich das alles zusammenfügt….und war überrascht, dass sich die Geschichte noch in eine andere Richtung entwickelt. Das hat mir aber sehr gut gefallen und ich habe gebannt die Ereignisse verfolgt.

Ein großartiges Buch, flüssig und fesselnd geschrieben und dabei anrührend, aufrüttelnd und bildgewaltig!

Bewertung vom 17.07.2019
An Nachteule von Sternhai
Sloan, Holly Goldberg;Wolitzer, Meg

An Nachteule von Sternhai


ausgezeichnet

Das wunderschöne und liebevoll gestaltete Cover und der schöne Klappentext haben mich gleich für das Buch eingenommen. Und ich wurde nicht enttäuscht!
Das besondere an der Geschichte ist, dass sie in Mailform geschrieben ist. Die 12 jährige Bett aus Kalifornien macht die Email Adresse der gleichaltrigen Avery aus New York ausfindig, um sie „vorzuwarnen“..ihre Väter hätten sich getroffen und ineinander verliebt und die beiden wollen nun, dass sich die Mädchen kennenlernen und Freundinnen werden. Erstmal fand ich es total klasse, wie selbstverständlich es sich um alleinerziehende schwule Väter handelt. Gerade in einem Jugendbuch ein wichtiges Thema und die Art und Weise, wie hier mit Homosexualität umgegangen wird, ist einfach toll! Nun sollen die beiden deswegen in das gleiche Ferien Camp geschickt werden, was aber Bett absolut nicht will. Und für sie ist es auch ausgeschlossen, dass sie beide Freundinnen werden.
Avery,am Anfang noch ein bisschen skeptisch („ich kommuniziere nicht mit Fremden“), sieht es aber ganz genauso, ihr Vater und sie sind komplett, sie brauchen keine größere Familie.

Da habe ich natürlich schon geahnt, wie sich das ganze entwickelt und der Spaß beim Lesen, der flüssige, angenehme Schreibstil machen das Buch zum Vergnügen und man will es am liebsten in einem Rutsch lesen! Wie sich die 12 Jährigen dann immer mehr Sachen anvertrauen, es auch um Jungs oder die erste Periode geht, ist einfach nur schön zu lesen. Dabei ist das ganze dann so locker leicht geschrieben, dass ich mich wirklich in die Jugendzeit versetzt fühlte. Obwohl die beiden so unterschiedlich sind, kommen sich Nachteule und Sternhai, wie sie sich nun nennen, sehr nah und fühlen sich schon wie Schwestern.
Dass die Geschichte dennoch nicht so gradlinig verläuft, macht es in meinen Augen noch interessanter und spannender. Sehr gefallen hat mir auch die Geschichte von Großmutter Betty, auch GaGa genannt, die ihr ganz eigenes Abenteuer erlebt und auch das Auftauchen eines weiteren Familienmitgliedes. Auch die Väter kommen zu Wort, selbstverständlich auch hier in Mails oder auch mal per Brief. Ab und zu hätte ich mal gern ein Datum oder Zeitangaben bei den Mails gehabt, trotzdem konnte ich das aber auch wegen Inhalt und Betreffzeile gut einordnen. Und zum Schluss gibt es ja auch noch mal etwas größere Zeitsprünge.

Das Ende fand ich wunderschön und es gibt noch eine kleine Überraschung, die mir wirklich sehr gut gefallen hat!
Ein wunderschönes und absolut liebenswertes Jugendbuch!
Sehr zu empfehlen!

Bewertung vom 11.07.2019
Die geheime Mission des Kardinals
Schami, Rafik

Die geheime Mission des Kardinals


ausgezeichnet

Die geheime Mission des Kardinals beginnt mit einer früh morgendlichen Ölfasslieferung an die italienische Botschaft in Syrien. Als entdeckt wird, dass sich im Ölfass die Leiche eines Kardinals befindet, wird Kommissar Barudi, der kurz vor seiner Rente steht hinzugezogen, um den Mord und die Hintergründe aufzuklären. Ihm zur Seite steht sein Freund Schukri, Leiter der Spurensicherung, seine Assistenten und später auch ein italienischer Kommissar, mit dem sich Barudi auf Anhieb gut versteht. Diesen Einstieg finde ich schon sehr spannend und als später auch noch nähere Umstände der Leiche bekannt werden, hat es mich noch mehr gepackt.

Rafik Schami erzählt viel über die Situation in Syrien, das Verhältnis zu Italien, zum Vatikan. Und er schildert glaubhaft die Korruption und die Sabotage der syrischen Geheimdienste. Das erschwert in mancher Hinsicht die polizeilichen Ermittlungen und Barudi versucht sich dem ganzen politischen zu entziehen, indem er in keine Partei eintritt und ihm Beförderungen egal sind. Ich hatte richtig das Gefühl, in dieses Land einzutauchen, der Schreibstil ist wunderbar, einige Vergleiche und Ausdrücke sind einfach großartig.

Rafik Schami zeichnet ein Bild von Syrien, was einerseits erschreckend ist und gleichzeitig nehmen einen die Schilderungen der Landschaft, der Menschen, dem Essen ..gefangen. So konnte ich den Kaffee z.b schon beinahe riechen….Das hat mich sehr fasziniert.
Besonders gut haben mir auch Barudis Tagebucheinträge, die er auf Rat seines Arztes wegen seiner Schlafstörungen machen sollte, gefallen. Ich habe mich immer gefreut, wenn diese Kapitel kamen, mir hat es den sympathischen Kommissar noch näher gebracht und außerdem habe ich durch diese Einträge viel mehr über ihn, die Lage in Syrien, und seinen Konflikten bei der Arbeit erfahren.
Die Lage spitzt sich zu, als erste Spuren zu einem muslimischen Wunderheiler führen und es taucht noch jemand auf, mit dem ich nicht mehr gerechnet habe...

Ein schönes Buch über Religion und Aberglaube, über die Regierung und den Geheimdienst, über Misstrauen, Mord, Fanatismus aber auch über Freundschaft, Vertrauen, Treue, Loyalität und Liebe –das hat mir sehr gefallen!

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