Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
amena25

Bewertungen

Insgesamt 280 Bewertungen
Bewertung vom 07.12.2020
Aus dem Schatten des Vergessens / Victor Lessard Bd.1
Michaud, Martin

Aus dem Schatten des Vergessens / Victor Lessard Bd.1


sehr gut

Komplexer Thriller
Im winterlichen und eisigen Montreal wird die renommierte Psychologin Judith Harper grausam ermordet aufgefunden. Sie wurde offenbar mit einer mittelalterlichen Ketzergabel gefoltert und sich dann selbst überlassen. Zur gleichen Zeit verschwindet Nathan Lawson, ein angesehener Anwalt. Kurz zuvor hatte er eine mysteriöse Nachricht erhalten und daraufhin Dokumente auf einem Friedhof vergraben. Und nur wenig später stürzt ein scheinbar verwirrter Obdachloser von einem Wolkenkratzer. Bei sich trug er die Brieftaschen von Lawson und Harper. Was hatten diese drei so grundverschiedenen Opfer miteinander zu tun? Sergent-Détective Victor Lessard, und seine Partnerin Jacinthe Taillon nehmen die Ermittlungen auf. Die beiden sind ein eingespieltes Team, geraten aufgrund ihrer Temperamentsunterschiede aber des öfteren gehörig aneinander, was den Leser in diesem ansonsten sehr grausamen, aber auch spannenden Krimi hin und wieder schmunzeln lässt. Noch verzwickter wird der Fall, als den Ermittlern eine Aufnahme mit der Stimme von Lee Harvey Oswald zugespielt wird, desjenigen Mannes, der J.F.Kennedy erschossen haben soll.
Lessard und seine Partnerin kommen äußerst obskuren Machenschaften der Geheimdienste auf die Spur. Außerdem gibt es immer wieder Rückblenden, in denen auch Victor Lessards düstere Vergangenheit angedeutet wird. Dadurch wird der Krimi sehr vielschichtig und auch kompliziert mit einigen überraschenden Wendungen. Es verlangt dem Leser einiges ab, den Überblick zu bewahren. Zusätzlich spielt das Privatleben der beiden Ermittler eine recht große Rolle, was stellenweise zu Längen führt.
Dennoch ist ,,Aus dem Schatten des Vergessens" ein spannender, komplexer und auf jeden Fall lesenswerter Thriller.

Bewertung vom 09.11.2020
Frostgrab
Reynolds, Allie

Frostgrab


sehr gut

Jeder hat etwas zu verbergen....

Vor zehn Jahren waren sie eine Clique erfolgreicher Snowboarder, die zusammen in den französischen Alpen trainierten. Milla, Brent, Curtis, seine Schwester Saskia und noch ein paar mehr. Doch innerhalb der Clique gab es nicht nur Freundschaft, sondern auch extreme Rivalität und Eifersucht. Zum internationalen Erfolg gehört auch der eiserne Wille, zu gewinnen. Und manche sind bereit, dafür alles zu tun.
Als eines Tages Saskia spurlos verschwindet, bricht die Clique auseinander, der Kontakt bricht ab. Nun, 10 Jahre später wird Milla zu einem Treffen mit den alten Freunden in die Alpen-Lodge eingeladen. Widerstrebend, aber auch neugierig sagt sie zu. Doch in der einsamen Lodge zeigt sich schnell, dass keiner weiß, wer eigentlich die Einladungen verschickt hat. Die Handys verschwinden, die Seilbahn steht still und sogar der Strom fällt aus. Jeder von ihnen verdächtigt den anderen, plötzlich fehlen Dinge oder jemand sieht eine davonhuschende Gestalt. Und offenbar hat auch jeder von ihnen mit dem Verschwinden Saskias zu tun, jeder hat etwas zu verbergen. Diese gruselige Atmosphäre versteht Reynolds meisterhaft umzusetzen, man ertappt sich dabei, sich ständig umzusehen. Nicht umsonst heißt das Original ,,Shiver". Für mich als Nicht-Snowboarder fallen allerdings die detaillierten Schilderungen der Trainingsfahrten in der Vergangenheit mit Tricks und Sprüngen etwas zu ausführlich aus. Gut dagegen kann man sich in die Protagonistin versetzen, die für ihren Erfolg sehr hart trainiert und ihren Körper bis aufs Äußerste schindet.
Ein Gänsehaut-Thriller mit überraschenden Wendungen!

