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Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 585 Bewertungen
Bewertung vom 03.08.2022
Der Tag war groß
Ruck-Pauquèt, Gina

Der Tag war groß


ausgezeichnet

Traumschön

Und wieder ein rundum gelungenes, wunderschönes Bilderbuch aus dem Coppenrath Verlag! Traumschöne Bilder, traumschöne Verse zum Wegträumen…

Die Bücher von Gina Ruck-Pauquèt, der Autorin dieses feinen Bilderbuchs, haben mich viele, viele Jahre in meiner eigenen Buchhandlung begleitet, weit über ihren Tod hinaus. Wir hatten den gleichen geistigen Lehrer, weshalb ich mich ihr stets auf besondere Weise verbunden fühlte. Und deshalb freute ich mich sehr, dass aus Versen dieser vielfach ausgezeichneten Autorin und den großartigen, zart-feinen Illustrationen von Ulrike Mühlhoff ein Bilderbuch geschaffen wurde, das ganz leise und zart das Kind in den Schlaf hinein begleitet.

Das Bilderbuch mutet mich wie ein verhalten-melodisches Musikstück an, das mit zarten Harmonien eine wunderschöne Reise ins Land der Träume einleitet und begleitet. Alles Erlebte und Getane und Gefühlte, das den Tag erfüllte, kann nun zur Seite gelegt werden, in die Obhut der Nacht übergeben werden. Die leise Melodie geleitet ein Hinabsinken in die Tiefen eines Flusses, in dessen Wasser märchenhafte Gestalten leben, so zum Beispiel ein Geige spielendes Einhorn. Und in der Begegnung mit allerlei Tieren, die in Frieden und Eintracht miteinander durch die Nacht treiben, erwacht ganz langsam ein neuer Morgen, denn die Nacht ist müd geworden und neue Tagesabenteuer warten…

Fazit: Traumschön erzählt, traumschön gezeichnet – ein leises, zartes Einschlafbuch.

Bewertung vom 26.07.2022
Die Cellistin / Gabriel Allon Bd.21
Silva, Daniel

Die Cellistin / Gabriel Allon Bd.21


gut

Kein Buch für mich

Vielleicht war es nicht klug, mit dem 21. Band in eine Roman-Reihe einzusteigen. Vielleicht weckte der Buchtitel in mir als klassischem Musikfan falsche Erwartungen. Vielleicht war es mir zu viel, sogar in einem Agenten-Thriller mit Corona konfrontiert zu werden. Vielleicht war es auch einfach das falsche Buch für Außentemperaturen von 35° und mehr.
Jedenfalls las ich das Buch irgendwie nur halbherzig, eher pflichtbewusst. Und ich fühlte mich überfordert, denn trotz sofort angelegter Personen-Listen war ich teilweise verwirrt, wer wer ist. Aber auch die Fülle der oberflächlich angerissenen Themen ließ mich beim Lesen in die Beliebigkeit abschweifen, und zwar so sehr, dass mir der rote Faden verloren ging, um den Romaninhalt im Nachhinein logisch und folgerichtig nachzuvollziehen oder gar darzustellen.
Der Autor kann schreiben, er kann spannend schreiben – und dennoch las ich den Thriller nicht gern. Was an mir liegen mag (siehe oben). Oder an diesem dicken Bündel an Themen, unter dem ich mich geradezu erdrückt fühlte. „Ein Thriller voller Energie, Scharfsinn und grandiosem Timing“ wird da auf der Rückseite des Buches gejubelt. Mir dagegen fehlte es an ausreichend Energie, um mich mit all den negativen Themen des Thrillers auseinanderzusetzen, denn die Wirklichkeit überholt derzeit wohl jeden erdachten Agententhriller, in dem Russland so oder so eine wesentliche Rolle spielt.

Bewertung vom 21.07.2022
Richter morden besser / Siggi Buckmann Bd.1
Schleif, Thorsten

Richter morden besser / Siggi Buckmann Bd.1


ausgezeichnet

Geniale Mischung von kritischer Intelligenz und unterhaltsamem Humor

Selten habe ich bei der Lektüre eines Romans, der von Cover und Titel her eher wie ein Krimi wirkt, so viel geschmunzelt und aufgelacht wie bei diesem Erstling von Thorsten Schleif. Für mich ist dieser Autor eine freudige Entdeckung.

