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FrauSchafski

Bewertungen

Insgesamt 131 Bewertungen
Bewertung vom 22.12.2018
Der Weg der Erinnerung / Menduria Bd.3
Mang, Ela

Der Weg der Erinnerung / Menduria Bd.3


gut

Ein Drama für die Unsterblichkeit

Es ist schon verrückt. Ich frage mich mit jedem weiteren Band der Menduria-Reihe, warum ich immer noch weiterlese. Ist doch das Grundthema jedes Mal dasselbe: Lina und Darian und der ewige Tanz des „Er liebt mich, er liebt mich nicht“. Aber irgendwas hat die Story, das mich jedes Mal wieder dranbleiben und im Anschluss den nächsten Band auf die Wunschliste setzen lässt.

Ich kann es mir nur so erklären, dass Ela Mang schon ein echtes Händchen dafür hat, phantastische Welten vor den Augen des Lesers hervorzuzaubern. Diese sind nicht nur sehr phantasievoll gestaltet, sie hat auch - trotz vieler altbekannter Wesen - neue Ideen, was sie mit ihren Figuren anstellt. Die meisten ihrer Charaktere sind liebenswürdig und witzig. Das gilt insbesondere für die Nebenfiguren, deren Schicksal mich häufig mehr interessiert als das von Lina und Darian. Die beiden sind ehrlich gesagt kaum auszuhalten - ebenso wie ihre platten Dialoge. Und was ist Darian ein toller Hengst, der beste Liebhaber aller Zeiten ... natürlich! Aber gut, das ist es, was die Mädchen da draußen zum seufzen bringt. Ich seufze da eher über so spannende Ideen wie den Schöpferfluch oder den Wächterturm Jandamer. Denn die Konstruktion dieser Welt ist es, was mich eigentlich interessiert, was mich dazu bringt weiterzulesen. Darum heißt es in absehbarer Zukunft: Auf zu Band vier, mal sehen, was für schwerwiegende Hindernisse der den beiden wieder in den Weg stellt.

Fazit: Ich bleibe dran, auch wenn das Rumgeeiere zwischen Lina und Darian kaum zu ertragen ist. Denn eins muss man Menduria lassen: Einmal drin, kommt man nur schwer wieder raus. Dafür gibt es dann eben doch drei solide Sterne.

Bewertung vom 20.12.2018
Die dreizehnte Geschichte (eBook, ePUB)
Setterfield, Diane

Die dreizehnte Geschichte (eBook, ePUB)


schlecht

Buchnerd trifft auf alte Schrulle

An diese SuB-Leiche habe ich mich im Rahmen der „SuB Challenge 2018“ begeben. Dort lag es mindestens zehn Jahre und war damals ein klassischer Cover-Kauf. Klar, welche Leseratte spricht ein Stapel Bücher auf dem Cover nicht an? Leider bin ich damit allerdings voll in die Marketing-Falle getappt, denn der Inhalt ist gähnend langweilig. Das Ende vom Lied ist nun, dass ich das Buch etwa 100 Seiten vor dem Ende abbreche. Ich habe mich sowieso die meiste Zeit gequält und kann mich nun überhaupt nicht mehr aufraffen, weil es mich schlicht und einfach nicht interessiert, wie dieses große Drama endet.

Die Story wurde gefühlt auf die ein oder andere Art schon tausendfach erzählt: Junge (in diesem Fall bibliophile) Außenseiterin trifft auf steinalte, reiche (möchtegern) Adlige, die absolut unausstehlich ist, sich aber dazu hinreißen lässt, der netten jungen Dame ihre gesamte Lebensgeschichte zu erzählen. Darin eingeschossen ist natürlich ein großes Geheimnis, welches es aufzudecken gibt. Gewürzt wird das Ganze mit (Achtung!) schockierenden Enthüllungen und unglaublichen Schicksalsschlägen (gähn). Für das Ende, das ich ja nicht gelesen habe, bieten sich meiner Meinung nach zwei Optionen an:
1. Die Alte liegt im Sterben und vermacht noch auf dem Sterbebett all ihren Reichtum sowie ihr Haus der kleinen Bibliophilen, damit sie als ihre offizielle Erbin zukünftig die schockierende Geschichte der Familie weiterschreibt.
2. Die naive Bibliophile verliebt sich hoffnungslos in einen plötzlich auftauchenden Verwandten/Gärtner/Hausmeister, die beiden beschließen zu heiraten und erhalten mit dem Segen der alten Schrulle auch gleich ihr gesamtes Erbe.

