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drachenzahn

Bewertungen

Insgesamt 94 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2023
Schneekinder
Langer, Andreas

Schneekinder


ausgezeichnet

„Game of Thrones“ für Jugendliche

Das Buch „Schneekinder“ von Andreas Langer ist ein spannendes und berührendes Abenteuer, das mich tief beeindruckt hat. Es handelt sich vordergründig um einen historischen Roman, der den Kampf ums Überleben im eisigen Norden mit einigen fantastischen Elementen verknüpft. Die Geschichte wird sehr realistisch und anschaulich erzählt, sodass man sich sofort mit den Protagonisten und ihre Notlage hineinfühlen kann.

Im Kern des Buches geht es um eine Gruppe von Kindern und Heranwachsenden, die sich auf ihrer Flucht vor einem hochgradig giftigen Nebel und einer Armee steinerner Riesen durch eine unbarmherzige, kalte Schneelandschaft kämpfen müssen. Auf ihrem Weg werden sie immer wieder vor schweren Entscheidungen gestellt. Besonders aber die Kälte, der Hunger und die Naturgewalten zerren an ihnen und fordern ihren Tribut.

Die Hauptperson Elin wird als Älteste der Kinder widerwillig in die Rolle der Anführerin gedrängt. Sie ist durchweg sympathisch, leidet an Selbstzweifeln und doch findet sie immer wieder die Stärke, sich und die Gruppe zum Weitergehen zu mobilisieren. Doch Vorurteile, Neid, Missgunst, Trauer und die Angst vor dem Tod sind allgegenwärtig und säen Zwietracht.

Ich persönlich finde das angesetzte Alter von 11 Jahren zu niedrig. Die Geschichte geht nicht gerade zimperlich mit ihren Charakteren um. Da auch Themen wie Suizid und Märtyrertum angesprochen werden, würde ich das Alter eher ab 14 Jahren ansetzen. Allerdings werden die grausameren Elemente immer plausibel, nachvollziehbar und realistisch in das Gesamtgeschehen eingebaut. Das Verhalten aller Charaktere ergibt durchgehend Sinn und bildet das Spektrum der Gesellschaft ab.

Das Buch ist in sich abgeschlossen, bietet aber jede Menge Potenzial und Ideen für weitere Bände. Es gibt noch einige lose Enden, die zwar als offenes Element funktionieren, die aber durchaus Anlass für neue spannende Geschichten liefern würden. Sollte es jemals einen zweiten Band geben, werde ich mir diesen auf jeden Fall holen.

Die Geschichte “Schneekinder” ist wirklich eine faszinierende Reise durch die Schneelandschaft Jorlands, die einen von Anfang an packt und bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Sowohl Heranwachsende als auch Erwachsene finden hier eine anspruchsvolle und kurzweilige Unterhaltung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2023
Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt
Haferkamp, Kai

Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt


gut

Verschenktes Potenzial

Das Buch „Der kleine Wal und der schönste Ort der Welt“ konnte mich und meine fast drei Jahre alte Tochter leider nicht überzeugen. Die Illustrationen sind wirklich wunderschön und haben mich überhaupt erst zum Kauf verleitet, jedoch war der Inhalt ziemlich enttäuschend.

Im Grunde gibt der Klappentext bereits den kompletten Inhalt der Geschichte wieder, wobei es sich nur im entfernten Sinne tatsächlich um eine Geschichte handelt. Tatsächlich besteht das Buch mehr aus einer Aneinanderreihung von verschiedenen Situationen und Orten. Eine wirkliche Spannung baut sich nie auf bzw. wird gleich im nächsten Moment wieder negiert und aufgelöst, sodass letztlich lediglich bezaubernde Meereslandschaften bestaunt werden.

Die Botschaft des Buches, dass es dort am schönsten ist, wo die Menschen bzw. Lebewesen sind, die man liebt, ist sicher keine schlechte, aber kommt viel zu banal daher. Die ganze Welt wird in Rosarot wahrgenommen. Natürlich sieht es überall wunderschön aus, alles ist toll. Es gibt keine Ecken und Kanten. Es wird Schönheit wirklich nur in optisch Schönem gefunden, nicht in Handlungen oder was hinter der Oberfläche durchblitzt.

