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Benutzername: 
lalunara
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Heidesee
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lese fast alles

Bewertungen

Insgesamt 96 Bewertungen
Bewertung vom 21.09.2023
Kajzer
Kaiser, Menachem

Kajzer


ausgezeichnet

Interessant bis spannend
Ich bin mit einer bestimmten Erwartung an das Buch gegangen. Ich dachte, es würde sich darum drehen, jüdischen Grundbesitz in Polen zurück zu erhalten. Aber das trifft nur für einen Teil dieses Buches zu.
Es ist ein Sachbuch, kein Roman. Das machte es manchmal schwierig für mich, wenn sich der Autor ein wenig in philosophische Betrachtungen seiner Erlebnisse und Entdeckungen verstieg.
Aber die Hartnäckigkeit, mit der Kaiser über Jahre mit seiner Anwältin kämpfte, um in Polen so etwas wie Recht gesprochen zu bekommen, ist schon bemerkenswert. Ich wusste nicht, dass es einen Unterschied gibt, jemanden für tot zu erklären oder anzuerkennen, dass jemand tot ist. Polen macht es offensichtlich den Holocausterben nicht einfach, verlorenen Besitz wieder zu erhalten.
Überhaupt glaube ich, auch in heutiger Zeit in Polen eine Art Antisemitismus aus den Erlebnissen des Autors zu erkennen.
Ich muss gestehen, von der Aktion Riese der Nazis habe ich zum ersten Mal gelesen. Allerdings kann man im Internet ja über fast alles recherchieren und deshalb weiß ich nun etwas mehr darüber.
Über den legendären Goldzug der Nazis habe ich vor ein paar Jahren neue Entwicklungen, die offensichtlich im Sande verliefen, mitbekommen. Auch interessante Einblicke in ein Stück Verbrechensgeschichte.
Sehr spannend empfand ich die Entdeckung eines „Großvaters“ von Kaiser, eigentlich der Cousin seines Großvaters. Was Kaiser hier herausgefunden hat, ist sehr interessant und war auch völlig unerwartet. Für mich der sympathischste Teil dieses Buches.
Wer also nur eine Geschichte über ein verlorenes Haus erwartet, sieht sich mit vielen anderen Geschichten konfrontiert, die alle gut recherchiert erscheinen. Es lohnt sich, dieses Buch zu lesen.

Bewertung vom 18.09.2023
60 Kilo Kinnhaken
Helgason, Hallgrímur

60 Kilo Kinnhaken


ausgezeichnet

Ein wirklich großer Roman

Ist mir der Protagonist Gestur sympathisch geworden? Diese Frage kann ich auch nach dem Lesen des großen Romans „60 Kilo Kinnhaken“ nicht beantworten. Ihm passieren die Ereignisse, er lässt sich ausnutzen, übers Ohr hauen. Nicht einmal habe ich ihn als Macher seines eigenen Lebens empfunden. Solche Menschen sind für mich schwer zu verstehen. Ich kann mich sogar nicht ins sie hineinversetzen.
Hallgrimur Helgason hat einen Roman geschrieben, den man nicht eben mal in 1,5 Tagen wegliest. Nicht, weil das Buch fast 700 Seiten umfasst, sondern weil es, wenn man nicht in Island beheimatet ist, sehr schwer ist, sich einzufinden, in die vielen örtlichen Namen, die vielen Personen…
Helgason schreibt sehr ausformuliert, möglicherweise langatmig. Das muss jedoch jeder Leser nach eigenem Empfinden beurteilen. Ich möchte meinen, er ist ein Künstler der Sprache, jedoch nicht für jedermann geeignet.
Die Geschichte Islands, die Beschreibung der dort wohnenden Menschen und ihre Lebensumstände werden sehr gut beschrieben. Auch wenn mir die Lebensbedingungen auf Island zwischen 1906 und 1920 zum Glück fremd sind, konnte man sich doch vorstellen, wie es vielleicht damals dort zugegangen ist. Nur sehr schwerfällig mit dem Erstarken des industriellen Heringsfangs kommen moderne Annehmlichkeiten auf die Insel, wie das Telefon oder Häuser aus Holz oder Beton und Autos.
„60 Kilo Kinnhaken“ ist der Nachfolgeband des Romans „60 Kilo Sonnenschein“. Diesen kenne ich nicht, denke aber, es würde die Zeit noch vertiefen und den 2. Band besser verstehen machen.
Der Roman „60 Kilo Kinnhaken“ ist ein Buch für alle, die sich gern viel Zeit zum Lesen nehmen und es lieben in wohl formulierte Worte und Sätze aufzugehen.