Bewertung vom 18.10.2020
Baskische Tragödie / Luc Verlain Bd.4
Oetker, Alexander

Baskische Tragödie / Luc Verlain Bd.4


gut

Fällt aus der Reihe

Als an einem Strand des Aquitaine ein Paket angespült wird, gefüllt mit reinstem Kokain. geschieht ein tragischer Unfall. Ein Kind probiert die Substanz und fällt ins Koma. Bald werden weitere Pakete angespült. Kommissar Luc Verlain lässt sofort die Strände sperren und
ermittelt in dem Fall.
Mit seiner hochschwangeren Kollegin und Lebenspartnerin ist ihm derzeit ein glückliches Privatleben vergönnt, bis ihn eine geheimnisvolle Postkarte aus dem Baskenland erreicht. Schon in den vorigen Bänden gab es immer wieder Andeutungen auf einen geheimnisvollen Fall in der Vergangenheit und einen alten Feind, der sich an Luc rächen will. In diesem vierten Band geht es nun ans Eingemachte. Luc macht sich auf den Weg nach Sebastian. Der Schauplatzwechsel von der französischen Atlantikküste nach Spanien tun der Reihe um den sympathischen Luc Verlain gut. Immerhin darf er nun in einer Stadt, die an einer der schönsten Buchten der Welt gelegen ist, inmitten einer lebendigen und malerischen Altstadt mit urigen Tapasbars ermitteln. Doch Luc wird verhaftet, wegen des Verdachts auf Drogenschmuggel und dringendem Mordverdacht. Sein alter und offenbar sehr mächtiger Feind zieht alle Register, um an Luc Verlain Rache zu üben. Als französischem Kommissar sind Luc natürlich in Spanien die Hände gebunden, und niemand weiß, wo er sich gerade aufhält, nicht einmal Anouk....
Mich konnte dieser 4. Band trotz des durchaus gelungenen Schauplatzwechsels nicht so recht überzeugen. Zu viele Zufälle, zu viele Personen und Ereignisse, die plötzlich aus dem Hut der Vergangenheit gezaubert werden, lassen die Handlung zum Teil unrealistisch und wenig glaubwürdig erscheinen. So manche überraschende Wendung wird dem Leser durch Rückblicke erklärt, was das Lesevergnügen doch deutlich schmälert.
Schade! Hoffentlich ermittelt Luc nächstes Mal wieder in gewohnter Manier und so, dass man als Leser mitgenommen wird.

Bewertung vom 04.10.2020
Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2
Lodge, Gytha

Wer auf dich wartet / DCI Jonah Sheens Bd.2


sehr gut

Subtile Spannung

Die britische Autorin Gytha Lodge ist eine Meisterin der subtilen Spannung und der überraschenden Wendungen. Wie auch im ersten Band ,,Bis ihr sie findet" ermitteln der sympathische DCJ Jonah Sheens und seine Kollegen.
Als der Dozent Aidan abends mit seiner Freundin Zoe skypen will, sieht er nur ihr leeres Zimmer. Kurz darauf muss Aidan Kampfgeräusche im Badezimmer mit anhören. Danach ist alles still. Doch Aidan wendet sich erst Stunden später und dann auch nur anonym an die Polizei, die dann auch tatsächlich Zoes Leiche in deren Wohnung findet.
Aidans Aussagen werden immer widersprüchlicher und verdächtiger. Offenbar war seine Beziehung zu der Künstlerin Zoe sehr schwierig und von ständigen Konflikten und Trennungen geprägt. Anscheinend kannte Aidan nicht einmal Zoes aktuelle Adresse! Warum hatte Zoe ihm diese nicht gegeben? Zoe selbst scheint überall sehr beliebt gewesen zu sein, äußerst hilfsbereit und sozial. Doch nicht alle ihre Freunde scheinen ihre Hilfe immer geschätzt zu haben und haben sie wohl eher ausgenutzt.

