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Buchstabenträumerin
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Hier blogge ich über Jugendbücher und Romane der verschiedensten Genres: https://buchstabentraeumerei.wordpress.com.

Bewertungen

Insgesamt 170 Bewertungen
Bewertung vom 09.10.2018
Den Himmel stürmen
Giordano, Paolo

Den Himmel stürmen


ausgezeichnet

Alles beginnt in dem Augenblick, in dem Teresa und Bern sich begegnen und einander in die Augen schauen. Er störrisch und voller Überzeugungen. Sie voller Leidenschaft und Neugier. Es ist unumstößlich, dass sie zueinander finden werden, aber auch ebenso unvermeidbar, dass sie einander wieder verlieren. In seinem neuen Roman „Den Himmel stürmen“, entführt Paolo Giordano, Autor von „Die Einsamkeit der Primzahlen“, den Leser in eine Welt voller Liebe, Freundschaft und Hingabe, utopischen Visionen und festem Glauben, aber auch in eine Welt reich an Rivalität und Eifersucht. Die Geschichte von Teresa liest sich wie ein Kampf – was ist stärker, die Zuneigung zwischen zwei Menschen oder visionäre Lebensziele?

Den Zugangsweg bis zum Haus entlangzulaufen, war, wie mit dem ganzen Körper in eine Kindheitserinnerung einzutauchen, eine Erinnerung, die zur Gänze dort geblieben war, um auf mich zu warten. (Seite 174)

Teresa macht wie jeden Sommer Urlaub in Speziale im Süden Italiens, als sie Bern das erste Mal begegnet. Er lebt mit einigen anderen Jungen auf einem Hof unweit des Hauses von Teresas Großmutter – immer unter Aufsicht von Cesare und seiner Frau. Von ihm werden die Jungen im festen Glauben an Gott erzogen und sie wachsen isoliert von der restlichen Welt auf. Teresa ist fasziniert von dem Jungen, der so trotzig und resolut vor ihrem Vater steht, um sich für das unerlaubte Baden im hauseigenen Pool zu entschuldigen. Sie besucht Bern auf dem Hof, ein Sommer folgt auf den nächsten Sommer, sie wird in sein Leben hineingezogen, und letztendlich bleibt sie, sobald sie Erwachsen ist. Gemeinsam mit einigen Freunden leben sie auf dem Hof, immer nach dem Grundsatz, die Natur nicht zu verändern, sondern in Einklang mit ihr zu leben. Sie engagieren sich für den Erhalt von Olivenbäumen und bewegen sich dabei an den Grenzen der Legalität.

Was als friedliches Miteinander beginnt, artet aus und am Ende steht Teresa vor einem Scherbenhaufen. Freundschaften zerbrechen, die Liebe zwischen Teresa und Bern muss vor dem Einsatz für die Natur zurückweichen. Teresa versucht, ihre Verbindung zu Bern zu begreifen und gleichzeitig den Platz in ihrem eigenen Leben zu finden.

Dass ich meine Sehnsucht in gewissen Momenten vergaß, bedeutete nicht, dass sie nicht noch da war, lebendig, intakt. (Seite 183)

„Den Himmel stürmen“ ist hitzig, sehnsüchtig und leidenschaftlich. Bern steckt voller Leidenschaft für die Natur, Gott und Teresa. Teresa folgt ihm scheinbar willenlos, abhängig, wie verblendet. Doch wo einer für etwas brennt, droht der andere zu verbrennen. So verrennen sich beide immer wieder in verschiedene Richtungen und können sich dennoch nicht voneinander lösen. Diese Tatsache gibt dem Roman eine ungeheure Kraft, niederschmetternd und teils herzzerreißend hoffnungslos. Die Gefühle seiner Charaktere beschreibt Paolo Giordano wunderschön, er blickt in ihre Herzen und bringt zum Vorschein, was sie bewegt.

Faszinierend ist auch der Aufbau der Geschichte. Rückblicke vermischen sich mit Augenblicken aus der Gegenwart und das Erlebte wird von verschiedenen Erzählern Stück für Stück um Details angereichert, so dass sich am Ende erst ein vollständiges Bild ergibt, das man als Leser voller Staunen betrachten kann.

Fazit

Paolo Giordano gehört mit „Den Himmel stürmen“ für mich zu den ganz großen Autoren. Seine Geschichte ist gefühlvoll, spannungsgeladen und klug – mit Charakteren, die lebendig und vielschichtig sind. Zugleich atmet man geradezu die süße und heiße Luft Italiens, man fühlt die Landschaft und den Wind. Es ist, als wäre man dabei, ein Teil des Ganzen. Dieser Roman ist eine absolute Empfehlung!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.09.2018
Die Listensammlerin
Gorelik, Lena

Die Listensammlerin


gut

Sofia schreibt Listen mit bedingungsloser Leidenschaft. Listen sind ihr Leben – sie ordnen und katalogisieren weit mehr als ihre Gedanken. Sie beruhigen sie, wenn das Leben zu viel von ihr fordert, wenn sie unruhig wird. Und Unruhe empfindet sie wahrlich genug. Denn da wäre die Sorge um ihre Tochter, die mit halbem Herzen zur Welt kam und der eine lebensgefährliche Operation bevorsteht. Da wäre ihr Mann Flox, der ihre Sorgen nicht auf die gleiche Weise zu teilen scheint. Da wäre ihre Großmutter, die mit Demenz in einem Pflegeheim lebt und um die sie sich kümmern soll. Und da wäre ihre Mutter, die nie viel von ihren Listen gehalten hat und ihr viel zu wenig über die Identität ihres Vaters verrät. Das alles thematisiert Lena Gorelik (Autorin von „Mehr Schwarz als Lila“, 2017) in ihrem 2016 erschienenen Roman „Die Listensammlerin“.

