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Renas Wortwelt

Bewertungen

Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 06.11.2023
Nimm meinen Schmerz
Gordeeva, Katerina

Nimm meinen Schmerz


ausgezeichnet

„Aber eigentlich handelt (meine Geschichte) nicht von mir. Sie handelt von den Menschen. Manche verwandelt der Krieg schnell zu Bestien. Ich habe solche gesehen: Man gibt ihnen eine Waffe, und sie verlieren sofort alles Menschliche. Verlieren ihr Gewissen und Mitgefühl. Ich habe gesehen, wie schnell das geht.“ (S. 71).
Solche Geschichten, von Menschen, Frauen, Männern, Kindern, im Krieg erzählt die Journalistin Katerina Gordeeva. Oder vielmehr sie lässt diese Menschen ihre Geschichten erzählen, sie hört zu, stellt manchmal Fragen, manchmal fehlen ihr aber auch die Worte. Und manchmal möchten die Ukrainerinnen gerade mit ihr nicht sprechen, denn Katerina Gordeeva ist Russin.
Sie ist eine sehr einflussreiche, unabhängige Journalistin, die mit Preisen ausgezeichnet wurde und die 2014 ihr Land verließ aus Protest gegen die Annexion der Krim durch Russland. Heute lebt sie in Lettland. Aber Gordeeva hat noch Familie in Russland, Freunde und Bekannte. Und viele ihrer Gesprächspartner, deren Geschichten dieses Buch versammelt, hatten zu Beginn Probleme damit, einer Russin zu vertrauen.
Es sind vor allem Frauen, die in diesem Buch zu Wort kommen. Frauen, die Furchtbares erlitten haben, Frauen, die geflohen sind, nach Polen, nach Deutschland, nach Italien. Und Frauen, die geblieben sind, weil sie eine alte Verwandte pflegen müssen, weil sie ihre Tiere nicht zurücklassen wollten, weil sie nah bei ihren Männern bleiben wollen.
Es sind Frauen, die schwer verletzt wurden, deren Männer umkamen, deren Kinder umkamen. Es sind Frauen, die alles verloren haben.
Die Geschichten sind schwer zu ertragen. Da ist Irma, die ihr Augenlicht und ihre Beine verlor bei einem Angriff, als sie ihre Katze retten wollte. Sie sitzt im Rollstuhl und muss ihr Leben ganz neu lernen. Da ist Inga, für die Bügeln wie eine Therapie ist, nur wenn sie bügelt, kann sie ihr Leben ertragen, nachdem sie Mann und Sohn verlor.
Da ist Yulia, in deren Kopf ein Bombensplitter steckt. Sie lässt sich nicht operieren, weil sie ihre Tochter nicht allein lassen will. Und da ist Taissija, eine alte Frau, verpflanzt gegen ihren Willen aus der Ukraine in ein Lager in Rostow am Don. Dort in dem Lager, das sie nicht verlassen dürfen, wo es den angeblich Geflüchteten angeblich gut gehen soll, wo sie nicht erfahren, was mit ihnen geschehen soll, verkümmert Taissija, wartet auf den Tag, an dem sie zurückkehren darf, der Tag, der nie kommt.
Und da sind die Männer, die erzählen, auch sie und auch Russen lässt Katerina Gordeeva zu Wort kommen. Und auch wenn es beim Lesen schwerfällt, Mitgefühl für die Angreifenden zu empfinden, so ergreifen auch deren Schicksale, sind doch die wenigsten von ihnen freiwillig in diesen Krieg, der nicht so genannt werden darf, gezogen.
Es wird viel geweint während diese Menschen ihre Geschichten erzählen. Auch mir kamen an vielen Stellen dieses Buches die Tränen, denn die Art, wie die Autorin diese Geschichten aufschreibt, mit welchen Worten es ihr gelingt, die Schicksale greif- und fühlbar zu machen, ist aufwühlend, erschütternd und dabei genau richtig.
Dieses Buch muss man lesen.
Einziges Manko: Das Glossar, welches die ukrainischen Ausdrücke und Abkürzungen erläutert hätte besser vorne im Buch gestanden statt ganz hinten, wo man es erst am Ende und eher durch Zufall findet.
Katerina Gordeeva - Nimm meinen Schmerz
aus dem Russischen von Jennie Seitz
Droemer, Oktober 2023
Gebundene Ausgabe, 349 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 03.11.2023
KUNTH Alles außer gewöhnlich
KUNTH Verlag

