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Leserin

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Insgesamt 171 Bewertungen
Bewertung vom 08.04.2020
Die stummen Wächter von Lockwood Manor
Healey, Jane

Die stummen Wächter von Lockwood Manor


sehr gut

„[…] Unter ihren dunklen Augen lagen müde Ringe, die das leichte Puder, das sie verwendete, kaum verdeckte, ihre Wangen waren mit Sommersprossen übersät, ihr Kinn war eckig und ihr roter Lippenstift makellos aufgetragen. Sie gehörte zu jenen schönen Frauen, die jeder Makel noch schöner macht – eine kleine Narbe an ihrem Kinn, das linke Ohr bog sich um eine Winzigkeit weiter nach außen als das rechte –, und aus irgendeinem Grund überraschte es mich, ausgerechnet jemanden wie sie in dieser gesetzten Umgebung anzutreffen, aber da man ja nie wusste, wem man an welchem Tag zum ersten Mal begegnet, verstand ich nicht recht, weshalb sie mich derart aus dem Konzept brachte...“



Im Jahr 1939 muss die dreißigjährige Kuratorin Hetty Cartwright eine Sammlung des Londoner Natural History Museum retten. Der Zweite Weltkrieg wirft seinen Schatten voraus. Die Exponate werden in ein verfallenes Herrenhaus gebracht, nach Lockwood Manor. (Es muss nicht immer die „Kinderlandverschickung“ sein, wenn Geschichten aus den 1940er Jahren erzählt werden!). Dort führt ein Witwer ein eisernes Regiment. Mit Lord Lockwood ist nicht zu spaßen; besonders seine sensible Tochter Lucy leidet unter seiner Tyrannei. Auf Lockwood Manor ticken die Uhren anders als in der modernen britischen Metropole, wie Hetty verblüfft feststellen muss.

Als die ausgestopften Tiere scheinbar nachts umherwandern und sogar zerstört werden, steht fest – es gibt Geheimnisse, die es zu ergründen gilt…

Jane Healeys Debutroman steht in der Tradition des englischen Schauerromans, außerdem präsentiert Healey eine Geschichte mit feministischem Unterton. Hetty und Lucy könnten unterschiedlicher nicht sein – die eine ist eine resolute Person, die sich in einer Männerdomäne durchsetzen muss, die andere eine überaus ängstliche junge Frau; die Gegensätzlichkeit der Figuren fand ich spannend. Überhaupt muss man sagen, dass die Figuren für das Geschehen wichtiger sind als der plot, einen Roman, in welchem die Handlung dominiert, sollte man also nicht erwarten. Die Grundidee von „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ gefiel mir sehr gut, der Anfang war spannend und das Ende einigermaßen überraschend. Obwohl es Längen und Wiederholungen in der Erzählung gab, habe ich die Lektüre nicht bereut, da ich in eine längst vergangene Zeit „abtauchen“ konnte.



Fazit:

Ich – Erzählerinnen führen durch das Geschehen, der bildhafte Stil der Autorin gefiel mir sehr gut. „Die stummen Wächter von Lockwood Manor“ hat mich trotz kleiner Schwächen gut unterhalten!

Bewertung vom 25.10.2019
Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9
Buchholz, Simone