Siggi Buckmann ist schon lange Jahre Richter. Der jugendlichen Begeisterung, in diesem Beruf die Welt etwas gerechter zu machen, ist gleichmütige Routine, Dienst nach Vorschrift und Wahrung der Bürokratie gewichen. Als jedoch der obdachlose Junkie, der der Justiz seit vielen Jahren wohlbekannte Fredi Diepenberg, zu Tode kommt und keiner für dessen Tod verantwortlich sein möchte, wacht Siggi auf und beginnt, das vertraute Justizsystem zu hinterfragen. Es gibt Lücken, und die könnte man nutzen…

Der Debütroman von Thorsten Schleif ist eine geniale Mischung von Justiz-Schelte und wachsend spannender und sehr unterhaltsamer, krimi-naher Handlung. Diese mutige Kombination wird in sarkastisch-scharfzüngiger Erzählweise, verbunden mit überaus komischen Momenten, dargeboten. Seine Figuren zeichnet der Autor karikaturartig trefflich präzise, ebenso seine Dialoge. Ein Buch, das zu lesen rundum Spaß bereitet. Der Autor ist seit 2007 Richter. Er weiß also genau, wovon er schreibt. Und weil er so punktgenau die Finger in die Justizsystem-Wunden legt, macht man sich durchaus ein paar sorgenvolle Gedanken um die berufliche Zukunft des Autors Doch Kater Grisu, stets unbekleidet, wird zur rechten Zeit Rat wissen…

Fazit: Ein wunderbar unterhaltsamer, geistreich-intelligenter, gleichermaßen bissiger und urkomischer Roman, den ich wärmstens empfehlen kann.

Bewertung vom 20.07.2022
Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod
McCulloch, Amy

Der Aufstieg - In eisiger Höhe wartet der Tod


ausgezeichnet

Eiskalter, authentisch erzählter Bergsteiger-Thriller

Einen besseren Zeitpunkt zur Lektüre dieses Thrillers hätte ich kaum finden können. Extreme Hitzetage, die nach Abkühlung verlangen. Und dieses Bergsteigerdrama schafft Gänsehautmomente. Eisige Kälte birgt Lebensgefahr, aber auch ein gefährlicher Mörder.Trotz der Hitze um mich herum war mir oftmals kalt, sehr kalt…

Cecily, eine ehrgeizige Journalistin, setzt alles daran, ein Interview mit dem berühmten Bergsteiger Charles McVeigh führen zu dürfen. Seine Bedingung: Cecily muss mit ihm erfolgreich den Achttausender Manaslu besteigen. Erst danach bekommt sie das Interview, das ihrer Karriere größten Erfolg bringen wird. Doch Cecily hat nicht nur mit ihren eigenen Unsicherheiten und ihrer bergsteigerischen Unerfahrenheit zu kämpfen. Denn bereits im Basislager kommt es zu einem tödlichen Unfall. Ein Zettel an Cecilys Zelt schafft weitere Zweifel. „Ein Mörder ist am Berg. Bring dich in Sicherheit.“ Doch Cecily überwindet sich und steigt weiter und weiter auf, bis in die Höhen der Todeszone, wo nicht nur der Berg Lebensgefahr birgt…

Zwar habe ich nicht die geringste Ahnung vom Klettern oder Bergsteigen, geschweige denn von den unfassbaren Anforderungen, die das Besteigen eines Achttausenders den Mutigen, oder soll ich sagen den Besessenen, abfordert. Doch die Tatsache, dass die Autorin selbst den Manaslu mit 8.163 m Höhe in Nepal bestiegen hat, und nicht nur den, sondern auch den Aconcagua, den höchsten Berg Amerikas mit knapp 7.000 m Höhe, ließ mich den Thriller viel intensiver lesen als einen x-beliebigen erdachten Reißer. Die überaus authentisch geschilderten Anforderungen an Körper und Geist bei solch einem Aufstieg schildert die Autorin hinreißend intensiv, insbesondere die Tatsache, dass der mögliche Tod der stete Begleiter ist. Dass Amy McCulloch die Todesgefahr durch einen Mörder am Berg noch intensiviert, gibt der Lektüre eine zusätzliche Würze, allerdings auch mitunter ein paar unrealistische Momente. Doch insgesamt war ich dem fesselnd-spannenden Thriller und der fantastischen Bergwelt völlig verfallen und konnte das Buch nicht mehr weglegen.