Zumal auch ein hässlicher Ort schön werden kann, wenn man mit denjenigen zusammen ist, die einen glücklich machen. Man muss nicht alles verklären, damit man Glück und Zufriedenheit finden kann. Aus diesem Grund ist es sehr schade, dass die aktuellen Probleme wie etwa Umweltverschmutzung, Überfischung oder Klimawandel völlig ignoriert wurden und nicht als Chance für eine tiefsinnigere Botschaft genutzt wurden.

Die Illustrationen gefallen mir persönlich sehr. Sie sind allesamt in eher dunklen Tönen gehalten. Es dominieren die Farben Blau, Rot und Orange. Das Problem daran ist, dass meiner Tochter die Bilder zu dunkel und letztlich zu langweilig waren. So richtig interessiert war sie an dem Buch nicht, obwohl sie sich sonst immer begeistert auf neues Lesefutter stürzt. Natürlich ist das aber eine reine Geschmacksfrage.

Das Buch ist grafisch durchaus ansprechend gestaltet. Der Inhalt war mir persönlich jedoch zu banal und die „Geschichte“ zu spannungsarm. Sehr schade!

Bewertung vom 08.09.2023
Heldenhörnchen und Drachenfreund
Scheffel, Annika

Heldenhörnchen und Drachenfreund


ausgezeichnet

Worum geht es im Leben?

Das Buch „Heldenhörnchen und Drachenfreund“ ist eine wunderschöne Geschichte für Kinder ab 6 Jahre mit zahlreichen bezaubernden Illustrationen. Wir begleiten das Eichhörnchen auf seiner amüsanten und spannenden Reise zu seinem wahren Ich, echtem Heldentum und einer Freundschaft, die sich von Vorurteilen und Ängsten nicht unterkriegen lässt. Ganz nebenbei erfährt man zudem einiges über die jahreszeitlichen Veränderungen und deren Auswirkung auf die Tierwelt.

Am Anfang des Buches werden die Waldtiere zunächst wenig sympathisch dargestellt. Jeder ist mit seinen eigenen Problemen beschäftigt und keiner nimmt sich Zeit für den anderen. Das kleine Eichhörnchen weiß noch nicht viel von der Welt und wird für seine Unwissenheit belächelt und ausgegrenzt. In seiner verzweifelten Suche nach Anerkennung nimmt das Eichhörnchen in Kauf, das einzige Wesen, das ihn je ernstgenommen hat, zu belügen und von sich zu stoßen.

Im Laufe der Geschichte findet das Eichhörnchen jedoch nicht nur sich selbst – symbolisiert durch den Namen, den es später bekommt –, sondern auch einen echten Freund. Es lernt, dass es im Leben auf mehr ankommt als Anerkennung und Heldentum. Es erkennt, dass es wichtig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, Erfahrungen zu sammeln und für andere da zu sein. Es findet auch Strategien, um mit seiner Angst umzugehen. Das Eichhörnchen steht zu seinen Fehlern, entschuldigt sich und steht letztlich für seine hart gewonnenen Erkenntnisse ein.

Annika Scheffel versteht es mit ihrer poetischen, aber kindgerechten Sprache den Leser sofort ins Geschehen hineinzuziehen. Es gibt viele lustige Momente, aber auch herzerwärmende und traurige. Sie spricht zudem viele Themen an, die unseren Alltag prägen: Worauf kommt es im Leben tatsächlich an? Welche Ziele sind wirklich erstrebenswert und wie sollten wir mit anderen umgehen? Insbesondere Kinder, die selbst Ausgrenzung erlebt haben, werden sich leicht mit dem Drachen und dem Eichhörnchen identifizieren können und mit ihnen mitleiden.

Insgesamt handelt es sich um eine zauberhafte Geschichte voller Humor und Herz, bei der man zusammen mit dem Eichhörnchen die Natur, das eigene Ich und Themen wie Freundschaft, Angst und Vorurteile hinterfragen und entdecken kann. Absolut empfehlenswert!

