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LichtundSchatten

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Insgesamt 241 Bewertungen
Bewertung vom 20.02.2024
Wählermärkte
Korte, Karl-Rudolf

Wählermärkte


gut

Als ersten Satz lese ich: „Der Markt ist kein Modellgeber der Demokratie.“ Prof. Korte korrigiert von dieser Metaebene in die soziale Marktwirtschaft und am besten sei der Wochenmarkt als Vergleichsmaßstab zu betrachten. Weil dort Gespräche stattfinden würden. Er sei ein gelerntes Forum der Begegnung und des Austauschs, ein Modellgeber für Demokratie. Aktuell höre ich dort allerdings nur Hinweise auf zu hohe Preise und eine hohe Unzufriedenheit mit ideologisch motivierten Politikern. Auch sehe ich, dass immer weniger Menschen auf die romantischen Wochenmärkte in Innenstädten gehen, sondern beim Discounter einkaufen müssen.

Im Buch erfahren wir Grundlegendes zur Wähler und Wahlforschung, Zielgruppen, Motivationen usw. - sehr gut und verständlich aufbereitet. Dem Deutschen ist alles Polarisierende fremd, er strebt zum mittigen Ausgleich, so könne man ganz allgemein sagen. Faktoren für die Wahlentscheidung sind u.a.:

Parteipräferenzen
Wirtschaftliche Faktoren
Soziale und demographische Faktoren
Medienpräsenz
Aktuelle Ereignisse
Regierungspolitik

Mir fehlen hier kulturell-religiöse Aspekte, die m.E. heute ganz wesentlich zu Wahlentscheidungen beitragen.

Fast die Hälfte aller Wähler hat 2021 per Briefwahl abgestimmt, ein Verhalten, das Korte eher kritisch sieht: „Die Urnenwahl sichert die Grundsätze der Allgemeinheit und des Geheimen.“ Um dies sicherzustellen, müsste der Zeitraum der Briefwahl deutlich verkürzt werden.

Der deutsche Wähler ist im Vergleich zu anderen europäischen Ländern deutlich sicherheits- und stabilitätsorientierter, fasst Korte zusammen und skizziert die aktuelle Parteienentwicklung bis hin zum neuen BSW.

Wir leben in einem Zeitalter des Gewissheitsschwunds und müssen auch in Deutschland mit geänderten Parteienlandschaften leben lernen. „Als Unmutsaufsauger profitiert die AfD von diffusen Ängsten der Entgrenzung und Entsicherung, wie sie mit der Modernisierung von Gesellschaften einhergehen. Das Unbehagen richtet sich gegen kulturelle Entfremdung.“ Ich würde hier allerdings nicht von diffusen Ängsten, sondern sehr konkreten Tatsachen reden, die man beobachten kann. Aber eben auch ausführlich studieren sollte, wie z.B. Frauen im Islam behandelt werden. Ilhan Arsel, ein türkischer Verfassungsrechtler, hat hier ein wichtiges Buch geschrieben: „Frauen sind Eure Äcker.“

Dass die AfD mit Fake-News vorgeht, wäre mir zudem neu. Sie sei ein populistischer Volksbelauscher, schreibt Korte. Ist das nicht jede Partei? Korte bleibt in diesem Bereich so vage wie alle Altparteien, nur keine Diskussion über kulturell-religiöse Unpässlichkeiten. Hier stochert dieses Buch im Nebel, schade, denn es war in weiten Teilen lesbar, hier wird es schwammig und ausgrenzend.

