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Top-Rezensenten Übersicht

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Giselas Lesehimmel
Wohnort: 
Landshut
Über mich: 
Bücher sind die schönste Unterhaltung

Bewertungen

Insgesamt 727 Bewertungen
Bewertung vom 25.01.2024
Der Moment zwischen den Zeiten
Orriols, Marta

Der Moment zwischen den Zeiten


ausgezeichnet

Meine Meinung:
Wie geht man mit doppelter Trauer um?
Man streitet sich mit seinem Partner und wenige Stunden später ist er tot. Das klingt doch nach einem richtigen Albtraum. Oder? Keine Gelegenheit mehr sich auszusöhnen und sich für böse Worte zu entschuldigen. Paula hat das noch viel schlimmer erlebt. Ihr langjähriger Freund teilt ihr bei einem chicken Essen mit, dass er sie für eine jüngere Frau verlassen wird. Nur ein paar Stunden darauf wird er auf seinem Rad von einem Auto überfahren. Er stirbt im Krankenhaus.

Ich habe jedes Wort inhaliert. Konnte nur erahnen, was die 42jährige Paula für Seelenqualen erleidet. Die Geschichte spielt in Barcelona. Ich habe die Trauer gespürt. Dennoch kommt das Buch auch optimistisch rüber. Paula spricht mit ihrem verstorbenen Partner. Kaum jemand weiß, dass sie von ihrem Freund verlassen wurde. Sie eigentlich eine doppelte Trauer verarbeiten muss. Das alles habe ich in einer wunderbaren Sprache erlebt. Besonders gut haben mir die Rückblenden aus Paulas Leben gefallen. Schon als 7jähriges Mädchen musste sie versuchen, den Tod der Mutter zu verarbeiten. Das war eigentlich kaum möglich, da ihr Vater mit seiner eigenen Trauer beschäftigt war. Er seinem kleinen Mädchen nicht wirklich die nötige Wärme vermitteln konnte. Das Verhalten von Vögeln erforschen war seine Art, mit der Trauer umzugehen. Trotzdem spürt man die große Liebe, die er für seine Tochter hat. Schenkt ihr Weihnachten ein Lied, das genau zu Paulas Lebenssituation passt. Die Pianoklänge dazu lassen Paulas Herz vor lauter Liebe zu ihrem Vater überlaufen. Mir haben sie ein paar Tränen entlockt. Paula ist Neonatologin. Sie steckt ihr ganzes Herzblut in diesen Beruf. Es gab einige Situationen, die mich richtig traurig gestimmt haben. Aber auch positive Wendungen konnten mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern. Sei es bei den Frühchen oder bei Paulas Trauer. Ihrem Leben in Schwarzweiß beim bunter werden zu beobachten, kommt sehr emotional daher.

Fazit:
Eine doppelte Trauer zu verarbeiten ist nicht leicht. In einer bildhaften Sprache führt uns Marta Orriols durch die verschiedenen Trauer Phasen. Dies geschieht mit sehr viel Empathie und nicht durchgehend traurig. Das Setting ist gut gewählt. Ich war noch nie in Barcelona, konnte es mir aber sehr gut vorstellen. Die Protagonisten kommen authentisch rüber. Die Versuche eine trauernde Frau zu trösten kommen mitten aus dem Leben. Aber wie kann man mit einer doppelten Trauer fertig werden, für ein und den selben Mann? Das lest Ihr am besten selbst.

Danke Marta Orriols, für diese wertvolle Geschichte.

Bewertung vom 21.01.2024
Das Erbe der Pandora Blake
Stokes-Chapman, Susan

Das Erbe der Pandora Blake


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Spannende Reise in das London um 1800

Ein abenteuerlicher Tauchgang hat mich gleich am Anfang förmlich in die Geschichte gezogen. Die Sogwirkung hat auch im weiteren Verlauf nicht nachgelassen.

Besonders nahe ging mir Pandora Blake. Dora musste nach dem Tod ihrer Eltern bei ihrem garstigen Onkel Hezekiah leben. Einst hatten ihre Eltern ein angesehenes Antiquitätengeschäftin in London. Ihr Onkel hatte innerhalb kürzester Zeit einen Ramschladen mit Fälschungen daraus gemacht. Doch das ist bei weitem noch nicht alles. Er bringt Dora kein bisschen menschliche Wärme entgegen. Die junge Frau stellt bezaubernden Schmuck aus allen möglichen Fundstücken her. Sie hofft damit einmal ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Wie sich Hezekiah und seine unfähige Haushälterin im weiteren Verlauf gegenüber seiner Nichte verhalten, ist einfach nur unterirdisch. Doras Leben erfährt erst dann eine positive Wendung, als der Hobby - Ärchäolge Edward den Laden betritt.