Bewertung vom 13.07.2022
Diabolischer Engel
Gungl, Petra K.

Diabolischer Engel


ausgezeichnet

Eine gewitzte schriftstellerische Komposition

Die Autorin hatte ich durch ihren spannend-geistreichen Kriminalroman „Tannenglühen“ kennen und schätzen gelernt. Entsprechend neugierig war ich auf das vorliegende Buch, den dritten Band rund um die junge Juristin Agnes Feder. Da ich die Vorgängerbände nicht kannte, war ich einigermaßen überrascht von dem, was die Autorin geschickt einen „Spannungsroman“ nennt. Denn sie hat fröhlich und ungeniert Krimi-Elemente des „Whodunit“ mit geistvollen Elementen der Esoterik und buddhistischen Meditation gemixt. Dazu verband sie Schilderungen der Gruppendynamik mit mentalen, visionären Fähigkeiten und mystisch Zeichen gebenden Zeitebenenwechseln. Nicht zu vergessenen das Aufflammen einer bereits abgelegt geglaubten Liebe. Ich muss gestehen, für mich war es zu viel von allem, wobei ich nach wie vor mit größter Achtung die Schreibkunst der Autorin betonen möchte.

Der Inhalt in Kurzform angedeutet: Agnes Feder befindet sich zu einem Meditationsseminar in einem Seminarhotel, als ein heftiges Unwetter die Seminarteilnehmer von der Umwelt abschneidet. Als ein Gruppenmitglied vor den Augen aller stirbt, wird deutlich, dass sich ein Mörder unter ihnen befinden muss. Ein weiteres Seminarmitglied verschwindet, und zwischen den Gruppenmitgliedern wachsen Misstrauen und Eifersüchteleien. Agnes dagegen verliert sich immer wieder in visionär-mystische Traumwelten, die ihr indirekt Hilfen anbieten.

Zwar bin ich absolut kein Freund von der Kombination verschiedener Genres in einem einzigen Roman, aber dennoch überzeugte mich die spannende und bildhaft-intensive Schreibweise der Autorin. Ein geschickt gewählter Plot und eine vielschichtig und klug umgesetzte Erzählweise, dazu ein sich bis zum fulminanten Ende aufbauender Spannungsbogen lassen das Buch zum sehr unterhaltsamen Leseerlebnis werden. Dass ich mit den Protagonisten und ihren Interaktionen nicht ganz zu recht kam, liegt vermutlich an meiner Unkenntnis der Vorgängerbände und der sich darin jeweils individuell abzeichnenden Entwicklungswege. Die gewitzte und intelligente Komposition des Buches insgesamt fand ich jedoch sehr gelungen.

Bewertung vom 13.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


ausgezeichnet

Wenn es an allem mangelt

Dieser kleine große Roman hat in mir dauerhafte Spuren hinterlassen Und wegen dieser Spuren wünsche ich inständig, dass das Buch gelesen wird, von vielen gelesen wird. Gerade weil wir geneigt sind, bereits heftig zu jammern, wenn nicht ausreichend Salatöl in den Regalen des Supermarktes steht. Der im Roman beschriebene Mangel ist ein so viel größerer, umfassenderer, über die Generationen hinweg lebensbestimmender, als man es sich vorstellen kann.

Frank Zimmermann, der Erzähler, sagt von sich selbst, er sei unfähig, ein normales Leben zu führen. Er sieht seinen eigenen Sohn nur zweimal im Jahr und seine Geliebte alle paar Wochen. Wenn er aus dem Fenster schaut, blickt er auf eine weiße Feuerschutzwand. Ein unregelmäßiger Job finanziert Miete und Nahrung. Ein Leben ohne Lebendigkeit. Als er erfährt, dass sein Elternhaus verkauft wird, gerät Frank in Bewegung. Er macht sich, überrascht von sich selbst, auf die Spurensuche. Denn der Vater sagte immer nur: „Ich erinnere mich nicht.“ Dessen Vater, der Großvater von Frank, lebte in den Nachkriegsjahren in einer Zechenhaushälfte am Rande des Ruhrgebiets. Als Hilfsarbeiter und zwölffacher Vater verlief sein Leben in unvorstellbarer Armut. Man klaute aus den Abfalleimern der Nachbarn Zeitungspapier, um die Säuglinge damit zu wickeln. In der Enge entwickelten sich prächtig Schläge, Hunger und Streit. Brutalität, sowohl körperlich als auch seelisch, war Alltag. Um einen besseren Zugang zum Vater zu bekommen, besucht Frank nach und nach Brüder und Schwestern seines Vaters und erfährt, wie dieses Aufwachsen in Tristesse und Härte in den unterschiedlichen Lebensläufen auf immer Spuren hinterlassen hat. Und wie zwischen einem armen, geradezu armseligen Leben stets ein Stolz hochgehalten wurde, der kein Selbstmitleid erlaubte.

