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Benutzername: 
Diamondgirl
Wohnort: 
Stolberg
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 120 Bewertungen
Bewertung vom 30.03.2018
Kleine Feuer überall
Ng, Celeste

Kleine Feuer überall


ausgezeichnet

Lauter kleine Schnipsel...

Daraus setzt sich letzten Endes dieses überaus sanfte und dennoch kraftvolle Buch zusammen.

Das Haus der Richardsons in Shaker Heights steht in Flammen. Irgendjemand hat in jedem der Schlafzimmer Feuer gelegt und die Familie nebst Umfeld scheint sich sicher zu sein, dass es die jüngste Tochter Izzy war. Stück für Stück entwickelt die Autorin eine bewegende und fesselnde Geschichte, die letztlich zu dieser Tragödie führt.
Mrs. Richardson ist bereits in den Shaker Heights aufgewachsen und nach dem Studium wieder zurück gekehrt, um in diesem extrem geordneten Umfeld - einer Reißbrett-Siedlung, in der sogar die Farbe der Häuser vorgeschrieben ist - der besseren Gesellschaft mit ihrer Familie - Mann und 4 Kinder - zu leben und ihren Kindern eine sichere und wohlhabende Zukunft zu sichern.
Alles beginnt, als in ihr 2. Haus, das die Richardsons vermietet haben, Mia mit ihrer Tochter Pearl einziehen und Moody sich mit dieser anfreundet und sie seiner Familie vorstellt. Mia und Pearl führen ein unstetes Leben und ziehen regelmäßig weiter, wenn die Foto-Künstlerin Mia ihr jeweils anstehendes Projekt beendet hat. Man könnte sagen, zwei Welten treffen aufeinander, als diese beiden Familien sich miteinander abgeben.

Ng lässt die agierenden Personen mit und mit auferstehen. Sie werden dem Leser regelrecht zerlegt und erschließen sich ihm immer mehr. Es ist nur verständlich, dass einem im Laufe des Buches Personen sehr sympathisch sind und manche auf Anhieb eher unsympathisch. Erstaunlicherweise können sich diese Sympathien während des Storyverlaufs ändern oder gar wechseln, denn die einzelnen Personen entwickeln sich während des Geschehens durchaus.
Und wie die Künstlerin Mia aus Fotoschnipseln ein neues Kunstwerk erschafft, so lässt Ng aus vielen kleinen Story-Schnipseln dieses Gesamtgebilde entstehen, dass mich tatsächlich komplett umgehauen hat. Sie hat einen ganz wundervollen Erzählstil, der einen wirklich in die Geschichte mitnimmt und mitfühlen lässt. Dabei wahrt sie trotz allem einen sehr sachlichen, etwas distanzierten Stil, sodass es nie in Kitsch abgleitet und auch kein Moralapostel droht. Der auktoriale Erzähler erfüllt seine Aufgabe hier hervorragend!
Immer wieder nimmt sie den Leser mit in die Vergangenheit der Protagonisten, bis sich ein immer klareres Bild ergibt. Und immer klarer wird auch, dass es keine durchweg guten oder schlechten Charaktere gibt in dieser Geschichte. Zugegeben - manche Entwicklung ist etwas vorhersehbar, wie man manchmal auch im richtigen Leben das Elend ab und an kommen sieht. Aber mich hat das überhaupt nicht gestört bei diesem tollen Roman.

Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung! Ein Buch für Leser, die sich auch gerne einmal Zeit nehmen für eine sich ruhig entwickelnde Geschichte.