Bewertung vom 02.09.2023
Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)
Farr, David

Das Buch der gestohlenen Träume (Das Buch der gestohlenen Träume 1)


ausgezeichnet

Anspruchsvoller Abenteurerroman

Der Besteller „Das Buch der gestohlenen Träume“ aus Großbritannien von David Farr ist ein mitreißendes Abenteuer, das auf intelligente Weise zu überzeugen weiß und nicht nur Kinder ab zehn Jahren begeistern wird. Die Geschichte ist in sich abgeschlossen. Es erscheint aber im September 2023 eine Fortsetzung auf Englisch.

Rachel und ihr älterer Bruder leben im Land Krasnia, das vom Faschismus geprägt ist. Der Diktator Charles Malstain verbietet alles, was seiner Ideologie entgegensteht. So verbannt er bestimmte Bücher und hasst Kinder. An Rachels zwölftem Geburtstag stehlen die Geschwister zusammen mit ihrem Vater ein seltsames magisches Buch, das verbrannt werden soll. Ihr Vater gerät dabei in Gefangenschaft und die Kinder werden bei dem Versuch, das Buch zu schützen, getrennt.

Das Buch mag zwar David Farrs erstes Kinderbuch sein, man merkt aber, dass er durch seine Tätigkeiten als Drehbuchautor und Regisseur jede Menge Erfahrungen gesammelt hat, um eine in sich stimmige, sprachlich kraftvolle Geschichte zu entwickeln. Mich hatte am Anfang irritiert, dass der allwissende Erzähler den Leser direkt ansprach. Diese Ansprachen dienen jedoch lediglich der Rahmung. Da die Geschichte selbst vor allem aus den Blickwinkeln von Rachel, Robert und Josef erzählt wird.

Der magische Anteil der Geschichte begrenzt sich allein auf die Fähigkeit des Buches. Insgesamt ist die Story jedoch überaus realistisch gehalten. Das gilt insbesondere für die Darstellung des Faschismus, der deutliche Parallelen zu historischen bzw. aktuellen Beispielen aufweist. So gibt es Propaganda, fingierte Gerichtsprozesse, Straflager, die Geheimpolizei, Folter, Exekutionen … Es tauchen immer wieder grausame Momente auf. Diese verkommen jedoch nie zum Selbstzweck und werden auch nicht zur Effekthascherei eingesetzt. Stattdessen zeigen sie recht nüchtern und realistisch die Kälte des Faschismus.

Das Buch ist durchgehend sehr spannend geschrieben und man fiebert gebannt mit den liebenswerten Protagonisten mit. Es gibt aber nicht nur rein schwarze und weiße Charaktere. Einige entwickeln sich im Laufe der Geschichte und zeigen ihre zahlreichen Facetten. Rachel und Robert treffen auf ihrer Reise sehr vielen unterschiedlichen Figuren. Doch auch wenn manchen nur wenige Seitenzahlen vergönnt sind, bleiben sie einem dennoch eindrucksvoll im Gedächtnis.

Die Geschichte lebt zudem von zahlreichen witzigen Vergleichen, die nur im ersten Moment absurd erscheinen, aber im Grunde perfekt passen. Zudem findet man mehrere Gedichte aus dem „Buch der gestohlenen Träume“ und Ausschnitte von Vernehmungsprotokollen sowie Zeitungsartikeln.

Das Buch von David Farr mag an einigen Stellen düster und für den ein oder anderen vielleicht zu politisch sein. Es ist aber stets kurzweilig, immer wieder mit Humor und Herz durchsetzt und überaus intelligent. Aus diesem Grund denke ich, dass es nicht nur bei Kindern und Jugendlichen großen Anklang finden wird, auch mich als Erwachsenen hat das Buch mehr als überzeugt. Der Folgeband befindet sich bereits in meinem Warenkorb.

Bewertung vom 29.08.2023
Auf der Suche nach Emily McCrae
Longmuir, Fiona

Auf der Suche nach Emily McCrae


sehr gut

Spannender Krimi für Kinder

Das Buch „Auf der Suche nach Emily McCrae“ von Fiona Longmuir ist ein unterhaltsamer Krimi im Stile von Enid Blytons Abenteuerbüchern, der einen durchweg mitfiebern und rätseln lässt, und für Mädchen und Jungen ab 10 Jahre geeignet ist.