Alles was ein Buch für mich interessant macht, konnte ich in dieser Geschichte finden. Eine geheimnisvolle Familiengeschichte, garniert mit einem geheimnisvollen Fund. An Spannung und Liebe mangelt es auch nicht. Zweiteres spross wie eine zarte Pflanze. Überhaupt liebe ich historische Romane, die in London spielen. Von den schlechten Gerüchen bis zu den Protagonisten konnte ich mir alles bildlich vorstellen. Wir erleben das Geschehen überwiegend aus der Sicht von Dora und Edward. Auch der zwiespältige Hezekiah lässt uns des öfteren an seinem fiesen Gedankengut teilhaben. Selbst ruhigere Passagen konnten mich gut unterhalten.

Fazit:
Diese abenteuerliche Geschichte, mit einem Schuss Mystik, hat mir spannende Lesestunden beschert. Die Protagonisten sind gut gezeichnet. Auch die Nebencharaktere wissen zu überzeugen. Ob mir das Ende gefallen hat? Das verrate ich jetzt mit Sicherheit nicht. Geheimnisse sollte jeder selber entdecken. Ach, und bevor ich es vergesse: Ich mag die diebische Elster Hermes.



Danke Susan Stokes-Chapman. *Das Erbe der Pandora Blake* ist mein zweites Highlight 2024.

Bewertung vom 18.01.2024
Gentleman über Bord
Lewis, Herbert Clyde

Gentleman über Bord


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Ein tiefgründigerKlassiker

Nicht selten hört man von schwerkranken Menschen, wie selbstverständlich sie doch ihr Leben und ihre Gesundheit genommen haben. Vielen belanglosen Dingen zu viel Beachtung schenkten.Was uns allen jedoch die größte Sorge bereitet, irgendwann mal hilflos auf fremde Hilfe angewiesen zu sein. Um sich mit solchen Dingen zu beschaftigen, braucht es jedoch nicht immer eine Krankheit. Ein kleines Missgeschick reicht auch. Ein Ölfleck auf dem Deck ist daran schuld, dass der erfolgreiche New Yorker Geschäftsmann Henry Preston Standish kopfüber im Atlantik landet. Der gut situierte Gentleman möchte nicht laut um Hilfe schreien. Zumal es doch eine Schande ist, wenn jemand in seiner Position so tollpatschig mitten im Atlantik landet. So begutachtet er erst mal den wunderschönen Sonnenaufgang. Schaut dem Schiff dabei zu, wie es immer kleiner wird. Ist sich seiner Hilflosigkeit bewusst.Er kann keine Hilfe erwarten, für den Moment.

Den Gedanken von Henry habe ich sehr gerne gelauscht. Befindet er sich doch das erste Mal in seinem Leben in der Situation, sich mit sich selbst befassen zu müssen. Ganz allein im Atlantik lässt er sein Leben Revue passieren. Sehnt sich nach den Dingen, denen er überdrüssig wurde. Was gäbe er jetzt für einen Scotch mit Soda und einer Zigarette. Dieser Klassiker lebt von der Hoffnung, die die Leserschaft für Henry entwickelt. Henry ist doch ein angenehmer Zeitgenosse. Das haben auch die anderen Passagiere bemerkt. Was zeitgleich auf dem Schiff passiert, scheint nicht von dieser Welt zu sein. Lug und Trug und eine gewisse Befangenheit, hindern die Passagiere daran zu melden, dass Mr. Standish von Bord gegangen ist. Keiner möchte dem ruhigen, in sich gekehrten Standish auf die Pelle rücken.

Henrys Gemütszustand wechselt zwischen Verzweiflung, Zorn und Hoffnung hin und her. War doch sein Leben bisher nie von irgendwelchen Entbehrungen geprägt. Zwischen dem Bewusstsein sterben zu müssen, mischt sich immer wieder die Freude seiner Frau und den Kindern von seinem Abenteuer zu erzählen.