Die Ermittler stoßen bei ihren Recherchen auf ein verwirrendes Netz aus Verstrickungen, Geheimnissen und Missgunst. Nach und nach erscheint jeder in Zoes Bekanntenkreis verdächtig und der Leser wird immer wieder auf falsche Spuren gelenkt. Allerdings werden dabei manche Konflikte zu detailliert und ausschweifend beschrieben, was stellenweise der Spannung etwas abträglich ist.
Wie im ersten Band wird auch hier die Handlung auf verschiedenen Zeitebenen und aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, was mit gut gefällt.
Auf einen Folgeband darf man sicherlich gespannt sein.

Bewertung vom 28.09.2020
Ihr Königreich
Nesbø, Jo

Ihr Königreich


ausgezeichnet

Familienbande

Die beiden Brüder Roy und Carl Opgard haben ein enges Verhältnis und kennen sich sehr genau. Nach dem Unfalltod der Eltern kümmert sich Roy um seinen jüngeren Bruder Carl. Dieser ist allseits beliebt und hat gute Schulnoten, geht zum Studieren nach Amerika und wird dort erfolgreich. Roy hingegen ist eher in sich gekehrt und reserviert, er wird Automechaniker und Chef der örtlichen Tankstelle. Er lebt alleine im ehemaligen Elternhaus in den kargen, norwegischen Bergen in der Nähe der kleinen Stadt Os.
Als Carl und seine junge Frau Shannon nach Os zurückkehren, um ein exklusives Wellnesshotel zu bauen, das nicht nur sie, sondern das ganz Dorf reich machen soll, löst dies einiges an Wirbel auf. Denn nicht nur Carls Rückkehr, sondern auch die Baupläne werden nicht von allen mit großer Begeisterung aufgenommen. Carls Heimkehr nach 15 Jahren holt einige Ereignisse wieder an die Oberfläche, die lange in Vergessenheit geraten sind. So gab es z.B. zum Unfalltod der Eltern Ungereimtheiten, aber auch um die Beziehung der Brüder zueinander rankten sich Gerüchte, die wieder aufleben. Und der Sohn des damals verschwundenen Polizeichefs beginnt nun wieder, unbequeme Fragen zu stellen.
Roy, aus dessen Perspektive die Geschichte erzählt wird, beginnt, Gefühle für seine Schwägerin zu hegen. Für ihn, der seinen kleinen Bruder immer und mit allen Mitteln beschützt hat, geht es nun um Treue oder Verrat, aber auch um Schuld und Verantwortung.
Nesbo erzählt zu Beginn ruhig, allerdings mit vielen Andeutungen, die den Leser lange über das tatsächliche Geschehen im Ungewissen lassen. Seine Figuren zeichnet er sehr genau und authentisch, ihre Beweggründe und Motive erlebt man hautnah mit.
Wer Jo Nesbo, auch abseits der Harry Hole-Reihe, mag, kommt hier voll auf seine Kosten!