Die zwölf Jahre alte Lily zieht in die ihrer Meinung überaus langweilige Kleinstadt Edge am Meer. Sie kann sich weder mit der Gegend noch mit den Leuten richtig anfreunden, bis sie eines Tages per Zufall über ein seltsames Museum stolpert, dass einer gewissen Emily gewidmet ist. Auf der Suche nach diesem Mädchen findet sie neue Freunde, gerät aber auch in mehr als eine gefährliche Situation.

Das Buch ist durchweg sehr spannend erzählt. Es macht Spaß zu lesen und man möchte unbedingt wissen, wie es weitergeht. Die Kapitel sind zudem recht kurz, sodass man jederzeit eine Pause einlegen könnte. Die Charaktere sind sympathisch und wurden facettenreich mit Ecken und Kanten dargestellt. Die Geschichte schreckt des Weiteren nicht davor zurück, auch diverse Themen miteinzuarbeiten. So hat Lilys Freundin Sam zwei Väter und ihre Lieblingslehrerin Miss Hanan ist Muslimin und trägt einen Hijab.

Ich hätte dem Buch auch sehr gerne fünf Sterne gegeben, aber das Ende war mir dann doch einfach zu realistisch und albern. Eigentlich hätte man einfach die letzten zwei Kapitel weglassen können. Ich persönlich mag zudem nicht, dass die Polizei durchweg als inkompetent dargestellt wird. Zum einen untersuchen die verschiedenen Beamten weder von sich aus bestimmte Ereignisse noch reagieren sie angemessen auf Hinweise. Das geht sogar so weit, dass die Protagonisten im Buch, statt aktiv gegen den Verbrecher vorzugehen, lieber komplizierte Rätsel und Geheimnisse erstellen bzw. lösen sollen, um ihre Familie wieder zusammenzuführen. Das ist schon irgendwie absurd.

Insgesamt ist die Geschichte dennoch äußerst kurzweilig und hält einen mit seiner Spannung in den Bann. Man sollte allerdings nicht allzu sehr den Sinn des Ganzen hinterfragen.

Bewertung vom 07.08.2023
Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit
Pfeiffer, Marikka

Memora Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit


sehr gut

Spannende, aber unlogische Abenteuergeschichte

„Memory Castle oder Das Rätsel der vertauschten Zeit“ ist ein durchaus unterhaltsames Buch für Kinder ab 10 Jahre, die ein Interesse an Abenteuer und Mystik mitbringen. Die Geschichte ist spannend erzählt und lädt zum Miträtseln ein. Leider ist die sich nach und nach eröffnende Lösung eher unlogisch. Schade.

Holly freut sich schon sehr auf das Wiedersehen mit ihrer Tante Claire. Doch als sie schließlich auf Memora Castle ankommt, wird sie keineswegs warmherzig in Empfang genommen. Ihre Tante scheint verschwunden zu sein und niemand weiß, wo sie ist oder wann sie wiederkommt. Aber nicht nur deren Abwesenheit sorgt für viele Fragezeichen. Auch der plötzlich lebendig werdende Kuckuck aus der Standuhr und ein seltsamer Ring bieten jede Menge Geheimnisse. Zusammen mit ihrer Cousine Ilana und deren Stiefbruder Janko will Holly der Sache auf den Grund gehen.

Die Protagonisten sind allesamt recht sympathisch und man kann sich schnell mit ihnen identifizieren. Die Autorin Marikka Pfeifer vermittelt sehr gut die Einsamkeit und Sehnsucht der Hauptfigur Holly nach einem richtigen Zuhause. Selbst die zickige Ilana macht Spaß zu lesen, und auch Janko mit seinem Filmwahn mag man auf Anhieb. Während diese drei Charaktere sehr gut ausgearbeitet sind, wirkt der Rest eher flach. Insbesondere Claire und der Bösewicht waren für mich eine Enttäuschung. Erstere ist so gutmütig und leichtgläubig, dass sie schon fast dumm wirkt, es tut mir leid. Den Schurken erkennt man des Weiteren sehr schnell. Allerdings ergeben seine Motive und Handlungen in meinen Augen nur wenig Sinn und sind mitunter irrational.