Man lese zum Beispiel das laut: „Die Dynamik der AfD ist schwer einzuschätzen. Aber viele Wähler finden sich auch dort, weil dort offenbar alles ausgesprochen wird, was sie selbst bedrückt und weil sie gleichermaßen auch alles verstehen, was dort propagiert wird. Diese Erfolgsformel von Populisten muss man nicht imitieren, aber strukturell verstehen.“ Am Ende setzt Korte sogar diesen Satz: „Es gibt viele Auswege, um den Durchmarsch von Demokratieverächtern zu verhindern.“

Mein Gefühl ist, dass der Wochenmarkt keine gute Metapher für Demokratieausformung ist. Dort scheinen nur noch die oberen Gesellschaftsschichten mit hohem Einkommen zu verkehren, die weniger von der Inflation betroffen sind. Und die sich weitgehend einig sind in ihrem Demokratieverständnis bzw. der Ausgrenzung von Demokratieverächtern wie oben von Korte skizziert. Vielleicht sollte das nächste Buch nicht den Wochenmarkt-Diskussionskreis zum Vorbild nehmen, sondern Menschen, die beim Discounter einkaufen müssen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2024
Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte
Hazrat, Florence

Das Ausrufezeichen. Eine rebellische Geschichte


ausgezeichnet

Lärmstange, Macho, Brüller - so könnte man das Ausrufezeichen nennen. „Es ist aufbrausend und maßlos, ein emotionaler Verstärker.“ In England werden Kinder, die es bei Klassenarbeiten zu häufig verwenden, schlechter bewertet.

Wie also sollte man umgehen mit einem Zeichen, das fettig und schwer verdaulich scheint und das wir nicht wirklich benötigen? Es schreit nach Aufmerksamkeit und Protest, es drückt Bemerkenswertes aus, sogar Gefährliches oder Provokatives, Witziges, Überraschendes, es bringt unsere Gedanken in Bewegung, in Aufregung und lässt es in unseren Ohren und Augen und Mündern explodieren. Das Ausrufezeichen macht uns nervös, wir lieben es ebenso wie wir es verachten.

Das Buch von Florence Hazra! möchte das wenig geliebte Zeichen erlösen und ihm seine Sinnhaftigkeit zurückgeben. Wir unternehmen eine Tour durch die Gesch!chte. Tatsächlich wurde das umgedreht i auch von Rishi Sunak, dem englischen Premier verwendet. Sein Plakat mit der Aufschrift: „Ready for Rish! hat eine ganz besondere Ausstrahlung. Ebenso das En Marche! der ersten Macron Kampagne aus Frankreich.
Später nutzte er das einfach „Avec vous“ und dann das „Nous tous“.

Angela Merkel ließ das „Wir schaffen das“ ganz einfach durch die Presse verstärken, die nahezu alle in gehorsamer Pflichtschuldigkeit hinter diesen simplen Satz das Ausrufezeichen setzten. „Vielleicht hätte der Satz etwas weniger Aufmerksamkeit erregt und wäre weniger repräsentativ für die Spaltung der Gesellschaft geworden, hätte man Merkels unaufgeregter Aussage kein ! angeheftet.“

Das Buch macht Spaß, auch als Bewerter von Logos. Jeb Bush hatte seinen Vornamen schlicht mit einem Ausrufezeichen dramatisiert, in einer alten, bekannten Schrift, der Baskerville. „Die Jahreszahl sei zu klein, das ! In Relation zum Namen Jeb zu groß. Es besticht weder mit proportionaler Harmonie noch mit verblüffenden Kontrasten. Es ist etwas langweilig, und das strahlt unfreiwillig auf den Besitzer zurück.“ Tatsächlich konnte hier die Wort-Bild-Marke keinen Überschwang entfachen, weil die Person es auch gar nicht ausstrahlte - ein deplatzierte Ausrufezeichen mithin.

Natürlich kennt jeder heute das „Make America great again!" Was könnte hier anders dahinter stehen als ein Auslautrufezeichen. Wussten Sie, dass Clinton und Reagan diese Aussage ebenfalls nutzen, allerdings ohne den Brüller! Trump’s Zeichen strotze vor Grafikdesign Fehlern - war aber trotzdem erfolgreich. Es bringt mich immer wieder zu der schönen Aussage: „Regeln im Leben sind Krücken für kreativ Lahme.“

Als jemandem, der ein Leben lang im Grafikdesign-Gewerbe tätig war, hat mir das Buch viel Neues, Überraschendes, auch Bekanntes vermittelt, höchst vergnüglich und spannend zu lesen, ein Geschichtsbuch vor allem, das mir als Buchliebhaber ganz besonders gut gefällt, weil es einen roten Beschnitt hat und von außen einfach wunderschön aufgemacht ist.