Hotel Cartagena / Chas Riley Bd.9


ausgezeichnet

"Hotel Cartagena“ ist der neunte Band aus der Krimireihe rund um die Staatsanwältin Chas Riley. Kolumbien vs. Norddeutschland, es gibt zwei Handlungsstränge, und doch findet der Showdown wieder im guten alten Hamburg statt. Buchholz‘ Romane sind sowieso eine Liebeserklärung an die Hansestadt.
Henning Garbarek ist ein Junge aus ärmlichen Verhältnissen, der in den achtziger Jahren sein Glück in Kolumbien sucht. Narcos, Breaking Bad, Miami Vice, Stirb langsam, La Casa de Papel (ich frage mich, ob die jüngeren Leser die Anspielungen auf popkulturelle Phänomene der Eighties im Roman überhaupt verstehen?). Es kommt, wie es kommen muss, der Hamburger mischt im aufkommenden Drogengeschäft mit und stellt für die Kolumbianer die „Brücke“ nach Europa her. Doch dies geht nicht lange gut.
Jahre später sinnt Garbarek auf Rache, und es trifft ausgerechnet Riley und Co, als ihr Ersatzvater und Mentor „Faller“ seinen 65. Geburtstag in einem Nobelhotel feiert.
Buchholz‘ Krimireihe ist „richtige“ Literatur für mich, denn ich „reibe“ mich am Inhalt, ich ärgere und ich freue mich über das Geschriebene. Die kurzen, knappen Kapitel finde ich spitze, ebenso die Sprache, die lakonisch und fast schnodderig ist. Manchmal muss ich auch an angloamerikanische Literaten (Frauen eingeschlossen) denken, denn wie Buchholz schreibt in Deutschland niemand. Stream of Consciousness, innere Monologe – das kann die Autorin gut, das Gedankenkarussell von Chastity Riley hat mich wieder mit dem Krimi versöhnt (ich glaube aber nicht, dass Reihenneulinge verstehen werden, dass Carla vergewaltigt wurde).
Den Anfang von „Hotel Cartagena“ fand ich recht zäh, und Buchholz muss aufpassen, dass ihre Figuren nicht zu Karikaturen und Comicfiguren werden, weil sie alle so saucool sind, wie es im wahren Leben wenige Leute sind. Viele männliche Figuren sind der Staatsanwältin mit Bindungsphobie regelrecht verfallen, weniger wäre da mehr, es hat fast schon etwas von Bella Swan in „Twilight“. Auch habe ich mich zunächst über etwas geärgert, das zunächst wie Salonkommunismus wirkt: Da werden Frauen geliebt, die „die Faust recken“, die gut situierte Riley ärgert sich über den „Kapitalismus“.
Im Verlauf des Romans wird aber eine profunde Sozialkritik mit Hand und Fuß entwickelt. Damit kann ich leben, und ich finde es wichtig, dass Literatur nicht nur schöngeistig ist. Nach einer etwas zähen Exposition nimmt die Erzählung dann richtig Fahrt auf, es kommt zum großen Showdown, die Bilder und Metaphern sind großartig, „zwei (…)Erzengel“ bewachen während einer Geiselnahme die halluzinierende (Blutvergiftung!) Chastity, die sich auch in dieser Ausnahmesituation nicht unbedingt keusch verhält. Damit komme ich zu einem weiteren Kritikpunkt. Natürlich sind Polizisten geschult in Sachen Extremfälle, aber dass quasi niemand während der Geiselnahme in Panik geriet, auch Rocco & Carla & Klatsche nicht, fand ich unglaubwürdig. Das Ende des Romans war aber wieder großes Kino: Riley auf den Spuren ihrer Vorfahren in Schottland.

Fazit:
Diversität ist in der Krimireihe rund um die Halbamerikanerin Riley kein bloßes Schlagwort. Multikulturalismus ist etwas Selbstverständliches, so selbstverständlich, dass er nicht an die große Glocke gehängt wird und daher nie forciert wirkt. Stil und Sprache – große Kunst. Es ist nicht einfach, in wenigen Worten Dinge auf den Punkt zu bringen. Obwohl ich mich zu Beginn der Lektüre zum Weiterlesen zwingen musste, konnte ich den Krimi bald nicht mehr beiseitelegen. Trotz aller Kritikpunkte vergebe ich für „Hotel Cartagena“ daher die volle Punktzahl, und ich freue mich jetzt schon auf den nächsten Fall!

Bewertung vom 20.10.2018
Mein schwarzes Herz / Victorian Rebels Bd.1
Byrne, Kerrigan

Mein schwarzes Herz / Victorian Rebels Bd.1


gut

„Victorian Rebels – Mein schwarzes Herz“ ist der Auftakt zu einer Reihe von historischen Liebesromanen.

Das Genre mag ich eigentlich ganz gern, Ähnliches kennt man von Sylvia Day oder Diana Gabaldon.
An diesem Roman hat mich vor allem die Einbettung ins historische England bzw. Schottland fasziniert.

Worum geht’s ?

- Im Waisenhaus versprechen sich Dougan und Farah, einander immer zu lieben. Sie „heiraten“. Die Schilderung dieser Heirat ist voller Pathos.