[Vorsicht milde SPOILER: Obwohl er per Zufall in eine andere Zeit gerät, scheint er sofort zu wissen, was mit ihm geschehen ist und weiß, wie die „Zeitmaschine“ funktioniert. Ironischerweise erkennt das die Person, die die Maschine tatsächlich benutzt hat, keineswegs. Zudem wird dem Leser erklärt, dass alle Zeitreisenden, wenn sie zu lange in einer falschen Zeit feststecken, ihre Erinnerungen an ihre eigentliche Zeit verlieren. Beim Bösewicht ist das jedoch seltsamerweise nicht der Fall. Er weiß durchgehend über alles Bescheid. Es fehlt ihm lediglich ein gewisses Schmuckstück.

Warum er aber überhaupt wieder in der Zeit herumreisen möchte, wird nie erklärt. In seine Zeit zurück will er aber anscheinend auch nicht. Zeitreisen sind grundsätzlich eher paradox und schwierig, sinnvoll darzustellen, aber einige Varianten sind in diesem Text eher albern - zum Beispiel, als eine in die Vergangenheit gereiste Person meint, sie würde diesen Zeitpunkt in der Geschichte als ein Déjà-vu erleben, weil sie ja schon so lange hier festhängt. Naja. SPOILER ENDE]

Das Buch ist dabei nicht schlecht. Es ist unterhaltsam geschrieben, man rätselt gerne mit und ich denke, 10-jährige werden bei Weitem nicht so kritisch die Story und deren Logik hinterfragen wie eventuell ein Erwachsener. Wenn man den eher fragwürdigen Hintergrund der Zeitreise und das Verhalten mancher Nebencharaktere ignorieren kann, bekommt man dennoch eine spannende und kurzweilige Geschichte geboten.

Bewertung vom 30.07.2023
Mit der Queen ne Kutsche kapern / Plötzlich wach! Bd.1
Vogel, Maja von

Mit der Queen ne Kutsche kapern / Plötzlich wach! Bd.1


ausgezeichnet

Charmante Fantasiegeschichte

Bei „Plötzlich wach! Mit der Queen 'ne Kutsch kapern “ handelt es sich um den ersten Band einer neuen Fantasiereihe. Die Geschichte ist kurzweilig und kann sowohl Kinder als auch junggebliebene Erwachsene mit Humor und Herz überzeugen.

Annemies Plan für den Tag war einfach nur, nicht vor Langeweile zu sterben. Wie sich herausstellte, sollte das tatsächlich kein Problem werden, da die Queen aus dem Wachsfigurenkabinett ihrer Oma Fritz urplötzlich verschwunden ist. Dafür lief aber nun eine alte Dame in königlicher Verkleidung herum, die überall ihre Orden und andere Kostbarkeiten verschenkte. Annemie konnte das nicht einfach auf sich beruhen lassen und möchte diesen kuriosen Vorkommnissen umgehend nachgehen. Mit auf der Jagd ist der gleichaltrige Leo. Zusammen erleben sie einen spannenden Tag, der alles andere als langweilig ist.

Die Geschichte hat ein hohes Tempo und lebt von zahlreichen kreativen Einfällen. Besonders die Charaktere schließt man sofort ins Herz. Sie sind etwas verrückt, liebenswert und herrlich unperfekt. Man kann sich schnell mit ihnen identifizieren. Maja von Vogels Buch beschäftigt sich mit der Thematik Andersartigkeit, ohne aber die Moralkeule zu schwingen. Die Problematik wird im Gegenteil äußerst charmant herübergebracht. So liebt Annemie Märchen, insbesondere die Geschichte vom „Aschenbrödel“, und Klatschzeitungen. Leo hingegen leidet unter einigen eher untypischen Phobien. Beide machen sich aber nie übereinander lustig, sondern nehmen den anderen so, wie er ist.

Annemies Erzählton ist locker, angenehm zu lesen und lädt hier und da zum Schmunzeln ein. Ich war mir zunächst unsicher, wie geschmackvoll die verstorbene Königin von England dargestellt werden kann. Aber Maja von Vogel gelingt dies problemlos. Die Autorin bemüht sich dabei wenig um eine realistische Darstellung, dennoch wirkt ihre Figur immer königlich, sympathisch und für eine Wachsfigur überaus menschlich.