Bewertung vom 05.03.2018
Kühn hat Ärger / Martin Kühn Bd.2
Weiler, Jan

Kühn hat Ärger / Martin Kühn Bd.2


ausgezeichnet

So viel mehr als ein Krimi

Martin Kühn lebt mit seiner Familie in einem Außenbezirk Münchens, der umgangssprachlich genannten Tetris-Siedlung die auf einem alten, verseuchten Firmengelände einer ehemaligen Munitionsfabrik errichtet wurde. Nach und nach zeigen sich jetzt die Folgen dieses Erbes und die Häuser und Grundstücke drohen immens an Wert zu verlieren.
Nach einem kürzlich überstandenen Burnout macht sich Kühn an seinen ersten Fall nach Rückkehr an seinen Arbeitsplatz. Ein jugendlicher Kleinkrimineller libanesischer Herkunft wird an einer Bahnhaltestelle aufgefunden - brutal zu Tode geprügelt. Die Ermittlungen führen Kühn in die Welt der besseren Gesellschaft von München-Grunwald, da der Ermordete mit der Tochter des Hauses liiert war.
In Kühns Privatleben läuft es momentan auch alles andere als rund. Seine Frau verhält sich seltsam, sein Sohn ist distanziert und eine latent drohende Anklage wegen Körperverletzung setzen ihm zu. Obendrein droht er eine leichtfertige Liaison mit einer Kollegin einzugehen, was eigentlich so gar nicht seine Art ist. Außerdem hat er mächtig Angst vor einer potentiellen Krebserkrankung, weil sein Arzt ihm dringend eine Facharztkonsultation anrät aufgrund auffälliger Blutwerte. Und wie es oft so ist, scheut er die möglichen Ergebnisse einer solchen Untersuchung mehr als die Ungewissheit, weshalb er diesen Termin vor sich her schiebt.
In dieser unaufgeräumten Verfassung macht er sich also an die Ermittlungen und stellt gleichzeitig sein ganzes Leben auf den Prüfstand. Warum kann er nicht so leben wie die wohltätige Grunwalder Familie? Wieso ist dort alles so perfekt und bei ihm weit davon entfernt? Würde er gerne dazu gehören?

Es machte mir großes Vergnügen, Kühns Gedanken- und Gefühlswelt zu folgen und ich fand es keine Seite langweilig, auch wenn ich die Lösung des Falles bereits sehr früh ahnte. Denn in diesem "Krimi" geht es um eindeutig mehr als nur die Lösung des Falles.
Kühn beobachtet sehr genau. Jede Geste wird registriert, jeder Blick gedeutet und jede Veränderung zur Kenntnis genommen. So lässt er den Leser an der Lösung mitarbeiten und sich Urteile bilden über die Protagonisten des Buches - die Familie und das Umfeld des Opfers, die höhere, durchaus wohltätige Gesellschaft von Grundwald, das Umfeld in der Tetris-Siedlung und natürlich Kühns Familie und Kollegen.
Vor allem mit seinem Untergebenen Steierer hadert er gewaltig, denn dieser hat sich für eine Beförderung beworben - genau wie Kühn. Steierer hatte ihn während der langen Arbeitsunfähigkeit vertreten und scheint nun der Meinung, dass er diesem gegenüber gleichberechtigt ist und vor allem: gleich gut zu ermitteln. So knirscht es entsprechend während der Ermittlungen und es kommt nicht so gut voran, wie es sollte.

Weiler zeigt eine sehr flüssige und vor allem humorvolle Schreibweise, die jedoch nie wirklich ins Alberne abgleitet. Trotzdem fand ich hier die wohl komischste Bettszene, die ich bis jetzt lesen durfte. Immer wieder tauchen amüsante Kleinigkeiten auf, die einen schmunzeln lassen. Und Informationen gibt es noch obendrein, denn von Bonsai-Parkett hatte ich bisher noch nie etwas gehört.

Fazit: Ein rundum gelungener gesellschaftskritischer Krimi leichter Art, der genügend Raum für nette Accessoires bietet.

...ich werde mir den ersten Kühn jetzt auf jeden Fall erstehen (ehe sie verfilmt werden) und hoffe sehr, dass auch weitere Bände erscheinen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.02.2018
Die erstaunliche Familie Telemachus
Gregory, Daryl

Die erstaunliche Familie Telemachus


ausgezeichnet

Einst traten sie auf als _Die erstaunliche Familie Telemachus_, bis sie ein Gegenspieler vor laufender Kamera als Betrüger _entlarvte_. Dieses dunkle Kapitel der Familie prägte deren Mitglieder ganz unterschiedlich. Jeder trägt sein Los und seine Fähigkeiten auf andere Art und Weise. Und Fähigkeiten haben die meisten von ihnen.
Da gab es Maureen, die Mutter der Familie, die in die Ferne sehen konnte und sehr begabt war. Sie ist schon seit gut 20 Jahren verstorben.
Teddy Telemachus, der Vater, dessen Fähigkeiten sich eher auf Kartenspielertricks beschränken. Tochter Irene, die ein menschlicher Lügendetektor ist. Sohn Frank, der über telekinetische Fähigkeiten verfügt, die er leider nur selten kontrollieren kann. Sohn Buddy, der in die Zukunft blicken kann. Auch für ihn ist die Gabe eher ein Fluch.

