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Test-LR

Bewertungen

Insgesamt 166 Bewertungen
Bewertung vom 29.06.2023
Tödlicher Genuss / Die Hausboot-Detektei Bd.1
Achterop, Amy

Tödlicher Genuss / Die Hausboot-Detektei Bd.1


sehr gut

Der erste Fall für die Hausboot-Detektive

Cover:
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Das Titelbild finde ich sehr passend für einen Cosy Crime: Das Hausboot liegt gemütlich in einer Gracht vor der Kulisse mit Häusern im Amsterdamer Stil. Besonders das Eichhörnchen wirkt lustig und spielt im späteren Verlauf auch noch eine tragende Rolle.

Inhalt:
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Aus der Not heraus und weil er als Ex-Polizist trotzdem weiter für das Gute kämpfen will, gründet Arie Poepjes eine private Detektei. Firmensitz: Das Hausboot, auf dem er seit seiner Scheidung auch wohnt und das nach der indischen Glücksgöttin "Lakshmi" benannt ist. Mit an Bord alles außergewöhnliche Personen. Sie sind bereits aus den unterschiedlichsten Gründen mit dem Gesetz angeeckt, weil sie für das Gute kämpfen, nur nicht immer mit legalen Mitteln. Da ist einmal Maddie, die sich um ihre jüngere und geistig etwas zurückgebliebene Schwester Isa kümmert. Dann gibt es den Engländer Jack Addington, ein Gelegenheitsarbeiter, der gut tüfteln und handwerken kann. Jan van Dijk hieß früher Janine und war Beamtin bei der Stadtverwaltung, bis jemand auffliegen ließ, dass sie das Gesetz brach, damit Leute nicht abgeschoben werden. Jan hat seine Schriftstellerfreundin Elin Blomgren mitgebracht, die an Liebeskummer leidet und dringend Abwechslung gebrauchen kann. Und dann sind noch der Hund namens "Hund" und bald das Eichhörnchen "Fru Gunilla" als neues Maskottchen mit an Bord.
Nach einigen Anlaufschwierigkeiten erhalten sie durch Gabriel Petit, Chefkoch am Rande der Insolvenz, ihren ersten Auftrag: Sie sollen herausfinden, was seine Konkurrentin bei der Hochzeit eines reichen Gastgebers kochen will, damit er sie beim Wettbewerb um den Cateringauftrag besiegen kann. Der scheinbar einfache Fall entpuppt sich mehr und mehr als komplex und bald gibt es nicht nur Diebstähle und Intrigen, sondern auch Leichen zu beklagen. Werden Arie und sein Team den Fall lösen?

Mein Eindruck:
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Mir gefiel die chaotische Truppe um Arie sehr gut und ein Hausboot ist ein schöner und gleichzeitig ungewöhnlicher Ort für ein Detektivbüro. Anfangs vermisste ich die Spannung ein wenig, denn besonders im ersten Drittel wird viel Zeit darauf verwendet, die einzelnen Mitglieder des Detektivteams mit ihrer Vergangenheit zu beschreiben. Dennoch war es nicht langweilig, im Gegenteil. Die Charaktere sind außergewöhnlich und ihre Lebensgeschichte ist so amüsant und teils auch rührend beschrieben, dass ich trotzdem immer weiter lesen musste. Abgesehen davon spielt ein Teil dieser Beschreibungen für die Auflösung eine wichtige Rolle. Der niederländische Flair wird sowohl durch ausführliche Beschreibung der Lokalitäten als auch das Einstreuen niederländischer Ausdrücke vermittelt. Ich fühlte mich dadurch zeitweise wie im Urlaub.
Der Fall scheint zunächst simple, entwickelt aber mit der Zeit ein komplexes Eigenleben. Der Leser wird bis zum Schluss im Unklaren gelassen, wer wen wie ausgetrickst und/oder ermordet hat und das Ende finde ich raffiniert gelöst. Da der Auftrag in der Gastronomie angesiedelt ist, erfährt man auch sehr viel über exotische Delikatessen und unbekanntere Gemüsesorten. Besonders gelungen fand ich den Eigenhumor der Autorin, sich selbst in gewisser Weise mit in die Handlung einzubauen und dabei einige Seitenhiebe auf das Literaturgenre Krimi zu verteilen.
Auch das Beziehungsgeflecht der Mitglieder untereinander und damit ihre Persönlichkeiten entwickeln sich im Romanverlauf weiter. Besonders zwischen Maddie und Jack knistert es, ohne dass es kitschig wird.
Mir ist die Hausboot-Detektei sehr ans Herz gewachsen und der Fall wurde gegen Ende richtig spannend und clever gelöst. Ich freue mich auf die angekündigten weiteren Fälle!

Fazit:
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Kulinarischer Cosy Crime in Amsterdam mit einer außergewöhnlichen und sympathischen Ermittlertruppe

Bewertung vom 24.06.2023
Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)
Farr, David

Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)


ausgezeichnet

Was wäre wenn ...

