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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 01.03.2017
Ein Sommer im Rosenhaus
Jacobsen, Nele

Ein Sommer im Rosenhaus


sehr gut

Sandra ist seit kurzem verwitwet, die Kinder sind flügge geworden und genau jetzt gibt ihr das Schicksal einen Wink. Auf Usedom steht das Gärtnerhaus mit dem alten Rosengarten des Guts Bantekow zum Verkauf. Wie oft sind sie und ihr Mann im Urlaub zu diesem Haus spaziert, haben den alten, verwilderten, wie verwunschen wirkenden Garten bewundert und davon geträumt, in diesem Haus zu wohnen. Nun ersteigert sie kurzentschlossen die Immobilie, sehr zum Missfallen ihrer Kinder und auch ihre Freundin steht dem Plan sehr skeptisch gegenüber.
Aber das Rosenhaus soll für Sandra ein Neubeginn werden und sie stürzt sich mit Entschlossenheit in die Aufgabe, das alte Haus zu sanieren und den Garten aus dem Dornröschenschlaf zu wecken. Aber sie muss erkennen, für diese gewaltige Aufgabe braucht sie sachkundige Hilfe. Die findet sie mit dem englischen Rosenspezialisten Julian Baker, aber der scheint ganz eigene Pläne zu haben.
Diese Geschichte macht einfach Freude zu lesen. Die Rosen bezaubern die Leserin, man freut sich am wiedererwachten Optimismus der Hauptfigur und möchte ihr am liebsten beim Gärtnern mit Hacke und Harke zur Seite stehen. Sandra mausert sich zur Frau, die weiß, was sie will und sich auch gegen alle Widerstände durchsetzen kann. Das ist das ideale Lesevergnügen für einige Stunden und lässt selbst graue Regentage strahlen. Locker und federleicht geschrieben, vielleicht manchmal mit etwas zu viel Zuckerguss, ist es ein echtes „Wohlfühlbuch“. Eine tragisch endende Liebe in der Vergangenheit und eine Liebe mit Happy End in der Gegenwart runden die Geschichte um den alten Rosengarten in Bantekow ab.
Ganz nebenbei habe ich noch viel über die Geschichte der alten Rosensorten erfahren, etwas über die Pflege und Zucht von Rosen gelernt und mich über die Rosenrezepte am Ende des Buches gefreut.

Bewertung vom 28.02.2017
Weit weg ist anders
Schmidt, Sarah

Weit weg ist anders


ausgezeichnet

Zwei alte Frauen führt der Zufall in einer Rehaklinik zusammen. Edith, Berlinerin mit mehr Schnauze als Herz, pflegt ihre Eigenbrötlerei und Misanthropie eher aus Selbstschutz. Christel, finanziell unabhängig, aber chronisch krank, kämpft mit Ängsten und Unsicherheiten und gegen die Bevormundung durch die Tochter, will aber auch in dieser Phase ihre Unabhängigkeit bewahren.
Es wird keine Freundschaft zwischen den beiden Frauen wachsen, dazu sind sie zu unterschiedlich. Aber man kann es vielleicht Respekt, Verständnis und Selbsterkenntnis nennen, was in den gemeinsamen Tagen wächst, als sie zusammen zu einer Reise aufbrechen.
Begeistert hat mich das Psychogramm der beiden Frauen, die stellvertretend für eine ganze Generation ähnlicher Schicksale stehen. Einfühlsam werden die Charaktere dargestellt und beim Lesen wurde mir bewusst, wie viel ähnlichen Biografien ich schon begegnet bin. Auch die Entwicklung, die beide während ihrer gemeinsamen Tage nehmen, gefällt mir. Ein wenig aus ihrem Schneckenhaus kommt Edith, während Christel sich endlich, fast schon zu spät, sich ihrem Problem mit ihrer Tochter stellt.
Zwar behandelt das Buch ernste Themen: Alterseinsamkeit, Umgang mit älteren Menschen in Heimen und Einrichtungen, Krankheiten und eingeschränkte Beweglichkeit – aber es verfällt nie in einen larmoyanten Ton, es sprüht auch vor Witz, den vor allem von Edith ausgeht, die als typische Berlinerin nie ein Blatt vor den Mund nimmt. Das brachte mich immer wieder zum Schmunzeln und beide Frauen sind mir sehr nah gekommen. Außerdem fand ich noch eine Lieblingsfigur, einen Nebendarsteller sozusagen, den Briefträger Mannstein, der mit seiner Geschichte eine gelungene Ergänzung zur Lebensgeschichte von Edith und Christel wird.
Eine warmherzige Geschichte, die mir gut gefallen hat und die mich von der ersten Seite an nicht mehr losgelassen hat.