Bewertung vom 10.09.2023
Als wir an Wunder glaubten
Bürster, Helga

Als wir an Wunder glaubten


ausgezeichnet

Sehr kurzweilige Lektüre, spannend

Ich habe für diesen Roman leider nur 1,5 Tage gebraucht. Ich hing förmlich am Buch. Es hat mir sehr sehr gut gefallen. Beschreibungen über die Nachkriegszeit, über das Leid der Menschen, aber auch den Mut und die Kraft, sich selbst aus dem Dreck zu ziehen, fesseln mich immer.
Auch wenn ich den Glauben an Hexenwerk und Moorgeistern nicht ganz nachvollziehen kann, so finde ich doch beeindruckend, wie sehr und wie schnell manche Menschen zu überzeugen sind und diese dann auch keines klaren Gedankens mehr fähig.
Wenn heute gern offiziell dargestellt wird, dass man zum Zweck der Identifizierung Kriegsleichen gesichert und umgebettet hat, so ist es auch sicher häufiger vorgekommen, dass man sie einfach verschwinden ließ, wenn man auf sie stieß, um den „Fortschritt“ nicht zu verzögern und keine polizeilichen Ermittlungen in Gang zu setzen.
Damals, in den 50-er hat man die Moore trockengelegt, heute weiß man, dass dies zum Schaden war und legt sie wieder an. Das ist der Lauf der Geschichte.
Helga Bürster ist ein Zeitzeugnis gelungen, ohne den erhobenen Zeigefinger.

Bewertung vom 27.08.2023
Eigentum
Haas, Wolf

Eigentum


ausgezeichnet

Ein Leben lang sparen und doch auf keinen grünen Zweig kommen

Das einfache Cover vom Buch „Eigentum“ von Wolf Haas hat mich sofort angesprochen und die Leseprobe fand ich sehr interessant.
Die aktuelle Geschichte beginnt 2 Tage vor dem Sterben der Mutter. Der Sohn – der Erzähler wechselt zwischen Jetztzeit und Lebensgeschichte seiner Mutter. Seine Mutter ist eines von 10 Kindern ihrer Eltern gewesen und musste frühzeitig ihr Heim verlassen, um selbstständig zu werden und etwas Geld zu verdienen.
Sie wird groß mit dem Leitsatz: „Sparen, sparen, sparen“. Ihr Leben lang hat sie gespart und hätte gern irgendwann einmal Eigentum erworben. Dies wird ihr leider erst mit dem Tode zuteil durch die Grabstelle, auf der sie beigesetzt wird.
Besonders interessant fand ich die Einstellung der Mutter zum Leben. Kein noch so widriger Lebensumstand stellte ein tatsächliches Problem dar. Lebensumstände wurden angenommen und gemeistert ohne große Klagen.
Leid getan hat mir die Tatsache, dass sie es trotzt größter Sparsamkeit, nie zu einer eigenen Wohnung, einem eigenen Haus gebracht hat. Im Prinzip ist dies im Hier und Jetzt ja auch nicht anders, durch ehrliche Arbeit im unteren Lohnsektor wird man nie die Chance bekommen, Eigentum zu erwerben. Inflation und Zinsen fressen Angespartes auf. Eine Tragik, die viele Menschen betrifft.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen. Anfänglich musste ich mich reinfinden in die Sprünge zwischen Vergangenheit und Gegenwart, zwischen der Erzählung der Mutter und der des Sohnes.
Eine alte Dame hat sich von dieser Welt verabschiedet und ihr wurde vom Sohn ein wunderbares und liebevolles Denkmal gesetzt in Form dieses Buches. Lesenswert.

Bewertung vom 23.08.2023
Diese paar Minuten
Habringer, Rudolf

Diese paar Minuten


ausgezeichnet

Traurige Geschichten
Ich kannte Rudolf Habringer noch nicht, aber ich denke, dass ich sicher noch das ein oder andere Buch von hm lesen werde. Die 12 Kurzgeschichten im Büchlein "Diese paar Minuten" haben mich alle sehr berührt. Einige Geschichten sind miteinander verwoben. Erzählt werden mehr oder weniger banale Ereignisse im Leben unterschiedlicher Menschen, die dann aber zum Teil gravierende Folgen haben, wie der Unfalltod mit Fahrerflucht eines jungen Mädchens durch den Liebhaber der Mutter. Der dies aber gar nicht mitbekam und wo letztendlich auch niemand wegen Fahrerflucht ermittelt. Unbescholtene Bürger werden in kriminelle Machenschaften hineingezogen. Es geht um Seitensprünge.
Die erste Geschichte fesselt bereits total. Diese kann man auch als Leseprobe lesen. Eine sehr traurige Geschichte. Es geht um den Tod eines Ungeborenen und ebenso um den Unfalltod eines Nachbarn des Vaters.
Lohnt sich unbedingt zu lesen.