Fazit: Einer meiner großen Flops 2018. Nicht alles, was lange währt, wird dann doch noch gut. Nur ein Stern und ein gähnendes Kopfschütteln.

Bewertung vom 16.12.2018
Ich. Darf. Nicht. Schlafen.
Watson, S. J.

Ich. Darf. Nicht. Schlafen.


sehr gut

Augen zu - und weg bis du

Es ist schon eine gruselige Vorstellung, unter Gedächnisverlust zu leiden, aber noch eine viel schlimmere, überhaupt keine neuen Erinnerungen spreichern zu können. Immer wenn du einschläfst, ist alles weg, was du dir über den Tag erarbeitet hast.

Das ist die Grundlage der Erzählperspektive in diesem Thriller und ich fand es von Beginn an spannend, dem zu folgen. Denn die Story baut sich auch für den Leser Stück für Stück anhand der spärlichen Informationen auf, die Christine in ihrem Tagebuch aufzuschreiben beginnt, um auf diese Art wenigstens irgendeine Art Gedächtnis zu erhalten. Verständlicherweise ist sie verwirrt, verstört über ihren Zustand und klammert sich vergeblich an die Hoffnung, sich doch noch an irgendetwas zu erinnen. Doch zum Glück hat sie Ben, ihren Ehemann, der sich trotz des durch den Gedächnisverlust schwierigen Zusammenlebens um sie kümmert und eine tiefe Liebe zu ihr empfindet. Zumindest erweckt dies den Anschein, denn irgendwie verhält er sich merkwürdig, findet Christine, und entsprechend findet der Leser das auch. Kann sie ihm wirklich trauen? Hat Christine ihr Gedächtnis wirklich so verloren, wie es ihr erklärt wird?

Streckenweise war dieses Buch ein echter Pageturner. Die Tagebucheinträge sind sehr kurzweilig zu lesen, die Figur Christine sowie ihr Leiden authentisch und glaubhaft. Das einzige, was eben nicht glaubhaft ist, sind die spärlichen Erinnerungen, die Christine zusammenträgt. Schnell ist der Lesen ebenso wie sie an dem Punkt, dass die Zuverlässigkeit der Tagebuchaufzeichnungen in Frage gestellt wird. Kann man einem kranken Hirn noch glauben?

Fazit: Die Auflösung ist ein ziemlicher Knaller, wenn hier auch klassische Effekte den Showdown zum Einheitsbrei machen. Dafür gibt es von mir einen Stern Abzug, aber insgesamt ist das eine ordentliche Vorstellung. Ach ja, kleiner Tipp zum Schluss: Spart euch die Verfilmung, die ist nämlich Mist.

Bewertung vom 09.12.2018
Max
Orths, Markus

Max


ausgezeichnet

Max, Max, Max!

Kaum ein Buch hat mich in diesem Jahr so begeistert wie dieses. Da ich Kunstwissenschaft studiert habe und Surrealismus eines meiner Abschlussprüfungsthemen war, fühlte sich der Roman ein bisschen an wie Nachhausekommen - als würde ich überall auf alte Bekannte stoßen.

Diesen Effekt hätte ich wohl nicht so deutlich verspürt, wenn Markus Orths seine Figuren nicht so unglaublich realistisch und absolut authentisch gestaltet hätte. Und so verfällt der Leser nach und nach Max Ernst. Er kann sich seinem Charme, seiner Anziehungskraft ebenso wenig entziehen wie die Frauen, die ihm im Laufe der Zeit begegnen. Dabei ist Max beileibe kein Heiliger, sondern exzentrisch, stur, trägt wahnhafte Züge, die aber für seine Kunst unabdingbar sind. Als Leser ist man live dabei, wie er zusammen mit anderen Künstlern den Surrealismus gebiert und zu einem der wichtigsten Künstler in diesem Genre wird. Das passiert vor der Hintergrund einer Zeitgeschichte, die nichts anderes als zerstörerisch ist. Die Mechanismen, die zur Machtübernahme der NSDAP führten, sowie die Gräuel des 2. Weltkrieges lassen den Leser einmal mehr fassungslos den Kopf schütteln. Und genau deswegen ist dieser Roman auch so aktuell wichtig, weil er, ohne mit dem erhobenen Finger zu drohen, aufzeigt, dass vor nicht einmal einem Jahrhundert nahezu ganz Europa auf der Flucht war.