Ich habe darauf gewartet, wann Henrys Abwesenheit bemerkt wird und das Schiff umkehrt. Habe Henry stellenweise um seinen Optimismus beneidet. Mir die Geschichte seiner Familie angehört. Hätte ihm gerne seinen geliebten Scotch mit Soda und eine Zigarette gereicht. Irgendwie war ich mir sicher, Henry wird es schaffen!

Fazit:
Was passiert mit einem Menschen, der mitten im Atlantik unbemerkt über Bord geht? Wir wissen es alle. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.

Ich empfehle das interessante Nachwort von Jochen Schimmang zu lesen. Der Autor Herbert Clyde Lewis ist Henry gar nicht mal so unähnlich.

Erwähnenswert ist das wunderschöne in Leinen gebundene Buch in einem Schuber.

Danke Herbert Clyde Lewis. Ein großes Dankeschön an den Mare Verlag, für die Neuauflage dieses Klassikers. Mein Dank geht auch an Klaus Bonn für die Übersetzung. Danke für das informative Nachwort Jochen Schimmang.

Bewertung vom 17.01.2024
Männer töten
Reisinger, Eva

Männer töten


gut

Meine Meinung:
Hält nicht, was der Klappentext verspricht
Ich hatte ziemlich hohe Erwartungen an das Buch, da es mir sehr empfohlen wurde. Ziemlich zwiegespalten hat mich diese Geschichte zurück gelassen. Einerseits punktet sie durch den flüssigen Schreibstil, anderseits lässt sie mich etwas ratlos zurück. Ich wollte mehr darüber erfahren, warum keiner ernsthaft nach den verstorbenen/vermissten Männern sucht. Stattdessen weiß ich jetzt, wie oft die jungen Frauen besoffen waren und gespeit haben. Habe dazu gelernt, wie man Kühe zum Pudern bringt.

Klar, es handelt sich hier um eine Utopie. Dennoch fehlen mir einige Antworten. Wann genau hat das Matriarchat in Engelhartskirchen seinen Anfang genommen? Hier hätte ich mir intensivere Beschreibungen der Frauen, die die Morde begangen haben, gewünscht. Dachte ich Anfangs dass in dem Buch kaum Männer vorkommen, so wurde ich nun eines besseren belehrt. Wir erfahren die Ereignisse aus der Sicht von Anna Maria. In Berlin hatte sie eine toxische Beziehung zu Friederich. Ihre Romanze war von Drogen und Alkohol geprägt. Nachdem Anna einen heftigen Fahrradunfall in Berlin hatte, nimmt ihr One Night Stand Hannes Anna mit nach Engelhartskirchen auf seinen Bauernhof. Auf dem Hof fragt keiner nach ihrer Vergangenheit. Auch die verwitwete Mutter von Hannes empfängt sie mit offenen Armen. Zu Hannes Bruder Jacob hat sie auch sofort einen guten Draht. Sie wird sofort von den anderen jungen Frauen im Ort gut aufgenommen. Erlebt als erstes eine Polter mit und läuft mit den Frauen und einem Kasten Bier durch den Ort.

Der Zusammenhalt in Engelhartskirchen hat mir gut gefallen. Das Leben auf dem Hof ist gut beschrieben und wirkt einladend. Dennoch habe ich immer auf den großen Knall gewartet. Bekommen habe ich ein kleines, von Blut und Gewalt geprägtes Schüsschen. Das Ende hat mich ein bisschen ratlos zurück gelassen. Ich konnte das Verhalten der Frauen nicht nachvollziehen. Fand ihre Selbstjustiz des öfteren total unangebracht. Das eine oder andere mal konnte ich es verstehen, natürlich nicht befürworten. Es gab zwei Szenen, die hätten gut in einen Cosy Crime gepasst. Aber ansonsten gab es wahrlich nichts zu lachen. Mir war auch der Fokus zu sehr auf Annas Befinden gerichtet. Ich hätte gerne alle Protagonisten näher kennen gelernt.