Gestaltung:
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Das Titelbild lädt schon zum Träumen ein, in wunderschönen, kräftigen Farben. Die Kinder laufen mitten im Buch und es scheint etwas Magisches davon auszugehen. Auch im Inneren sind kleinere, wunderschöne Schwarz-Weiß-Illustrationen enthalten. Sehr ansprechend und toll gestaltet!

Inhalt:
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Die 12-jährige Rachel und ihr zwei Jahre älterer Bruder Robert wachsen in Krasnia auf, einem Land, das von dem Kinderhasssenden Tyrannen Charles Malstain regiert wird, nachdem er den Kaiser gestürzt hat. Er hat Krasnia vollständig unter seiner Kontrolle. Alle Dinge, die Spaß machen, wie bspw. Spielen und Aufenthalt im Freien oder Lachen, sind nicht erlaubt. Auch die meisten Bücher sind verboten und der Zugang zu Bibliotheken stark eingeschränkt. Besonders fantasiereiche Bücher sollen auf einmal vernichtet werden, u. a. "Das Buch der gestohlenen Träume". Rachels Vater Felix ist Bibliothekar und muss dies verhindern. Leider wird er beim Diebstahl geschnappt und so obliegt es Rachel und Robert, das Buch in Sicherheit zu bringen und sich nicht von Charles Malstain und seinem Gefolge fangen zu lassen. Denn der Diktator hat seine eigenen, egoistischen Gründe, das Buch in seine Hände zu bekommen.

Mein Eindruck:
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"Die Buchseiten waren weich und vergilbt. Neunundvierzig Träume standen darauf, geschrieben in Altkrasnisch. Für jeden Traum gab es eine eigene Seite, genau wie ihr Vater gesagt hatte. Und jede Seite war ganz wunderbar illustriert. Die Farben der Tinte leuchteten – blauer Himmel, goldenes Licht, strahlend rote Blumen, grünes Gras. Und Vögel. Überall Vögel. Aber was hatte das alles zu bedeuten?" (S. 63)

Bereits in der Einleitung, in der Rachel bei ihrer Reise in ein anderes Land auf einen geheimnisvollen Mann trifft, hat mich das Buch in seinen Bann gezogen. Dann gibt es einen Zeitsprung, bei dem der Leser erfährt, wie das Leben von ihr und Robert bis zu diesem Moment verlaufen ist.
Hier werden viele Themen miteinander verwoben. Beim Lesen über den Diktator und seine Anordnungen hatte ich oft das Gefühl, dass der Autor hier auf die Zeit um den zweiten Weltkrieg herum anspielt. Auch Sachen wie Ausgangssperre, Nachrichtenverbot, Untergrund-Widerstandsgruppen sowie Verhaftungen von Personen, deren Meinung dem Regenten schaden könnten, ließen mich daran denken. Neben diesen realistischen und erschreckenden Themen spielt David Farr aber auch mit der Frage, was wäre, wenn wir unsterblich wären, die Grenze zwischen Tod und Leben überwinden könnten?
Und was wäre, wenn eine Tyrannei ewig dauern würde, weil der Tyrann nicht zu stoppen ist? Das sind viele interessante Fragen, die hier spannend in eine actionreiche Geschichte verwoben werden. Rachel und Robert wissen nie, wem sie vertrauen können, und dennoch finden sie schließlich Unterstützter bei ihrem Vorhaben und schaffen es immer wieder, den Geheimdienst von Krasnia auszutricksen.
Obwohl ich altersmäßig längst nicht mehr zur Zielgruppe gehöre, habe ich das Buch in wenigen Stunden verschlungen und blieb am Ende gerührt und nachdenklich zurück.

Fazit:
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Facettenreiches, spannendes und actionreiches Fantasie-Jugendbuch, das fesselt und einen nachdenklich zurücklässt

Bewertung vom 20.06.2023
Die spürst du nicht
Glattauer, Daniel

Die spürst du nicht


ausgezeichnet

Was ist das Leben eines Menschen wert?

Gestaltung:
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Der Swimmingpool und die dunkelhäutigen Beine im Hintergrund mit dem einen Fuß fast im Wasser, deuten das Unglück an, das der Anstoß für den weiteren Verlauf des Romans ist. Einerseits Urlaubsfeeling, andererseits mit dem Titel in Kombination sehr unheilverkündend. Als Hardcover ist das Buch wertig verarbeitet, es fehlt nur noch ein Lesebändchen. Sehr gelungen!

Inhalt:
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Zwei Familien, die schon lange miteinander befreundet sind, machen gemeinsam Urlaub in der Toskana. Zum einen Engelbert und Melanie Binder mit dem 9-jährigen Sohn Benjamin. Zum anderen Oskar und Elisa Strobl-Marinek mit ihrer 9-jährigen Tochter Lotte und der 14-jährigen Sophie Luise und deren neuer Freundin Aayana, die aus einer somalischen Flüchtlingsfamilie stammt. Sie soll in den Ferien schwimmen lernen. Doch bereits am ersten Tag ereignet sich ein Unglück, das nicht nur die dunkelsten Seiten der Familien, sondern auch unserer Gesellschaft zum Vorschein bringt und nach dem für keinen der Beteiligten das Leben wie zuvor sein wird.