Während ihre Großmutter, die in der damaligen Sowjetunion aufwuchs, immer mehr ihre Erinnerungen verliert, beginnt Sofia im Trubel vor der OP ihrer Tochter damit, Nachforschungen über ihre Familie anzustellen. Sie ist es leid, von ihrer Mutter hingehalten zu werden, als psychisch gestört stigmatisiert zu werden, und permanent in Sorge um ihre Tochter zu sein. Auswege aus ihrer Misere bilden ihre Listen und ein überraschender Fund in der Wohnung ihrer Großmutter – denn anscheinend ist sie nicht der einzige Mensch, der Listen führte. Jemand anders hat eben solche Listen wie sie geführt und diese in einem Kästchen aufbewahrt. Was hat es damit auf sich? Und wer war der Autor? Was haben diese Listen mit ihrer Familie zu tun?

An diesem Punkt teilt sich die Erzählung in zwei Zeitebenen – die der Gegenwart und die der Vergangenheit, beginnend mit der Kindheit der Großmutter in der früheren Sowjetunion. Zu dieser Zeit bestimmte die Kommunistische Partei über alles, was im Land passierte. Die meisten Menschen fügten sich diesen strengen Vorgaben, doch Grischa, der Sohn von Sofias Großmutter, war ein Freigeist. Ihn lernt der Leser in den Rückblicken kennen, seine Wünsche und Träume, seine Ziele, seine Liebe. Man taucht ein in einen Lebensalltag, der unserem heutigen nicht fremder sein könnte. Ein faszinierender Einblick, der mich sehr fesselte. Auch das Schicksal von Sofia und Grischa berührte mich tief – vor allem Sofias Überforderung und Grischas sensible und gleichzeitig bockige Art.

Ich ging davon aus, dass mir „Die Listensammlerin“ bis zum Ende weiterhin so ausnehmend gut gefallen würde, allerdings war dem leider nicht so. Das hatte subjektive Gründe: Ich verlor zusehends den Überblick über die Zeitebenen. Ich driftete daher für meinen Geschmack zu orientierungslos durch die Geschichte, ohne zu wissen, wo (und wann) ich mich gerade befinde. Hinzu kam ein nüchterner Schreibstil, der anfangs sehr charmant war, am Ende aber dazu beitrug, dass ich keinen emotionalen Bezug zum Geschehen mehr herstellen konnte. Hinzu kam, dass hinsichtlich der Frage nach der Identität von Sofias Vater eine gewisse Spannung aufgebaut wurde. Andeutungen häuften sich und alles schien möglich, doch anstatt mit einer Auflösung zufriedengestellt zu werden, bleibt Gorelik vage. Hier wurde meine Erwartungshaltung leider enttäuscht.

Fazit

„Die Listensammlerin“ von Lena Gorelik konnte mich persönlich leider nicht vollständig überzeugen, obwohl der Anfang äußerst vielversprechend war. Ich tauchte ein in das herausfordernde Leben von Sofia, das von Sorgen und Ärgernissen geprägt ist. Ich mochte ihren Charakter und ihre Eigenart, ihr Leben durch das Anfertigen von Listen eine gewisse Ordnung und sichere Struktur zu verleihen. Auch mochte ich die Verknüpfung mit der Vergangenheit ihrer Familie in der ehemaligen Sowjetunion. Allerdings verlor die Autorin mich auf dem Weg. Der Schreibstil wurde anstrengend, die Zeitsprünge zu unüberschaubar. Für andere Leser aber sicherlich trotzdem eine anregende Lektüre!

Bewertung vom 14.09.2018
Jonah
Newman, Laura

Jonah


ausgezeichnet

Wer „Jonah“ von Laura Newman in den Händen hält, hat eine gefühlvolle und spannende Geschichte für den Sommer gewählt – inklusive einem überhaupt nicht vorhersehbaren Plottwist. Denn was als typische Sommerromanze beginnt, endet in einem ergreifenden Drama – und damit hatte mich die Autorin letztendlich auch gepackt. Anfangs war ich verhältnismäßig enttäuscht von der Geschichte, da nichts besonderes passiert. Junge mag Mädchen, sie lernen sich kennen, Mädchen mag Junge ebenfalls, um die Handlung mal grob zusammenzufassen. Wie soll sich eine derartige Romanze über so viele Seiten hinweg spannend hinziehen? Ich hatte immerhin noch einen beträchtlichen Teil des Buches vor mir. Als mich dann jedoch der Twist kalt erwischte, gab es kein Halten mehr.

Im Großen und Ganzen ist und bleibt „Jonah“ eine wunderschöne Liebesgeschichte, sie hat aber das gewisse Etwas. Emily verbringt den Sommer in dem Ferienhäuschen ihrer Großmutter und freut sich auf ruhige Lesestunden und Entspannung. Doch schon nach kurzer Zeit lernt sie den Nachbarsjungen Jonah kennen, mit dem sie nach anfänglichem Zögern ihre Ferientage verbringt. Sie skaten, sie lesen, sie bringen das Ferienhaus auf Vordermann. Sie essen Pizza und reden. Bis Emily gehäuft auf seltsame Ungereimtheiten in Bezug auf Jonah stößt. Auch ihre Großmutter scheint mehr über ihn und seine Familie zu wissen. Stimmt etwas nicht mit Jonah? Emily beginnt, sich auf die Suche nach Antworten zu machen, und erfährt dabei Unglaubliches.