KUNTH Alles außer gewöhnlich


sehr gut

Wie bei allen Büchern aus dem Kunth-Verlag hat man sich auch diesmal Gedanken gemacht, wie man die verschiedenen Ziele ansprechend und vor allem logisch geordnet präsentiert. Hier nun folgt man den Jahreszeiten, für jede gibt es passende Angebote, neue und alte Städte oder Regionen in Europa zu entdecken.
Dazu die wieder sehr schönen, gelungenen Fotografien, die fast das eigene Reisen überflüssig machen, sieht man doch hier schon, was es schönes, beeindruckendes, faszinierendes zu sehen gibt.
Insgesamt umfasst der Band 53 Ziele, in Nord und Süd, in Ost und West. So kann man beispielsweise im Frühling in Frankreich die Auvergne durchwandern und dabei zwischen lebendiger Stadt und dünn besiedelten Regionen wählen. Oder man besucht die Finnische Seenplatte, die immerhin, man glaubt es kaum, 50.000 bis 60.000 Gewässer umfasst.
Im Sommer zieht es einen vielleicht ans Meer, so auf die dänische Insel Ærø oder zur vor Estland gelegenen Gruppe der Moonsund-Inseln. In allen Beispielen sind es wie immer viele Informationen, die man bekommt, neben der Beschreibung dessen, was diese Orte so besonders, so entdeckenswert machen. Dazu, ebenfalls wie gewohnt, Tipps für die Übernachtung und weitere Anregungen in der Umgebung.
Schon beim Blättern durch dieses Buch möchte man am liebsten eine Liste machen der Orte, die es demnächst zu besuchen gilt. Wie im Herbst die Hohe Tatra oder die österreichische Stadt Linz. Und im Winter vielleicht ein Besuch in Erzgebirge, dort, wo die berühmten Weihnachtspyramiden herkommen.
Aber man muss gar nicht in die Ferne, selbst in der nahem Umgebung der Heimat zeigt das Buch vielversprechende Ziele für Tagesausflüge oder kurze Touren. Ich habe mir jedenfalls schon einige Orte herausgesucht, die in den kommenden Jahreszeiten besucht werden. Hier ist wirklich für jeden Geschmack etwas dabei.
Alles außer gewöhnlich – Unentdecktes Europa
Kunth-Verlag, Juni 2023
Gebundene Ausgabe, 304 Seiten, 29,95 €

Bewertung vom 01.11.2023
Ein Fall von Majestätsvergiftung
McGeorge, Chris

Ein Fall von Majestätsvergiftung


gut

Ausgangsgedanke dieses Krimis ist die Vorstellung, der ehemalige englische König Edward hätte nie abgedankt und somit säße heute einer seiner Nachkommen auf dem Thron. Und genau dieser Nachkomme segnet am Weihnachtstag das Zeitliche, während alle Familienmitglieder sich im Schloss Balmoral aufhalten. Hingegen aber alle Bediensteten mit Ausnahme des Kochs das Schloss auf Wunsch des Königs verlassen haben.
Soweit verspricht der Roman auch die entsprechende Spannung, ganz im Stil Agatha Christies. Eine überschaubare Anzahl Verdächtiger, die aufgrund eines schlimmen Schneesturms eingeschlossen sind, daher also auch weder Hilfe erreichen noch selbst das Schloss verlassen können. Wie auch niemand anderer Zugang zum Schloss haben kann.
Die Hinterbliebenen, wiewohl angemessen erschüttert, sehen schnell ein, dass einer von ihnen das Familienoberhaupt vergiftet haben muss. Daher bestimmen sie den Koch zum Ermittler, als einzig Unbeteiligter und somit Unverdächtiger.
Besagter Koch, Jonathan Alleyne, arbeitet schon so lange für den König, dass er diesen fast als Freund bezeichnen kann. So ist er auch, wie es scheint, der einzige, der ehrlich um den Toten trauert.
Jonathan ist ein eher schüchterner Mensch, er stammt aus der Karibik und ihm fehlt es an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl. Einzig wenn er kocht ist er glücklich. So leidet er fast körperlich darunter, nun den Mordfall untersuchen zu müssen. Zumal sich schnell herausstellt, dass alle ein Motiv gehabt haben. Wollte doch der König offensichtlich an diesem Tag seine Nachfolge regeln. Und so eskaliert der Streit unter den Familienmitgliedern immer mehr.
Diese sind die beiden Töchter des Königs, seine trinkfeste Frau, sein missratener Bruder sowie Mann und die beiden Söhne einer der Töchter. In vielen Einzelgesprächen versucht Jonathan, hinter die Masken all dieser Menschen zu schauen und deckt dabei manch ein Geheimnis auf.
Leider ist das Ganze allerdings recht zäh erzählt, vieles beschäftigt sich mit dem Innenleben Jonathans, wodurch sich dann auch vieles wiederholt. Manche Szenen sind ziemlich absurd, und das immer mehr, je mehr die Handlung voranschreitet. Nicht alles ist logisch aufgebaut und so verliert man als Leserin irgendwann den Überblick und leider auch das Interesse daran, wer denn nun warum was getan hat.
Mein Fazit: Der Roman hatte Potenzial, die Figuren sind gut gestaltet und interessant, wenn auch ein wenig schablonenhaft, ebenso wie die Ausgangslage. Aber vieles wird verschenkt durch einen etwas schwerfälligen Stil.
Chris McGeorge – Ein Fall von Majestätsvergiftung
aus dem Englischen von Karl-Heinz Ebnet
Knaur, Oktober 2023
Taschenbuch, 384 Seiten, 16,99 €