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Bewertung vom 28.02.2017
Ausgerottet
Skalecki, Liliane;Rist, Biggi

Ausgerottet


sehr gut

Klappentext: Die Gärtnerin Malie traut ihren Augen nicht - wie ist das artgeschützte Schuppentier auf die Insel Mainau gelangt? Gemeinsam mit der Tierschützerin Lioba versucht sie, dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Als ein chinesischer Arzt ermordet wird, und jemand versucht, bei ihr einzubrechen, wird klar, dass die beiden Frauen in ein Wespennest gestochen haben. Mehr und mehr verdichten sich die Hinweise, dass ein Malie nahe stehender Mann vom Aussterben bedrohte Tiere schmuggelt. Ein gefährliches Spiel beginnt...

Das Thema dieses Ökokrimis ist so brisant wie aktuell. Der Handel mit geschützten Exoten nimmt immer mehr zu und je bedrohter die Tierart, umso gieriger die Menschen solche Exemplare zu kaufen. Daneben ist auch der Handel mit sogenannten Naturmedizinen aus Rhino-Hörner und Tigergalle nicht auszurotten.
Malie und Lioba sind zwei sehr ungleiche Frauen, aber beiden liegt die Natur und die Tierwelt gleich am Herzen und sie gehen viele Risiken ein, um den Schmugglern und Händlern auf die Spur zu kommen. Die beiden Autorinnen Liliane Skalecki und Biggi Rist haben einen spannenden Krimi mit einer wichtigen Botschaft geschrieben. Ihre zwei Protagonisten sind sympathisch, kraftvoll geschilderte Frauen, die sich nicht abschrecken lassen und ihre Recherchen betreiben, obwohl sie spüren, dass die Schmuggler vor nichts, auch nicht Mord, zurückschrecken. Gerade für Malie, die bald ahnt, dass sie dichter am Geschehen ist, als ihr lieb ist, wird die Suche nach Beweisen zu einer persönlichen Herausforderung.

Ganz besonders interessant war die Schilderung der Schmuggelwege und der weit verzweigten Kartelle, die mit den Tieren ungeheure Summen verdienen. Bestechung und Bedrohung gehören für die Verbrecher zum Alltag. Die Botschaft dieses absolut lesenswerten Buches steht manchmal der Spannung im Weg, vor allem, da die Hintermänner und Schuldigen schon früh zu erkennen sind.

Ich fand den Krimi, auch durch seine Botschaft, lesenswert und dazu beigetragen haben die genauen Recherchen, die tollen Beschreibungen der Figuren und der lockere, flüssige Schreibstil. Immer wieder gab es Szenen, die mich schmunzeln ließen und auch das überraschende Ende ließ keine Wünsche offen.

Bewertung vom 27.02.2017
Hotel du Barry oder das Findelkind in der Suppenschüssel
Truffle, Lesley