„Grammatikregeln sind weder unendlich noch universell. Sie sind historisch, sie dienen uns zu einer Zeit, in der wir über bestimmte Technologien verfügen, die einen bestimmten Zweck erfüllen. Wir wachsen aus ihnen heraus wie aus Kleidungsstücken und ersetzen sie dann.“ Das Ausrufezeichen aber wird immer dazu gehören, ein langer Strich und ein harter Punkt als ein Symbol für Wundern, Wunder, Wunderbar, ich habe es schon immer gemocht.

Wenn ich das Buch verkehrt herum, also mit der Beschnittkante nach außen, in ein Regal meiner Bibliothek stelle, wirkt es als Ausrufezeichen und Erinnerungsanker. Ich habe es inzwischen tatsächlich schon zweimal gelesen, mit großem Gewinn!

Für mich vor allem auch ein Unterwegs-Dabei-Buch:

Format: 12x19
Dicke: 2 cm
Seitenzahl: 222

Bewertung vom 17.02.2024
Die infantile Gesellschaft. Wege aus der selbstverschuldeten Unreife. AKTUALISIERTE AUSGABE
Kissler, Alexander

Die infantile Gesellschaft. Wege aus der selbstverschuldeten Unreife. AKTUALISIERTE AUSGABE


ausgezeichnet

Enzensberger hat 1994 formuliert: „In der Abenddämmerung der Sozialdemokratie hat dagegen Rousseau noch einmal gesiegt. Sie haben nicht die Produktionsmittel, sondern die Therapie verstaatlicht. Dass der Mensch von Natur aus gut sei, diese merkwürdige Idee hat in der Sozialarbeit ihr letztes Reservat. Pastorale Motive gehen dabei eine seltsame Mischung ein mit angejahrten Milieu- und Sozialisationstheorien und mit einer entkernten Version der Psychoanalyse. Solche Vormünder nehmen in ihrer grenzenlosen Gutmütigkeit den Verirrten jede Verantwortung für ihr Handeln ab.“ („Aussichten auf den Bürgerkrieg“, 1994, S. 37)

Alexander Kissler beschreibt in diesem spannenden Buch zu Beginn die Erziehungskonzepte Rousseaus, einem Vordenker heutiger infantiler Verhaltensweisen in Politik, Wirtschaft und unserem Zusammenleben. Wumms, Doppelwumms, der Kanzler spricht heute eine Sprache, die sich an unmündige Kinder wendet. Nicht nur leichte Sprache, nein in Comic Blasen reden Politiker mit ihren Bürgern, die sich merkwürdig vorkommen müssen ob den lustigen Figuren, die sie unterhalten, vom Sandmännchen bis zum Kanzler und zur Tagesschau.

„Die Leichte ist die auf ihren Nutzwert reduzierte Sprache.“, schreibt Alexander Kessler und fühlt mit Bürgern, die sich in einer „Alles ist easy Gesellschaft“ als Verirrte auch vorschreiben lassen sollen, was sie zu denken haben. Habeck schreibt in seinen Büchern von Mitbürgern, bei denen gewisse Sachverhalte auf „denkunmöglich“ zu stellen sind.

„Natürlich diskutiert man in Berlin, wo sonst, unter der Überschrift „Sustainable Pee:radise über öffentlich Toiletten als transformative Kraft für sozio-ökologischen Wandel.“ In Berlin gelten Schmutz und Unzuverlässigkeit inzwischen als Kulturerbe, böse Zungen behaupten, das Wappentier sei nicht der Bär, sondern das Murmeltier. Denn der tägliche Schlendrian gehört dazu, wenig wird pünktlich fertig oder entspricht einem gelernten preußischen Verständnis. Die Clan- und Clubs- Stadt treibt ab, ein einziger Kindergarten des Irrsinns.