Dem Autor ist es gelungen, mit ganz leichter Feder Schweres und Schwerstes in Worte zu fassen. Stark und eindringlich wirken seine Schilderungen. So manche der erzählten Szenen werde ich wohl nie mehr los. Denn dieser Roman hat mich fassungslos gemacht, fassungslos und bedrückt und nachdenklich. Denn niemand kann etwas für seine Herkunft und trägt dennoch deren Last auf den Schultern, ob er davon weiß oder nicht.

Bewertung vom 28.06.2022
Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen / Ikonen ihrer Zeit Bd.7
Paulin, Claire

Blanche Monet und das Leuchten der Seerosen / Ikonen ihrer Zeit Bd.7


sehr gut

Leicht lesbarer historischer Roman ohne höheren Anspruch

Wer sich mit Kunst ernsthaft befasst, sollte von Büchern wie diesem hier Abstand halten. Zu trivial, zu oberflächlich, ohne tieferen Kunstverstand geschrieben. Wer sich jedoch auf leicht-unterhaltsame Weise annähern möchte an das damalige Zeitgefühl Ende des 19. Jahrhunderts und dabei etwas mehr über die Lebensumstände von Claude Monet erfahren möchte, der wird diesen Roman sicher mit Gewinn lesen.

Der gut recherchierte historische Roman erzählt die Lebensgeschichte von Blanche Hoschedé, die sich bereits als Kind hingezogen fühlte zur Kunst. Ihr Vater war erfolgreicher Kaufmann und ein passionierter Kunstsammler, der insbesondere Claude Monet sehr unterstützte. Als er jedoch bankrottging und die bislang heile Welt der Familie Hoschedé zerbrach, übernahm Claude Monet die Unterstützung der 9-köpfigen Familie und förderte besonders Blanche mit ihrem feinen Gefühl für Farben und für die Licht- und Schattenspiele der Freiluftmalerei.

Es ist der Autorin sehr gut gelungen, die Lebensgeschichte von Blanche spannend und gefühlvoll zu erzählen. Die schwierige Stellung der Frau zu dieser Zeit, die vielen zu bewältigenden Schicksalsschläge, die Spannung zwischen innerer Berufung und gesellschaftlicher Anforderung werden in diesem Roman atmosphärisch dicht und nachvollziehbar geschildert. Der tragische soziale Abstieg des geliebten Vaters und die durch Monet verbotene Liebe zu dem Maler John Leslie Breck konnten die starke Persönlichkeit der Künstlerin Blanche Hoschedé nicht brechen. Die Person Claude Monet wirkt im Roman nicht sehr sympathisch in seiner Ich-Bezogenheit und mangelnden Einfühlung in andere Menschen. Hier fehlte mir etwas mehr psychologische Tiefe in der Darstellung dieses Ausnahmekünstlers und die künstlerische Einordnung seiner Werke im Rahmen der Kunstgeschichte, wodurch auch die Lebensgeschichte von Blanche Hoschedé mehr Tiefe erfahren hätte.

Fazit: Gefühlvolle, leicht lesbare Lebensdarstellung einer starken Frau und Künstlerin im Umfeld von Claude Monet.