Das Buch eignet sich aufgrund der größeren Schrift für Leseanfänger im Alter von ca. 8 Jahren, aber auch aus als Vorlesegeschichte für Jüngere. Die Kapitel sind zudem recht kurz, weshalb es immer wieder die Gelegenheit für sinnvolle Leseunterbrechungen gibt. Zudem findet man im Text große und kleine Schwarzweiß-Zeichnungen, die die lockere und amüsante Grundstimmung perfekt einfangen.

Insgesamt ist „Plötzlich wach!“ ein sehr empfehlendes Buch, das Klein wie Groß kurzweilig zu unterhalten weiß. Des Weiteren wird eine größere Hintergrund-Geschichte über eine Schwesternschaft angedeutet. Dies und die Idee mit den lebendig werdenden Wachsfiguren laden zu vielen weiteren Bänden ein. Das zweite Buch in der Reihe ist in jedem Fall bereits erschienen und befindet sich in meiner Leseliste.

Bewertung vom 26.07.2023
October, October
Balen, Katya

October, October


ausgezeichnet

Eine wilde Geschichte voller Poesie

Bei „October, October“ handelt es sich um ein einfühlsames, poetisches Werk, dessen Sprache einzigartig und für ein Kinderbuch recht ungewöhnlich ist. Katya Bahlen ist eine begabte Autorin, die es versteht mit Worten zu spielen und sicher nicht nur Kinder mit ihrer Geschichte mitreißen kann. Wer allerdings mit Poesie generell nichts anfangen kann, sollte vielleicht lieber um das Buch einen Bogen machen.

Das Mädchen October wächst zurückgezogen im Wald bei ihrem Vater auf. Ihre Mutter hat der Natur und damit auch ihrer Familie den Rücken zugekehrt, als October 4 Jahre alt war. Das konnte October ihr nie verzeihen und hat jeden Kontaktversuch abgeblockt. Das Mädchen liebt jedoch ihr freies, ungebundenes Leben und die Wildheit der Natur. Es stört sie nicht, dass sie außer ihrem Vater niemand um sich hat. Dort fühlt sie sich sicher, während die Stadt für sie fremd ist und bedrohlich wirkt.

Doch dann geschieht an ihrem elften Geburtstag ein Unglück, das ihre ganze Welt zum Erschüttern bringt. Ihr Vater wird verletzt und sie ist gezwungen, bei „der Frau, die ihre Mutter ist“ (so nennt October sie durchweg) zu bleiben. Sie ringt mit ihren Schuldgefühlen, sucht nach der Wildheit in ihr und in der kalten neuen Umgebung. Dabei klammert sie sich verzweifelt an ihrer Findel-Schleiereule und einen gefundenen alten Poesie-Ring, während sie hilflos und wütend ihre neue Umgebung erkundet.

Man merkt recht schnell, dass es sich bei October um ein besonderes Mädchen handelt. Sie ist nicht wie jede andere und zeigt deutlich autistische Züge. Bei zu lauten Geräuschen oder Helligkeit hält sie sich die Ohren zu oder schreit in Situationen, die sie emotional überfordern. Es fällt ihr schwer, mit anderen zu kommunizieren und sich zu öffnen. Um so faszinierender ist es, dass die Geschichte lediglich aus ihrer Gedanken- und Erlebniswelt heraus beobachtet und erzählt wird.

October nimmt die Welt auf eine ganz spezielle Weise wahr. Sie erkennt in den kleinsten Dingen Geschichten und sucht die Wildheit und die Geheimnisse dahinter. Dabei webt sie all dies zu einem Erzähl-Flickenteppich. Da allein aus ihrer inneren Erlebniswelt geschrieben wurde, handelt es sich bei dem Buch quasi um eine Art endlosen Monolog. Das könnte mühsam und langweilig sein, aber durch Octobers besonderen Blick und die beeindruckende Sprache von Katya Bahlen, wird man einfach mitgerissen.

Octobers Gedanken sind nicht klar und linear, besonders in Situationen, in denen sie vom Geschehen überwältigt wird. Somit gibt es Passagen, in denen es weder Punkte, noch Komma gibt und sich die Ideen, Gefühle und Gedanken regelrecht überschlagen. Eindrucksvoll gibt der Text so über die Sprache das Erleben der Protagonistin wieder. Man findet auch zahlreiche Gedichte, deren Bedeutung schon durch die Anordnung der Wörter oder Sätze, teilweise sogar bei Wörtern (wie bei „springen“) bildlich dargestellt bzw. untermalt wird. Es gibt im ganzen Buch keinen einzigen richtigen Dialog. Gespräche werden meist eher deskriptiv zusammengefasst und nur einzelne Aussagen in Kursivschrift als eine Art Zitat entsprechend hervorgehoben - eben die Sätze, die für October tatsächlich von Belang sind.