Hinzu kommen noch Enkel Matty, der zum Zeitpunkt der Geschichte 14 Jahre ist und der feststellt, dass er seinen Körper verlassen kann. Frank hat noch recht junge Zwillinge, die auch eine Fähigkeit besitzen.
Jeder von ihnen hat sein Päckchen zu tragen. Buddy ist ein verschrobener Außenseiter, den niemand ernst nimmt.
Frank läuft ständig dem Erfolg hinterher. Leider bringt ihn dies auf die schiefe Bahn sowie seine Familie in große Gefahr.
Irene leidet darunter, dass sie keine _normale_ Beziehung führen kann, da ihr eingebauter Lügendetektor sofort jede kleine Lüge verrät. Sie kann niemandem mehr vertrauen. Teddy leidet sehr unter dem Verlust seiner Frau. Und Matty, der dieses Buch einleitet, ist mit seiner Pubertät beschäftigt und der Erforschung seiner neu gefundenen Fähigkeit.

Das Buch ist in Kapitel gegliedert, die jeweils aus Sicht unterschiedlicher Familienmitglieder geschrieben ist. Daryl Gregory schafft es tatsächlich, diese doch nicht unerhebliche Anzahl verschiedener Personen miteinander zu verweben, wobei der Handlungsstrang stets Fortlaufend ist. Ich fand das ausgesprochen erfrischend und konnte dem Ablauf problemlos folgen, auch wenn immer wieder Rückblenden in die Vergangenheit erfolgten.
Es entwickelt sich ein gekonnt gesponnenes Gesamtpaket.
Dabei vermittelt der Klappentext eine völlig andere Vorstellung von diesem Buch. Dafür gibt es von mir nur deshalb keinen Punkteabzug, weil es bei mir ein Glück war. Denn hätte ich vorher gewusst, dass sich eine Mafia-Story entwickelt, hätte ich dem Buch erst gar keine Chance gegeben. Ich hasse Mafia-Bücher und Filme schlichtweg und niemals hätte ich dieses Buch gelesen. So jedoch erwartete ich irgendeine vornehmlich witzige Geschichte um Matty und seine kuriose Familie - in Richtung Coming of Age. Was ich lesen durfte war eine absolut skurrile, aber durchaus spannende Geschichte mit reichlich verschrobenen Charakteren und verrückter Handlung. Es hat mir dermaßen Spaß gemacht, mich durch die immer größeren Verwicklungen zu lesen, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen mochte. Und dabei war mir keiner dieser Charaktere wirklich durchweg sympathisch. Erst das Zusammenspiel aller machte dieses Buch für mich zum Volltreffer!
Die Mafia-Geschichte störte mich dabei überhaupt nicht. Im Gegenteil hatte sie für mich einen eher satirischen Ansatz, der mich irgendwie an Lilyhammer erinnerte. Dazu kommt noch eine Portion Geheimdienst und Agenten, die sich quer durch die Geschichte webt.

Die Schreibweise ist sehr gut zu lesen. Nicht kompliziert, nicht verschachtelt, immer am jeweiligen Kapitelcharakter orientiert. Gegen Ende dreht das Buch noch einmal richtig auf und man bekommt einen richtig guten Showdown, der unbedingt verfilmt gehört!
Kurzum: Ich bin begeistert von diesem Buch! Es ist so vielschichtig und abwechslungsreich, auch wenn es durchaus in einigen Kapiteln klitzekleine Längen zeigte, dass es einfach nur eine wahre Freude ist, sich ihm hinzugeben. Man muss sich darauf einlassen, dann kann man ihm auch die ein oder andere logische Unpässlichkeit durchgehen lassen und sich richtig amüsieren.

Bewertung vom 18.02.2018
Libellenschwestern
Wingate, Lisa

Libellenschwestern


sehr gut

1939 leben Queeny und Briney mit ihren 5 Kindern als sogenannte Flusszigeuner auf einem Hausboot auf dem Mississipi in der Nähe von Memphis. Queeny ist hochschwanger und es gibt Komplikationen bei der Entbindung, weil es sich dieses Mal um Zwillinge handelt. Es bleibt keine andere Möglichkeit, als sie ins Krankenhaus zu bringen. Diesen Umstand nutzen gewissenlose Menschen aus, die kurzzeitig auf dem Boot alleine gelassenen Kinder zu verschleppen. Die Töchter Rill, Camellia, Fern, Lark und ihr Bruder Gabion werden in ein Weisenhaus der Tennessee Childrens's Home Society gebracht unter dem Vorwand, dass ihre Eltern sie dort bald abholen würden, sobald es der Mutter besser gehe - die Babies sollen bei der Geburt verstorben sein.
Mehr als 70 Jahre später trifft die junge Avery Stafford zufällig in einem Altenheim auf die inzwischen über 90jährige Rill, die inzwischen May genannt wird. Sie erkennt das Armband wieder, dass Avery von ihrer Großmutter bekommen hat und hat zudem ein Foto ihrer Oma im Zimmer stehen. Alles in ihr gerät in Aufruhr und sie beginnt, der Geschichte ihrer Großmama, die inzwischen an Demenz erkrankt ist, nachzuforschen. Bald stößt sie auf verstörende Informationen, die ihr bisheriges, sorgenfreies Leben infrage stellen.