Bewertung vom 15.06.2022
Borderline und Narzissmus
Greenberg, Elinor

Borderline und Narzissmus


ausgezeichnet

Ein hoffnungsvolles Sachbuch für schwierige Diagnosen

Die Autorin lässt uns zu Beginn teilhaben an ihrer musikalischen Sicht auf die Menschen, was mir außerordentlich gut gefällt. Der Mensch ist nicht (nur) das, was eine Diagnose über ihn sagt. Der Mensch, der ein bestimmtes Muster im Leben benutzt, handelt so, als würde er, auf einem Instrument spielen. Das Instrument kann viele Melodien spielen, doch die Person, wählt diese eine Melodie, und diese immer wieder und nur diese eine Melodie! Damit einher geht der Gedanke, dass die Person, der wir die Diagnose Borderline oder Narzissmus oder schizoide Persönlichkeitsstörung verpasst haben, eine Wahl hat. Sie sollte demnach ermutigt werden, nach vielen Lebensjahren es zu wagen, eine andere Melodie zu spielen. Ein Weg, der den Diagnose-Trägern bislang nicht bewusst war und von den meisten Diagnose-Stellern als Möglichkeit gar nicht in Betracht gezogen wird. Denn die beschriebenen Persönlichkeitsstörungen gelten gemeinhin als „nicht therapierbar“. Nach einer wissenschaftlich präzisen Abgrenzung der einzelnen Persönlichkeitsstörungen hilft die einfache Frage nach den speziellen Bedürfnissen dieser „untherapierbaren“ Klienten, um zu einem individuellen und kreativen Therapieansatz und damit zu neuen Melodien zu finden.

Wer mag, kann als Laie einige der theoretischen Kapitel guten Gewissens überschlagen, obwohl sie die Grundlage bieten für dieses durch und durch hoffnungsvolle Buch, das sich an Laien und Therapeuten gleichermaßen wendet. Am Anfang steht immer die differenzierte Diagnose. So macht es zum Beispiel durchaus in den therapeutischen Bemühungen einen Unterschied, ob es sich beim Klienten mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung um einen exhibitionistischen, um einen heimlichen oder um einen toxischen Narzissten handelt. In gut verständlicher Weise, teils sogar spannend-unterhaltsam, berichtet die Autorin von ihren eigenen Praxis-Erfahrungen, von gelungenen, aber auch gescheiterten Therapieabschnitten, dabei erzählt sie auch erstaunlich offen von eigenen Reflexionen. Die Fallbeispiele veranschaulichen sehr eindrücklich und gut lesbar die Theorien von Elinor Greenberg. Wunderbar erhellend finde ich persönlich die jeweilige Diagnose-Zusammenfassung mit Schlagworten wie persönliche Ziele, schwierige Zeiten, Abwehrmechanismen, geheime Ängste, größte Ängste, Schutzpatrone und – am überraschendsten – der passende Titelsong, aber auch der Beitrag zur Welt und das individuelle Motto. Therapeuten bekommen viele stärkende und hilfreiche Anregungen, um – zumeist mit gestalttherapeutischen Mitteln – Zugang zu diesen Klienten zu finden.

Fazit: Ein außerordentlich faszinierend und unterhaltsam zu lesendes Sachbuch, das sich mit den schwierigen Persönlichkeitsstörungen wie Borderline, Narzissmus oder schizoide Persönlichkeitsanpassungen befasst und aufgeschlossenen Therapeuten Hoffnung gibt, auf kreative und erfolgreiche Weise mit diesen Klienten zu arbeiten.

Bewertung vom 14.06.2022
Das Letzte, was du hörst
Winkelmann, Andreas

Das Letzte, was du hörst


ausgezeichnet

Für mich einer der besten Thriller-Autoren

Eigentlich könnte ich es ganz kurz machen: Andreas Winkelmann ist für mich einer der besten Thriller-Autoren. Punkt.
Und dies ist er nahezu gleichbleibend von Buch zu Buch. Immer wieder ein neues Grundthema, immer wieder neue und bemerkenswerte Protagonisten. Und immer wieder ein atemloses Jagen durch die Seiten, weil die Spannung von Anfang bis Ende hoch ist.

Im vorliegenden Thriller geht es um einen Podcast, um süchtig machende Manipulationen, um Trost versprechende Kraft weicher Worte. Der vermeintliche Selbstmord von Martina nach einem Hilferuf, ein folgenschwerer Autounfall der Journalistin Roya, Sarah, die sich von der Stimme des Podcasters Marc Maria Hagen durchs Leben tragen lässt und die unangepasste, spröde Kommissarin Carole Barreis, sie alle tragen eine Handlung, wie sie spannender nicht sein könnte. Denn die Gefahren im Internet, die Gefahren, die von Influencern ausgehen, sind vielfältig und genauso todbringend wie häusliche Gewalt im realen Leben.