Bewertung vom 21.08.2023
Und wir tanzen, und wir fallen
Newman, Catherine

Und wir tanzen, und wir fallen


ausgezeichnet

liebevolle Begleitung bis zum Ende

Ich bin hin- und hergerissen. Das Buch „Und wir tanzen, und wir fallen“ von Catherine Newman ist gut, richtig gut. Es liest sich flüssig. Ab und an bin ich über das viele Englisch gestolpert – ich gehöre einer Genration an, die englisch ein paar Jahre in der Schule hatte und dann nie wieder. Aber es stört eigentlich nicht, da die Geschichte in den USA spielt und letztendlich sprechen die meisten dort englisch.
Es geht um eine Freundschaft / Liebe. Seit Kindertagen sind Edi und Ash befreundet und haben auch jede Menge miteinander erlebt. Edi hat Krebs im Endstadium. Sie wohnt mit Mann und Sohn in New York, Ash inzwischen in Western Massachusetts. Edi soll aus dem Krankenhaus entlassen werden und in ein Hospiz ziehen. Doch in New York gibt es keine Plätze. So kommt es, dass Edi ihre letzten Tage in einem Hospiz in Massachusetts verbringt, umsorgt von Ash und deren Familie und ganz vielen Freunden.
Die liebevolle Atmosphäre zwischen den beiden Freundinnen und deren Familien und anderen Freunden kann man mit Händen greifen. Es herrscht zumeist Frohsinn und kein Lamentieren über das unausweichliche Schicksal Edis. Es werden Abschiedspartys gefeiert im Hospiz. Der Leser erfährt kleine Episoden über andere Bewohner des Hospizes.
So gesehen eine tolle Geschichte, ein mutmachendes Buch, ein berührendes und sensibles Buch, aber keines, dass mich am Ende in Tränen aufgelöst zurückgelassen hat. Denn das Sterben von Edi ist bunt und begleitet von lieben Menschen. Natürlich ist es traurig, aber nicht so unendlich traurig und schmerzend, wie diese Geschichten meist sind.
Schwer zurecht gekommen bin ich mit der sehr lockeren Art von Ash gegenüber wechselnden Männern, auch gern zeitgleich. Heute den einen, morgen den zweiten und dann wieder einmal der erste, wie es sich gerade ergibt. Damit habe ich ein Problem und ihr (Ex-)mann hatte das wohl auch.
Naja, und eine ihrer Töchter schwänzt permanent die Schule. Das ist auch nicht wirklich tragisch und die andere Tochter zieht es zu Frauen hin.
Alles für sich genommen, nicht dramatisch, aber mich nerven diese „bunten“Regenbogengeschichten“, um die man als monogamer Hetero einfach nicht mehr drum herumkommt. Damit habe ich mich schwergetan. Aber das ist meine subjektive Meinung. Das Buch ist trotzdem sehr gut.

Bewertung vom 31.07.2023
Das Pferd im Brunnen
Tscheplanowa, Valery

Das Pferd im Brunnen


ausgezeichnet

Berührend und traurig

Ich tat mich erst ein wenig schwer, mit dem "Pferd im Brunnen" von Valery Tscheplanowa. Das Buch ist keines, welches man einfach mal schnell durchpflügt und wieder vergisst. Valery Tscheplanova verwendet eine blühende Sprache. Sie beschreibt ehr eindrucksvoll das triste Einerlei der vielen Tage der Großmutter Nina und die Leben der anderen Frauen dieser Familie.
Ich tat mich anfangs schwer mit dem Filtern des "Wer ist wer?", aber schließlich hatte jede Frau dann ihren Namen und ihre Geschichte.
Trist wird das Leben in der Sowjetunion beschrieben, harte Arbeit, wenig Lohn, wenig Brot und Männer, die rasch das Weite suchen oder fallen ...
Geordnete Leben sehen anders aus. Die Wende bringt neue Ufer, die auch nicht für alle Glück und Erfolg bescheren.
Glücksmomente haben mir gefehlt, denn die gab es sicher auch, die gibt es immer, selbst im tristesten Grau.
Schön fand ich, dass Frau Tscheplanova letztendlich das Vermächtnis ihrer Großmutter aufgesucht hat und ihre Wurzeln nicht in Vergessenheit geraten sind.