So viel zum Inhalt, denn ich möchte nicht zu viel verraten. Das Buch bietet zwar eine fiktive Geschichte, was die Protagonisten angeht, beruht jedoch leider auf Tatsachen was die Tennessee Childrens's Home Society anbetrifft, die bis 1950 ihr Unwesen in mehreren Niederlassungen treiben konnte. Mir war dieses unrühmliche Kapitel amerikanischer Geschichte bisher unbekannt und schon aus diesem Grund hat sich die Lektüre gelohnt. Aber nicht nur deshalb.
Das Buch ist überwiegend wechselnd aus der Perspektive von Avery und Rill/May geschrieben, wobei Rills Kapitel in den Monaten nach ihrer Verschleppung spielen. Man erlebt den grausamen Alltag der gefangenen Kinder mit, die z. T. daran zu zerbrechen drohen. In dieser Hinsicht werden sich die zu jener Zeit existierenden hiesigen Kinderheime nicht extrem von den dortigen unterscheiden. Heute wäre so etwas kaum mehr vorstellbar.
Dieser Perspektivwechsel gestaltet das Buch lebhafter, auch wenn ich zugeben muss, dass ich hauptsächlich von Rills Berichten gefesselt war und immer sehr gespannt, wie es ihnen weiter erging. Ein kleiner Wermutstropfen waren die mich irgendwann nervenden Wiederholungen in Rills Gedankengängen. Vielleicht sollten sie die Denkweise einer 12jährigen deutlich machen aber mich haben die ständigen Hinweise alá "Flusskinder können so etwas" auf die Dauer gestört. Trotzdem war die Handlung in diesen Teilen so spannend, dass ich immer bedauerte, wenn ich das Buch zur Seite legen musste, weil der Mensch ja schließlich auch mal essen muss.
Averys Anteil war deutlich farbloser und zudem noch mit einer überflüssigerweise eingestreuten Liebesgeschichte dekoriert. Darauf hätte ich gut verzichten können, denn ehrlich gesagt interessierte mich Averys Leben kaum bis gar nicht. Mich interessierten an ihr lediglich ihre Nachforschungen und alles übrige störte mich mehr als dass es mich begeistert hätte. Zumal man schon sehr früh ahnt, worauf es hinaus läuft. Zum Glück hielt sich die Romantik jedoch erfreulich zurück, sodass ich damit leben konnte.
Erfreulicherweise gibt es auch kein wirkliches Happy End - wie sollte es das auch nach über 70 Jahren. Aber es wird aus den Bruchstücken der Schicksale das Bestmögliche gemacht.

Der Schreibstil war, davon mal abgesehen, sehr gut zu lesen. Ich bin förmlich durch das Buch geflogen, was aber doch eher am Thema als am Schreibstil lag. Wer sicher gerne mit solchen nicht einfachen Themen beschäftigt, dem kann ich das Buch wärmstens ans Herz legen.

Bewertung vom 11.02.2018
Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1
Weigold, Christof

Der Mann, der nicht mitspielt / Hardy Engel Bd.1


ausgezeichnet

Der Titel ist Programm

Hardy Engel ist ein deutscher Einwanderer, der sich, nach einigen erfolglosen Versuchen als Schauspieler in Hollywood Fuß zu fassen, dazu entschließt, sein Glück als Privatdetektiv zu versuchen. Er arbeitet zunächst für Famous Players (ein Filmstudio) und erledigt kleinere Aufträge. Um sich besser über Wasser halten zu können bietet er nebenbei seine Dienste als Privat-Detektiv an. Irgendwann wird er von der bildhübschen Pepper Murphy beauftragt deren Freundin, eine verschwundene Schauspielerin namens Virginia Rappe, zu finden. Bei einem “Botengang” für Famous Players - in Form von 1kg Kokain für den Komiker Fatty Arbuckle - entdeckt er Virginia zufällig auf dessen Party. Am nächsten Morgen ist sie unter mysteriösen Umständen gestorben.
An dieser Stelle spielt Hardy Engel noch mit. Die weiteren Ermittlungen führen ihn zu weiteren Todesfällen und bringen auch ihn selbst mehrfach in akute Lebensgefahr.