Mein Eindruck:
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"Das Großartige am Wesen der Wahrheit ist freilich, dass sie so facettenreich ist, dass sie von so vielen Seiten angesehen werden kann und sich jedes Mal ein klitzekleines Stückchen verändert. Die Wahrheit ist ein Chamäleon, sie wechselt ihre Farbe mit dem Blickwinkel des Betrachters." (S. 71)

Bisher hatte ich von Daniel Glattauer viel gehört, aber noch nichts von ihm gelesen. Besonders angesprochen fühlte ich mich von Beginn an durch den allwissenden Ich-Erzähler, der das Geschehen mit teils sarkastischen Kommentaren dem Leser nahe bringt. Im Handlungsverlauf erzählt er die Geschichte aus wechselnden Perspektiven, sowohl aus Sicht der Beteiligten als auch aus Sicht von Medien und Social-Media. Dabei hält er dem Leser als Teil der Gesellschaft unentwegt einen Spiegel vor, in den man nicht immer gerne hineinblickt.
Die Tatsache, wie ein solches Unglück politisiert und von vielen aufgegriffen wird, um ihre Meinung kundzutun, wie sich Dinge verselbstständigen und besonders das Thema Flüchtlinge und ihre Migration hochgepuscht wird, ist leider sehr erschreckend, weil sehr realistisch wiedergegeben. Auch die scheinbare Freundschaft der Familien wird dadurch zerklüftet und man merkt, wie oberflächlich viele Beziehungen heutzutage doch sind.
Mich hat das Buch von Anfang an in seinen Sog gezogen, und obwohl ich bereits eine Ahnung hatte, wer sich hinter Sophie Luises Internetbekanntschaft verbirgt, war ich voller Spannung, welches Ende die beiden erwartet. Am Schluss des Romans gibt es noch einen überraschenden Twist. Die Geschichte hat mich sehr berührt und sehr nachdenklich zurückgelassen.

Fazit:
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Ein packender gesellschaftskritischer Roman über Migranten, das Rechtssystem, soziale Beziehungen und (Social) Media

Bewertung vom 19.06.2023
Pilgern. Die Seele mit auf Reisen nehmen
Butenuth, Peter

Pilgern. Die Seele mit auf Reisen nehmen


ausgezeichnet

Mehr als ein Pilgerratgeber

Gestaltung:
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Das Titelbild ist sehr ansprechend, auf den ersten Blick deutet es auf einen Wanderratgeber hin. Durch die Muschel sieht man jedoch gleich, dass es um den Jacobsweg geht.
Zu Beginn befindet sich im Klappenbrochur eine Karte mit den wichtigsten Caminos als übersichtlichen Ersteinstieg ins Thema.
Im Innenteil sind die Seitenzahlen alle mit einer Muschel umrandet, die Überschriften sind in einem schönen Dunkelblau geschrieben und zwischen allen Kapiteln sind immer wieder Fotos vom Jacobsweg und passende Zitate zu finden. Optisch sehr übersichtlich und ansprechend!

Mein Eindruck:
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Ich war noch nie Pilgern, aber bin auf verschiedenen Reisen immer wieder auf die Muschelwegweiser des Jacobswegs gestoßen und fragte mich, was es damit auf sich hat. Mich hat das Buch direkt angesprochen, weil es kein trockener Reiseratgeber ist, sondern der Autor aus eigener Erfahrung den Leser direkt an die Hand nimmt.
Er berichtet von seinem ersten Pilgerweg, etwas über die Historie des Pilgern, räumt Vorurteile aus, dass man sich sehr lange Zeit fürs Pilgern nehmen müsste (das geht auch an einem Tag in Deutschland), streut immer wieder Gespräche mit anderen Pilgern ein und geht auch auf die praktischen Dinge (z. B. Routenplanung und Gepäck) ein, um sich aufs Pilgern vorzubereiten.
Ich fühlte mich direkt mitgenommen, war überrascht, wie viele Möglichkeiten es gibt zu pilgern und wusste auch nicht, dass man den Jacobsweg bereits in Deutschland begehen kann. Aktuell werde ich wahrscheinlich nicht pilgern, aber die Erfahrungsberichte haben mich inspiriert und ich konnte einiges zum Nachdenken für mich mitnehmen.
Besonders wertvoll empfand ich die Achtsamkeitsübungen in dem Buch. Diese sind zwar als Vorbereitung auf eine Pilgerreise oder für den Pilgerweg gedacht, aber viele können einem auch im Alltag weiterhelfen.