Fazit:
Die Inhaltsangabe passt, (meiner Meinung nach,) nicht zum Inhalt des Buches. Vor allem macht sich Anna erst sehr spät über irgend etwas im Dorf Gedanken. Hinterfragt nur sporadisch zwischen Saufen und Speien was. Die Autorin hat das Augenmerk auf zu viele Nebensächlichkeiten gerichtet. Zu den Protas konnte ich keine Beziehung aufbauen. Ich bekam sie einfach nicht zu fassen. Die Morde enthalten eine Brutalität, die es für die Geschichte nicht gebraucht hätte. Interessant fand ich das Dorfleben an sich. Die Hochzeit zweier Frauen bringt auch etwas Schwung in das Geschehen. Lesen lässt sich das Buch, trotz Kritikpunkte, wie Butter. Man rutscht förmlich durch die Seiten um zu wissen was noch kommt. Beim Ende blicke ich absolut nicht durch.

Von mir knappe 3 Sterne und eine bedingte Leseempfehlung.

Danke Eva Reisinger

Bewertung vom 14.01.2024
Der Zauberer vom Cobenzl
Balàka, Bettina

Der Zauberer vom Cobenzl


ausgezeichnet

Meine Meinung:
Wissenschaft in poetischer Sprache

Den Schwestern Hermine und Ottone erscheint ein selbstbestimmtes Leben so fern, wie ihres Vaters Wissenschaften. Carl Ludwig Freiherr von Reichenbach möchte die Existenz von Od bestätigen. Nur mit *Sensitiven* kann er weiter forschen. Seine Töchter und der Freiherr höchst persönlich, sind nicht in der Lage, die Kraft, welche aus verschiedenen Dingen per Licht strömt, zu sehen. Überhaupt scheint der ehemalige Industrielle, zum Scheitern verurteilt. Egal was er anpackt.
Während Hermine ein Händchen für die Pflanzenwelt hat, entlockt Ottone dem Klavier liebliche und höchst professionelle Töne. Den Begabungen seiner Töchter begegnet der Freiherr wohlwollend und unterstützt diese sehr. Nur heiraten erlaubt er den Töchtern nicht. Sollen sie doch lieber ihre Talente nutzen und dem Vater zur Seite stehen.

Die Geschichte spielt im 19.Jahrhundert. Die anspruchsvolle Sprache kommt oftmals sehr poetisch daher. Es handelt sich hier um einen biografischen Roman. Das macht die Geschichte zu etwas ganz Besonderen. Konnte ich mich auch des öfteren nicht entscheiden ob ich den Freiherrn für verrückt halten soll, so kam ich doch nicht umhin, seinen unermüdlichen Eifer zu bewundern. Mit großem Interesse habe sämtliche Wissenschaften verfolgt, die damals noch in Kinderschuhen steckten. Dennoch waren sie Wegweiser für spätere Erkenntnisse. Meteoriten spielen eine Rolle, deren Gesteinsbrocken Reichenbachs Interesse erweckten. Überhaupt brannte Reichenbach ziemlich schnell für ungewöhnliche Erscheinungen.

Den Werdegang der Töchter habe ich noch lieber verfolgt. Waren sie doch einerseits gesegnet, ob der vielen beruflichen Möglichkeiten, so mussten sie sich beim Vater vehement durchsetzen, damit ihre Herzen nicht verhungerten. Beruflich erfolgreiche Frauen, bekamen schließlich keine Ehemänner ab. Zwischen Revolution und Erfindergeist hatte jedoch auch die Liebe noch Platz.

Der Schreibstil hat mir außerordentlich gut gefallen. Es dauerte ein bisschen, bis ich mich darauf einlassen konnte. Aber dann wollte ich das Buch nicht mehr zur Seite legen. Die Geschichte kommt irgendwie ein bisschen Fantasy - lastig daher. Geheimnisvoll und stellenweise charmant.

Fazit:

Zwischen Erfindergeist und Hungertuch kämpft Freiherr von Reichenbach um Beachtung. Ein Mann, der zu seinen Überzeugungen steht und dafür kämpft. Der anscheinend seinen tiefen Fall als letzter bemerkt. Zwei junge Frauen, die den Weg für uns Frauen heute, ein Stück weit geebnet haben. Diese interessante Familiengeschichte empfehle ich gerne weiter. Habe ich doch das Leuchten auch gesehen. In den Augen von Hermine und Ottone. Ein Leuchten, welches nur Verliebte in ihren Augen haben.
Von mir eine absolute Empfehlung. Danke Bettina Balàkas.