Zuletzt hat mich die Sprache tief beeindruck. Über große Strecken ist der Roman gut lesbar und doch gibt es immer wieder Stellen, die den Lesefluss aufbrechen und innehalten lassen. Dann strömen ungefilterte, wirr aneinander gereihte Gedanken des Künstlers und Surrealisten Max auf den Leser ein, die nur schwer zu verstehen oder gar nachvollziehen sind, dafür aber ganz wunderbar den Geist des Surrealismus literarisch transportieren.

Fazit: Ein großer Roman über einen großen Künstler. Wahrscheinlich muss man eine gewisse Affinität zu Kunst - insbesondere der modernen - haben, um einen Zugang zu finden. Aber wem dies gelingt, wer offen und neugierig ist, den erwartet hier ein großartiges Leseerlebnis. Nicht weniger als 5 Sterne und ein Platz in meiner persönlicher Bücher-Bestenliste.

Bewertung vom 02.12.2018
Die Falle
Raabe, Melanie

Die Falle


sehr gut

Kannst du dir selbst trauen?

Nachdem in diesem Jahr alle Welt über „Der Schatten“ von Melanie Raabe spricht, dachte ich mir, ich nehme mir erst einmal ihr Debüt vor. Denn ich finde es immer ungemein spannend, die Entwicklung eines Schreiberlings von Buch zu Buch zu verfolgen. Und das, was die Autorin in ihrem Erstling präsentiert, ist schon ziemlich gut.

Bestsellerautorin Linda Conrads lebt allein und zurückgezogen in einem abgelegenen alten Herrenhaus. Seit dem Mord an ihrer Schwester ist sie schwer traumatisiert und hat das Haus nicht mehr verlassen. Sie hat sich arrangiert mit dieser Art zu leben, ihre Ausflüge unternimmt sie im Kopf - lesend. Doch eines Tages glaubt sie, den Mörder ihrer Schwester im Fernsehen zu entdecken. Davon ist sie so felsenfest überzeugt, dass sie beschließt, ihn in eine Falle zu locken, um ihn endlich hinter Gitter zu bringen.

So sehr Linda auch sich selbst versichert, dass der Mann aus dem Fernsehen der Mörder ihrer Schwester ist, umso mehr beginnt sie nach und nach an ihrem Verstand zu zweifeln. Es geschehen merkwürdige Dinge, sie hört Geräusche, sieht Dinge, die eigentlich nicht da sein dürften. Und so wird ihre eigene Glaubwürdigkeit nach und nach auch in den Köpfen der Leser infrage gestellt. Unterstützt wird dieser Eindruck durch die dichte, unheilvolle Atmosphäre, die Melanie Raabe kreiert. Von diese Atmosphäre lebt das ganze Buch, sie kreiert Spannung und ein unbehagliches Gefühl. Das alles passiert völlig unterschwellig, ganz so wie es auch in den Kurzgeschichten und Romanen von Edgar Allan Poe oder Theodor Storm geschieht. Das mögen große Vergleiche sein, denen Melanie Raabe natürlich nicht gerecht wird, aber die Verwandtschaft ist deutlich spürbar.

Fazit: Endlich mal wieder ein Krimi, der ohne großes Tamtam und Blutvergießen auskommen, sondern allein aus der Stimmung heraus Spannung aufbaut. Die Protagonistin empfand ich stellenweise etwas blass und unglaubwürdig, aber darüber kann ich aufgrund des Gesamteindrucks hinwegsehen. Daher vergebe ich 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunden möchte und freue mich auf die weiteren Romane von Melanie Raabe. Ich hatte übrigens das Glück, sie bei einer Lesung aus „Der Schatten“ live zu erleben und bin sehr begeistert von ihrer authentischen Art - eine super sympathische Frau.