Bewertung vom 10.09.2020
American Spy
Wilkinson, Lauren

American Spy


gut

Falsche Erwartungen geweckt
,,Weit mehr als ein Spionagethriller", soll Barack Obama über ,American Spy' gesagt haben. Vielleicht hätte er besser ,,gar kein Spionagethriller" sagen sollen . Offensichtlich hat sich der Tropen-Verlag dazu hinreißen lassen, das Buch mit einem verkaufsfördernden Etikett zu versehen. Allerdings wird man dem Roman dadurch in keinster Weise gerecht und weckt beim Leser völlig falsche Erwartungen.
Einzig die Eingangssituation, in der Marie Mitchell nachts in ihrem Haus von einem bewaffneten Mann angegriffen wird und ihn erschießt, weist thrillermäßige Spannung auf. Danach liest sich der Roman teilweise eher wie eine Art Rechenschaftsbericht, in dem Marie Mitchell ihren Kindern von ihrem Leben als amerikanische Spionin erzählt und wie sie von ihrer Geheimdienst-Vergangenheit eingeholt wird. Sie formuliert das als eine Art schriftlichen Nachlass, den ihre Söhne lesen sollen, wenn sie alt genug dafür sind.
Nach dem nächtlichen Angriff flieht Marie Mitchell mit ihren Söhnen zu ihrer Mutter nach Martinique. Dort erfährt man, wie sie in den Achtzigern als erste schwarze Geheimagentin beim FBI anfängt. Obwohl sie sehr gut in ihrem Job ist, muss sie sich mit Büroarbeiten und Papierkram abgeben. Doch dann wird ihr plötzlich die Teilnahme an einer Geheimoperation angeboten. Sie soll Thomas Sankara, den sozialistischen Präsidenten von Burkina Faso ausspionieren. Und Marie verliebt sich in den charismatischen Mann, was ihre Mission, aber auch sie selbst in große Gefahr bringt.
Man erfährt in dem Roman viel über Rassismus und Diskriminierung, die Verwicklungen und Intrigen der Geheimdienste, über das Leben als Spion, das nie ein privates ist, aber auch über politische und historische Entwicklungen in den USA und in Afrika
Dennoch konnte mich ,American Spy' leider nicht so recht packen, was nicht so sehr an der Thematik liegt, die durchaus interessant ist. Doch die rückblickende Perspektive Marie Mitchells und der tagebuchartige Stil ließen zu wenig Spannung aufkommen.

Bewertung vom 03.08.2020
flüchtig
Achleitner, Hubert

flüchtig


gut

Zu ausufernd

Nach fast dreißig Ehejahren mit Herwig schmeißt Maria alles hin, kündigt ihren Job, nimmt Herwigs Volvo mit und verschwindet.
Der verlassene Ehemann, mit dem man zunächst Mitleid empfindet, da er monatelang gar nichts von Maria hört, ist aber gar nicht so unschuldig an ihrem Verschwinden. Immerhin hat er seit geraumer Zeit ein Verhältnis mit der deutlich jüngeren Kollegin Nora, die nun auch noch ein Kind von ihm erwartet. Marias und Herwigs Ehe ist dagegen kinderlos geblieben.
Der Autor lässt den Leser in verschiedenen Perspektiven teilhaben an den Gedanken und Gefühlen der Protagonisten. Man vollzieht Marias Reise mit der Autostopperin Lisa nach Griechenland mit, genauso wie Herwigs Flucht in Alkohol und Gras.
Allerdings bleiben einem die Figuren dennoch seltsam fremd. Man bleibt als Leser distanziert, betrachtet die Akteure, kann sich allerdings wenig mit ihnen identifizieren, da sowohl Maria als auch Herwig nicht so recht greifbar und nicht unbedingt sympathisch wirken.
Sprachlich ist ,,flüchtig" ein Genuss, inhaltlich konnte mich der Roman allerdings nicht so recht packen. Zu ,,flüchtig" waren die Begegnungen der Menschen untereinander, zu sehr mäandert der Erzählfluss zwischen allen möglichen politischen, philosophischen oder waltanschaulichen Themen. ,,Ein weiser und sehr musikalischer Roman über Liebe und Sehnsucht, das Schicksal und das flüchtige Glück", so wird Achleitners Erstlingswerk völlig zu Recht beschrieben. Doch so wie der Autor als Musiker Hubert von Goisern mit Instrumenten und Stilen wild experimentiert, so scheint er auch hier so einiges ausprobiert zu haben, was aber letztendlich zu ausufernd und zerfasert wirkt.
Schreiben kann er! Aber inhaltlich wäre in meinen Augen weniger mehr gewesen.