Bewertung vom 14.01.2024
Kleine Freuden
Chambers, Clare

Kleine Freuden


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Es war mir eine große Freude

Kleine Freuden ist ein Titel, der an Untertreibung nicht zu überbieten ist. Dieses Buch war mir eine große Freude. Es kommt ohne reißerische Protagonisten aus. Vielmehr punktet jeder einzelne mit absoluten Erkennungswert. Der bildhafte Schreibstil hat mich die 50er Jahre in England miterleben lassen. Der eingestreute englische Humor hat mir des öfteren ein Lächeln ins Gesicht gezaubert.

Dabei hat mich die Inhaltsangabe ganz und gar nicht angesprochen. Durch die Empfehlung einer Bücherfreundin, habe ich mich dann doch an das Thema der unbefleckten Empfängnis (Parthenogenese) herangewagt.

Was macht die Geschichte so liebenswert? Keiner führt ein problemloses Leben. Dennoch geht einem die Liebenswürdigkeit jedes einzelnen ans Herz. Es passierten Dinge in der Vergangenheit, deren Erklärungen mir spannende Lesestunden beschert haben. Des Rätsels Lösung habe ich zwar von Anfang an erahnt, dennoch war ich auf das endgültige Ergebnis sehr gespannt.

Fazit:
Die kleinen Dinge, die Freude machen, haben das Buch zu etwas sehr Großen gemacht. Die Suche nach einem kleinen bisschen Glück hat mein Herz berührt. Das Ende war am Anfang schon zu lesen. Doch wen es betroffen hat, ließ mich traurig zurück. Das offene Ende lässt mein Kopfkino weiter arbeiten.

Danke Clare Chambers. Sie haben mir das erste Highlight 2024 beschert.

Bewertung vom 09.01.2024
Das späte Leben (eBook, ePUB)
Schlink, Bernhard

Das späte Leben (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Meine Meinung:

Sehr emotional und dennoch nüchtern erzählt

Ich weiß nicht, was ich mir von dem Buch erhofft habe. Ich weiß nur, meine Erwartungen wurden übertroffen. Das mag daran liegen, dass die Geschichte so alltäglich daher kommt. Martin erzählt nüchtern von seiner Diagnose und wie er damit umgeht. Auf kräftezehrende Behandlungen verzichtet er. Erst denkt er, der Arzt hat seine Diagnose mit jemandem anderen verwechselt. Doch schon sehr bald findet er sich mit der Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs ab. Er möchte mit seiner jungen Frau und dem kleinen Sohn noch ein paar gute Wochen verbringen. Doch nicht immer läuft alles harmonisch ab. Martin macht das beste daraus. Er lüftet Geheimnisse und versucht alles in gute Bahnen zu lenken. Für seinen kleinen Sohn schreibt er einen Brief. Wenn er älter geworden ist, hat er dadurch wieder ein kleines bisschen Kontakt zu seinem Vater. Nichts wird hier beschönigt. Schon gar nicht unnötig dramatisiert. Dennoch kann man große Gefühle zwischen den Zeilen spüren. Sterben gehört zum Leben. Wie wertvoll die letzten Wochen sein können, hat Bernhard Schlink sehr gut rüber gebracht.

Fazit:

Vor dem Sterben nochmal richtig leben. Noch einmal ans Meer.



Diese ausdrucksstarke Geschichte ist sehr berührend, ohne zu sehr gewollt auf die Tränendrüse zu drücken.

Danke Bernhard Schlink für diese wertvolle Geschichte.

Bewertung vom 07.01.2024
Die Farben unserer Träume
Beck, Lilli

Die Farben unserer Träume


ausgezeichnet

Meine Meinung:
Tolle Familiengeschichte um ein Findelkind

Der Prolog hat mir ein paar Tränen entlockt. Es ist Winter und sehr kalt. Eine verzweifelte junge Frau stellt einen ärmlichen Weidenkorb, mit einem Baby darin, vor dem Friseursalon Sonnlechner ab. Klopft und versteckt sich in einer Ruine gegenüber. Beobachtet wie ihr kleines Mädchen von dem Ehepaar entdeckt wird ....