Angesiedelt ist das Buch und auch der Stil in den Zwanzigern in Hollywood zur Stummfilmzeit. Während der Prohibition gibt es wilde Partys mit Orgien, Alkohol und jeder Menge anderer Drogen. Hardy kommt in der Filmwelt mitsamt der dazugehörigen Korruption und den Vertuschungstaktiken nicht so wirklich zurecht und er ermittelt bis zum bitteren Ende.

Im Laufe des Buches entwickelt er sich, sehr zum Unmut seiner Autraggeber, immer mehr zum Spielverderber. Der lakonische Schreibstil und die Sichtweise auf den Lauf der Dinge erinnern an Philip Marlowe Bücher. Passend zur Zeit, in der der Roman spielt ist von political correctness keine Spur. Aber es passt einfach. Man kann sich der Atmosphäre dieses Buches kaum entziehen. Der Krimi bietet reichlich Spaß und ein Abtauchen in die wilden 20er des vorigen Jahrhunderts im verruchten Hollywood der Stummfilmstars.

Es ist durchgehend spannend geschrieben und enthält jede Menge Wendungen und Verwicklungen, die den Leser bei der Stange halten. Jedenfalls ein starker Auftakt einer Reihe von Romanen um Hardy Engel. Eine authentische Zeitreise und echtes Lesevergnügen nicht nur für Leser mit Interesse an der Filmgeschichte Hollywoods.
Die Basisstory des Buches besitzt übrigens einen wahren Kern: den Arbuckle-Skandal. Das Drumherum ist natürlich zum Teil fiktiv. Für mich machte es das besonders interessant und mehr als einmal habe ich ganz neugierig nach den Protagonisten des Buches im net gegoogelt.

Erwähnenswert finde ich ausnahmsweise auch den Auftritt des Buches als solches. Der Schutzumschlag im stummfilmhaften Schwarzweiß - die Schrift in Goldprägung. Nimmt man diesen ab zeigt sich ein in gold gebundener Schmöker mit Lesebändchen - alles in allem sieht das schon sehr exklusiv aus!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.02.2018
Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3
Geschke, Linus

Das Lied der toten Mädchen / Jan Römer Bd.3


ausgezeichnet

Spannende Recherche mit Jan und Mütze

Im Herbst 1997 wird auf dem Wilzenberg im sauerländischen Schmallenberg die 19jährige Sonja Risse ermordet - am Tatort findet sich eine Spieluhr. Der Fall konnte nie aufgeklärt werden und Jan und Mütze möchten diesen Fall ein wenig recherchieren für ihre interessante Zeitungsserie um ungeklärte Mordfälle. Sie befragen damals involvierte Personen und stoßen auf sehr viel Ablehnung, Schweigen und auch Widersprüche. Kurz darauf wird eine der befragten Personen ermordet und auch bei ihrer Leiche steht eine Spieldose mit der gleichen Melodie...

Ich mag die Krimis von Linus Geschke und dies ist schon der dritte Band der Reihe um Jan Römer und Mütze Stefanie Schneider. Gekonnt strickt Geschke ein Netz aus Informationen, das teils aus den Rechercheergebnissen stammt, teils jedoch aus jenen Kapiteln, die aus Sicht eines Tat-Verdächtigen geschrieben wurden. Es werden natürlich eine Reihe falscher Fährten gelegt und einige Umwege gegangen, so wie es sich für einen guten Krimi gehört. Am Ende fügt sich alles zu einem großen Puzzle zusammen und die Auflösung ist jedenfalls überraschend aber trotzdem nachvollziehbar und insgesamt stimmig.
Dankbarerweise verzichtet Geschke auf unnötige Action sowie übertriebene Nebenschauplätze. Sicher hat Jan Römer auch ein Privatleben, in dem es zugegebenermaßen nicht besonders rosig aussieht, doch nimmt dies immer nur einen sehr kleinen Teil der Story ein. Mützes Privatleben ist bislang immer noch ein großes Fragezeichen, aber ich ahne bereits, dass es sich mehr mit dem von Jan verquicken wird in den Folgebänden. Sie scheint zudem an einem großen Problem aus der Vergangenheit zu knabbern, das sie jedoch Jan gegenüber noch nicht offenbart hat.
Besonders gut gefallen mir die Auftritte von Jans Freund Arslan, weil er eine gehörige Portion Humor in die Geschichte bringt und alles etwas auflockert. Sehr gut finde ich, dass alle Bände unabhängig voneinander zu lesen sind und den Leser nicht vor großartige Herausforderungen stellen, was Einzelheiten in den Vorbänden angeht.
Geschkes Schreibstil gefällt mir ausgesprochen gut. Man ist sofort in der Story und kann entspannt und gut unterhalten der Geschichte folgen. Das Ganze mit einer Prise Humor gewürzt und mit der nötigen Spannung -
was will man mehr?
Informativ auch das Nachwort, indem einiges erläutert wird zur Buchentstehung.
Auf den letzten Seiten des Buches kommt eine leichte Ahnung, dass es bald weitergeht mit Jan und Mütze. Ich freu mich jedenfalls darauf!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.01.2018
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