„Jonah“ war einfach genau mein Ding. Ein bisschen Liebe, ein bisschen Abenteuer, Mystery und Drama. Noch dazu vermochte es Laura Newman sehr gut, die Spannung bis zum Schluss aufrecht zu halten, so dass man als Leser gar nicht anders kann, als dranzubleiben. Das trübte auch nicht die Tatsache, dass ich früh eine Ahnung hatte, worum es gehen könnte. Es blieb weiterhin das genaue Wie und vor allem das Warum zu klären. Wie ein Detektiv macht stöbert Emily in der Vergangenheit von Jonah. Stück für Stück kommen die Details ans Licht und jede neue Information riss mich mehr mit als die vorherige Erkenntnis. Und das Ende? Emotional, sage ich nur. Gänsehaut garantiert. Ich war danach erst einmal nicht ansprechbar. Aber überzeugt euch selbst

Bewertung vom 15.08.2018
Game of this Summer
Dares, Anni

Game of this Summer


sehr gut

Nicht schon wieder ein Young Adult Roman nach Schema F, könnte man bei Titel und Cover dieses Romans von Anni Dares denken. Doch „Game of this Summer“ überraschte mich mit einer authentischen Liebesgeschichte, die herzlich wenig mit „Mauerblümchen verliebt sich in Bad Boy“ zu tun hat. Stattdessen treffen hier zwei herrlich durchschnittliche Jugendliche aufeinander, die sich auf Augenhöhe begegnen und die versuchen, ihren eigenen Weg zu finden und zu gehen. In die Quere kommen ihnen dabei allerdings Reibereien mit der Familie und Liebessorgen sowie rücksichtslose Wilderer, die für allerlei Ärger sorgen. Zusammen ergibt das eine spannende, humorvolle und romantische Geschichte, die für junge Leser ideale Unterhaltung ist.

WAS SOLL MAN AUCH GEGEN SEINE GEFÜHLE TUN? WIE HABE ICH AM ANFANG VERSUCHT, DAGEGEN ANZUKÄMPFEN, UND WIE BESCHEUERT IST DAS? (SEITE 283)

Besonders gut gefiel mir, dass die Protagonisten sich von gängigen Klischees abheben. So spielt Leo beispielsweise leidenschaftlich gerne Schach und sie liebt Mathe, während sich Ole lieber für die Natur einsetzt, anstatt mit Freunden feiern zu gehen. Das war so herrlich anders! Auch die Tatsache, dass Ole jünger ist als Leo, trägt dazu bei, dass durch „Game of this Summer“ einfach ein frischer Wind weht. Klar gibt es einige Situationen, bei denen ich dachte: Ist klar, dass das nun passieren musste – inklusive dezentem Augenrollen. Doch nichtsdestotrotz steckt eine Wärme in den Zeilen, dank derer man als Leser spürt, dass hier alles echt ist. Keine aufgesetzten Dramen, keine übertrieben schwärmerischen Gedanken, kein theatralisches Hin und Her, sondern vielmehr eine zartfühlende Beschreibung der ersten richtigen Liebe.

Hinzu kommen viele weitere Themen, die mich allesamt sehr ansprachen. Sowohl Oles als auch Leos Familien haben ihre Sorgen und Probleme. Leos Eltern streiten viel und ihre Mutter übt einen enormen Leistungsdruck auf sie aus. Ole hingegen sorgt sich um die Fische in den umliegenden Seen und um seine Mutter, die Schwierigkeiten bei der Arbeit hat. Zudem gibt es da noch etwas, das ihm große Schuldgefühle macht. Und ganz nebenbei gilt es noch die Wilderer zu überführen, was übrigens auch ein sehr spannender Teil der Geschichte ist. Denn wer wirklich dahintersteckt, war mir bis zum Ende mehr oder weniger ein Rätsel.

An der Sprache hätte man hier und da noch ein bisschen mehr feilen können, stellenweise wirkte der Text etwas unausgegoren und steif. Mit einigen Ausdrücken konnte ich mich beispielsweise nicht anfreunden, sie kamen teils zu häufig vor oder passten meinem Empfinden nach nicht zum Rest des Schreibstils. Doch insgesamt konnte ich sehr entspannt über diese Punkte hinwegsehen.

Fazit

„Game of this Summer“ von Anni Dares ist ein erfrischend authentischer Young Adult Roman. Nicht jede Idee ist neu, sprachlich fehlt meinem Empfinden nach hier und da noch etwas der Feinschliff, doch unabhängig davon hat mich diese Geschichte wirklich beeindruckt. Den Leser erwarten Abenteuer und Spannung, denn Wilderer sorgen für Ärger. Und es geht um die erste Liebe, darum seinen eigenen Weg zu finden, Probleme zu lösen, mit Konflikten innerhalb der Familie umzugehen und um die Kraft der Freundschaft. Eine sehr schöne und warmherzige Erzählung, die ich besonders den jüngeren Lesern ab 12 Jahren ans Herz legen kann.