37% der Bevölkerung bestätigen, dass Duzen eine Firma unsympathischer macht. Trotzdem treibt diese Unsitte immer neue Blüten und kaltes Duzen könnte für 5% Minuswachstum verantwortlich sein, so der Rezensent hier. „Der geduzte Konsument ist der dressierte Kunde“, schreibt Alexander Kessler. Einer, dem man jede Verantwortung abnimmt, wenn er treu und brav den Vorgaben jener folgt, die es doch gut mit ihm meinen. Er fühlt sich heftig umarmt von Politik, Fernsehen und Unternehmen, die ihm doch nur das Beste wollen, aber die Luft zum freien Atmen nehmen. In Werbeanzeigen nimmt er inzwischen fremde Gesichter als eigene wahr, die ihm die Zukunft in bunten Farben malen.

Ich habe mich mit diesem Buch köstlich amüsiert auf der einen Seite und war bitter gestimmt auf der anderen. Totalitäre Handlungsweisen stufen Bürger zu Kindern ab und reden auch so mit ihnen. Ich fühle, die Sozialdemokratie und grünes Weltmoralbessertum geht seinem glühenden Sonnenuntergang entgegen, es kennt vermutlich keinen Aufgang mehr.

Alexander Kissler lässt den infantilen Menschen hinter uns und gibt den Weg vor: "Der reife Mensch richtet sich nicht ein in Untergängen, denn er traut sich und anderen etwas zu...er braucht weder einen Dolmetscher noch einen Lautsprecher für sein Herz." Der reife Mensch braucht kein Demokratiefördergesetz, er denkt und vergleicht selbst, er ist in der Lage mit praktischer Vernunft zu leben. Dem Politiker-Kabarett und einer kindgerechten Sprache kann er nichts mehr abgewinnen.

Bewertung vom 24.01.2024
Die größte Revolution aller Zeiten
Friedrich, Marc;Kössler, Florian

Die größte Revolution aller Zeiten


ausgezeichnet

Eigentlich müsste der Buchtitel lauten: was man schon immer über die Geschichte der Menschheit, die Wirtschaft und vor allem dem Geld wissen wollte und wie Bitcoin die Währungen revolutioniert.

Marc Friedrich versteht es sowohl mündlich als auch schriftlich komplizierte Sachverhalte verständlich darzustellen, er legt mit diesem Buch eine Grundierung dessen vor, was jeder heute zu diesem Thema wissen sollte.

Die Vernunft sagt einem, dass die Rettung ganzer Volkswirtschaften und das endlose Drucken von Geld zu großen Problemen führen muss und wird. Und wenn heute Laien unsere Wirtschaft befeuern mit ideologischen Träumen, dann wird es höchst gefährlich.

Die Währung des Bitcoin steht erst am Anfang. Niemand kann seine Zukunft kennen. Sehr wahrscheinlich aber ist, dass sein Nutzen einen dramatischen Wertanstieg beinhalten wird als ein zentrales, zensurresistentes und digitales Zahlungssystem, das Transaktionen sicher und transparent ermöglicht.

Der Bitcoin kann mithin als Wertaufbewahrungsmittel, Tauschmittel und zur Diversifizierung von Anlageportfolios dienen. Seit seiner Erfindung steigt die Nachfrage konstant an.

Künstliche Intelligenz und Bitcoins sind heute die disruptivsten Kräfte.“ Mithin Entwicklungen, die höchste Chancen beinhalten und Antworten geben auf aktuelle negative Entwicklungen.

Das Internet wuchs in seiner Bedeutung mit der Menge seiner Nutzer, bei Bitcoin wird es ähnlich sein. Mit schwindendem Vertrauen in klassische Währungen, leider abhängig von irrenden Politikern, steigt die Zahl der Käufer und Anwender, Bitcoin dürfte aktuell eine der besten Wertanlagen sein.

„Bitcoin ist seit 2010 der am besten verformende Vermögenswert und stieg pro Jahr im Durchschnitt um 155,6 Prozent seit 2011.“ Nasdaq zum Vergleich: +16,5 %, DAX: + 9,6%.