sehr gut

Es ist nicht einfach, erwachsen zu werden!

Das Buch führt uns in die Welt des Städtchens Mill Valley in der Nähe von San Francisco. Eine Stadt für die Besserverdienenden, die dort in großzügigen Villen leben. Ein beschaulicher Ort, in dem sich eigentlich ruhig und sicher leben ließe. Wenn da nicht der für Jugendliche offenbar gefährlichste Ort der Welt wäre: die Schule...
Das Buch wird mit einem Aufsatz Tristan Blochs über Mill Valley eingeleitet. Es folgen 3 Teile, die von unterschiedlichen Schuljahren handeln: 8., 11. und 12. Schuljahr. Tristan ist ein sensibler Junge, der aus dem üblichen Rahmen fällt. Er scheint auch etwas "besonders" zu sein. Jedenfalls verhält er sich nicht wie das Gros der Schüler, ist ausgesprochen uncool und schon von der Erscheinung her auffallend. Dann verliebt er sich auch noch in Cally und begeht den Fehler, ihr einen Liebesbrief zu schreiben.
Cally ist einerseits geschockt, andererseits überfordert und lässt sich von ihrer besten Freundin überreden, den Brief ihrem Ex zu zeigen, damit der "etwas unternimmt". Es kommt was kommen muss: Ein Shitstorm ergießt sich über Tristan in den SocialMedias und dieser ist dem auf Dauer nicht gewachsen und nimmt sich nach wenigen Wochen das Leben.
Danach beginnt der 2. und folgend der 3. Teil des Buches. Nach und nach erfährt der Leser mehr über Tristans Mitschüler. Der Storyverlauf ist äußerst geschickt angelegt. Beginnend mit einem Kapitel über Callys ehemals beste Freundin Abigail entwickelt sich eine fortlaufende Geschichte. In jedem Kapitel wird einem der/die entsprechende Jugendliche näher gebracht, bis es jeweils auf einen für diesen Protagonisten wichtigen Endpunkt hinausläuft. An diesem Punkt startet das Kapitel des nächsten Protagonisten und so fort. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen, da die einzelnen persönlichen Geschichten sich so zwar immer wieder überkreuzten - in Rückblicken - jedoch insgesamt ausschließlich nur am jeweils Betroffenen orientiert waren. Alles wurde in der dritten Person absolut sachlich geschildert, sodass keine Wertungen vorgenommen wurden. Trotzdem erfuhr man auch die Gefühle und Gedanken desjenigen, weshalb irgendwann klar war, dass es eigentlich keinen Guten oder Bösen gab in dieser Story. Selbst die erst unsympathischen Protagonisten wurden so menschlicher und man konnte irgendwann zumindest verstehen, warum sie auf die schiefe Bahn gerieten oder zu dem Ekel wurden, das sie waren.
Eigentlich getrauert oder zumindest nachhaltig berührt von Tristans Selbstmord waren offenbar lediglich Cally, die sich daraufhin auch gänzlich in ihrem Verhalten und Auftreten änderte, sowie Dave, der seit der Einschulung einst Tristans bester Freund war. Der offensichtliche Bösewicht Ryan hatte ihn allerdings auch nicht vergessen und schien sogar von seiner Macht, die er ausgeübt hatte, betroffen. Ansonsten lebten eigentlich alle weiter vor sich hin und versuchten, irgendwie zu überleben und heil aus der Schule ins "richtige Leben" zu geraten - was nicht jedem gelang.
Insgesamt hat mir das Buch wirklich gut gefallen, auch wenn ich ihm nicht die volle Punktzahl geben kann. Eine Stelle störte mich massiv, denn war m. E. ein Logikfehler. Außerdem hatte das Buch mittig einige Längen. Trotzdem war es sehr gut zu lesen gerade die fließenden Übergänge zu den nächsten Kapiteln haben mir sehr gut gefallen. Berührt hat mich das letzte Kapitel über Cally, die irgendwie ja Auslöser des ganzen Desasters um Tristan war, auch wenn sie eigentlich keine wirkliche Schuld traf.
Johnson hat für mich einen sehr guten Ton getroffen, nicht rührselig aber trotzdem berührend zu schreiben. Auch wenn ich mit der Wortwahl so manches Mal haderte. Etliche Worte hätte ich nachschlagen müssen, weil sich mir der Jugendslang nicht erschließt. Das deutsche Cover finde ich sehr unglücklich gewählt.
Fazit:
Ein sehr intensives Buch über die Hölle der Pubertät und die tlw. unerfüllbaren Ansprüche, die Eltern, Schule und vor allem soziales Umfeld an Jugendliche stellen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.01.2018
Der Wortschatz
Vorpahl, Elias