Bewertung vom 28.07.2020
Verschollen in Palma
Kallentoft, Mons

Verschollen in Palma


ausgezeichnet

Die Kehrseite des Urlaubsparadieses
,,Verschollen in Palma" ist kein netter Urlaubskrimi vor idyllischer Landschaft und beschaulicher Atmosphäre. Der Autor zeigt uns ganz im Gegenteil die düsteren Seiten der Partymeilen in Magaluf oder Palma. Er nimmt uns mit in die dunklen Hinterhöfe und die Armenviertel, wo diejenigen leben, die für die Urlaubsgäste, deren Bedürfnisse und Exzesse Tag und Nacht schuften.
Der Schwede Tim Blanck arbeitet als Privatdetektiv auf Mallorca. Allerdings nicht, weil er sich in die Landschaft, den mallorquinischen Lebensstil oder die Spezialitäten der Insel verliebt hätte. Nein - er sucht nach seiner Tochter Emme, die vor drei Jahren während einer Urlaubsreise mit Freundinnen spurlos verschwand. Die Polizei hat den Fall schon lange abgeschlossen, doch Tim Blanck gibt nicht auf, nach seiner Tochter zu suchen. Dafür opfert er sogar seine Ehe. Emmes Mutter leidet zwar auch unter dem Verlust der Tochter, will aber die Vergangenheit hinter sich lassen.
Bei seinem neuen Auftrag soll Tim Blanck die vermutlich untreue Ehefrau eines deutschen Millionärs beschatten. Doch schon bald wird ihr Geliebter ermordet aufgefunden, die junge Frau verschwindet spurlos und der Millionär begeht im Gefängnis Selbstmord. Blanck ermittelt auf eigene Faust in den Kreisen der mallorquinischen High Society, zu der auch hochrangige Polizeivertreter gehören. Ausgerechnet hier stößt er auf eine Spur seiner Tochter.
Wer z.B. die Zack Herry-Reihe des Autorenduos Kallentoft und Luttemann kennt, weiß, dass seine Protagonisten zerrissene Figuren sind, immer an der Grenze der Legalität, am Rande des Abgrundes mit Alkohol, Drogen und Gewalt leben und sich eher außerhalb der Gesellschaft bewegen. Auch Tim Blanck ist solch eine ambivalente Persönlichkeit. Kallentofts Schreibstil ist geprägt von schnellen Schnitten und abrupten Wechseln zwischen Gegenwart und Vergangenheit und den Perspektiven verschiedenen Figuren. Die Handlung ist komplex, aber äußerst schlüssig konstruiert und hochspannend!

Bewertung vom 27.07.2020
Alter Hund, neue Tricks / Sean Duffy Bd.8 (eBook, ePUB)
McKinty, Adrian

Alter Hund, neue Tricks / Sean Duffy Bd.8 (eBook, ePUB)


sehr gut

Älter und ein bisschen weiser
Der ,,katholische Bulle" Sean Duffy ist älter, etwas ruhiger und ein Familienmensch geworden. 1992 geht es auch in den Straßen von Belfast etwas weniger turbulent und gewalttätig zu, viele IRA-Funktionäre befinden sich im Exil. Sean Duffy arbeitet als Teilzeitpolizist in Reserve nur noch 6 Tage im Monat beim Carrickfergus CID. Die übrige Zeit lebt er im nahen Schottland mit Frau und Kind. Doch als ein Landschaftsmaler bei einem Autodiebstahl zu Tode kommt, muss Duffy ein paar zusätzliche Tage Dienst tun, da sein Nachfolger Lawson im Urlaub ist. Mit seinem früheren Partner Crabbie, auch er inwischen Teilzeitreservist, macht sich Sean Duffy an die Ermittlungen. Und schon bald wird deutlich, dass der Autodiebstahl nur fingiert war, um einen Mord zu vertuschen. Der Landschaftsmaler führte offenbar eine Doppelexistenz. Immerhin hat er regelmäßig eine Telefonzelle in der Republik Irland angerufen und die Spuren führen zu IRA-Funktionären, die dort im Exil leben.
Sean Duffy, der zunächst nur widerwillig den Zusatzdienst übernimmt, findet doch wieder Gefallen am Außendienst. Und trotz seiner Gedanken an Frau und Kind begibt er sich - mal wieder auf eigene Faust - in Gefahr. Denn Duffy wäre nicht Duffy, wenn er nicht gegen alle Widerstände kämpfen würde. Heldenhaft und wunderbar selbstironisch will der ,,alte Hund", sich und anderen beweisen, dass er 's noch drauf hat. Dabei stolpert er allerdings auch über so manchen ,,neuen Trick" der jüngeren Generation. Als er dann noch auf den amerikanischen Geheimdienst stößt, wird es auch für Sean Duffy brenzlig.
Zu Beginn wirkt Sean Duffy resigniert und müde und es dauert auch etwas, bis die Spannung steigt. Doch dann zeigt sich, dass er zwar älter und etwas weiser, aber kein bisschen ruhiger geworden ist. Allerdings haben mir die Vorgängerbände mit dem Draufgänger Sean Duffy besser gefallen. Hier gerät der eigentliche Fall durch Duffys Gedankenspaziergänge bisweilen in den Hintergrund, teils sehr lange Dialoge mindern das Lesevergnügen.
Für mich ist ,,Alter Hund, neue Tricks" noch gute Krimiunterhaltung, allerdings schwächer als die Vorgänger.