Ein weiteres Mal überzeugte mich Andreas Winkelmann mit seiner Gabe, auf perfekte Weise und ohne komplizierende Szenen- und Perspektivwechselspiele den Leser zu packen. Seine Protagonisten werden psychologisch durchdacht geschildert und rücken uns insbesondere mit ihren Unsicherheiten sehr nahe. Grausiges Schauern, atemlose Spannung, Entsetzen und Abscheu werden in einem für lange Zeit undurchsichtigen Plot verpackt. Mehr als einmal wird der Leser völlig überrascht, denn nichts ist so wie es zu sein scheint. Der Autor stochert wieder einmal tief in unseren eigenen Ängsten und Sehnsüchten herum und führt uns einmal mehr die möglichen Abgründe unserer Zeit vor Augen.

Deshalb auch bei diesem Buch das Fazit: Andreas Winkelmann ist für mich einer der besten Thriller-Autoren. Punkt.

Bewertung vom 07.06.2022
Tiefergrund / Bette Hansen Bd.2
Luttmer, Nora

Tiefergrund / Bette Hansen Bd.2


ausgezeichnet

Bildhaft-eindrücklich und durchweg spannend

Auch Band 2 der Krimiserie um die Ermittlerin Bette Hansen habe ich sehr gerne gelesen. Denn er hat mich durchweg gut unterhalten. Während Band 1 erst langsam „in die Gänge“ kam, packte mich Band 2 gleich von Anfang an, und das durchweg bis zum Ende. Außerdem weiß ich jetzt, wo Hamburg-Ochsenwerder liegt, eine ländlich-ruhige Gegend, in der ich gerne wohnen würde, wenn ich Google glauben darf. Band 2 lässt sich auch ohne Vorkenntnisse von Band 1 uneingeschränkt gut lesen.

Worum geht es? Bette Hansen, eine ehemalige Kommissarin, ist zurück nach Ochsenwerder gezogen, einer idyllischen Gegend, in der Bette ihre Kindheit verbracht hatte. Da sie unter Narkolepsie leidet, kann sie ihren Beruf nicht mehr ausüben, denn die plötzlich eintretenden Schlafattacken wären zu gefährlich für sie. Als ein junges Mädchen verschwindet, bricht eine alte Wunde auf, denn bereits im Jahr 1986 gab es einen ungeklärten Mord an einem jungen Mädchen, einer damaligen Freundin von Bette. Da kann Bette gar nicht anders als auf eigene Faust zu ermitteln.

Nora Luttmer gelingt es sehr eindrücklich, das Lokalkolorit des ländlichen Hinterlandes nahe Hamburg atmosphärisch dicht und vorstellbar einzufangen. Sie erzählt in relativ kurzen Kapiteln und aus verschiedenen Perspektiven sehr kurzweilig über früheres und gegenwärtiges Geschehen. Der Spannungsbogen bleibt über das gesamte Buch hinweg von Anfang bis Ende konstant, sodass man nicht aufhören kann zu lesen. Geschickt werden die einzelnen Handlungsstränge, die erst sehr undurchsichtig wirken, mehr und mehr miteinander verwoben, wobei der Leser dennoch lange im Ungewissen bleibt. Die Charaktere werden plausibel und nachvollziehbar geschildert. Dennoch bleibt für mich auch beim Lesen des zweiten Bandes ein Zweifel bestehen: Vielleicht sollte das enge Zeitraster, das sich aufgrund der krankheitsbedingt erforderlichen Ruhezeiten von Bette ergibt, zusätzlich die Spannung erhöhen. Bei mir jedoch hatte das im Laufe der Seiten einen gegenteiligen Effekt, denn es begann mich zunehmend mehr zu nerven. Ich bin mir deshalb unsicher, ob eine solche Erkrankung, die ständig präsent und handlungsbestimmend ist, in einem Kriminalroman wirklich gut platziert ist.

Dennoch bleibt mein Fazit: Ein lesenswerter, unterhaltsamer Kriminalroman mit vielschichtigen Figuren und bildhaft-eindrücklichem Lokalkolorit.