Der Wortschatz


ausgezeichnet

Wunderbares Wörter-Märchen

Ein Buch für Erwachsene als sie noch Kinder waren...
So steht es auf dem Einband und im Buch zu lesen - und genau das bewahrheitete sich auch!
Es handelt sich hier um einen Roman-Erstling, nicht nur des Autors sondern auch der Illustratorin und der Designerin. Man merkt es nicht! Das Buch ist rundum gelungen - hier stimmt und passt alles für den ersten Auftritt. Angefangen bei der Papierfarbe und -haptik - die durchaus etwas altertümlich daher kommt, was jedoch hervorragend zur Geschichte harmoniert - über die einfallsreichen Illustrationen um die Initiale des jeweils beginnenden Kapitels, die sich hier über die komplette gegenüberliegende Seite erstreckt bis hin zum ganz zauberhaft gestalteten Einband. Perfekt! So können die Drei ruhig weitermachen!
Jetzt zur Geschichte selbst:
Es handelt sich um ein Märchen, in dem ein Wort die Hauptrolle übernimmt. Das Wort ist noch recht jung - pubertär vielleicht, denn es streitet nach Herzens Lust mit seinem Vater über den Sinn seines Lebens. Während eines ausführlichen Gesprächs mit seinem taubstummen Wort-Freund Zeig werden er und sämtliche Bedienstete Zeigs (allesamt ebenfalls Wörter) durch zwei bedrohliche Stimmbänder geradewegs in einen Menschen hinein gesogen und von diesem ausgesprochen - was für ein Wort nahe an den Tod heran kommt. Als es wieder zu sich kommt, kann es sich an kaum etwas erinnern, nicht einmal an seinen Sinn, seine Bedeutung. Also macht es sich auf die Suche.
Elias Vorpahl entführt uns in die märchenhafte Welt der Wörter. Und das macht er so vortrefflich, dass ich schon auf Seite 2 der Geschichte wissen wollte, wie der Protagonist - das Wort - denn wohl heißen mag. Wörter bekamen plötzlich vor meinem geistigen Auge Gestalt und Wesen. Und ich tatsächlich fast ein schlechtes Gewissen, weil ich sie tagtäglich unbedarft ausspreche. Irgendwann fand ich mich dann sogar selbst in dieser Geschichte wieder.

Man muss sich darauf einlassen können. Man muss eine latente Schwäche für das Märchenhafte haben und genügend Phantasie, um mit dem Wort durch dieses Buch zu streifen und lauter kleine Geschichten zu erleben. Es ist z. T. eine paradoxe Geschichte, jedoch im besten Sinne des Wortes. Es ist auch eine gewisse Vorliebe für Wortspiele förderlich, um dieses Buch richtig genießen zu können.
Ich habe es definitiv genossen, auch wenn die ein oder andere Stelle kleinere Längen aufwies. Die Story ist auch durchaus spannend, denn man tappt doch lange Zeit im Dunkeln, wie denn das Wort wohl heißt.
Kein Buch, das man eben mal so runter reißt. Eher eines für den ruhigen Leseabend mit Kakao und Plätzchen am Kaminofen. Ein echtes Wohlfühlbuch.

Fazit: Ein Buch für Erwachsene die sich kindliche Neugier bewahrt haben!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.12.2017
Der Fall Kallmann
Nesser, Hakan

Der Fall Kallmann


ausgezeichnet

Es hört sich am Anfang nach einen Krimi an...