Bewertung vom 24.07.2023
Paradise Garden
Fischer, Elena

Paradise Garden


ausgezeichnet

Ein modernes Märchen

Es ist schon eine Weile her, dass ich ein Buch innerhalb von knapp 2 Tagen ausgelesen habe, weil es mich so sehr fesselte, dass ich jede freie Minute zum Lesen genutzt habe.
Billie ist ein sehr nettes-jähriges Mädchen, aus einem Wohnblock, wo man selbst nicht wirklich untergekommen sein will. Aber ihre Welt ist bunt, die Nachbarn helfen sich und ihre Mutter ist die beste Mutter, die Billie sich vorstellen kann. Die beiden sind wohl das, was man gemeinhin unter arm versteht, aber die Phantasie der Mutter und Billies Wesen, ihre Interessen, ihre Nachbarn und Freunde, lassen die beiden dennoch reich erscheinen an Liebe und Zueinander Gehören.
Das Buch ist auf der anderen Seite sehr traurig, denn Billie verliert ihre Mutter. Auf der Suche nach deren Vergangenheit lernt sie neue Menschen kennen, die ihr helfen und es gut mit ihr meinen. Irgendwie ein Märchen, aber trotzdem gut vorstellbar. Eine absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 23.07.2023
Sekunden der Gnade
Lehane, Dennis

Sekunden der Gnade


ausgezeichnet

Blick in einen Abgrund

Das war mein erster Lehane, aber es wird nicht mein letzter Roman von diesem Autor sein.
Diese Buch war ein Blick in Abgründe der (amerikanischen) Gesellschaft, die Handlung spielt 1974. Damals war ich 3 Jahre alt, aber über die Rassenunruhen habe ich einiges in der Schule gehört und ich habe noch ein Bild aus einem Lehrbuch im Kopf, als eine farbige Frau im Bus stehen musste, weil sie nicht sitzen durfte.
Inmitten dieser Zeit sucht eine Mutter ihre Tochter, ihr letztes Kind, denn einen Sohn hatte sie nach der Heimkehr aus Vietnam bereits an die Drogen verloren.
Die 17 jährige Tochter ist verwickelt in ein Verbrechen an einem farbigen jungen Mann, ist Täterin und Opfer zugleich.
Mary Pat, die Mutter, geht durch alle Höllen, um ihre Tochter zu finden und rechnet auf diesem Wege mit Rassismus und Drogenhändlern ab. Sie hat nichts mehr zu verlieren und meiner Meinung nach ist am Ende des Buches, leider durch Gewalt, aber trotzdem die Welt um ein kleines Bisschen besser. Makaber, aber nicht von der Hand zu weisen.
Das Buch beschreibt sehr eindringlich die Lebensweise der armen weißen Bevölkerung, die sich doch so viel besser dünkt, als die schwarze Bevölkerung. Lehane kommt auch der menschlichen Psyche sehr nahe und erklärt sehr verständlich, woher der Hass aufeinander kommt und wer ihn wozu schürt.

Bewertung vom 10.07.2023
Rattensommer
Pickel, Juliane

Rattensommer


ausgezeichnet

"Rattensommer" von Juliane Pickel ist ein Jugendbuch. Jedoch ist es tatsächlich spannend und bedrückend genug, um auch Erwachsene auf dieses Buch aufmerksam zu machen, gerade Eltern von Jugendlichen, die sich gerade selbst finden müssen.
Sonny und Lou sind befreundet seit sie denken können und bislang kam da auch nichts zwischen die beiden.
Aber nun wird der Mann aus der Haft entlassen, der für den Tod von Sonnys Mutter verantwortlich war, 5 Jahre früher. Und die ganze schöne Atmosphäre zwischen den Mädchen wird zerstört. Sonnys Vater hat keinerlei Einfluss mehr auf seine Tochter, er ist in seiner Trauer gefangen.
Lou ist das "Ersatzkind" ihrer Eltern, nachdem die erste Tochter als Sternenkind zur Welt kam. Sie fühlt sich eben auch ersatzgeliebt.
Die Mädchen sind 16 Jahre, die eine liebt die andere, die andere trifft sich mit Jungen zum Selbstzweck?
Dan gerät eine Situation dermaßen außer Kontrolle, dass es fast schon wieder Menschenleben kostet.
Dieser Roman nimmt einen mit, automatisch liest man schneller, weil man nicht glauben kann oder will, was geschieht und doch konnte zumindest ich mich sehr gut in die Figuren reinversetzen. Wenn ich auch einige Verhaltensweisen für mich ausschließen würde, sind die beschriebenen Charaktere doch trotzdem nachvollziehbar.
Fazit: lohnt sich definit zu lesen!