Bewertung vom 14.10.2018
Sommerfrauen, Winterfrauen
Kraus, Chris

Sommerfrauen, Winterfrauen


sehr gut

Vergangenheit trifft Zukunft im New York der 90er-Jahre

Eigentlich ist es Jonas’ Auftrag, in New York einen Sexfilm zu drehen. Klar, denn Sex sells. Und immerhin stammen die Produktionsgelder, mit denen er in den Big Apple geschickt wurde, von 3sat. Doch die Stadt scheint Jonas und sein Vorhaben erst einmal nicht mit offenen Armen empfangen zu wollen: In seinen ersten Stunden wird er fast ausgeraubt, seine Unterkunft befindet sich bei einem ehemaligen Mitglied der High Society, das mittlerweile jedoch in einer völlig vermüllten und verdreckten Messiwohnung lebt, und schließlich ist da noch seine Tante Paula, Überlebende der Holocausts, die Jonas mit der Nazi-Vergangenheit seines Großvaters konfrontiert. Klingt verrückt, denkt ihr jetzt? Genau das ist es auch ...

Was Chris Kraus’ Roman so lesenswert macht, sind seine skurrilen, allesamt auf ihre Weise beschädigten Figuren. Ein Teil ist vom ersten Moment an absolut liebenswert, während die andere Seite den Zugang zu ihnen eher sperrig und schwierig macht. Allen gemeinsam ist jedoch eine innere Unruhe, die sie zu Suchenden macht, Suchenden nach der persönlichen Erfüllung. In diese Riege reiht sich unsere Hauptfigur Jonas Lückenlos ein. Auch er ist ein Suchender, der aber noch nicht so richtig weiß, was er denn eigentlich sucht. Bis er die Sommerfrau Nele trifft und sich, ohne es zu ahnen, gemeinsam mit ihr auf die Entdeckungsreise nach eigenen Wünschen, aber auch eigenen Dämonen macht. So treffen Vergangenheit und Zukunft hier mitten im New York der 90er-Jahre aufeinander. Verpackt ist das Ganze in einer Sprache voller ungewöhnlicher, teils urkomischer Bilder. Als Leser wird man mehr als einmal aufgrund der Situationskomik und Jonas’ entwaffnenden, teil sarkastischen Kommentaren schmunzeln müssen.

Fazit: Das ist absolut lesenswerte, durchaus anspruchsvolle Literatur, deren vielschichtige Figuren nur bei genauem Hinsehen zu entschlüsseln sind. Chris Kraus schafft es, den Leser völlig in die Geschichte eintauchen zu lassen und ganz wunderbar zu unterhalten. Das macht großen Spaß und ist definitiv gute 4 Sterne wert.

Bewertung vom 30.09.2018
Der Dieb in der Nacht
Hartwell, Katharina

Der Dieb in der Nacht


sehr gut

Vexierspiel zwischen Verlust und Hoffnung

Wenn ein geliebter Mensch einfach verschwindet, ohne jeden Grund, ohne jeden Hinweis, ist das für die Hinterbliebenen eine Qual. Denn sie werden immer zwischen dem Verlust und der Hoffnung schwanken, dass die Person wieder auftaucht. Und so glaubt Paul zehn Jahre nach dem Verschwinden seines besten Freundes Felix, ihn in Prag wiedergefunden zu haben. Er ist so davon überzeugt, in Blixen, wie der Fremde heißt, Felix zuerkennen, dass er ihn bittet, nach Berlin zu kommen, in der Hoffnung, dass Blixen dort seine Erinnerung wiedererlangen wird.

Nun könnte man meinen, dass die weitere Handlung sich mit der Rückkehr Felix’ beschäftigt, aber so einfach macht die Autorin es uns nicht. Ganz im Gegenteil werden die Erzähler plötzlich unzuverlässig, es geschehen merkwürdige Dinge, man weiß nicht mehr so richtig wem man trauen kann und wem nicht. Hinzu kommt, dass die Autorin eine Atmosphäre kreiert, die jedem Gruselfilm gerecht würde, allerdings viel unterschwelliger. Den Leser beschleicht ein Unbehagen, obwohl er nicht genau greifen kann, woher es kommt. Fest steht nur, dass die Figuren dieses Unbehagen auch spüren können. Und das ist einer der Gründe, der den Roman von anderen unterscheiden und leise schillernd aus der Masse hervorhebt. Hinzu kommt, dass der Verlust und die Hoffnung der Protagonisten spürbar werden. Sie sind tongebend für die Gesamte Geschichte und schwingen in jedem Satz, jeder Handlung der Figuren mit. Schließlich endet dieses Buch still und leise, ein Schatten wie Nebelschwaden auf dem Wasser, was es in meinen Augen nicht weniger eindrucksvoll macht.