Leon Berger tritt im Jahre 1995 in der Kleinstadt K. die Nachfolge des unter rätselhaften Umständen ums Leben gekommenen Lehrers Eugen Kallmann an. Für Leon ist es ein kompletter Neuanfang nachdem er Frau und Tochter bei einem Schiffsunglück verloren hat. Vermittelt wird er durch seine ehemalige Studienkollegin Ludmilla, die aktuell an dieser Schule unterrichtet. Er entdeckt beim Aufräumen des Schreibtischs die Tagebücher seines Vorgängers, wodurch er und zwei weitere Kollegen zu Nachforschungen auf eigenen Faust ermuntert werden. Im weiteren Verlauf geschieht noch ein Mord an einem Schüler, der bei den örtlichen Neonazis wohl eine recht bedeutende Rolle gespielt hat. Auch Drohbriefe mit rassistischem Inhalt tauchen an der Schule auf. Besteht hier ein Zusammenhang?

Was nach einem soliden Krimi klingt ist keiner. Die „Krimihandlung“ dient nur als Rahmen für das Bild, das Hakan Nesser von der Gesellschaft zeichnet, kombiniert mit seinen gewohnt philosophischen Betrachtungen über Menschen, deren Verhalten und Einstellungen zum Leben. Dadurch, dass er die Geschichte aus immer wechselnden Perspektiven in der Ich-Form erzählt, kommt am Anfang etwas Verwirrung auf, bis man die ganzen Personen eingeordnet hat. Aber es ist dadurch auch der Blick aus der Sicht von mehreren Generationen, was dem ganzen einen zusätzlichen Reiz verleiht.
Die Auflösung geschieht erst nach Jahren und ist meiner Meinung nach sehr schlüssig und rundet das Gesamtbild ab.
Alles in allem ein Buch mit dem an sich Zeit lassen sollte um sich drauf einzulassen, weit weg vom manchen Krimis bei denen Action die mangelnde Handlung übertüncht.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.11.2017
Verschieben Sie die Deutscharbeit, mein Sohn hat Geburtstag! / Helikopter-Eltern Bd.1
Greiner, Lena;Padtberg-Kruse, Carola

Verschieben Sie die Deutscharbeit, mein Sohn hat Geburtstag! / Helikopter-Eltern Bd.1


sehr gut

Eine neue Spezies...

...die Helikopter-Eltern
Lena Greiner und Carola Padtberg führen sie nach Strich und Faden schonungslos vor, indem sie eine Sammlung eingesandter Beiträge an die Spiegel-Online-Redaktion veröffentlichen. Realsatire in Vollendung!
Sicher - nach einer insgesamt 21jährigen Schulzeit mit unseren Kindern waren wir schon einiges gewohnt und erinnerten uns bald an diese Zeit. Die auf dem Gehweg unmittelbar vor dem Grundschulhof-Zugang parkenden SUV-Mütter, die ausschließlich das Wohl ihrer eigenen Kinder interessierte. Oder die Mütter, die ihren Kindern das vergessene Pausenbrot oder auch den Turnbeutel hinterher trugen. Auch noch im 4. Schuljahr (und wahrscheinlich noch länger).
Diese Auswüchse jedoch, die es in vielen im Buch enthaltenen Schilderungen annimmt, waren mir total fremd! Eltern, die mit auf Klassenfahrten wollen und den Lehrer den Unterricht diktieren möchten, die gab es zu unserer Zeit noch nicht. Gott sei Dank!
Das Buch ist in unterschiedliche Kapitel aufgeteilt - von der Schwangerschaft bis hin zum Erwachsenenalter mit Uni bzw. Ausbildung. Manchmal kann man nur ungläubig mit dem Kopf schütteln, was sich Mama und Papa so erdreisten. Manches ist durchaus amüsant - wirklich gelacht habe ich bei diesem Buch jedoch nie. Ganz im Gegensatz zu ihren bisherigen Büchern, bei denen mir teils wirklich die Tränen vor lachen liefen. Insofern war ich ein ganz klein wenig enttäuscht.
Gut fand ich, dass zum Schluss hin noch die Eltern selbst zu Wort kamen, auch wenn die Reaktion einer Mutter haarsträubend war und mindestens so unverständlich wie der überwiegende Teil der bisherigen Schilderungen.
Die Schreibweise ist unkompliziert und flott. Hier kommt es mehr auf den Inhalt als auf großartigen Stil an.
Fazit: Durchaus empfehlenswert wenn man kurze Strecken leichter Lektüre genießen möchte (Klobuch). Für die Lektüre am Stück eignet es sich weniger.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.