Das ist nicht mein erster historischer Roman von Lilli Beck. *Die Farben unserer Träume* spielt in München der 60er. Die Auswirkungen des 2. Weltkrieges sind noch zu spüren. Die etwas ältere Generation hält noch an alten Werten fest. Nach diesen Werten möchten die Sonnlechners auch ihre beiden Töchter erziehen. Beide lernen das Friseurhandwerk. Während die ein Jahr jüngere Tochter Elsie mit Leib und Seele im Friseursalon arbeitet, kann Anna es gar nicht erwarten, bis sie 18 Jahre alt ist. Sie ist künstlerisch veranlagt. Ihre Familie nimmt ihr *Hobby* nicht ernst. Überhaupt ist Anna total anders. Die natürliche junge Frau fühlt sich vor einer Leinwand mit Farben und Pinsel wohl. Motzt sich nicht so gerne auf wie ihre Schwester. Kann dem Friseurhandwerk einfach nichts abgewinnen.
Wie der Klappentext schon verrät, geht es in der Geschichte um ein Findelkind. Von Anfang ist klar, dass es sich um Anna handelt. Die Autorin hat das Thema Adoption sehr gut transportiert. Ich kenne eine Frau, die adoptiert worden ist. Auch sie wusste lange nicht, dass sie nicht bei ihren leiblichen Eltern aufgewachsen ist, und hat es, (wie Anna,) durch Zufall entdeckt. Aus vielen Gesprächen damals kann ich sagen, die Beschreibungen im Buch sind identisch. Der Spagat zwischen Handwerk und Kunst ist absolut gelungen. Die Kluft zwischen Jung und Alt ist gut eingefangen. Ich liebe die Geschichten von Lilli Beck. Ein Stück weit habe ich diese Zeit selbst miterlebt. Besonders gut hat mir der Mix aus Liebesgeschichte, Gemäldemalerei und Friseurhandwerk gefallen. Ich habe mich wieder an eine Zeit erinnert, bei der es noch keine Friseur ketten gab. Mich daran erinnert, wie besonders früher ein Besuch im Friseursalon war. Die Künstlerszene in Schwabing hatte ich bildlich vor Augen. Ist es doch auch der Ort, bei dem Anna ihren Seelenverwandten gefunden hat. Annas Werdegang fand ich total spannend. Sie hat für ihren Lebenstraum und große Liebe gebrannt. Starke Entbehrungen akzeptiert und das Beste daraus gemacht.

Fazit:

Diese spannende Geschichte behandelt wichtige Themen. Eine Adaption und die damit verbundenen Probleme. Die Flower Power Zeit in all ihren Facetten kommt gut rüber. Schlaghose, lange Haare gegen Anzug und gepflegten Kurzhaarschnitt war auch Thema in meiner Jugend. Mini oder Maxi hat die Gemüter gespalten.

Ich war wieder mal gerne in München. Konnte in ein paar Erinnerungen schwelgen. Einziger Kritikpunkt für mich ist das Ende. Das hat überhaupt nicht zu Anna gepasst.

Herzlichen Dank Lilli Beck. Ich hatte wunderschöne Lesestunden.

Bewertung vom 04.01.2024
Aspergers Schüler
Baldini, Laura

Aspergers Schüler


ausgezeichnet

Meine Meinung:
*Gegen das Vergessen*

Ich habe Probleme zu schreiben, dass mir dieser Roman gefallen hat. Warum? Weil dies ist eins der traurigsten Bücher ist, die ich je in meinem Leben gelesen habe.

1926, Uniklinik Wien

Ich darf an Erichs Gedankenwelt teilnehmen. Der 8jährige spricht nicht viel und sein Umfeld enthält zuviele Reize, die er nicht verarbeiten kann. Einzig die liebevolle Krankenschwester Viktorine findet Zugang zu ihm. Ist beeindruckt von Erichs Zahlenverständnis. Viktorine liebt den kleinen Jungen. Gibt im so viel Zuwendung wie möglich. Sie verehrt Dr. Hans Asperger, den Entdecker des Aspergers Syndrom. Der österreichische Arzt erforscht das Verhalten von Kindern, die sich nicht in die Gemeinschaft einfügen können. Auch er zeigt Geduld für die Kinder. Die meisten Kinder in der Klinik sind von ihren Eltern aufgegeben worden. So konnte den Kleinen gar nichts besseres passieren, als von Dr. Asperger und Viktorine betreut zu werden. Doch dann hält das NS-Regime Einzug ....

1986 erforscht die junge Psychologin Sarah die Geschichte um Dr. Asperger und die damaligen Geschehnisse in der Klinik. Stellenweise wird es der jungen Frau zuviel. Was sie und der Journalist Stefan ans Tageslicht bringen, könnte genauso gut einem Horrorroman entsprungen sein.