Die Charaktere wirken allesamt authentisch, haben Ecken und Kanten. Keiner ist perfekt. Selbst die Mutter, die ja ihr eigenes Kind verlassen hat, wird keineswegs von der Autorin als böse oder herzlos dargestellt. Zudem ist die Botschaft des Textes am Ende wirklich sehr ergreifend sowie poetisch.

„October, October“ ist ein wirklich wunderschönes Buch, dessen Geschichte „weit hinaufsteigt“ und noch lange nachhallt. Wirklich empfehlenswert!

Bewertung vom 18.07.2023
Der Pakt / Schatten Bd.1
Parvela, Timo

Der Pakt / Schatten Bd.1


ausgezeichnet

Gruselige Weihnachten

Das Buch "Schatten - Der Pakt" vom finnischen Kinderbuchautor Timo Parvela ist ein fesselnde Fantasiegeschichte zum Thema Weihnachten mit zahlreichen gruseligen und mythischen Elementen. Da es sich um den ersten Teil einer Trilogie handelt, endet die Geschichte zunächst mit einem Cliffhanger.

Schon im ersten Kapitel wird man von der düsteren Stimmung des Buches sofort in den Bann gezogen. Pete ist verzweifelt. Seine Freundin ist lebensbedrohlich krank und kein Arzt kann ihr helfen. In seiner Ausweglosigkeit wendet er sich schließlich an den Weihnachtsmann. Er wird schließlich tatsächlich von einem gruseligen Wichtel namens Elpiö erhört, der als Gegenleistung Petes Schatten einfordert. Das Versprechen wird eingelöst, aber Pete merkt schnell, dass ein Leben ohne Schatten ein Leben in völliger Leere bedeutet. Wie kann er den Pakt umkehren, ohne aber gleichzeitig seine Freundin zu verlieren?

Es gibt einen zweiten Handlungsstrang, der im Weihnachtsland der Wichtel stattfindet und der Schattenstrickerin Uudit folgt. Sie kann unsichtbar machende Gewänder aus Schatten kreieren und ihr sehnlichster Wunsch ist es, sich der Wichtelgilde anzuschließen. Leider verläuft das Aufnahmegespräch anders als erhofft.

Das Buch bleibt spannend bis zur letzten Minute und weiß geschickt mit Horrorelementen zu spielen, ohne dass es für (die meisten) 10-Jährigen zu gruselig sein wird. Zudem wartet die Geschichte mit vielen überraschenden Wendungen auf. Man kann nie genau wissen, was als Nächstes passiert. Die finstere Atmosphäre wird durch die großformatigen dunklen Bilder perfekt untermalt. Die Schatten sind praktisch in allen Zeichnungen spürbar. Zum Gänsehautfaktor trägt auch die Sprache der Wichtel bei, die die Kinder grundsätzlich in der dritten Person ansprechen.

Etwas unklar bleibt jedoch die Definition „Schatten“. Anfangs ist damit die Seele gemeint, dann später bekommt auch die Hülle/der Körper die Bezeichnung Schatten zugewiesen. Die eingetauschten Seelen wiederum werden ebenfalls mal als Schatten oder bloße Hüllen bezeichnet. Diese Verwirrung könnte sich durch die Übersetzung eingeschlichen haben, oder der Autor war sich selbst nicht sicher, was nun genau Hülle, Schatten oder Seele ist.

Problematisch finde ich auch, dass die Seelen-/Schattenlosen und deren Verhalten nicht konsequent gleich dargestellt wurden. So scheinen sie in der ersten Hälfte des Buches lediglich von Wut und Hass getrieben zu sein. In der zweiten Hälfte tauchen dann aber Charaktere auf, die diese Gefühle anscheinend verbergen und sogar mitfühlendes, kooperatives Verhalten zeigen können. Das erscheint mir unlogisch.