Als Erwachsene treffen sich die beiden wieder, aber ihre Leben hätten nicht unterschiedlicher verlaufen können –Farah ist inzwischen als Sekretärin bei Scotland Yard in London angestellt, während aus dem Jungen ein grimmiger Mann geworden ist, ein wahrer Schurke. Er entführt Sarah sogar nach Schottland und behauptet, es sei nur zu ihrem Besten …


Eigentlich bietet die Erzählung alles, was ein unterhaltsamer Liebesroman haben muss: ein tolles setting, große Gefühle, Lust und Leidenschaft, geheimnisvolle Figuren und Gefahr!
Die Figuren hätten für meinen Geschmack aber etwas „runder“ sein dürfen, und für mich war auch die Geschichte nicht unvorhersehbar. Der Stil der Autorin war für mich teilweise auch etwas zu melodramatisch; außerdem hätte die Erzählung stellenweise eine Straffung gut vertragen können .
Beim Lesen musste ich manchmal an Emily Brontes „Wuthering Heights“ denken, wobei „Victorian Rebels – mein schwarzes Herz“ nicht ganz so geschliffen erzählt wird.


Fazit:

Bei „Victorian Rebels – mein schwarzes
Herz“ handelt es sich um einen Debutroman, was die kleinen stilistischen Schwächen erklären könnte.
Die Ausarbeitung der tollen Grundidee hätte für meinen Geschmack etwas eleganter sein dürfen. Gut gefallen hat mir aber das setting und die Tatsache, dass es sich um einen historischen Roman (1874) handelt.

Meine Erwartungen wurden leider nicht ganz erfüllt, daher vergebe ich für „Victorian Rebels – mein schwarzes Herz“ von Kerrigan Byrne drei von insgesamt fünf möglichen Sternen. Ich bin gespannt auf die Folgebände.

Bewertung vom 17.10.2018
Ein Herz voll dunkler Schatten / Victorian Rebels Bd.2
Byrne, Kerrigan

Ein Herz voll dunkler Schatten / Victorian Rebels Bd.2


gut

Der Auftaktband der Reihe „Victorian Rebels“ konnte mich leider nicht ganz überzeugen. Daher wollte ich diesen Folgeband unbedingt lesen. Den zweiten Teil der Reihe fand ich insgesamt spannender, und der Protagonist Christoper Argent konnte gleich zu Beginn mein Interesse wecken.
Worum geht’s ?
Genretechnisch handelt es sich hier um einen Roman, der der Historical Romance Sparte zugeordnet werden kann, was man auch an der Nackenbeißer – Ästhetik der englischen Originalbände sehr schön sehen kann. Im Prinzip gefiel mir die Einbettung ins historische London gut, aber die Autorin machte Dinge, die mich während der Lektüre schnell wieder ins 21. Jahrhundert katapultierten, leider. So hat etwa die Schauspielerin Millie eine „Stylistin“, dieser Terminus ist für die beschriebene Zeit sicher zu modern.
Millie le Cour ist eine polnischstämmige Schauspielerin, die vom Auftragskiller Argent ermordet werden soll. Als er die schöne Mimin erblickt, kann er sie jedoch nicht töten, da er sich auf den ersten Blick in die junge Mutter verguckt. Das ungleiche Paar verliebt sich ineinander, und Christopher tut alles, um den Sohn seiner Angebeteten zu beschützen. Doch die Morde in London hören nicht auf, wer trachtet Millie und ihrem Sohn Jakub nach dem Leben ?

Die Autorin hat wirklich gute Ideen, es gibt neben der Liebesgeschichte auch noch eine Krimihandlung und das Theater – setting ist ein zusätzliches Bonbon. Leider musste ich, obwohl ich durchweg bereit war, der Autorin noch eine Chance zu geben, feststellen, dass sie einfach sehr schnell an ihre erzählerischen Grenzen stößt. Die Figuren sind nicht gut genug ausgearbeitet, aus ihrem Stoff hätte Byrne viel mehr machen können. Tortured hero, wunderschöne, resolute Aktrice. Vor allem Christopher hätte mit mehr Tiefe richtig spannend sein können, leider verhält er sich unlogisch, wobei mir schon klar ist, dass die Autorin versucht hat, eine Entwicklung der Figur zu zeigen, aber es gelingt ihr aufgrund ihrer mangelnden Fähigkeiten nicht, eine glaubwürdige Transformation zu zeigen. Sie trägt einfach immer zu dick auf, immer, wenn ich den Hauch von Rührung verspürte, artete alles in Kitsch aus. Byrne findet leider nicht das richtige Maß, es fallen Sätze voller Pathos und die Schriftstellerin tut sich schwer damit, auf den Punkt zu kommen. Argent ist der Angestellte von Dorian Blackwell, einem Gangsterboss von dem es heißt: „Blackwell verehrte allein die Hand seiner Frau mit mehr Inbrunst als ein Fanatiker seinen Gott.“
Paradoxerweise ist die story aber sehr spannend, ich wollte immer wissen, wie die Geschichte endet, und den kleinen plot twist am Ende fand ich nicht einmal schlecht, und ich musste auch einmal schmunzeln. Es gibt nicht viele Liebesszenen in der Erzählung, dafür aber Details, die mir ausgelutscht oder unnötig erschienen, etwa einen distinguierten Butler und einen nekrophilen (!) hitman, der mit Argent konkurriert.