"Ich erlebe immer wieder, dass Menschen genau wie ich bei ihrem ersten Camino als Wanderer starten, dann aber als Pilger zurückkehren. Am Anfang überwiegen noch die große Sehnsucht, einfach loszulassen und loszulaufen, und der Wunsch nach einem Abenteuer. Und dann entdeckst du unterwegs die Spiritualität des Weges und die Spiritualität in dir." (S. 100)

Auch wenn Pilgern dem christlichen Glauben entsprungen ist, so ist dieses Buch auch für jeden interessant, der wieder mehr zu sich selbst finden will.
Für alle, die konkret eine Pilgerreise planen, gibt es im letzten Teil als Vorbereitungshilfe eine Reihe von weiterführenden Literaturtipps, Internet- und Social Media-Quellen. Ein Stichwortregister am Ende ist sehr hilfreich, um bestimmte Themen und Übungen gezielt im Buch wiederzufinden.

"Für mich ist Pilgern eine Therapie, so etwas wie eine reinigende Dusche für die Seele ..." (S. 187): Das kann ich über dieses Buch auch sagen!

Fazit:
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Ein praktischer und inspirierender Ratgeber über Pilgern mit alltagstauglichen Übungen zur Achtsamkeit

Bewertung vom 19.06.2023
Alma und Zina
Walser, Doris

Alma und Zina


sehr gut

Alma, Oswald und auch Zina

Gestaltung:
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Das Titelbild ist wunderbar historisch gestaltet, der obere Teil zeigt die Landschaft um Herisau, der untere einen Markttag in dieser Stadt. Als Hardcover ist das Buch sehr wertig verarbeitet.

Inhalt:
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Die Geschichte beginnt 1965 mit einem Besuch der namenlosen Ich-Erzählerin bei Zina, Oswalds zweiter Frau, als diese um die 60 Jahre alt ist. Das ca. 14-jährige Mädchen fühlt sich dort wohl. Sie entdeckt alte Fotografien und nachdem sie Zinas Stiefsohn und dessen Sohn kennengelernt hat, möchte sie von Zina die ganze Geschichte hören. Am letzten Abend bei Zina erzählt ihr diese alles über Oswalds erste Frau Alma und den Verlauf ihrer Ehe.

Mein Eindruck:
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Vom Klappentext her erwartete ich eine Geschichte, in der es vorwiegend um die beiden Frauen Alma und Zina und deren toxischer Beziehung zu dem narzisstisch veranlagten Oswald geht.
Daher gestaltete sich der Einstieg für mich etwas schwierig, denn etwa im ersten Drittel des Buches wird sehr viel auf die Umgebung von Zina und das Aufwachsen von Alma eingegangen. Das ist historisch betrachtet interessant. Man erfährt viel vom Leben in der Schweiz, vor allem im Glarnerland Anfang des 20. Jahrhunderts. Die Kapitel sind stets mit einem passenden Titel und dem Jahr versehen, sodass man sich gut zurechtfindet. Die Abschnitte sind kurz und unterhaltsam geschrieben. So fliegt man durch das Buch und fiebert mit Spannung auf die erste Begegnung mit Oswald hin. Als Alma dann Oswald kennenlernt, zeigt er erst nach der Hochzeit sein wahres Gesicht. Ab da hatte mich das Buch endgültig gefesselt und ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen.
Die toxische Beziehung mit einem Narzissten kommt hier sehr deutlich heraus. Alma hat im Prinzip noch Glück und ist ein starker Charakter, der viel Unterstützung durch Familie und Freunde bekommt. Dennoch schafft es Oswald, ihr Glück zu zerstören.
Ich habe leider eine ausführlichere Behandlung der Beziehung zwischen Zina und Oswald vermisst. Dies wird nur am Rande behandelt, der Schwerpunkt liegt eher auf Alma. Das ist nicht tragisch, aber Titel und Beschreibung sind hier m. E. etwas irreführend.
Dennoch kann ich das Buch sehr empfehlen für alle, die sich für das Alltagsleben in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts interessieren und insbesondere, wie damals schon Frauen unter narzisstischen Männern gelitten haben, aber auch ihre Mittel hatten, sich dagegen zu wehren.
Die Autorin schafft es, ein realistisches Bild zu vermitteln, den Leser zu fesseln und gleichzeitig durch Einbinden lokal wichtiger Personen die Erzählung authentisch wirken zu lassen.
Am Ende des Buches sind die wichtigsten schweizerischen Begriffe im Glossar erläutert und die Quellen der Autorin für weitere Recherche gelistet. Wünschenswert wäre noch ein Stammbaum gewesen, um durch die umfassenden Familienverflechtungen besser durchzublicken.

Fazit:
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Ein fesselnder historischer Roman über Narzissmus in der Ehe, starke Frauen und ein Leben in der Schweiz zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Bewertung vom 17.06.2023
30 Tage Dunkelheit
Madsen, Jenny Lund

30 Tage Dunkelheit


gut

Wenn Krimi zu Realität wird

Cover:
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Das Titelbild mit den Nordlichtern gefiel mir direkt und die Atmosphäre passt zum Setting sehr gut: auf den ersten Blick schön, aber auch geheimnisvoll und düster.