Der Schreibstil ist mitreißend. Abwechselnd wird aus der Sicht von Viktorine, Erich und Sarah erzählt. Erichs Gedankenwelt ist mir besonders nahe gegangen. Der hochintelligente Junge fühlt sich im Klassenzimmer wohler, wenn er neben einer Wand sitzt. Auf den ersten Blick scheint es, als könnten er und die anderen Kinder keine Gefühle zeigen. Nur mit viel Empathie und Geduld kann man den Kindern näher kommen. Erich empfindet es als besonders schlimm, wenn er in eine Zwangsjacke gesteckt wird. Seine Gedanken in diesen Momenten haben mir einige Tränen entlockt.
Nachdem das Nazi Regime das Sagen in der Klinik hat, flüchten qualifizierte jüdische Ärzte. Was dann mit den Kindern passiert, will man wirklich nicht lesen. In Österreich hat man lange die Augen vor diesen Gräueltaten verschlossen. Beim Lesen dachte ich mir oft, ob Dr. Asperger nicht selbst ein Autist war. Im späteren Verlauf äußert auch Sarah den Verdacht. Genau kann man einfach nicht sagen, wie weit der Arzt in die Gräueltaten an Kindern involviert war. Wie oft Kinder von ihm in die Heilanstalt *Spiegelgrund* überwiesen wurden, bei der Nazi-Ärzte die Kinder zu Tode quälten. Sarahs Recherchen und Begegnungen sind spannend und sehr emotional. Sie gelangt an Aufzeichnungen von Viktorine. Ich bin sehr beeindruckt von der mutigen Krankenschwester. Mehr möchte ich jetzt nicht mehr erzählen.

Fazit:
Wieder ein Buch *Gegen das Vergessen*! Diese wunderbare Romanbiografie mutet besonders tragisch an, da es hier um Kinder geht. Das Buch ist ausnehmend gut geschrieben. Was damals passiert ist kann keinem gefallen.

Danke Laura Baldini für die Einblicke.

Bewertung vom 01.01.2024
Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1
Åslund, Sandra

Im Herzen so kalt / Maya Topelius Bd.1


ausgezeichnet

Meine Meinung:
Spannender Schwedenkrimi
Das war seit einiger Zeit wieder mal ein Krimi, bei dem ich lange keine Ahnung hatte, wer für die Morde verantwortlich ist. Meine Vermutungen haben sich dieses mal nicht bewahrheitet. Ferner habe ich einiges über die Waldkultur Schwedens gelernt. Kahlschläge, die große Teile von Wäldern ruinieren, um einer Monokultur zu weichen. Das dies in Schweden so praktiziert wird, habe ich wirklich nicht gewusst. Die Autorin hat dieses Umweltproblem spannend in ihrem Krimi eingesetzt. Ein kleines Mädchen entdeckt im Wald die Leiche eines Mannes. Wie sich herausstellt handelt es sich um den Umweltaktivisten Mats Anderberg. Ein Mann, der sich mit seinem Einsatz sehr unbeliebt gemacht hatte.

Das Ermittlerduo Maya Topelius und Pär Stenqvist kommt total sympathisch und kompetent daher. Die zwei Stockholmer bekommen den Auftrag mit den Ermittlern in Östersund zusammen in einem Mordfall zu ermitteln. Anfangs verhalten sich die Kollegen in Nordschweden unkooperativ. Doch schon bald schätzen sie die die gute Zusammenarbeit mit den zwei Stockholmern. Besonders dann, als noch ein weiterer Toter im Wald gefunden wird ....

Wie immer bei Schweden Krimis konnte ich die eisige Kälte spüren. Von Anfang an herrscht eine Spannung, die sich kontinuierlich steigert. Auch ruhigere Passagen wissen gut zu unterhalten. Es gibt einige Szenen, die den Puls in die Höhe treiben. Besonders als ein kleines Mädchen im dunklen Wald bei Schneesturm um ihr Leben rennt ....

Gewalt gegenüber Frauen ist auch ein sehr wichtiges Thema, welches die Autorin raffiniert in die Geschichte integriert hat.

Fazit:
Von mir eine absolute Empfehlung für diesen atmosphärischen Krimi.

Danke Sandra Åslund.