Bewertung vom 21.07.2020
Kostbare Tage
Haruf, Kent

Kostbare Tage


ausgezeichnet

Kostbare Lektüre
,,Tja, das war's dann", sagt Dad Lewis nach seiner Krebsdiagnose zu seiner Frau Mary. Ihre Antwort lautet: ,,Ich möchte nicht, dass du schon gehst." So undramatisch, fast sachlich erzählt Kent Haruf vom letzten Sommer, den Dad Lewis in der fiktiven Kleinstadt Holt in der Nähe von Denver erlebt. Dabei lässt gerade die lakonische und sachliche Erzählweise dem Leser viel Raum für Emotionalität, die dadurch, dass sie nicht explizit ausgedrückt wird, umso eindringlicher wirkt.
Dad Lewis verlebt seine letzten Wochen und Tage mit seiner Frau Mary und der Tochter Lorraine, die zur Unterstützung ihrer Eltern nach Holt zurückkehrt. Dad Lewis sitzt auf der Terrasse, schaut auf die vertraute Landschaft, die Nachbarhäuser, bekommt Besuch von seinen Angestellten, den Nachbarn oder dem neuen Reverend, der mit seinen Ansichten keinen leichten Stand in der Gemeinde hat. Diese eigentlich alltäglichen Begegnungen bekommen eine besondere Bedeutung, da es vielleicht letzte Begegnungen sein werden. Auch diese Szenen werden unaufgeregt geschildert, Dad Lewis' Krankheit wird von allen, vor allem von ihm selbst, recht sachlich, aber knapp thematisiert. So bleibt ihm Zeit, noch offene Angelegenheiten zu klären. Lorraine und Mary fahren mit ihm noch einmal durch die kleine Stadt und besuchen Orte, die Dad Lewis noch einmal sehen möchte. So kann er Erinnerungen aufleben lassen und gleichzeitig Abschied nehmen. Sehr bewegend fand ich, wie liebevoll und vertraut die Familie und insbesonders auch die Eheleute miteinander umgehen. Allerdings beschäftigen Dad Lewis auch unangenehme Gedanken und Träume. Zu seinem Sohn Frank hat er nach einem bösen Streit seit Jahren keinen Kontakt mehr. Auch Marys Suche nach dem ,,verlorenen Sohn" verläuft erfolglos. Und so spricht Dad Lewis in den stillen Nachtstunden mit ihm und auch mit seinen verstorbenen Eltern.
Wie in den anderen Romanen von Kent Haruf gibt es Nebenfiguren und mit ihnen neue Geschichten. So zieht z.B. die kleine Alice im Nachbarhaus ein. Nach dem Tod ihrer Mutter lebt sie nun bei ihrer Großmutter. Ihre Jugend verleiht der teils doch sehr melancholischen Stimmung einen zarten Hoffnungsschimmer.
,,Kostbare Tage" ist keine leichte Lektüre, sondern ein berührender und vielschichtiger Roman über Liebe, Vertrauen und Lebensfreude, aber auch über Kummer, Abschied, Sterben und Fehler im Leben, die nicht immer wiedergutzumachen sind.