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich. Diese Aussage wird höchst nachvollziehbar belegt, wenn man die aktuelle Inflationsentwicklung mit jener der 70er Jahre vergleicht. „Bitcoin ist aufgrund seiner Limitierung die perfekte Absicherung gegen Geldmengenausweitung, Inflation und Wertaufbewahrungsmittel in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit.“

Bitcoin ist vor allem auch ein Mittel gegen repressive, sozialistische Systeme, deren Einschränkungen die Freiheit des Einzelnen nicht ausweiten oder gerechter machen, sondern meist einschränken. Sicherheit reduziert sich dann auf das Niveau von Menschen und Politikern, die bei anderen gewisse Ansichten und Wünsche auf denkunmöglich stellen wollen, damit z.B. eine Insolvenz zum vergnüglichen Nichtstun wird.

Kryptowährungen erleichtern den globalen Online-Handel vorbei an komplexen Währungsumrechnungen, an denen sich heute noch viele, vor allem auch spekulativ bereichern. Eine bekannte Onlinebank nimmt z.B. eine 3-%ige Währungsumrechnungsgebühr, die einfach in einen schlechteren Umrechnungskurs gegossen wird, der erst später, am Jahresende, offen liegt. Beim eigentlichen Umrechnen einer Summe steht aber als Gebühr = 0. Wer den WechselKurs mit dem aktuellen Kurs vergleicht, bemerkt die Raffinesse sofort.

Bitcoin wird das vereinfachen und auf fair stellen. Es scheint eine große Chance. Politiker und die ihnen verpflichteten Zentralbanken tendieren zum endlosen Gelddrucken, zur Inflation. Bitcoin nimmt ihnen diese Mittel aus der Hand und stellt sie auf demokratisch.

Bis heute gibt es mehr finanzielle als digitale Analphabeten. Das Geldsystem geht den meisten über ihren Verstand. Dieses Buch von Marc Friedrich ist ein Lichtblick und bringt Zusammenhänge auf den Punkt, die uns normalerweise verborgen bleiben.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.01.2024
Durchs irre Germanistan
Broder, Henryk M.;Mohr, Reinhard

Durchs irre Germanistan


ausgezeichnet

Zur vierten Auflage, 2024:

Es war letztes Jahr schon mein Lieblingsbuch und mit den neuen Inhalten der 4. Auflage wird es noch besser. Man kann sich die aktuelle politische Lage nur noch mit viel Glauben schön reden und erfährt in diesem Buch die mehr oder weniger nackte Wahrheit - auf sarkastisch, humorvolle Art und Weise. Hass gibt es in diesem Buch nicht, dafür liebevolle Einseifungen für Minderleister.

Der grünrote Sinkflug flattert gelb durch die Lüfte - ein schmerzhafter Zusammenprall von Ideologie und Wirklichkeit. Die öffentlich rechtlichen Medien assistieren noch, aber schon gibt es Kommentatoren, die Front machen dagegen und den einen oder anderen Schuss der Vernunft abgeben.

Ab Seite 222 gibt es neue, zusätzliche Kapitel:
Nicht mehr mein Land, Clash of Civilizations im Oerstufenzentrum Anna Freud, Die zehn Glaubenssätze der Lauchbourgeioisie, Notlage auf Vorrat, Und morgen digitalisieren wir die Vulkaneifel, Wo liegt eigentlich der globale Süden?, Atemlos durch die Nacht, Größenwahn der Riesenzwerge, So wird der Betriff der Zivilgesellschaft ad absurdum geführt.

Aus den Glaubenssätzen der Lauchbourgeoisie gefällt mir das am besten: „Die neoliberale Schuldenbremse ist Gift für unser Land, denn mehr Schulden bedeuten mehr Zukunft!“

Ich behaupte, wer dieses Buch über Monate täglich hört und wieder hört oder liest, kann sich befreien aus dem Narrativ der Angstmacher und Vorschriftenbücher, er atmet besser und ruhiger, er ist immunisiert gegen den aktuell grassierenden therapeutischen Wahn und alle Erzählungen, die Hass säen wollen gegen andere, ohne sachliche Argumente anzuführen.

Meine Rezension zur ersten Auflage 2023:

Ich habe dieses Buch inzwischen einmal gelesen und dreimal gehört. Es ist die gekonnte Durchlüftung einer irren Republik, deren woker Einheits-Schmalz so zum Kochen gebracht wird.