Bewertung vom 06.08.2018
Hyde
Wagner, Antje

Hyde


ausgezeichnet

ES WAR EINE EINZIGE GROSSE UNGLAUBLICHKEIT, ABER MANCHMAL, DAS WUSSTE ICH JA, MANCHMAL WAR GERADE DAS UNGLAUBLICHE DAS ÜBERZEUGENDSTE DETAIL AN EINER GESCHICHTE. (SEITE 397)

Wer die Autorin Antje Wagner noch nicht kennt, sollte dies mit ihrem neuen Roman „Hyde“ unbedingt ändern, denn der ist eine Wucht! Er ist komplex und dramatisch, verwunschen und unheimlich, schlicht brillant. Ich geriet von der ersten Zeile an in die Fänge dieser Geschichte, begleitete die Protagonistin Katrina auf ihrem anstrengenden, aufreibenden und bisweilen schockierenden Weg. Dabei rüttelt die Autorin beständig an dem, was man zu glauben meint, bewirft einen mit neuen Erkenntnissen und noch nicht ganz greifbaren Zusammenhängen, die sich verdichten, bis man voller Atemlosigkeit durch die letzten Seiten rast. Ein tolles Erlebnis.

„Hyde“ lässt sich dabei in kein Genre zwängen, zu vielseitig ist die Geschichte. Es geht um Katrina, die auf der Suche nach Arbeit durch das Land zieht. Ein Geheimnis umgibt sie, das weiß man von Beginn an – immerhin versteckt sie einen Teil ihres Gesichtes nicht grundlos unter einem Tuch. Und sie ist voller Wut. Wut, da ihrem Vater und ihrer Schwester irgendetwas zugestoßen ist. Sie muss Geld zusammenbekommen, damit sie Rache üben kann. So weit die Fakten, alles weitere bleibt in der Schwebe.

Ihr Weg führt sie unverhofft zu einem alten, verlassenen Haus, in dem sie als Verwalterin wohnen bleibt, obgleich vieles an diesem Haus seltsam erscheint. Hier nimmt die Geschichte dann ihren faszinierenden Lauf. Besonders reizvoll fand ich, wie man als Leser Schritt für Schritt mehr über Katrinas Vergangenheit erfährt. Sie lebte mit ihrem Vater und ihrer Zwillingsschwester Zoe im Wald – versteckt vor der Welt, im Einklang mit der Natur. „Hyde“, nannten sie ihr Zuhause. Sie lebten dort nach strengen und sonderbar anmutenden Regeln: Sie durften nicht gesehen werden und das Haus nur zu bestimmten Zeiten verlassen, um durch den Wald zu stromern. Zweimal im Jahr verließen sie ihr Versteck, um nach Berlin zu fahren, Vorräte zu kaufen, zum Friseur und ins Kino zu gehen. Dann ziehen sie sich wieder zurück. Man versteht nicht, warum dies so ist, doch das macht nichts. Die drei sind glücklich und dieses Glück fliegt einem aus den Zeilen entgegen und setzt sich im Herzen fest. Verwunschen empfand ich die Rückblicke in Katrinas Zeit im Wald.

In der Gegenwart befindet sich Katrina in dem sonderbaren Haus und hier schlägt einem unmittelbar eine ganz andere Stimmung entgegen. Es ist unheimlich! Und zwar auf eine sehr subtile Art und Weise. Es beginnt mit einem zarten Geflecht von Sonderbarkeiten, unerklärlichen Ereignissen, seltsamen Geräuschen, einem verschlossenen Zimmer, Kälte. Klassische Elemente, die Antje Wagner mit so einem besonnenen Geschick einfließen lässt, dass sie ganz und gar überzeugend sind. Als Leser wird man regelrecht dazu eingeladen, Theorien zu entwickeln, nur um diese kurze Zeit später zu verwerfen.

Das liegt maßgeblich daran, dass der Roman äußerst komplex angelegt ist. Ein verschachtelter Aufbau, in dem Geheimnisse und Erinnerungen nach und nach enthüllt werden. Dadurch gerät man automatisch in diesen Sog, der ein richtig gutes Buch ausmacht. Durch alles trägt der Schreibstil von Antje Wagner. Sie schreibt kunstvoll, ohne künstlich zu wirken. Sie trifft mit ihren Worten nicht nur den Punkt, sondern auch ins Herz. Sie ist präzise und gleichzeitig lässt sie vieles bewusst offen. Ich liebe ihre Art zu schreiben!

Fazit

„Hyde“ von Antje Wagner ist ganz großes Kino. Hier passt einfach alles – Stimmung, Charaktere, Schreibstil und Story. Die Geschichte um Katrina fesselt, berührt und lässt einen mitdenken, da einzelne Erzählstränge äußerst geschickt miteinander verknüpft werden. Sowohl in der Vergangenheit von Katrina als auch in der Gegenwart ist Dramatisches geschehen, dem man als Leser Stück für Stück auf die Spur kommt. Ein aufwühlender und bisweilen unheimlicher Genuss!

Bewertung vom 20.06.2018
Superhero
McCarten, Anthony

Superhero


ausgezeichnet

JA, DER JUNGE AUF DER BRÜCKE VERGLEICHT SICH MIT VERGLÜHENDEN STERNEN, WÄHREND ER DARAUF WARTET, DASS DIE EINZELNEN ELEMENTE SEINES TODESWUNSCHES – EKEL, WUT, SCHMERZ, ÜBELKEIT, SCHWÄCHE, FRUSTRATION, UNGERECHTIGKEIT, NEID, EINSAMKEIT, REUE – SICH ZU EINER KRAFT VERBINDEN, DIE AUSREICHT, IHN IN DIE TIEFE ZU STOSSEN. (SEITE 38)

Der Roman ist in Teilen wie ein Theaterstück, wie ein Comic, wie ein Drehbuch geschrieben – ein Sammelsurium der verschiedenen Möglichkeiten, eine Geschichte zu erzählen. Doch nicht allein das macht „Superhero“ zu dem, was es ist: zu einem besonderen Werk.