Fazit:

Schade ! Aus dem großartigen Stoff hätte Kerrigan Byrne viel mehr machen können. Leider stößt sie erzähltechnisch schnell an ihre Grenzen.

Bewertung vom 12.09.2017
Tausend kleine Lügen
Moriarty, Liane

Tausend kleine Lügen


ausgezeichnet

„Tausend kleine Lügen“ von Liane Moriarty hat mich super unterhalten. Ein hintergründiger Roman, mit einem tollen plot und fein gezeichneten Figuren. Die Handlung ist temporeich und es mangelt nicht an Wendungen. Handwerklich also top gemacht. Stil und Sprache konnten mich also überzeugen.

Doch wovon handelt die Geschichte?

- Jane ist ein Neuzugang im pittoresken Küstenstädtchen Pirriwee, Australien. Im Schlepptau: Ihr Sohn Ziggy. Eigentlich tut Jane alles, um endlich die Schatten der Vergangenheit hinter sich zu lassen.

- Pirriwee scheint eine gute Wahl gewesen zu sein, denn Jane gelingt es, sich zu integrieren, und sie findet in Madeline und Celeste neue Freundinnen. Doch das Idyll trügt: Bei einem Schulfest kommt ein Mann zu Tode, und nicht alle glauben, dass es wirklich ein Unfall war.

- Nichts ist, wie es scheint. Ränkespiele,
Unwahrheiten und dunkle Geheimnisse legen sich wie Schatten auf das Leben der Freundinnen. Janes Sohn Ziggy wird bezichtigt, andere Schüler zu triezen, und damit nimmt das Drama seinen Lauf…

Moriarty präsentiert mit „Tausend kleine Lügen“ einen Roman, der das Absurde im Alltäglichen porträtiert. Die Autorin arbeitet mit Übertreibungen und Überspitzungen, blickt hinter die gutbürgerliche Fassade ihrer Figuren. Abgründe tun sich auf, das Leben in der Küstenstadt hat auch seine Schattenseiten. Das Ganze regte mich zum Nachdenken an, aber es war zum Glück nie deprimierend. Vielleicht ist der Roman auch ein Kommentar zum Zeitgeist. Auf den ersten Blick wirken die Protagonistinnen wie Typen, aber es verbirgt sich mehr hinter der Fassade. Madeline nimmt kein Blatt vor den Mund, sie tritt für ihre Überzeugungen ein. Celeste ist wunderschön, sie hat sich einen scheinbar tollen Mann geangelt. Viele in der Stadt beneiden sie heimlich. Die alleinerziehende Jane ist zurückhaltend und ruhig.
Die drei Frauen sind ganz unterschiedlich.

Schlachtfeld Kleinstadt: Moriarty hat ihren Roman klug geplottet und sie konnte mich mit ihrer story fesseln.
Schwarzhumorig, böse und vor allem überraschend: Das ist „Tausend kleine Lügen“.
Kein Wunder, dass der amerikanische Sender HBO bereits eine Serienfassung produziert hat, mit Nicole Kidman, Reese Witherspoon und Shailene Woodley in den Hauptrollen.

Die literarische Vorlage ist einfach zu gut!

Bewertung vom 28.03.2017
Der Club
Würger, Takis

Der Club


ausgezeichnet

Das Hörbuch zum Roman „Der Club“ hat mich richtig begeistert.
Für die gelungene Hörbuchfassung vom „Club“ vergebe ich volle 5 Sterne, für die eigentliche Geschichte jedoch nur 4 – 4, 5 Sterne.