Was ich immer schon dachte, wenn ich aus Versehendas Morgenmagazin einschalte, die Ideen fließen von hier ab wie von mir selbst gedacht, nur viel gekonnter in Szene gesetzt und mit treffenden Vergleichen unterfüttert.

Ich würde mir wünschen, dass dieses Buch in Fortsetzungen im Anhang zum heute Journal oder der Tagesschau gelesen wird. Denn die Vernunft kann langfristig nicht aufgehalten werden. Der König früher hatte dafür die Hofnarren, heute allerdings sind Comedians dazu da, die Regierenden abzusichern.

Gestern Abend interviewte Frau Slomka den Bundeskanzler mit Augenklappe, die Satire hat längst in die Realität Einzug gehalten. Ganz sanft befragte sie den Rekonvaleszenten und irgendwie mit einem tränenden Auge. Ein vergesslicher älterer weißer Herr hat das bestimmt verdient!

Ich kann mir vorstellen, wie Herr Bruder die Augenklappe in dieses Buch aufgenommen hätte. Das Besondere ist ein hintergründiger Humor, der einem Zugang verschafft zu Verbindungen, die sonst im Dunklen geblieben wären.

Beim Lesen und hören beobachte ich mich selbst und stelle fest: Lächeln, laut und leise, Dankbarkeit für die Analysen, gut, dass es noch aufrechte, vernunftbetonte Ansichten gibt.

Besonders gefallen haben mir die Ausführungen über Frank Walter Steinmeier und Frau Wissler sowie Frau Hayali. Das Sturmgeschütz der Demokratie und früherer Arbeitgeber von Herrn Broder, Der Spiegel, wird ebenso treffend charakterisiert.

Statt den täglichen Nachrichten dieses Buch hören, dieses Kontra dem Zeitgeist ist mehr als man verlangen kann, eine Aufmunterung, die hoffen lässt.

Bewertung vom 20.12.2023
Das Blaue Kind
Kurka, Peggy

Das Blaue Kind


ausgezeichnet

Ein beeindruckendes Buch über die Selbstfindung einer Frau, die Dinge kennengelernt hat, von denen Normalsterbliche keine Ahnung haben.

„Peggy muss noch lernen, sich mehr in der Partei zu engagieren.“ So lasen ihre Adoptiveltern damals, in der DDR, Beurteilungen über ein Kind, das im Sozialismus eine Fremde bliebt.

Ihr wurde dort von (zumeist) Lehrerinnen beigebracht, nicht so sexualisiert und erotisch zu sein. Trotzdem wurde sie von anderen so behandelt, auch von ihrem ersten und zweiten Stiefvater.

Gut, dass Peggy Burka den Mut fand, etwas aufzuschreiben, das einem in vielen Passagen den Atem stocken lässt. „Als schwarzes Kind war ich Luft und hatte in tiefer Dankbarkeit zu sein.“ Sie war ein lebendiges Abbild für gelebte Solidarität in der DDR, mehr nicht. Was tatsächlich in ihr vorging, interessierte niemanden.

Zwischen den hehren Zielen des Sozialismus und den Vorgaben der Emanzipation wurde ganz normal gelebt, wie immer und überall. Erotisches Verlangen machte auch vor eigenen Kindern nicht halt - und Kinder in der Schule benehmen sich so wie Kinder sich eben benehmen.

In diesem Zusammenhang eine dunkle Hautfarbe zu haben, war in der DDR ein echtes Problem. Dabei erzog der Sozialismus zum Luxus-Verzicht, nur um damit umso stärker die Gier nach Besitztümern zu fördern. Heute scheint es umgekehrt, wir sollen wieder verzichten, damit eine neue Ideologie ihre Segnungen ausfahren kann.