Denn unabhängig vom Erzählstil hat Anthony McCarten eine äußerst feinfühlige Geschichte über einen todkranken Jungen geschrieben, die gleichzeitig traurig, überraschend witzig und vielschichtig ist. Der Autor nimmt das Schicksal von Donald Delpe ernst, zeichnet es aber nicht nur Grau in Grau. Vielmehr strotzt „Superhero“ förmlich vor Farbe und Leben, nicht zuletzt wegen der Comic-Szenen, die man als Leser auf Anhieb vor Augen hat. Sie bringen Abwechslung ins Lesen, ebenso wie in Donald’s tristen Alltag zwischen Behandlungen und Therapie und die Zeit mit seiner Familie. Die Comic-Geschichten sind wunderbar überspitzt und im Grunde dreht sich alles nur um Superhelden und Schurken und Sex. Vor allem Letzterer ist omnipräsent in Donald’s Gedanken und gleichzeitig ein wichtiges Plotelement.


DANN UM DIE MITTAGSZEIT EIN KLEINER AUSFLUG ZUR RADIOLOGIE, EINE ART MITTAGSPAUSE AUF DEM ATOMWAFFENTESTGELÄNDE; NACH GENAU DER RICHTIGEN DOSIS GAMMA- UND RÖNTGENSTRAHLEN, MIRKO- UND ÜBERHAUPT ALLEM AUSSER DER LA-OLA-WELLE, WIRD ER ZURÜCK ZUM VERGNÜGUNGSDAMPFER GEFAHREN, STATION EINS, STADTKRANKENHAUS WATFORD, UND DA LIEGT ER, MIT GIFT VOLLGEPUMPT, EIN ZUCKENDER ZOMBIE. (SEITE 173)

Doch wer nun meint, dass es in „Superhero“ nur um einen hormongesteuerten Jugendlichen dreht, irrt sich. Klar geht es um Erfahrungen, doch anfangs kaum spürbar, später immer offenkundiger, gewinnt die Story an Tiefe und Emotionalität. Und auch Donald Delpe ist kein eindimensionaler Charakter. Mal fügt er sich desillusioniert in sein Schicksal, mal lehnt er sich geradezu heroisch dagegen auf. Aber ganz gleich, wie er sich gerade fühlt, er flieht regelmäßig in seine Comic-Welt. Sie ist sein Refugium, sein Safe-Space, sein alternatives Universum, in dem alles in Ordnung ist. Dort kann er alles sein und alles erleben, was ihm im echten Leben verwehrt bleibt.

Rund um Donald Delpe gibt es noch weitere Charaktere, deren Schicksal von nicht weniger großer Intensität ist. Da wären die Eltern von Donald sowie sein Bruder und sein Psychologe und dessen Ehefrau. Alle rotieren sie um Donald, mit ihren eigenen Sorgen, Wünschen und Hoffnungen im Gepäck. Dank ihnen rückt das Schicksal von Donald – so schwer zu tragen es auch ist – nicht zu sehr in den Vordergrund. Der Autor drückt dadurch nicht unentwegt und schon gar nicht zwanghaft auf die Tränendrüse, sondern achtet sorgsam darauf, dem Leser einen Ausgleich zu bieten und ein rundes Bild zu zeigen.

Fazit

„Superhero“ von Anthony McCarten ist eine sehr berührende Geschichte über den schwerkranken Donald Delpe, der seinen eigenen Helden erfindet und am Ende ganz anderen und realen Helden begegnet, die ihn auf seinem Weg begleiten. Diese Geschichte ist stilistisch äußerst vielseitig: Comic trifft auf Theater trifft auf Drehbuch. Doch der Mix funktioniert! Als Leser ist man unmittelbar Teil dieser manchmal etwas verrückten, aber immer liebenswerten Welt von Donald Delpe. Man lacht, man weint, aber nie wird man in diese Emotionen gedrückt – was das Thema nahe legen könnte -, sie kommen unaufdringlich und echt. Ein tolles Buch!

Bewertung vom 13.06.2018
Cyril Avery
Boyne, John

Cyril Avery


ausgezeichnet

John Boyne ist vielen sicherlich durch seinen Roman „Der Junge im gestreiften Pyjama“ bekannt. 2009 wurde die Geschichte verfilmt. Darüber hinaus hat Boyne viele weitere Romane geschrieben, „Cyril Avery“ ist nun sein neuestes Werk. Darin geht es um einen Jungen, der im engstirnigen und gottesfürchtigen Irland der Nachkriegszeit mit seiner Homosexualität zu kämpfen hat. Wir begleiten ihn auf seinem gesamten Lebensweg, von seiner Geburt bis hin ins hohe Alter, 70 Jahre lang. Dabei widmet sich John Boyne den wichtigen Themen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die diese vergangenen Jahrzehnte besonders prägten.

„Cyril Avery“ – im Original übrigens „The Heart’s Invisible Furies“ – hat mich nachhaltig beeindruckt. Es hat mich tief berührt, es hat mich schrecklich wütend gemacht, ich war sprachlos und fassungslos und doch habe ich regelmäßig herzhaft gelacht. All diese Emotionen stecken in den Zeilen, dicht an dicht nebeneinander. Oft so dicht, dass man bei einem Satz am liebsten vor lauter Ärger schreien möchte, nur um im nächsten in schallendes Gelächter auszubrechen. Was für ein atemberaubender Drahtseilakt für die Nerven und gleichzeitig: Was für ein informativer und hochinteressanter gesellschaftskritischer Roman.