Takis Würger ist mit seinem Debut auf Nummer Sicher gegangen. Vielleser werden bekannte Topoi entdecken. Coming of Age mit einem Schuß Krimi plus britischem Upper-Class-Universitätssetting. Mit dem Erzähl-Element „Elite-Universität“ kann man eigentlich nicht viel falsch machen. Die Autorin Donna Tartt landete mit ihrer „Geheimen Geschichte“, in welcher der nicht besonders wohlhabende Student Richard in einen elitären Altphilologenzirkel (man könnte auch von einem Club sprechen) an einer Ivy League Uni eingeführt wird, um dann Zeuge eines Verbrechens zu werden, schon vor Jahren einen Bestseller. Das unschuldige Waisenkind, welches zu Höherem berufen ist, kennt man schon seit Charles Dickens und John Irving, Würger kann sich also auf bewährte Konzepte aus der Literaturgeschichte stützen.
Wirklich originell ist , dass er seine Geschichte mit dem Boxsport „unterfüttert“ und der story eine eigene Facette hinzufügt.
„Der Club“ ist im Wesentlichen ein Bildungsroman. Hans ist ein Wunschkind seiner Eltern. Nachdem es der Mutter gelang, dem Tod von der Schippe zu springen, stirbt sie auf tragische Weise, ebenso wie Hans‘ Vater. Das Kind, welches von seinem Umfeld schikaniert und von seinen Eltern behütet worden war, kommt trotz des Vorhandenseins einer Tante ins Internat. Das Boxen hilft dem Jungen, sich zu behaupten. Doch Hans bleibt ein stiller, feinsinniger, ungeliebter Außenseiter.
Nach seinem Abitur beschafft ihm seine Tante Alex, die in Cambridge Dozentin für Kunstgeschichte ist, einen Studienplatz ebenda. Hans soll für sie ein Verbrechen in einemClub aufklären, natürlich inkognito. In Cambridge findet Hans endlich Anschluß und eine feste Beziehung. Das Boxen ist seine Eintrittskarte in eine neue Welt und es eröffnet ihm den Zugang zu einem besonders elitären Zirkel. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt…

Die Geschiche hat einige Stärken, aber auch Schwächen. Der Stil ist sehr flüssig. Leider gibt es im Text so manche Binsenweisheit wie „Ich lernte, dass der Mensch ein Raubtier ist.“ Stellenweise wird auch etwas dick aufgetragen, am Ende. Den Abschluß der Geschichte fand ich nicht ganz zufriedenstellend.
Manche Figuren bleiben leider blass und oberflächlich.
Hans ist mir als Protagonist zu perfekt. Am besten ausgearbeitet und am Interessantesten ist ausgerechnet eine Figur namens Josh.
Hans‘schöne Freundin ist sein soulmate.
Der Kriminalfall an sich ist recht vorhersehbar, aber Würger gelingt es ausgezeichnet, zu zeigen, wie perfide das Verbrechen ist und wie es die Leben der Opfer zerstört. Diesen Teil der Geschichte erzählt er besonders einfühlsam.
Fazit: Würger erfindet das Rad nicht neu. Trotzdem ist die Hörfassung super.

Bewertung vom 01.03.2017
Noble Gesellschaft
Weng, Joan

Noble Gesellschaft


sehr gut

Berlin 1925:

Der Schauspieler Carl von Bäumer, der „als schönster Mann der UFA“ in den 1920er Jahren gilt, trifft im Jahr 1925 in Berlin bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung einen alten Bekannten namens Max von Volkmann, der ihm brühwarm den neuesten Klatsch erzählt – ein Dienstmädchen ist verschwunden. Tags darauf ist Volkmann tot – Selbstmord! Carl kann das nicht glauben und ermittelt auf eigene Faust, obwohl doch eigentlich sein Freund Paul Genzer Ermittler und Kommissar ist …