Inhalt:
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Die Romane der fünfundvierzigjährigen dänische Schriftstellerin Hannah Krause-Bendix gehören eher zum gehobenen Literaturgenre. Sprache ist ihr sehr wichtig, aber leider erreicht sie damit kein größeres Publikum. Ihr scheint das egal zu sein, ihrem Verleger dagegen nicht. Auf einer Buchmesse gerät Hannah in einen Streit mit dem ihr verhassten, weil populären Krimi-Autor Jørn Jensen. Sie lässt sich auf eine Wette ein, nachdem sie behauptet hat, dass jeder einen Krimi schreiben könne. In 1 Monat soll sie einen Krimi schreiben. Um sie in Stimmung zu bringen, bucht ihr Verleger ihr einen Flug nach Island: 30 Tage Dunkelheit stehen ihr dort bevor. Doch kaum angekommen, wird der Neffe von Hannahs Gastgeberin tot aufgefunden. Schnell kommt Hannah dahinter, dass es Mord gewesen sein könnte. Ab da beginnt sie zu ermitteln und ihre fiktive Krimihandlung und der reale Mordfall ziehen sie in Ereignisse hinein, die ihr bald gefährlich werden.

Mein Eindruck:
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"Hannah ist Bastians einzige literarische Autorin, die anderen »Autoren«, die er betreut, schreiben Kochbücher, Krimis, Schundromane – all diesen Mist, den die Leute kaufen, weil er leicht verdaulich und ungefährlich ist. Da gibt es Antworten, gute Menschen und böse Menschen, Probleme, die alle gelöst werden. In Hannahs Romanen gibt es keine Antworten, nicht einmal Fragen. Wenn man sie liest, muss man eigenständig denken. Sich vertiefen. Fühlen. Und das können dann eben doch die Wenigsten."

Den Anfang fand ich sehr amüsant. Die Seitenhiebe, die hier auf "anspruchsvolle" Literatur", aber auch auf das "banale" Krimigenre eingestreut werden, hatten einen gewissen Humor und ließen mich schmunzeln. In diesem Punkt war mir Hannah auch sehr sympathisch: Sie ist leicht verbittert, ihren Mitmenschen nicht positiv zugetan, eher eine Einzelgängerin. Ihre zynischen Gedanken gefielen mir zu Beginn sehr gut. Aber leider fand ich sie im Verlauf der Handlung auch zunehmend nervig. Zwar wandelt sich ihr Charakter im Laufe des Buches, aber die Wandlung empfand ich nur als bedingt authentisch und die Zuneigung, die sie zu anderen Charakteren entwickelt, teilweise etwas weit hergeholt. Die Tatsache, dass sie gerne raucht und eine Alkoholikerin ist, hat für mich nicht zu ihrer Sympathie beigetragen. Sie blieb mir fremd und ich konnte mich emotional nicht in sie einfühlen.
Der Fall selber ist sehr spannend gestaltet, es gibt wechselnde Verdächtige, weitere ungeklärte Vorfälle und ein Geheimnis um Ella, Hannah Gastgeberin, das sich erst gegen Ende auflöst. Bis es zur Auflösung kommt, sind einige Zufälle notwendig und vor Ort gibt es nur einen Polizisten (Viktor), der mit der Ermittlung überfordert scheint, sonst hätte Hannah keine Chance mitzumischen. Zu allem Überfluss ist Viktors Frau auch noch die neue heimliche Geliebte von Hannah, was das Ganze zusätzlich verworren macht.
Die Auflösung ist überraschend und passt in gewisser Weise auch, es gibt keine Ungereimtheiten. Insgesamt wirkt das Motiv und die Schlusshandlung des Täters jedoch stark konstruiert und nicht ganz glaubwürdig. Die Schlussszene ist für meinen Geschmack etwas zu kitschig.
Dennoch ein interessanter Krimi, bei dem mir vor allem die Seitenhiebe auf die Literaturgenre gefielen und das isländische Setting, das durch isländische Ausdrücke der Einheimischen noch authentischer wirkte.

Fazit:
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Sarkastisch mit schönem Setting in Island und einer nicht immer sympathischen Ermittlerin-spannend, aber etwas zu stark konstruiert

Bewertung vom 07.06.2023
Keine gute Geschichte
Roy, Lisa

Keine gute Geschichte


gut

Keine gute Geschichte?

Gestaltung:
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Das Cover mit den farbigen Titel- und Autorenangaben auf grauem Hintergrund wirkt eher schlicht. Und vielleicht hat es mich genau deswegen angesprochen. Frei interpretiert könnten damit die guten, farbigen Momente in Arielles Leben gemeint sein, die vor dem grauen Alltag des Ruhrgebiets positiv in den Vordergrund treten.
Als Hardcover ist das Buch sehr wertig verarbeitet und besonders schön ist, dass es ein Lesebändchen gibt.