Die Geschichte beginnt mit der Geburt von Cyril, die bereits unter einem schlechten Stern steht. Eine uneheliche Geburt in Irland im Jahr 1945 ist eine undenkbare Schande – sagt die Kirche. Frauen werden von ihren Familien aus dem Haus geworfen, sollen sie zusehen, wie sie zurechtkommen. So auch Cyril’s Mutter, die ihn gezwungenermaßen zur Adoption freigibt. Cyril hat Glück im Unglück, es mangelt ihn bei seinen Adoptiveltern an nichts materiellem, allerdings sind sie etwas speziell, beachten ihn kaum und wenn, führen sie die absurdesten Gespräche mit ihm. Sein beschauliches, seltsames Leben nimmt eine Wende, als er Julian trifft. Und Cyril? Er verliebt sich.

Fortan begegnet der Leser Cyril in Intervallen von sieben Jahren. Man wird Zeuge, wie er als Teenager gegen die Kirche und ihre Zwänge und Restriktionen rebelliert, wie er seine Homosexualität entdeckt und in Angst lebt, entdeckt zu werden. Wie er sich selbst und seine Wünsche verleugnet, um in Sicherheit leben zu können. Als er endlich flieht, erlebt er Mitte/Ende der 80er Jahre in New York die Aids-Krise mit, die Ausbreitung der „Schwulenkrankheit“. Aber auch Feminismus spielt in dem Roman eine große Rolle, die Geringschätzung weiblicher Intelligenz wird zentral thematisiert sowie der respektlose Umgang mit der weiblichen Sexualität. Am Ende schließt sich der Kreis und Cyril kehrt 2015, nach dem Referendum über die Homo-Ehe, nach Irland zurück.

Fazit

Geradezu monumental ist „Cyril Avery“: 70 Jahre gesellschaftskritische Lektüre, von Irland über Amsterdam bis hin nach New York, von der Nachkriegszeit 1945 bis 2015. John Boyne widmet sich in „Cyril Avery“ seinem Protagonisten und begleitet ihn durch sein herausforderndes Leben. Homosexualität, Homophobie, Emanzipation, Liebe, Freundschaft, Heimat, Familie, Aids und Tod – alle diese Themen finden in diesem großartigen Roman Platz. Und anstatt angesichts dieser Themen in Schwermut zu versinken, verleiht ihnen Boyne’s teils deftiger, aber immer herzlicher Humor eine äußerst angenehme Leichtigkeit. Was für eine Mischung! Wer auch nur ansatzweise interessiert ist: Dieses Buch will gelesen werden.

Bewertung vom 24.05.2018
Wie man die Zeit anhält
Haig, Matt

Wie man die Zeit anhält


gut

„DIE ERSTE REGEL LAUTET, DU DARFST NICHT LIEBEN“, SAGTE ER. „ES GIBT NOCH ANDERE REGELN, ABER DAS IST DIE WICHTIGSTE. DU DARFST DICH NIEMALS VERLIEBEN.“ (SEITE 7)

Die Grundidee gefällt mir sehr gut: Es geht um Tom Hazard, der viel langsamer altert als andere Menschen und bereits 400 Jahre zählt, obwohl er aussieht wie 40. Anhand seiner Erinnerungen wird die Vergangenheit lebendig: Er begegnete Persönlichkeiten wie Shakespeare und Captain Cook – und ist dennoch schrecklich einsam. Wie muss es sein, inmitten einer Vielzahl von Menschen zu sein und dennoch nicht so recht am Leben dieser Menschen teilhaben zu können, da man ständig seine Identität wechseln muss? Matt Haig widmet sich dieser Einsamkeit und diesem Gefühl der Isolation bis ins feinste Detail. Er kostet die Emotionen aus, die Tom Hazard empfindet. Die Erschöpfung, die Antriebslosigkeit, die fehlende Anteilnahme – alles Motive, die durchschimmern lassen, wie sich der Autor gefühlt haben muss, wenn die Depression ihn im Griff hatte. Diese Authentizität zog mich in ihren Bann.

UND SIE STARB UND ICH LEBTE, UND EIN ABGRUND TAT SICH VOR MIR AUF, DUNKEL UND BODENLOS, UND ICH FIEL HINEIN UND FIEL UND FIEL, JAHRHUNDERTELANG. (SEITE 37)

Zu Beginn war auch die Geschichte enorm aufregend und vielseitig. Die Rückblicke entführten in die Kindheit von Tom Hazard, in die Zeit der Hexenverfolgung, die Elisabethanische Ära in England und die 1920er Jahre. Man erlebt die Pest und lernt Shakespeare von einer erfrischend anderen Seite kennen. Doch je länger ich diese Geschichte las und so faszinierend die Rückblicke auch waren, sie nahmen für mich einen zu großen Teil der Erzählung ein. Mir fehlte der Fokus auf die Gegenwart, die so viel Interessantes bietet! Hier wollte ich tiefer eintauchen und mehr erfahren. Natürlich sind die Erinnerungen von Tom Hazard notwendig, um ihn als Charakter vollständig zu verstehen, seine Einsamkeit nachvollziehen zu können, doch dieses ständige Hin und Her überforderte mich und ärgerte mich schlussendlich.