„Noble Gesellschaft“ ist der zweite Band der v. Bäumer/Genzer Reihe. Der Roman gefällt mir viel besser als der Auftaktband „Feine Leute“, der mich leider nicht überzeugen konnte.
Ich finde es originell und klasse, dass die Autorin ein homosexuelles Ermittlerpaar ins Rennen schickt.
Romane aus der Zeit der Goldenen Zwanziger lese ich unheimlich gerne, und auch Filme und Serien, die den damaligen Zeitgeist einfangen, begeistern mich, vor allem die US-Serie „Boardwalk Empire“, die vom Aufstieg und Fall des Stadtkämmerers & Schmugglers von Atlantic City, Enoch „Nucky“ Thompson erzählt, oder die australische Krimiserie „Miss Fishers mysteriöse Mordfälle“.
Wengs Reihe ist also so etwas wie ein must- read für mich. In „Noble Gesellschaft“ gibt es im Vergleich zu „Feine Leute“ einige Verbesserungen – Paul und Carl sind harmonischer, es gibt wenig Nähe zum klischeehaft schwulen Paar.
Der Roman ist auch interessanter als der erste Teil.Vor allem das Personenverzeichnis am Anfang liess mich schmunzeln. Auch optisch ist die schwarz-weisse Aufmachung viel gelungener als bei Band 1. Aber ich finde, dass der Verlag beim Marketing einen Fehler gemacht hat, da der Roman explizit als Krimi beworben wird – dann baut sich beim Leser eine gewisse Erwartungshaltung auf, man erwartet plot twists, atemlose Spannung und fieberhafte Ermittlungen. Allerdings ist der Krimianteil eher gering, denn die Ermittlungsarbeit nimmt relativ wenig Raum ein; oft ist es der Zufall, der Hobbydetektiv Carl, der hauptberuflich einen richtigen Ermittler namens „Comte Lejuste“ spielt, auf die Sprünge hilft. Meines Erachtens ist es ein Gesellschaftsroman mit feinem Humor und Krimianteil. Ich würde das Werk als klassisches Whodunit und cozy crime einordnen.
Ganz toll fand ich, wie beiläufig die Autorin ihr geballtes Fachwissen in die Erzählung eingeflochten hat, und wie man mithilfe kleinster Details etwas über die Goldenen Zwanziger und die Weimarer Republik lernen kann. Der kulturgeschichtliche Aspekt des Romans ist top, und vor allem hat die Autorin sauber und historisch korrekt gearbeitet. Sehr richtig erwähnt sie den „Unzuchtparagraphen“ 175, der Homosexualität unter Strafe stellte, aber ich wunderte mich,dass der Kommissar Genzer (immerhin im Staatsdienst), nicht mehr Angst vor der Enttarnung hatte, andererseits transportiert die Autorin auch ganz wunderbar die 1925 herrschenden Moralvorstellungen im Berlin der Weimarer Republik.
Im Vergleich zu Band eins entwickeln sich die Figuren nur ein wenig weiter, was ich schade fand. Ich wünsche mir mehr Figurentiefe im nächsten Band.
Der Anfang und das Ende gefielen mir am besten an „noble Gesellschaft“. Die Sprache, obschon (wohl) historisch korrekt, war mir manchmal fast zu mündlich und salopp (z.B. „nicht so meins“). Aber es gab auch viel feinen Humor und so viele tolle Kleinigkeiten, von denen jede einzelne ein eigenes Buch füllen könnte. Und das ist Fluch und Segen zugleich bei „Noble Gesellschaft“.



Fazit:



"Noble Gesellschaft" hat mir besser als Teil 1 gefallen und Teil 3 rund um Genzer/v. Bäumer wuerde ich auf jeden Fall lesen.

Bewertung vom 27.01.2017
Alleine bist du nie
Mackintosh, Clare

Alleine bist du nie


sehr gut

Über die Autorin:

12 Jahre lang war die Autorin Polizistin in Großbritannien. Um Beruf und Familienleben besser koordinieren zu können, schulte sie zur Journalistin um. Ihre Artikel erschienen unter anderem im Guardian. Ihr Erstling „Meine Seele so kalt“ wurde in fünfundzwanzig Sprachen übersetzt. Mehr als eine halbe Million Briten kauften das Buch. Clare Mackintosh lebt und arbeitet in den Cotswolds.



Zum Inhalt:



Die Protagonistin Zoe Walker führt eigentlich ein ziemlich langweiliges Leben in einem Vorort von London. Sie ist geschieden, ihr Job ist öde und sie ist Mutter von zwei Kindern. Durchschnitt eben. Doch eines Tages kommt Bewegung in ihr gleichförmiges Leben. Leider nicht auf gute Art:

In der U-Bahn entdeckt sie ein Foto von sich, als sie nach Hause fährt. Daneben prangt eine Telefonnummer, die Zoe gänzlich unbekannt ist. Was soll das? Handelt es sich bloß um eine Verwechslung, oder steckt womöglich mehr dahinter? Zoe beschleicht ein ungutes Gefühl!