Inhalt:
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Arielle Freytag hat ihre Kindheit und Jugend im Essener Stadtteil Katernberg verbracht. Vater unbekannt, vermutlich mit Migrationshintergrund. Die Mutter, sehr fürsorglich, verschwand plötzlich, als Arielle sechs Jahre alt war. Aufgezogen wurde sie danach von ihrer Großmutter, die eigentlich Heidrun heißt, sich aber von allen nur Varuna nennen lässt.
Um ihrer inneren und auch der Leere im Ruhrpott zu entgehen, ist Arielle weggezogen und hat sich in der Werbebranche hochgearbeitet.
Nun kehrt sie zurück, weil Varuna gestürzt ist und eine Bekannte sie anrief, damit ihre Großmutter nicht alleine ist für eine Weile. Im Stadtteil werden 2 Mädchen vermisst, eine davon die Tochter ihrer ehemaligen Schulkameradin. Arielle wird nun schmerzlich mit ihrer Vergangenheit konfrontiert und mit der Frage, was mit ihrer Mutter wirklich geschah.

Mein Eindruck:
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"Ein Tritt in die Magengrube, als ich den Block sah. So gut wie nichts hat sich verändert. Das Senfgelb ist jetzt dreckige Eierschale, ansonsten alles wie früher. Diese Siedlung ist beständig in ihrer Beschissenheit - wie ein kleines afrikanisches Land, das nach Millionenzuschüssen noch genauso arm, korrupt und undemokratisch ist wie vorher."
(S. 17)

Ich stehe diesem Roman etwas zwiegespalten gegenüber. Die Geschichte hat mich gepackt und durch das Rätsel um die verschwundenen Mädchen sowie um Arielles Mutter war für mich eine hintergründige Spannung gegeben, sodass ich das Buch fast in einem Zug durchlesen musste.
Die Handlung ist durchweg aus Arielles Sicht geschrieben, sie erzählt alles in Gedanken ihrer verschwundenen Mutter. Ich konnte mich teilweise in die Protagonistin reinversetzen. Sie hatte es nicht leicht mit ihrer Großmutter, die sie eher mit großer emotionaler Distanz großzog. Durch das Verschwinden blieb eine innere Leere und das führte zu Depression, Alkoholsucht und scheinbar auch zu einer Essstörung. Deswegen war sie vor ihrer Rückkehr ins Ruhrgebiet auch länger zur Behandlung in einer Klinik. Offenbar zunächst mit wenig Erfolg. Sie fühlt sich anfangs als etwas Besseres ihrer alten Umgebung und den Bekannten gegenüber. Denn sie hat es geschafft, ist schlank und erfolgreich und weggezogen. Außerdem macht sie gleich den Vater eines der verschwundenen Mädchen sexuell an. Das fand ich offen gesagt ziemlich verstörend.
Später sagt sie selbst: "Seit einer Weile schon war Sex irgendwie nicht mehr sexy, mehr so was, was ich aus Gewohnheit oder fürs Selbstbild machte." (S. 50)

Doch langsam bröckelt ihre Fassade und je näher sie der Wahrheit um ihre Mutter kommt, desto mehr öffnet sie sich und findet Frieden in sich und Freunde. Mir gefielen zeitweise der etwas böse Humor und die Treffsicherheit, mit der Arielle ihre Welt wahrnimmt.
Doch ihr Verhalten machte sie auch manchmal unsympathisch und über allem schwebte dauerhaft eine düstere, melancholische Stimmung. Zudem gibt es lange Passagen über die Welt der Werbung und insbesondere Social Media. Das fand ich überflüssig und langweilig, sodass ich diese Abschnitte nur quergelesen habe.

Am Ende werden die Rätsel um die Mädchen und die Mutter gelöst, allerdings konnte mich vor allem die Auflösung um die Mutter nicht vollends überzeugen: "Wenn das hier ein Krimi und nicht mein Leben wäre, würde ich über dich und dein Verschwinden als Puzzle nachdenken. Ich habe ein paar Teile, ein paar sind für immer verloren, aber irgendwo muss es auch noch welche geben, und wenn ich die fände, wäre vielleicht genug vom Puzzle zusammen, um das Bild zu erkennen, auch wenn es ein unvollständiges bleibt." (S. 226)

Fazit:
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Vergangenheitsbewältigung und Selbstfindung im Ruhrgebiet: melancholisch, verstörend, mit teils schwarzem Humor und Spannung

Bewertung vom 01.06.2023
Das Spiel - Desert Rogue
Hense, Julia

Das Spiel - Desert Rogue


ausgezeichnet

Mörderische Drohnenspiele

Cover:
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Das Cover mit dem Game-Controller in blutroten Umrissen auf schwarzen Hintergrund trifft gut die Handlung: Ein Spiel, das nüchtern vor dem Monitor gespielt wird, doch in Wahrheit Leben auslöscht und im wahrsten Sinne mörderisch ist.