DAS LEBEN, DAS SICH STETS WIEDERHOLTE, WURDE ÖDE. IRGENDWANN KAM KEIN LÄCHELN MEHR, KEINE GESTE, DIE MAN NOCH NICHT GESEHEN HATTE. KEINE VERÄNDERUNG IN DER WELTORDNUNG, DIE NICHT DAS ECHO EINER ANDEREN VERÄNDERUNG WAR. (SEITE 43)

Durch die Zeitsprünge hatte ich nicht das Gefühl, dem Protagonisten wirklich näherzukommen. Er wirkte wie zersplittert auf mich, zu distanziert, einfach nicht rund und vollständig. Natürlich kann dies unterstreichen, dass er durch die vielen Identitäten auch schlicht seine eigene Mitte nicht findet, doch meinen Geschmack traf dies leider nicht. Zusammengehalten wird „Wie man die Zeit anhält“ recht gut durch die Art, wie Matt Haig schreibt. Er findet sehr treffende Worte für Hazards Gedanken und Gefühle. Das machte sein neuestes Werk zumindest gut lesbar, trotz meiner Kritik.

Fazit

„Wie man die Zeit anhält“ von Matt Haig ist mehr als ein Roman – es sind mehrere Romane in einem, denn der Leser wandelt auf den Spuren von Protagonist Tom Hazard. Und die sind beachtlich! Über 400 Jahre Menschheitsgeschichte wurden in diesen Roman gepresst und in einzelnen Szenen genauer betrachtet. Äußerst spannend. Leider wurden mir die Zeitsprünge zu anstrengend, ich wäre lieber mehr beim Tom Hazard der Gegenwart geblieben. Stattdessen stolperte ich von einer Zeit in die andere und verlor so schlicht zu oft den Faden zur Geschichte und den Draht zum Charakter. Der Schreibstil ist allerdings entwaffnend und macht den Roman dennoch zu einem schönen Erlebnis.

Bewertung vom 09.05.2018
Zwischen zwei Fenstern
Touchell, Dianne

Zwischen zwei Fenstern


sehr gut

DIESE HEIMLICHKEIT IST SPANNEND. UND SIE IST NOTWENDIG. DAS IST SCHLIESSLICH NICHT UNSER ORT. WIR HABEN UNSEREN EIGENEN ORT, DEN RAUM ZWISCHEN ZWEI FENSTERN (SEITE 57)

Bedrückend, erschreckend, abstoßend, seltsam, wunderschön, still, tiefgründig, verstörend, hoffnungsvoll. Das sind Stimmungen und Empfindungen, die mir in den Sinn kommen, wenn ich an „Zwischen zwei Fenstern“ denke. Es gibt noch mehr davon, denn Dianne Touchell kann mit Worten umgehen. Sie braucht nur wenige Seiten, 256 um genau zu sein, um in mir die komplexesten Emotionen hervorzurufen. Teils gingen mir die Worte so nah, dass ich eine Pause brauchte von Maud und Creepy. So heißen die Protagonisten, die sich in benachbarten Häusern befinden und einen ungewöhnlichen, zarten Kontakt zueinander zwischen ihren beiden Fenstern aufnehmen. Sie sprechen nicht miteinander, auch wenn sie sich in der Schule begegnen, sie kommunizieren lediglich über auf Zettel geschriebene Notizen, die sie an die Scheibe halten.

Was nach einem harmonisch-romantischem Jugendbuch klingt, in dem sich zwei junge Außenseiter kennenlernen und ineinander verlieben, täuscht. Dieser Roman ist ganz anders. Denn Maud ist psychisch krank, sie reißt sich ihre Haare aus, teilweise bis ihre Kopfhaut blutet. Sie erfährt keine wundersame Heilung durch Liebe, wie es oft in Jugendbüchern dargestellt wird. Und Creepy, so nennen ihn alle an der Schule, ist … nun ja, unheimlich. Er beobachtet Maud durch ein Fernglas, liest unendlich viele Bücher und hat eine wahnsinnig seltsame Vorstellung von Liebe. Beide sind also tatsächlich etwas schräg.

Mit Schuld daran sind sicherlich die Elternhäuser, denn die Mütter und Väter der beiden haben ziemlich handfeste Probleme. Creepy’s Eltern streiten unentwegt miteinander, so sehr, dass der Vater den Hund auf die Mutter hetzt. Maud wird von ihrem Vater geschlagen. Zu allem Überfluss liegen beide Elternpaare auch noch miteinander im Clinch. Angesichts dieses unangenehmen Alltags, versuchen Maud und Creepy irgendwie zurechtzukommen. Sie bauen sich ihre eigene kleine (Gedanken-)welt, was Touchell sprachlich außerordentlich gut aufbereitet. Ich könnte versinken in ihren Worten, die mal eine abstoßende, dann wieder eine extrem faszinierende Wirkung auf mich haben.

Besonders beleuchtet die Autorin die psychologische Verfassung von Maud und Creepy. Sie ließ mich so tief in die Köpfe von den beiden eintauchen, dass ich meinte, mich in ihnen zu verlieren. Zusätzlich reichert sie ihre Kapitelanfänge mit Gedanken von Maud sowie mit Buchzitaten von Creepy an, die sehr aufschlussreich und immer enorm passend sind. Sie zeigen, wie sehr Maud sich in ihre eigene Gedankenwelt zurückzieht, während Creepy versucht, in der Literatur eine Antwort zu finden.

Inwiefern ist dieses Buch nun positiv? Ich weiß es nicht. Kleiner Spoiler: Allerdings erlaube ich mir, aus der letzten Seite so etwas wie eine neue, hoffnungsvolle Ausrichtung herauslesen zu können. Doch letztendlich erwartet den Leser ein offenes Ende, das er zu interpretieren frei ist.