Hotel du Barry oder das Findelkind in der Suppenschüssel


ausgezeichnet

Inmitten von aufgehängten Bettlaken entdeckt das Zimmermädchen Mary ein Bündel auf der Wäscheleine. Darin ist sicher eingekuschelt und festgeklammert ein Säugling der ausgesetzt wurde. Mary ist sich sicher: niemals wird sie dieses kleine Mädchen mit den großen veilchenblauen Augen den Behörden übergeben und ihr ein Schicksal im Waisenhaus ersparen. Auch die Hausdame des berühmten Hotels du Barry ist der gleichen Ansicht, das Baby verzaubert bald die komplette Belegschaft und wird in den Personalräumen des Hotels liebevoll gepflegt. Aber irgendwann lässt sich das Geheimnis nicht länger verbergen und Daniel du Barry will wissen, das da vor sich geht. Aber es wendet sich zum Guten, Daniel adoptiert die Kleine, inzwischen auf den Namen Catarina getauft, die Hoteldetektiv Jim mit falschen Papieren ausgestattet hat. Nicht umsonst pflegt er informelle Kontakte zur Londoner Unterwelt.
Im Märchen würden sie nun glücklich bis ans Ende der Tage leben – wenn da nicht die böse Fee wäre. Hier ist Edwina du Barry die böse Fee, die nicht nur ihrem Mann Daniel das Leben zur Hölle macht.
Der Roman ist wie ein Märchen, mit überbordender Phantasie entführt die Autorin den Leser in den Kosmos eines Hotels, das wie aus der Zeit gefallen wirkt. Gefährliche Abenteuer und Herausforderungen warten auf Cat und ihre Freunde und Beschützer, Liebeswirren, Intrigen und Mordanschläge inclusive. Ich mochte gar nicht mehr aufhören zu lesen. Ein Wechselbad der Gefühle erwartet den Leser, es ist traurig und komisch zugleich, aber zu keiner Sekunde langweilig.
Ich war überrascht und erstaunt, wie komplett das Debüt der australischen Autorin Lesley Truffle ist. Virtuos spielt sie mit der Sprache und den Genres. Liebenswerte und skurrile Charaktere bevölkern den Roman und ich habe sie alle – bis auf die Bösen – sofort ins Herz geschlossen. Trotz vieler Details und kleinen Nebenhandlungen geht nie der rote Faden verloren und die Geschichte steuert temporeich auf den Höhepunkt zu. Ich wollte einfach immer nur weiterlesen und habe wirklich mit Bedauern die letzte Seite umgeblättert.
Wer sich gern mit Literatur verzaubern lassen möchte, ist bei diesem Buch bestens bedient.

Bewertung vom 22.02.2017
Das Haus in der Nebelgasse
Goga, Susanne

Das Haus in der Nebelgasse


ausgezeichnet

Matilda Gray ist Lehrerin in einer Londoner Mädchenschule. Im Jahr 1900 ist das unabhängige Leben für berufstätige Frauen noch nicht alltäglich. Sie liebt ihren Beruf und möchte die Mädchen zu selbst-bewussten Frauen heranziehen. Dann wird eine Schülerin, die ihr sehr am Herzen liegt, vom Vormund unter fadenscheinigen Gründen aus der Schule genommen und ins Ausland gebracht. Als sie eine Postkarte der Schülerin aus Italien erhält, erkennt sie darin eine verschlüsselte Botschaft, die sie mit Hilfe des Historikers Professor Fleming enträtseln möchte. Die Spuren führen zu einem alten Haus und zu Geschehnissen, die jahrhundertelang verborgen waren.
Was für ein Abenteuer, die Spurensuche hat mich sofort in Bann gezogen. Ich folgte der Autorin in eine vergangene Welt, in alte Straßen und Keller und tief in die Londoner Geschichte. Die Atmosphäre ist meisterhaft gelungen, ich spürte den Londoner Nebel und das alte Kopfsteinpflaster unter den Schuhen und bin tief in Zeit des frühen 20. Jahrhunderts eingetaucht. Das ist kenntnisreich und meisterhaft geschrieben.
Ganz besonders hat mir die Darstellung Matildas gefallen, einer jungen Frau, die ein selbstbestimmtes Leben führen möchte, auch wenn das damals gesellschaftlich noch nicht anerkannt war. Mit der Figur der Mrs Westlake, einer Schriftstellerin, die viktorianische Schauergeschichten am laufenden Band schreibt, ist der Autorin noch ein augenzwinkernder Sidekick gelungen, der mir viel Spaß gemacht hat. Mrs Westlake lässt ihre Buchheldin Adela allerhand Abenteuer bestehen und übersieht fast dabei, dass ihre Mieterin in ein viel größeres Drama verstrickt ist und es geradezu in Sherlock Holmes Manier lösen möchte. Die Hilfe Professor Flemings erweist sich dabei als sehr nützlich und darf bald auch ein gewisses Kribbeln bei Matilda auslösen.
Das Buch hat alles was eine tolle Unterhaltung ausmacht, eine Handlung, die spannend wie ein Krimi ist, eine zarte Liebesgeschichte und eine kenntnisreich erzählte Story mit klasse entworfenen, lebensechten Figuren. London um 1900, die Architektur der Stadt, die Atmosphäre, das alles ist mit viel authentischem Hintergrund und geschichtlichen Details erzählt. Ich bin für Stunden eingetaucht und konnte mich kaum losreißen. Wenn ein Roman die Bezeichnung „Page Turner“ verdient, dann sicher „Das Haus in der Nebelgasse“.