Überhaupt sind manche Verhaltensweisen wenig schlüssig. Offensichtlich ist Uudit als Schattenflickerin von großer Bedeutung für die Wichtelgilde, dennoch wird sie von ihnen aufgrund ihres Gnom-Vaters rassistisch angefeindet und mit dem Tode bedroht. Ich finde es aber grundsätzlich gut, dass Themen wie Rassismus, Ausländerfeindlichkeit, Überhöhung von materiellen Dingen und fehlende Empathie im Buch angesprochen werden.

Insgesamt handelt es sich bei dem Buch um eine tolle Mischung aus Gruselgeschichte, mythischen Verweisen auf den Weihnachtsmann und den Sinn des Lebens sowie den Wert von Freundschaft. Es bleiben noch viele Fragen offen und ich habe die Hoffnung, dass sich meine Kritikpunkte vielleicht in den nächsten beiden Büchern in Wohlgefallen auflösen. Ein Buch mit Gänsehautgarantie!

Bewertung vom 14.07.2023
Mein Leben als einsamer Axolotl
Bondestam, Linda

Mein Leben als einsamer Axolotl


ausgezeichnet

Intelligentes Buch zum Klimawandel

„Mein Leben als einsamer Axolotl“ von Linda Bondestam ist so aktuell wie kaum ein Kinderbuch. Es setzt sich in beeindruckender Weise mit dem Thema Klimawandel auseinander. Dabei wird diese Problematik aber keineswegs mit erhobenem Zeigefinger aufgegriffen, sondern eher als Hintergrund für die Lebensgeschichte des kleinen Axolotls genutzt. Allerdings fragt man sich schon, warum gerade so ein Buch unbedingt in einer Plastikhülle eingeschweißt werden muss. Unnötig und paradox!

Der kleine Axolotl wird inmitten des Klimawandels geboren. Er ist völlig allein und wahrscheinlich der einzige seiner Art. Die furchtbaren Auswirkungen der Umweltverschmutzung und der sorglosen Lebensweise der Menschen („Plumpiane“ genannt) sind allgegenwärtig. Und obwohl alles hoffnungslos erscheint, sieht dieser sympathische, fröhliche Schwanzlurch überall etwas Schönes und Lebenswertes. Den Müll der Menschen betrachtet er als „spannende Schätze“, das weggeworfene Handy ist „magisch“ und verseuchtes Wasser ein toller Whirlpool.

Zunächst ist die Welt des Axolotls völlig in Ordnung. Er hat Freunde, geht zur „Schule“ und weiß die „Gaben“ der Menschen zu nutzen. Doch dann verlassen ihn die Tigersalamander und der Axolotl steht völlig allein da. Seine zunehmende Einsamkeit und Traurigkeit werden dabei sehr einfühlsam dargestellt. Eines Tages wird dann das Wasser heiß, die Erde brennt und eine Monsterwelle droht alles zu überfluten.

Das Buch erzählt sehr clever von all diesen negativen Entwicklungen ohne die Gründe dafür jedoch direkt anzusprechen. Man sieht die Auswirkungen des Klimawandels im Grunde nur im Bild, und manches muss man sich sogar selbst herleiten, z.B. dass es sich bei dem von dem Axolotl so geschätztem Whirlpool um verseuchtes Wasser handelt. Die Geschichte bietet zahlreiche interessante Gesprächsanlässe und wird bei Kindern sicherlich viele Fragen wecken. Allein werden 4-Jährige diese Vielfalt an versteckten Bedeutungen jedoch nicht herleiten können. Insofern würde ich das Buch eher für Grundschüler empfehlen.

Die dunkel gehaltenen Bilder entsprechen eigentlich nicht meinem persönlichen Geschmack. Ich finde jedoch, dass sie perfekt die Hässlichkeit des Klimawandels und der Umweltzerstörung unterstreichen. Süße Zeichnungen in Pastelltönen wären hier völlig fehl am Platz. Das Buch wird zudem von zwei wunderschönen Gedichten am Anfang und Ende gerahmt, die zum Nachdenken anregen.

Es handelt sich hierbei um eine faszinierende Geschichte, die gleichzeitig vor der Klimakatastrophe warnt, aber auch ein wenig Hoffnung für den Planeten weckt. Wirklich lesenswert!