Fazit

„Zwischen zwei Fenstern“ von Dianne Touchell ist ein sehr faszinierendes Buch, das mich vor allem sprachlich begeistert hat. Es liest sich jedoch nicht leicht und es ist für empfindliche Leser sicherlich des Öfteren schwer verdaulich – ich musste oft schlucken. Die psychologische Tiefe, die sich darin jedoch auftut, entschädigte mich dafür mehr als genug. Es ist mit 256 Seiten nicht lang und dennoch wurden so viele Empfindungen in mir wachgerüttelt, dass ich noch immer einzeln

Bewertung vom 29.04.2018
Die fünf Gaben / Valenias Töchter Bd.1
Ross, Rebecca

Die fünf Gaben / Valenias Töchter Bd.1


gut

„Die fünf Gaben (Valenias Töchter 1)“ von Rebecca Ross ist ein Fantasyroman für Jugendliche ab 14 Jahren und erfüllt sämtliche Erwartungen an dieses Genre. Leider, muss ich ergänzen, denn ich hätte mir gewünscht, dass die Autorin hier und da mit den Erwartungen bricht, überrascht und mich auf eine unbekannte Reise mitnimmt. So ist die Geschichte solide und durchaus spannend und schön zu lesen, bietet mir aber nichts Neues. Darüber hinaus gibt es weitere Aspekte, die mich etwas störten, auf die ich in meiner Rezension zu sprechen kommen werde.

Allem voran: Brauchen wir wirklich noch eine Geschichte, in der sich Frauen in fünf sogenannten Passionen ausbilden lassen, um anschließend einen Gönner zu finden? Gut, die Gönner können sowohl männlich als auch weiblich sein, doch die Passionen entsprechen sehr einem überholten Rollenbild von Frauen. So werden die jungen Mädchen je nach Gabe in diesen Passionen unterrichtet: Kunst, Musik, Schauspiel, Esprit oder Wissen. Wissen wäre noch die emanzipierteste Passion, da es hier darum geht, sich in verschiedensten Fachrichtungen weiterzubilden, wie zum Beispiel Medizin oder Geschichte. Das Gesamtbild ist mir aber zu einseitig. Brienna wird im Wissen unterrichtet und lernt viel über die Geschichte ihres Landes, Valenia. Dabei stößt sie auf ein großes Unrecht, dass dem Nachbarkönigreich Maveana widerfahren ist.

An dieser Stelle gibt es in „Die fünf Gaben“ einen positiveren Twist, denn in Maevana waren es ursprünglich stets die Frauen, die als Königinnen auf dem Thron saßen und das Land regierten. Bis es zu einem Krieg kam, in dessen Folge ein Mann zum König ernannt und mögliche Thronfolgerinnen getötet wurden. Dieses Unrecht gilt es wieder ungeschehen zu machen und Brienna findet sich mittendrin, da sie eine wichtige Schlüsselfunktion innehat. Diese Entwicklung hat mir gut gefallen, da der Fokus von der Ausbildung weg, hin zu einer starken Protagonistin geht. Brienna steht im Rest des Buches mutig für das ein, woran sie glaubt und fürchtet keine der vielen Gefahren.

Allerdings konnte mich diese Entwicklung nicht immer vollständig überzeugen, da sie teils zu oberflächlich dargestellt wurde. Das möchte ich an einem Beispiel kurz erläutern: Brienna muss nicht nur in kürzester Zeit sehr viel Neues über Maevana und die Geschichte des Landes lernen, sie befindet sich zudem in völlig neuer Gesellschaft – und zwar in der ihres Gönners und seiner Familie. Diese Familie spielt eine zentrale Rolle und Brienna nimmt die Zielen der Familie sehr schnell und bedingungslos als ihre eigenen an. Sie vertraut ihrem Gönner, der sie als Tochter adoptiert, in kürzester Zeit, ohne ihn wirklich zu kennen und sie fühlt sich ihrem „Vater“ verbunden, als wäre er ihr leiblicher Vater. Für mich nicht nachvollziehbar.

Dieser Eindruck von Oberflächlichkeit zieht sich bis zum Ende des Buches weiter. Brienna war mir als Protagonistin zu farblos, ihre Ängste berührten mich kaum, gleiches gilt für ihre übrigen Gedanken. Teils kann ich das auf den Schreibstil zurückführen, der wenig auffällig ist und selten durch besondere Ausdrücke oder Bilder hervorsticht. Dadurch fehlt es der Gedanken- und Gefühlswelt von Brienna leider oft an Schärfe und Individualität. Der Vorteil des Schreibstils: Das Buch liest sich wahnsinnig schnell und flüssig.

Abseits der Kritikpunkte, die selbstverständlich sehr persönlicher Natur sind, gibt es natürlich auch einige positive Aspekte. Was mir extrem gut gefiel war, dass in „Die fünf Gaben“ keine Liebesgeschichte im Mittelpunkt steht. Sie wird in vielen Momenten angedeutet, doch sie nimmt niemals so viel Raum ein, als dass alle anderen Handlungen daneben verblassen. Auch war die Liebesgeschichte realistisch und nachvollziehbar. Das Abenteuer ist für sich genommen ebenfalls gut. Magie, Königreiche, Könige und Königinnen, Legenden, Kriege und Aufstände. Eine tolle Mischung, aus der Rebecca Ross meiner Meinung nach schlicht noch mehr hätte herausholen können.