Das stimmige Cover des Taschenbuchs ist noch das Tüpfelchen auf dem „I“.

Bewertung vom 20.02.2017
Gefährliche Ernte / Perez Bd.2
Sola, Yann

Gefährliche Ernte / Perez Bd.2


gut

Perez ist Südfranzose, aber eigentlich ist er Katalane. Darauf legt er Wert. Ein stattlicher Mann in den 60igern, immer ein wenig knurrig, Besitzer und bester Gast eines Spitzenrestaurants, das eigentlich mehr zur Verschleierung seiner nicht ganz koscheren Geschäfte dient. Denn eins ist Perez wichtig, nichts dem Staat zu überlassen, so auch nicht die Einnahmen mit seinem legendären Weißwein Creus, den er geschickt zu einem Mythos aufgebaut hat und bei dessen Herstellung und Vertrieb einige nicht legale Methoden zum Einsatz kommen.

Doch als ein früherer Erntehelfer, der Marokkaner Khahil, einer der wenigen die um das Geheimnis des Creus wissen, tot im Weinberg seines Vaters gefunden wird, sieht Perez sich herausgefordert. Seine Suche führt ihn mit einem kleinen Umweg über die örtliche Drogenszene in den Sumpf von Menschenschmugglern, Schleppern und Illegalen. Eine Wirklichkeit, die er in seiner Heimat bisher gut ignoriert hat.

Und ausgerechnet jetzt hat sich noch seine Tochter in den Kopf gesetzt zu heiraten und für den erwählten Kandidaten hat er nur Spott übrig. Auch eine Baustelle, auf der Perez schlitzohrig seinen Willen durchsetzen möchte.

Der Roman ist gut durchkomponiert und ebenso locker erzählt. Die schönsten Passagen sind die, in denen die zauberhafte Côte Vermeille geschildert wird. Da kommen sofort Urlaubsgefühle auf. Meer – Sonne – wunderschönes Licht in alten Fischerorten – gutes Essen – was braucht es mehr.

Die Krimihandlung ist da eher zweitrangig, aber schlüssig aufgebaut und erzählt. So fand ich die Nebenhandlung mit der unwillkommenen Hochzeit der Tochter etwas unrealistisch und dass ein knapp zwanzigjähriger Deutsch-Franzose ausgerechnet Wilhelm heißt, schien mir auch etwas seltsam.

Das Buch ist eine ideale Urlaubslektüre, macht Spaß auf das Kennenlernen oder Wiedersehen einer wunderschönen Landschaft und Perez ist für die Art seiner Ermittlungen absolut glaubwürdig. Die Sprache gefiel mir, auch die kleinen Exkurse in die Geschichte waren gut plaziert. Mit Perez ist dem Autor auch eine richtige knurrige Hauptperson gelungen, die ihm Gedächtnis bleibt. Wäre dann noch ein wenig mehr Tempo in der Krimihandlung gewesen, hätte mir das Buch noch besser gefallen

Bewertung vom 17.02.2017
Das Buch der Spiegel
Chirovici, Eugene O.