„Wir waren angekotzt davon, dass wir nahezu nichts durften, aber alles wollten.“ (1988) Die Memoiren von Peggy Kurka sind ein treffendes Lehrstück über den Sozialismus und die Natur des Menschen. Diese bleibt immer gleich und auch dem Geld oder Kapitalismus ist keine Schuld zu geben. Fatale Wirkungen haben immer falsch verstandene Moral und Ideologien, die andere unterdrücken. Etwas sein oder haben zu wollen, etwas selbst unternehmen zu können, es ist dies der Antrieb des Menschlichen.

Bewertung vom 03.12.2023
Die Geschichte Österreichs in Reimen
Brezina, Thomas

Die Geschichte Österreichs in Reimen


ausgezeichnet

Ungewöhnlich, anders und leicht verständlich, dabei spannend und für jeden nachvollziehbar.

Dieses Buch macht Geschichte lebendig und vermittelt Wissen, das jeden interessieren sollte. Z.B. auf den Seiten 170-175 die Belagerung von Wien 1683 durch die Osmanen.

Jan der Dritte Sobieski von Polen gewann am 12. September 1683 schließlich die Entscheidungsschlacht am Kahlenberg, die Osmanen wurden zurückgedrängt und in der Folge von Prinz Eugen weiter nach Istanbul gedrängt.

Am Ende des Buches folgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Entwicklungs-Daten, übersichtlich zusammengestellt.

Lust auf Wissen zu machen, das gelingt diesem Buch auf beste Weise, ein Werk nicht nur für Kinder.

Bewertung vom 03.12.2023
WOKE - Wie eine moralisierende Minderheit unsere Demokratie bedroht
Ramadani, Zana;Köpf, Peter

WOKE - Wie eine moralisierende Minderheit unsere Demokratie bedroht


ausgezeichnet

Ein zentrales Buch für die kommende Zeit. Die Autoren schlüsseln die Ebenen des Oberkommandos Weltmoral auf und vermitteln, warum die quasireligiöse Bewegung des Schutzes der Heiligen Minderheiten der letzten Tage in die Irre führen muss. Im Bereich Gendern gibt es es schon wirksame Gegenbewegungen, diese Verirrungen scheitern auch an der fehlenden Alltagstauglichkeit.

Sie verlangen Ergebnisgleichheit total. Leistung, Eignung und Befähigung zählen nicht mehr, sondern willkürlich gesetzte Regelwerke, die zudem andere Gruppen ausgrenzen.
Es herrscht Selbstgerechtigkeit statt Gerechtigkeit. Der schuldige, alte weiße Mann kann nichts mehr zu sagen haben. Wie in der franz. Revolution wird zu radikal und konzeptlos agiert, die Woken sind eine Risikogruppe für die Demokratie.

„Ausgestattet mit leidenschaftlicher Lust und zweifelhaften Argumenten wähnt sich die Elite der Erwachten auf dem leuchtenden Pfad in ein moralisches Morgen.“ Statt Altruismus herrscht in dieser Bewegung aber Bevormundung, die sich so wohlig überlegen anfühlt. Diese päpstliche Attitüde der Unfehlbarkeit mit hochroten Backen begegnet ihrem Überschwang mit wachsender Unlust der Belehrten, diesen Kinderkram gut zu heißen.

Aber alle Argumente der anderen werden mit der woken roten Karte diffamiert, die jede weitere Diskussion unterbinden soll. Die Frage ist, warum ein ganzes Land von einer Minderheit dominiert wird, die wieder einmal am deutschen Wesen die Welt genesen lassen möchte.

Woher kommt das Ganze und seine rigide Stärke gerade in Deutschland. Immer wieder fällt mir die hellsichtige Projektion von Franz Werfel ein, aus 1946: „Zwischen Weltkrieg II und Weltkrieg III drängten sich die Deutschen an die Spitze der Humanität und Allgüte. Und sie nahmen das, was sie unter Humanität und Güte verstanden, äußerst ernst. Sie hatten doch seit Jahrhunderten danach gelechzt, beliebt zu sein. Und Humanität schien ihnen jetzt der bessere Weg zu diesem Ziel. Sie fanden diesen Weg sogar weit bequemer als Heroismus und Rassenwahn. So wurden die Deutschen die Erfinder der Ethik der selbstlosen Zudringlichkeit.“

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.