Fazit: Ungewöhnlich, atmosphärisch, etwas eigenwillig, so kann man den Roman gut zusammenfassen. Die Autorin hat einen tollen, poetisch angehauchten Schreibstil, der Suchtpotenzial entwickelt. Bei allem Lob ist da noch etwas Luft nach oben, weswegen ich „nur“ 4 Sterne vergebe. Aber ich freue mich schon auf weitere Bücher von Katharina Hartwell.

Bewertung vom 15.09.2018
Scheidung auf Chinesisch
Zhenyun, Liu

Scheidung auf Chinesisch


gut

Der Chinesische Verwaltungs-Wahnsinn

Dieses Buch zu bewerten ist wirklich schwierig. Denn ich bin mir sicher, dass da ganz viel Tiefgründigkeit und Gesellschaftskritik drin steckt. Das Problem ist nur: Der Autor schaffte es nicht, die Brücke zu der so fremd anmutenden Kultur zu schlagen, sodass die meisten Feinheiten dem Leser verschlossen bleiben.

Allein schon der Aufhänger ist irgendwie verrückt: Ein Ehepaar erwartet unverhofft ein zweites Kind, was sie durch die Ein-Kind-Politik jedoch vor echte Probleme stellt. Die einzige Lösung: die Scheidung, warten, bis das Kind da ist und erneut heiraten. (Allein das ist für westliche Verhältnisse völlig verrückt.) Doch kaum geschieden, schnappt sich der werdende Vater eine andere Frau und heiratet sie. Die so abgewiesene Li Xuelian sinnt auf Rache gegen ihren Ex-Ehemann, der sich nicht an die Absprache gehalten hat. Über Jahrzehnte kämpft sie sich mit ihrem Protest durch die chinesischen Verwaltungsebenen bis ganz nach oben. Ihre Beschwerde zermürbt und verbittert sie, auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen verbreitet sie dennoch Angst und Schrecken durch ihre Hartnäckigkeit. Denn hier ist das Beziehungs- und Abhängigkeitsgeflecht so stark und verästelt, dass jeder einzelne Mitarbeiter beginnt, um seinen Job zu bangen, wenn Li Xuelian auftaucht.

Für den Leser ist das vor allem eines: befremdlich. Es gelingt nicht, richtigen Zugang zu diesem verwirrenden Verwaltungsgeflecht und seinen Abhängigkeiten zu bekommen. Der Roman, der in seinem Land ganz sicher Aufsehen erregt, legt er doch (scheinbar) sehr treffend den Finger in die Wunde, ist für den westlichen Kulturkreis nicht zu erschließen.

Fazit: Auch wenn man der Story durchaus folgen kann und auf einer rein menschlichen Ebene Zugang zu Li Xuelian findet - in diesem Fall insbesondere über ein starkes Gefühl von Mitleid -, so bleibt der eigentliche Sinn dem Leser verschlossen. Es ist bedauerlich, aber ich kann nicht mehr als drei Sterne vergeben und selbst damit tue ich mich schon schwer.

Bewertung vom 09.09.2018
Micro
Preston, Richard;Crichton, Michael

Micro


gut

Hollywood-Blockbuster in Buchform

Ich beschwere mich ja häufig darüber, dass Klappentexte viel zu viel vom Handlungsverlauf verraten und das Lesevergnügen schmälern. Bei diesem letzten Buch des mittlerweile verstorbenen Autors Michael Crichton ist der Klappentext so gut umgesetzt, dass man zwar neugierig wird, aber eigentlich keine Ahnung hat, was hier auf einen zukommt. Und das war auch gut so. Denn andernfalls hätte ich den Tec-Thriller vielleicht nicht gelesen.