Das Buch der Spiegel


sehr gut

Erinnerungen sind wie Geschosse. Manche zischen vorbei und erschrecken dich nur. Andere reißen dich in Stücke. R. Kadrey Kill the Dead

Dieses Zitat ist dem Roman vorangestellt. Erinnerungen, die zerreißen, das ist der Auslöser für Richard Flynn, ein Buch über Ereignisse zu schreiben, die sich während seiner Collegezeit zugetragen haben und die sein Leben nachhaltig veränderten. Professor Wieder, ein anerkannter Psychologe, bei dem Flynn einen Aushilfsjob hatte, wurde ermordet, er selbst stand auch unter Verdacht. Er schickt einige Probekapitel zusammen mit einem Anschreiben an den Literaturagenten Katz. Als der sich Wochen später bei Flynn meldet, erfährt er von der Lebensgefährtin, dass Richard kürzlich verstorben ist. Von einem Manuskript weiß sie nichts.
Katz bittet den Journalisten Keller, die Story zu recherchieren und das Manuskript zu finden. Er erkennt eine Menge Brisanz, denn der Roman scheint auf einem Mordfall und Skandal zu beruhen.

John Keller taucht tief in die Vergangenheit ein, fördert eine ganze Menge an Spuren und Personen zu Tage, kann jedoch kein ganzes Bild von Richard und den Geschehnissen bekommen. Zu unterschiedlich sich die Sichtweisen der Einzelnen, jeder hat einen ganz eigenen Blick auf die Ereignisse. Frustriert beendet Keller seine Suche und er übergibt eine Kopie seiner Notizen an Roy Freeman, dem pensionierten Cop, der seinerzeit die Ermittlungen führte.

Der Kunstgriff, ein Geschehnis aus der Sicht von verschiedenen Beteiligten zu erzählen und auch die journalistische einer polizeilichen Ermittlung gegenüber zu stellen, macht die Faszination aus. Der Leser bekommt keine lineare Geschichte vorgesetzt, er muss sich selbst immer wieder hinterfragen. Wem glaube ich? Wer lügt? Diese Fragen beschäftigten mich bis zum Schluss und raffiniert und sicher auch im Sinn des Autors war, dass mit jedem neuen Detail meine Meinung ins Wanken geriet. Das der getötete Wieder sich wissenschaftlich mit der Manipulation von Erinnerung beschäftigt hat, gibt der Geschichte noch eine ganz besonderen Kick.

Die Erzählweise ist außergewöhnlich und hebt den Roman auch aus der Masse heraus. Ich war von Anfang an gefesselt und dass ich immer wieder meinen Verdacht hinterfragen musste, fand ich besonders reizvoll. Dass ich mir manchmal einige Details und Nebenhandlungen stringenter gewünscht hätte und das der Schluss das Tempo nicht ganz durchhält, fällt als Kritik kaum ins Gewicht.

Ich habe meine Rezension mit einem Zitat aus dem Buch begonnen und möchte mit einem weiteren enden:
„Alle hatten sich geirrt und durch die Fenster, in die sie zu spähen versuchten, und die sich am Ende alle als Spiegel herausstellten, nur immer sich selbst und ihre eigenen Obsessionen gesehen“.

Bewertung vom 14.02.2017
Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2
Dieckerhoff, Christiane