Doch noch kann sie die ganze Dimension des Vorfalls nicht ermessen, sie weiß nicht, dass sie vielleicht alles verlieren wird, was ihr lieb und teuer ist. Die abstrakte Gefahr wird plötzlich real und die Ereignisse spitzen sich zu…



Meine Meinung:



Die Grundthematik des Romans gefiel mir gut, denn sie ist total am Puls der Zeit – Social Media und die Gefahren, denen man als Nutzer ausgesetzt ist. Nicht nur Gutes und Vernetzung. Kontakt mit weit entfernten Freunden und Familie, sondern auch die Kehrseite der Medaille – cybermobbing, Attacken, Straftaten bis hin zur Bedrohung von Leib und Leben. Stil und Sprache der Autorin lassen sich einfach und flüssig lesen. Leider hätte ich mir aber eine etwas ausgefeiltere Umsetzung der tollen Grundidee gewünscht. Es war ein etwas ambivalentes Lesevergnügen, da die Handlung stellenweise etwas langatmig beschrieben wurde, sodass Pep und Spannung zu wünschen übrig ließen. Der Showdown machte jedoch vieles wett! Ein furioses Finale, wie es sich jeder Leser nur wünschen kann. Über den eigentlichen Handlungsverlauf und plot will ich nicht zu viel verraten, um potentiellen Lesern nicht den Spaß zu verderben. Nur soviel: Von der Auflösung war ich doch überrascht! Auch gefiel mir die akribische Beschreibung der Polizeiarbeit gut – hier merkte man die Fachkenntnis der Autorin. Macintosh hat wohl insider – Wissen in ihre Erzählung einfliessen lassen. Der Roman wird aber eher ruhig erzählt, es ist kein Spannungskracher wie etwa ein Fitzek-Krimi. Daher würde ich sagen, dass „Alleine bist du nie“ wohl Geschmackssache ist.

Gute und weniger gute Aspekte halten sich die Waage.

Ich habe „Alleine bist du nie“ von CLARE MACINTOSH gerne gelesen und vergebe 3,5 – 4 von insgesamt fünf möglichen Sternen.

Bewertung vom 17.02.2016
Hinten sind Rezepte drin
Bauerfeind, Katrin

Hinten sind Rezepte drin


sehr gut

Den Titel finde ich unglaublich gelungen. Wie oft habe ich mich schon über den Zusatz "Hinten sind Rezepte drin" geärgert! Die Symbolik des Titelmotivs finde ich aber etwas platt; andererseits ist Katrin natürlich eine Augenweide und daher die beste Werbung für ihr eigenes Buch. Ihren Erstling habe ich geliebt!

Daher war für mich zunächst klar: Die fast 15 Tacken für "Hinten sind
Rezepte drin" müssen gut investiertes Geld sein!

Und anfangs schien es auch so zu sein: Bauerfeind erzählt aus ihrem Leben, vom Frausein, aber sie berichtet auch von Alltagsphänomenen, die sie staunend kommentiert: Emojis, sexting und überhaupt das digitale Leben! Dann geht es natürlich auch um Beziehungskisten. Manchen Thesen stimme ich zu, anderen nicht, und oft dachte ich beim Lesen: "Dito" ! Besonders die erste Hälfte des Buches ist humorvoll, geistreich und sehr lustig geschrieben, wobei ich die Gedanken zum Thema Religion und Katholizismus schon ein wenig flach fand.
Die zweite Hälfte des Buches fand ich leider nicht so gelungen, und manche Aussagen waren mir regelrecht unsympathisch: "Darf man noch Neger sagen? " fragt Bauerfeind, und an anderer Stelle spricht sie von "den Behinderten" als Kollektiv, als sie sich vorstellt, bei WWM für eine Behindertenwerkstatt Geld zu erspielen.

Ich stelle fest:

Political Correctness ziehen immer die Menschen durch den Kakao, die nicht betroffen sind.

Es werden auch Themen angeschnitten, die schon im ersten Buch thematisiert wurden: Katrins Haare/Haut/Gewicht, ihre Familie, Oma/Mama/Papa Bauerfeind. Teils hatte ich beim Lesen leider das Gefühl, daß zum Ende hin Seiten gefüllt werden mussten.
Trotzdem habe ich das Buch gerne gelesen, der sehr umgangssprachlich gehaltene Erzählton hat mich nicht gestört.

Fazit:

Leider kann ich dieses Mal keine 5 Sterne vergeben, aber 4 Sterne erhält "Hinten sind Rezepte drin" .