Das liegt einfach daran, dass die Idee, die der Autor aufgreift, nicht neu ist, in der ein oder anderen Form bereits x-fach umgesetzt wurde. Welche das genau ist, möchte ich an dieser Stelle aber nicht verraten, denn sonst würde ich genau das tun, was der Klappentext so gut vermeidet: spoilern. Es sei aber soviel gesagt: Ich habe das mehr als 500 Seiten starke Buch an nur einem Tag gelesen - und so etwas tue ich nicht oft. Aber es passte einfach alles. Klar hatte ich auch einen guten Tag erwischt, an dem keine Verpflichtungen auf mich warteten, dennoch braucht es schon einiges, um mich bei der Stange zu halten. Und genau das hat dieses Buch. Es ist spannend, aber auch brutal, hat fantastische technische Einfälle und vor allem ist es so bildlich detailliert beschrieben, dass ich jetzt noch immer die einzelnen Szenen im Kopf habe. Ganz so, als hätte ich einen Film gesehen und kein Buch gelesen. Genau das hat mich an der Schreibweise Crichtons schon immer fasziniert - Dino Park und der Folgeband gehören auch heute noch zu meinen absoluten Lieblingsbüchern.

Fazit: Wer Hollywood-Blockbuster in Buchform erleben möchte, ist bei Crichton genau richtig. Natürlich darf man hier keinen Tiefgang erwarten, dafür aber echtes, kurzweiliges Kopfkino zum mitfiebern, das immer wieder interessante technische Innovationen zum Thema hat. Ich vergebe zwar nur 3,5 Sterne, das beinhaltet für Fans aber dennoch eine unbedingte Leseempfehlung.

Bewertung vom 08.09.2018
Hades / Eden Archer & Frank Bennett Bd.1
Fox, Candice

Hades / Eden Archer & Frank Bennett Bd.1


gut

Sympathie for the Devil

Kennt ihr den Film „Léon - Der Profi“ mit Jean Reno und einer sehr jungen Natalie Portman? Mochtet ihr ihn? Falls ja wäre das der klassische Fall von „Wenn Ihnen dieser Film gefallen hat, dann gefällt Ihnen auch folgendes Buch ...“. Denn auch wenn es sich hier um gleich zwei Kinder handelt und Archer Hades kein Profikiller ist, so gibt es doch die ein oder andere Parallele. Und das liest sich sehr kurzweilig.

Kurzweilig vor allem deswegen, weil die Erzählperspektive ständig wechselt, von der Gegenwart in die Vergangenheit. So lernt der Leser einerseits Eric und Eden als Erwachsene kennen, die als Cops bei der Mordkommission arbeiten, aber eben auch Eric und Eden als Kinder und welches Schicksal sie zu denen gemacht hat, die sie sind. Die Erzähler betrachten die beiden jeweils aus einer Außensicht, auch wenn ihr persönliches Verhältnis unterschiedlich gefärbt ist. Archer Hades, der die Perspektive der Vergangenheit übernimmt, ist als Vaterfigur natürlich durchaus emotional beeinflusst. Auf der Gegenseite steht Frank Bennett, der als Edens neuer Partner bei der Mordkommission ein durchaus anderes Bild von den Geschwistern hat. Eden fasziniert ihn, zieht ihn regelrecht magisch an, während er Eric als unsympathischen Draufgänger erlebt. Das Schöne ist: Durch diese unterschiedlichen Erzähler bekommt der Leser ein nahezu identisches Verhältnis zu den Figuren, er schwankt zwischen Anziehung und Abstoßung. Und das muss auch so sein, denn das, was hier passiert, bietet durchaus Stoff für sehr kontroverse Diskussionen ...

Fazit: Prinzipiell ist das ne gute Sache, auch wenn ich gestehen muss, dass mir viele Einzelheiten der Story bereits jetzt entfallen sind. Das Ende hingegen habe ich noch gut als ziemlich überzogen und effekthascherisch in Erinnerung, was nicht so mein Ding ist. Darum vergebe ich nach vielem hin und her überlegen doch nur 3 Sterne, in der Hoffnung, dass sich die Folgebände noch steigern.