Spreewaldtod / Klaudia Wagner Bd.2


gut

Klaudia Wagner aus dem Ruhrpott ist noch immer nicht ganz im Spreewald angekommen. Ihr letzter Fall hat ihr sehr zu schaffen gemacht, sie ist psychisch und physisch noch angeschlagen. Ausgerechnet mit Kollege Demel, der sie bis hin zur verbalen sexuellen Belästigung schlimm gemobbt hat, soll sie nun ein Team bilden.
Im malerischen Fließ bei Lübbenau wird die Leiche eines jungen rumänischen Erntehelfers gefunden, den sie selbst noch bei einem Dorffest am Vorabend gesehen hat. Dort hatte er mit der Tochter eines Gurkenbauern getanzt, was weder den Bauern, noch einem jungen aggressiven Dörfler gefallen hat. Klaudia ging dazwischen und konnte eine Eskalation gerade noch vermeiden. Nun steht sie vor dem toten jungen Rumänen.
Die Gurkenbauern wollen nichts gesehen oder gehört haben, genau wie die anderen Erntehelfer, bei der Vernehmung des jungen Schlägers, der wohl als Neonazi bekannt ist, wird sie von der Staatsanwaltschaft zurückgepfiffen. Es scheint da Seilschaften zu geben, die immer noch funktionieren. Die Zusammenarbeit mit Demel ist mehr als anstrengend, aber da die Dienststelle unterbesetzt ist, muss sie über ihren Schatten springen.
Der Spreewald als Krimihintergrund hat meist eine etwas düstere Komponente, vielleicht liegt es an der Landschaft, die immer wie verwunschen erscheint. Auch dieser Krimi passt gut in die Stimmung. Allerdings tritt die Krimihandlung ein wenig in den Hintergrund. Zuviel Raum nehmen die Befindlichkeiten von Klaudia Wagner und ihren Kollegen ein. Fast alle plagen sich mit psychischer Überlastung, Burnout-Syndromen, Tinnitus und ähnlichem. Das ist zwar schlüssig erzählt und gibt den Personen Tiefe, aber um die Auslöser zu verstehen, sollte man den ersten Band kennen. Meiner Ansicht nach nimmt die Beschreibung der persönlichen Nöte der Beamten überhand, dadurch fehlte es mir an der Spannung, die ich mir gewünscht hätte.

Bewertung vom 13.02.2017
Dinge, die vom Himmel fallen
Ahava, Selja

Dinge, die vom Himmel fallen


gut

Schicksal und Zufall – gibt es eine Erklärung? Fast märchenhaft beginnt die Geschichte, Vater, Mutter und Tochter leben in einem Holzhaus, umgeben von einem verwilderten Garten. Die Familie strahlt Geborgenheit und Liebe aus, die 8jährige Saara erzählt in ihren kindlichen Worten davon. Auch von der Tante, die im Lotto gewonnen hat und nun ein altes Gutshaus bewohnt. Welch ein glücklicher Zufall, aber dann dreht sich die Geschichte, die Mutter wird von einem Eisbrocken erschlagen, der sich wohl von einem Flugzeug löste. Von dieser Minute an wird das Leben anders. Der Vater zerbricht fast an seinem Schicksal, nur mühsam aufgefangen von der Tante. Saara bleibt in ihrer Trauer ungehört, sie malt verstörende Bilder, doch ihre Lehrer und alle Erwachsenen scheuen das Gespräch über den Tod.

Das Buch der jungen finnischen Autorin ist kein leichter Text. Ich fand ihn stellenweise verstörend und es gab Abschnitte, die ließen mich ratlos zurück. Der Stil ist nicht durchgängig gleich. Saaras Erinnerungen sind von einem einfachen kindlichen Ton.Dann folgen wir einem Briefwechsel der Tante Annú mit einem Amerikaner, der schon mehrfach vom Blitz getroffen wurde. Auch hier soll wohl ergründet werden, wie Zufälle und Schicksal ins Leben eingreifen. Die Briefe sind eingängig und plaudernd gehalten, haben mir aber nicht allzu viel Erkenntnis gebracht. Es wirkte fast wie ein anderes Buch und ich empfand es als Bruch im Fortlauf des Romans.

4 Jahre später, zurück im „Sägespänehaus“ wird es düster und verstörend. Saara ist immer noch allein in ihrer Trauer, während ihr Vater einen Neuanfang wagt. Düstere Alpträume suchen Saara heim, ohne dass sie jemand ins Vertrauen ziehen kann. Einsamkeit und Sprachlosigkeit prägen sie.

Vielleicht kann nur eine Autorin diesen Ton finden, die mit der langer Dunkelheit und Kälte Finnlands vertraut ist und für die melancholische, dunkle Stimmungen zum Jahreslauf gehören. Es war eine interessante, intensive Erfahrung Selja Ahava zu lesen, auch wenn sich mir der Text nur schwer erschloss.