Bewertung vom 30.10.2023
Teelicht, Tatort, Tannenduft
Adam, Lea;Bardilac, Eleanor;Bilinszki, Nina

Teelicht, Tatort, Tannenduft


sehr gut

Einmal längs durchs deutsche Land wird gemordet, was das Zeug hält. Alle Jahre wieder. Diese Reihe an Weihnachtskrimis bei Knaur hat schon eine lange Tradition.
Und das zu Recht, denn die kurzen, sehr abwechslungs- und temporeichen Geschichten machen wirklich Spaß – auch wenn von weihnachtlicher Stimmung wenig entsteht. Wird doch mit Vorliebe im Bekannten- oder Familienkreis und unter Nachbarn oder Kollegen gemordet, geraubt, betrogen.
Da geht es um die Frage, wie viele Vanillekipferln eine tödliche Dosis bilden, da wird der Pastor gleich mehrfach ausgeraubt und die Damen des Häkelclubs stehen in Verdacht. Da feiert die Belegschaft zusammen Weihnachten, als merkwürdige Dinge geschehen und jeder jeden verdächtigt. Und da ist das Liebespaar, das sich in einer einsamen Hütte zur Zweisamkeit trifft, dabei aber sehr unliebsame Überraschungen erlebt. Und es gibt die Polizistin, die wieder einmal an Weihnachten Dienst schiebt, als dubiose, kryptische Meldungen sie zu einem Einsatz führen.
Die Geschichten stammen aus namhaften und renommierten Federn, wie der von Mona Nikolay, Thomas Kastura, Andreas Gruber, Iny Lorentz, Kirsten Nähle, um nur einige zu nennen.
Natürlich trifft nicht jede Geschichte jeden Geschmack, aber genau das macht ja den Reiz einer solchen Sammlung aus: Es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Ob witzige, dramatische, spannende oder tiefgründige Handlungen, man findet alle Varianten in diesem Buch. Und alle sind, das kann mit Fug und Recht gesagt werden, mörderisch gut geschrieben.
Rahel Schmidt (Hg.) - Teelicht, Tatort, Tannenduft
Knaur, Oktober 2023
Taschenbuch, 431 Seiten, 12,99 €

Bewertung vom 25.10.2023
Schaurige Nächte
Collins, Bridget;Gowar, Imogen Hermes;Hargrave, Kiran Millwood