Inhalt:
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Tim Richter ist ein erfolgreicher Spieleprogrammierer des Spiels "Desert Rogue", in dem man Drohnen steuert und den Auftrag bekommt, diese auf bestimmte Ziele zu lenken, um sie zu zerstören. Eines Morgens erfährt er, dass sein bester Freund und Mitbewohner Navid Nazari tot ist. Angeblich war er ein Terrorist, der sich selbst in die Luft gesprengt hat.
Tim kann dies nicht glauben und durch eine Mail, die Navid ihm kurz vor seinem Tod geschickt hat, bekommt er eine Ahnung, dass dieser militärischen Geheimnissen auf der Spur war und offenbar "Desert Rogue" eine zentrale Rolle dabei spielt. Doch wie dies alles zusammenhängt und wem er vertrauen kann, das ist die große Frage. Schon bald ist er auf der Flucht vor allem und jedem. An seiner Seite eine ehemalige Geheimagentin, der Navid zuvor ebenfalls Informationen gesendet hat. Werden sie das Geheimnis lüften oder wird man sie auch eliminieren?

Mein Eindruck:
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Mir gefiel besonders der Anfang. Die Autorin schafft es, die Atmosphäre der Berliner Großstadt sehr gut einzufangen. Auch die Arbeitsumfelder von Tim und Navid werden sehr authentisch beschrieben. Man erfährt beim Lesen auch sehr viele Hintergründe aus der Informatik, z. B. wie man Informationen in Bild-Dateien versteckt und Hintergründe über diverse Nachverfolgungs- und Verschlüsselungsmechanismen.
Anfangs ist es nicht so eindeutig, wer welche Rolle innehat. Dass das Spiel dazu dient, reale Personen umzubringen, ohne dass die Spieler davon eine Kenntnis erlangen, die Ahnung hatte ich relativ schnell. Mich wunderte es, mit welcher Naivität Tim an das alles rangeht und mich nervte anfangs, dass er ein paar Anläufe und wiederholte Erklärungen benötigte, bis er den Ernst der Lage erkannt hat.
Das Szenario ist erschreckend realitätsnah, da ich beruflich aus dem IT-Sicherheitsumfeld komme, kann ich sagen, dass die Erklärungen zu den IT-Themen authentisch sind und gut erklärt werden für Laien.
Der Spannungsbogen wurde jedoch des Öfteren für mich unterbrochen, die wiederholten Erklärungen und manche Begriffstutzigkeit von Tim hätte man sich sparen und die Handlung an einigen Stellen etwas mehr straffen können. Die Protagonisten blieben für mich eher oberflächlich, da konnte ich nicht wirklich mitfiebern. Ich fand vor allem das IT-Thema spannend.
Ich wurde gut unterhalten und das Thema Drohnenangriffe verpackt in ein Spiel wurde authentisch umgesetzt. Eine Fortsetzung werde ich wegen des Cliffhangers am Ende lesen.

Fazit:
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Ein aufschlussreicher Krimi mit einem aktuellen Thema aus der Militär- und IT-Spielewelt. Spannung und Charaktere: noch Luft nach oben!

Bewertung vom 01.06.2023
Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3
Schwiecker, Florian;Tsokos, Michael

Die letzte Lügnerin / Eberhardt & Jarmer ermitteln Bd.3


ausgezeichnet

Intrigantes Baugewerbe

Inhalt:
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Strafverteidiger Rocco Eberhardt bekommt einen Anruf eines Bekannten aus dem Landeskriminalamt. Offenbar ist Roccos Vater zusammen mit dem amtierenden Bausenator Möller in einen Skandal verwickelt. Und das, obwohl er und sein Vater gerade zueinandergefunden haben. Als dann bei seinem Bekannten, dem Gerichtsmediziner Jarmer der Kopf einer unbekannten Leiche auf dem Seziertisch landet, Möller in Verdacht gerät, einen heimlichen Zeugen des Skandals ermordet zu haben, fängt Rocco an zu ermitteln. Jarmer und Tobi, der Privatdetektiv ist, unterstützen ihn dabei. Sie geraten in ein Katz und Maus-Spiel, bei dem lange unklar ist, wer der Gewinner sein wird und welche Rolle Roccos Vater eigentlich hat.

Mein Eindruck:
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Dies ist der dritte Band um Rocco Eberhardt, war aber mein erster. Dennoch konnte ich der Handlung gut folgen, denn die wesentlichen Fakten aus Roccos Vergangenheit werden ausreichend erläutert.
Rocco als Strafverteidiger ist mir von Anfang an sehr sympathisch, er ist etwas stur und steht sich selbst im Weg, besonders mit Beziehungen tut er sich etwas schwer. Aber er hat sein Herz auf dem (ge)rechten Fleck und ist ein cleverer Ermittler und Rechtsanwalt. Den Rechtsmediziner Jarmer mochte ich sehr genauso wie Tobias Baumann, ehemaliger Kriminalbeamter, der nun Privatdetektiv ist und mit Roccos Schwester liiert. Zusammen sind sie ein gutes Ermittlerteam und man erfährt nebenher einige Informationen aus der Gerichtsmedizin. Aber auch die Themen IT-Forensik, Rechtswesen und Korruption im Immobilienwesen spielen eine große Rolle. Die Fakten werden hier passend und verständlich in die Handlung eingewoben.
Die Geschichte springt in der Zeit des Öfteren vor und zurück, ist aber so gut konstruiert und die Kapitelüberschriften enthalten die entsprechenden Zeit- und Ortsangaben, dass es einen roten Faden ergibt. Mich konnte der Roman von Anfang an fesseln, ich habe das Buch in einem Rutsch durchgelesen. Die Auflösung war nicht vorhersehbar, doch schlüssig und überzeugend.
Ich werde definitiv die Vorgängerbände nachholen und hoffe, dass es noch mehr Fälle für Rocco und seine Freunde gibt!