Schaurige Nächte


sehr gut

Die einzige mir vorher bekannte Autorin der hier zusammengestellten gruseligen Geschichten ist Jess Kidd. Weil ich ihre Romane, die immer auch einen gewissen Gruselfaktor haben, sehr mag, war ich auf diese Sammlung gespannt. Und ich wurde, vor allem von ihr, auch nicht enttäuscht.
Jedoch unterscheiden sich die acht Erzählungen sehr voneinander. Verbindendes Element sind die zeitliche Einordnung – fast alle spielen im viktorianischen England – und die mysteriösen, unerklärlichen und unerklärten Ereignisse, die die Autorinnen und der eine Autor mit wuchtiger Sprache erzählen. Doch sind es ganz unterschiedliche Phänomene, die in den Geschichten eine Rolle spielen, und völlig verschiedene Stile, in welchen die Texte verfasst wurden.
Man fühlt sich ein wenig an Poe erinnert, an Wilkie Collins und ähnliche berühmte Autoren solcher Art von Romanen. Ob es das merkwürdige Schachspiel ist, dem sich der Protagonist in „Eine Studie in Schwarzweiß“ gegenüber sieht, ob es merkwürdige Vorkommnisse in einem leeren Haus sind, die Geschichten ziehen unweigerlich in ihren Bann.
Jess Kidd erzählt von Lily Wilt, einer jungen, unvergleichlichen Schönheit, deren Leben viel zu früh endet. Ein Fotograf soll diese Schönheit im Bild festhalten, verfällt aber dem schönen toten Mädchen. Und das Schicksal nimmt seinen Lauf.
Gruselig auch die Geschichte um die Aal-Sänger von Natasha Pulley. Besonders beeindruckt hat mich auch die Geschichte „Gefangen“ von Kiran Millwood Hargrave um eine junge Mutter, die von Halluzinationen verfolgt wird, die ihr Neugeborenes schützen will und das Gegenteil erreicht.
Doch es gab auch die eine oder andere Erzählung, die mich nicht so überzeugte, wie „Ungeheuer“ von Elizabeth Macneal um einen Mann, der unbedingt berühmt werden will mithilfe eines sensationellen Fundes.
Insgesamt sehr unterhaltsame, unheimlich gut geschriebene Geschichten, die man sich auch gut bei Kerzenschein in einer dunklen Nacht am Kamin vorlesen könnte. Gewohnt hervorragend übersetzt sind die Texte von Werner Löcher-Lawrence.
Bridget Collins & andere - Schaurige Nächte
aus dem Englischen von Werner Löcher-Lawrence
DuMont, September 2023
Gebundene Ausgabe, 287 Seiten, 24,00 €

Bewertung vom 23.10.2023
KUNTH Bildband Kraftorte
KUNTH Verlag

KUNTH Bildband Kraftorte


sehr gut

Feuer und Erde, Luft und Wasser – wo wir Kraft finden können
Kraftorte
Tempel und Kathedralen ragen in den Himmel, ein Feuer verzehrt einen Krater. Mit dem Boden verwurzelte Bäume, rauschender Wasserfall oder stiller See – all diese Kraftorte rund um unseren Globus stellt dieser wunderschöne und beeindruckende Bildband vor.
Dass man diese Einteilung nach den vier Elementen – wozu sich noch ein fünftes gesellt, das sich nicht Zeit nennt, aber irgendwie doch damit zu tun hat – für das Buch gewählt hat, erscheint mir eine gute und einsichtige Idee zu sein. So ordnet man fast automatisch die jeweilige Kraft dem Ort zu und kann sie, so man sich dorthin begibt, sicher auch finden.
Wobei man, so habe ich das Gefühl, diese Orte gar nicht aufsuchen muss. Schon allein das Betrachten der großformatigen Bilder, der in ungewöhnlichen Perspektiven aufgenommenen Fotografien vermittelt einen guten Eindruck von der Wirkung, die solche Orte entfalten können.
Vorangestellt ist dankenswerterweise ein Kartenteil, so dass man die entsprechende Orientierung hat. Denn wer weiß schon aus dem Stegreif, wo sich Tatta in Pakistan befindet, der Ort, an dem sich eine farbenprächtige Moschee präsentiert. Oder wer kennt das Hypogäum auf Malta, ein Ort, der sich unter der Erde befindet, sich über mehrere Stockwerke erstreckt und als Grabstätte für über 7000 Menschen diente, vor mehr als 3000 Jahren.
Ebenso beeindruckend sind die megalithischen Krüge in Laos, tonnenschwere Steinkrüge, bis zu 2000 Jahre alt.
Wie so viele der Bücher aus dem Kunth-Verlag macht auch dieser Bildband Lust auf Reisen, auf Entdeckungen. Dabei muss man sich im Klaren sein, dass viele der gezeigten Orte auch bedroht sind, von Umweltzerstörung, von Klimaveränderung, von Menschen.
Menschen, die doch viel lieber dieses Orte zum Kraftschöpfen nutzen sollten, zum Innehalten, zum Bewundern und Schützen. Es ist zu hoffen, dass Bücher dieser Art den Menschen genau das vor Augen führen.
Kraftorte
Kunth Verlag, Juni 2023
Gebundene Ausgabe, 320 Seiten, 44,95 €