Fazit:
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Fesselnder Justizkrimi über Korruption im Immobiliengewerbe mit tollem Ermittlerteam, bei dem man nebenbei noch einiges lernt

Bewertung vom 24.05.2023
Tod in Siebenbürgen / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.1
Werrelmann, Lioba

Tod in Siebenbürgen / Paul Schwartzmüller ermittelt Bd.1


gut

Cosy Crime in Rumänien

Cover:
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Das Titelbild hat mich sofort angelockt. Die Landschaft wirkt traumhaft und gleichzeitig geheimnisvoll. Das hat mich neugierig gemacht.

Inhalt:
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Der Journalist Paul Schwartzmüller ist ein Siebenbürgen Sachse, der mit 14 Jahren unter geheimnisvollen Umständen von Rumänien nach Deutschland ausgewandert ist. Zurückgelassen hat er Freunde und Bekannte und vor allem seine Tante Zinzi. Bei ihr hatte er glückliche Sommerurlaube verbracht. Kurz nach der Auswanderung ist diese laut Pauls Vater gestorben. Doch nun erhält er einen Brief von einer Anwaltskanzlei. Sie starb erst kürzlich und hat ihm ihren Hof vererbt. Warum wurde er angelogen von seinem Vater? Obwohl er kurz vor einer Beförderung in der Zeitungsredaktion steht, fliegt er kurzerhand in die alte Heimat, um sich selbst ein Bild zu machen.
Dort angekommen, trifft er auf dem Hof nicht nur die unheimliche Maia, sondern auch Sorin, seinen Freund aus Kindertagen. Dieser verdient sein Geld mit Führungen auf Schloss Bran, der Sage nach hat dort Dracula sein Unwesen getrieben.
Gerade eben hat Sorin spaßeshalber noch einen Besucher in die eiserne Jungfrau gesetzt, als dieser am nächsten Morgen tot in derselben liegt. Daneben findet man den blutverschmierten Sorin, der sich an nichts erinnern kann. Sorin wird wegen Mordverdacht verhaftet und bittet Paul nach dem wahren Mörder zu suchen. Schon bald findet Paul sich in einem Wirrwarr von alten Traditionen, verschlossenen Dorfbewohnern und seinem eigenen Gefühlschaos wieder.

Mein Eindruck:
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Der Einstieg war sehr vielversprechend. Der Mord erfolgt relativ früh und Maia gibt von Beginn an Rätsel auf.
Doch der weitere Verlauf ist zunächst etwas schleppend. Paul kommt mit seinen Recherchen nicht so wirklich voran. Er merkt selber, dass ihn irgendetwas hindert. Außerdem schlafwandelt er, hat seltsame Träume und seine Gedanken kreisen gefühlt die meiste Zeit entweder ums Essen, Alkohol, Frauen oder die eigene Vergangenheit.
Ich bin etwas hin und her gerissen, wie ich diesen Krimi bewerten soll.
Gut gefallen hat mir der rumänische Flair, es werden viele Ausdrücke auf Rumänisch mit Übersetzung verwendet, das machte für mich den Krimi authentisch. Zudem lernt man viel über die Geschichte Rumäniens und vor allem über die Siebenbürgen Sachsen, ihre Lebensweise, ihr Essen und ihre Traditionen. Aber auch die aktuellen Probleme im Land werden thematisiert.
Der Kriminalfall kam jedoch sehr langsam in Schwung, Paul selbst trug zur Auflösung nicht viel bei, er hatte viel Hilfe durch ein Mädchen, dessen Monologe in die Handlung eingestreut werden und zunächst für leichte Spannungsmomente sorgen. Aber ihre Identität wird ab der Hälfte des Buches aufgeklärt und ihre Recherchearbeit lässt Paul als erfahrenen Journalist eher dumm aussehen.
Die Auflösung überraschte mich, konnte mich jedoch nicht wirklich überzeugen. Und über allem hing eine gruselige Atmosphäre. Wobei diese gegen Ende auch überzogen wirkte. Wenn man zu oft schreibt "Und wieder die kalte Hand", ohne dass was Nennenswertes passiert, nutzt es sich ab und nervt. Die Autorin wollte hier zu viel auf einmal: Familiengeheimnis, rumänische Geschichte und Traditionen, leichte Romanze und ein Kriminalfall. Sie hätte sich lieber mehr auf den Krimi fokussieren sollen. Paul konnte mich als Ermittler nicht überzeugen. Ich bin unschlüssig, ob ich eine Fortsetzung lesen werde.

Fazit:
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Tolles Ambiente, viel Historie und Traditionen von Rumänien, aber weder Kriminalfall noch Ermittler konnten mich ganz überzeugen