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Sikal
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 11.10.2018
Troll
Hvorecky, Michal

Troll


sehr gut

Trolle regieren die Welt

Der Autor Michal Hvorecky lebt in Bratislava und zählt zu den erfolgreichsten slowakischen Autoren. Mit seinem Roman „Troll“, der nun auch auf Deutsch erschienen ist, zeichnet er ein Zukunftsszenario, welches bereits heute ein Körnchen Realität enthält. Er hat einen rasanten Schreibstil, kurze verdichtete Sätze erhöhen die Spannung noch zusätzlich.

Der Roman spielt in Osteuropa, ein diktatorisches Reich, welches der Festung Europa gegenübersteht. Eine ganze Armee von Trollen wütet im Internet und manipuliert die Meinung der Bevölkerung. Der namenlose Ich-Erzähler versucht sich mit seiner Freundin Johanna in dieses System einzuschleusen, um dieses von innen zu zerstören. Doch so ganz funktioniert diese Wunschvorstellung nicht – im Gegenteil, der Schuss geht nach hinten los und so wird der Protagonist selbst zum Troll, beginnt zu manipulieren, verschleiern, denunzieren … Sozusagen von seinem eigenen Plan gefangen.

Klar kommt hervor, wie im Internet (leider nicht erst in naher Zukunft) Meinung gemacht wird, Bilder und Texte gefälscht werden, gegen Minderheiten Hasspostings an der Tagesordnung stehen und vielen nur wichtig ist, wie viele Likes ein Artikel bekommt. Es wird bewusst nicht hinterfragt und Fake news als gegeben hingenommen – obwohl zumeist von Trollen gesteuert.

Das Buch stimmt mich nachdenklich. Wie weit sind wir wirklich bereits in der Nähe dieses Szenarios? Oder sind wir bereits mitten drinnen?

Dem Autor gelingt es hier ein schreckliches Bild zu skizzieren. Man will sich eine solche Zukunft nicht vorstellen und doch werden wir nun auch bereits jetzt damit konfrontiert, wie leicht sich Nachrichten (ob wahr oder nicht) verbreiten und welche Aussagen daraus abgeleitet werden.

Ein wichtiges Thema, das uns alle betrifft und vielleicht einen Anstoß gibt, den Umgang mit dem Internet grundlegend zu hinterfragen.

Bewertung vom 07.10.2018
Einkochbuch
Stamm, Patricia;Stummer, Verena

Einkochbuch


ausgezeichnet

Schätze für den Vorratsschrank

Seit einigen Jahren wird bei uns eingekocht. Ich versuche auf Fertiggerichte zu verzichten und trotzdem muss es immer schnell gehen, wenn alle abends hungrig nach Hause kommen. Der Griff nach einem Glas Nudelsauce, Gulasch, Chutney, Marmelade oder Kompott ist für meine Familie selbstverständlich. Neue Rezepte sind daher herzlich willkommen.

Das „Einkochbuch – Neue Schätze für den Vorratsschrank“ aus dem Löwenzahn Verlag enthält eine Vielzahl an Ideen und gut aufbereiteten Rezepten. Anfangs finden sich viele Tipps und Tricks über Zubehör, Handhabung, Auswahl der unterschiedlichsten Küchenhelfer. Besonderes Augenmerk wird auf die Auswahl der „Rohstoffe“ gelegt. Nur wenn man qualitativ hochwertige Lebensmittel verwendet, erhält man auch ein zufriedenstellendes Fertigprodukt.

Die Rezeptideen werden in verschiedene Bereiche unterteilt:

Konfitüren & Gelees
Chutneys, Ketchups & Co
Allerlei Pikantes
Kräuter & Salze
Allerlei Flüssiges

Viele Rezepte sind auch zum Verschenken geeignet, sind äußerst kreativ arrangiert – wie z.B. Heidelbeere mit Lavendel und Orange oder ein winterliches Birnenchutney, ein Rote Rüben Ketchup, Vanille-Lavendel-Salz, Vietnamesische Rindsuppe, Aprikosenlikör mit Ingwer, …

Die dazu passenden Fotos sind sehr verlockend und laden dazu ein, sofort mit der Umsetzung zu beginnen. Ein sehr ansprechend gestaltetes Buch mit tollem Cover und auch Anhängern, die man an die Einmachgläser binden kann – so ist man gleich für ein Geschenk gerüstet.

Die Rezeptangaben sind für mindestens 10 Gläser (meist mehr), was für eine Familie (oder zum Verschenken) ja kein Problem ist. Andernfalls muss man die Zutaten reduzieren.
Am Ende findet man noch ein Glossar sowie ein Registerverzeichnis und – sehr angenehm – die Begriffe übersetzt in „Deutsch/Österreichisch“.

Ein sehr einladendes Buch, das auch zum Verschenken geeignet ist. Gerne vergebe ich fünf Sterne.

Bewertung vom 07.10.2018
Leber an Milz
Freund, Andrea;Schmidt, Lucia

Leber an Milz


sehr gut

Unser Körper – eine geniale Konstruktion

Die Autorinnen Andrea Freund und Lucia Schmidt geben hier einen gelungenen Einblick in unseren Körper.
Andrea Freund, Journalistin, Yogalehrerin und Heilpraktikerin für Psychotherapie interessiert der ganzheitliche Ansatz und beschäftigt sich mit Körper und Geist als Einheit.
Dr. Lucia Schmidt ist Ärztin, arbeitet jedoch als Journalistin und ist zuständig für die „Leib & Seele-Seiten“ der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Ihr gelingt es, medizinische Sachverhalte auch für den Laien verständlich, anschaulich zu beschreiben und hat dafür bereits Auszeichnungen erhalten.

Das Buch gibt anfangs einen Einblick in unseren Körper, wie die einzelnen Funktionen zusammenhängen, welche Organe wofür zuständig sind. Die unterschiedlichen Themen werden in Bereiche gegliedert, so erhält man eine gute Übersicht. Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Zelle, um die Grundlagen zu verstehen und das große Ganze zu ergründen.

Der gesamte Körper wird in einzelne Bereiche aufgeteilt, was sehr übersichtlich ist und sich auch prima zum Nachschlagen eignet:

Ganz oben: Kopf – Hals
Mittendrin: Brustkorb – Rücken – Bauch – Becken
An den Ecken und Enden: Arme – Hände – Beine – Füße

Mit viel Humor und einfachen Sätzen werden Themen wie der Hirnstamm, die Nasennebenhöhlen, Lungenbläschen, Bauchnabel, Fingernägel, Kniescheibe usw. erklärt. Hier wird zum Großteil auf medizinischen Fachjargon verzichtet und für „Otto-Normalverbraucher“ Zusammenhänge und Probleme ergründet. Ein weiteres Kapitel beschäftigt sich mit Epigenetik und der veränderten Sicht auf unseren Körper, bevor noch Partnerübungen angeboten werden, die diverse Körperaktivitäten wieder in Schwung bringen sollen. Diese Übungen sind wirklich sehr leicht verständlich und einfach nachzumachen. Einige gute Anregungen, um sich mit dem eigenen Körper wieder vermehrt zu beschäftigen, finden sich in dem Buch.

Was mich bei dem Buch jedoch gestört hat, waren die fehlenden Quellenangaben sowie ein Literaturverzeichnis. Im ersten Kapitel wird erwähnt, dass die beiden Autorinnen für ihre Recherchen Fachbücher gelesen haben und Experteninterviews führten. Leider finden sich jedoch keine Hinweise auf diese Bücher bzw. Fachartikel.

Für die sehr gelungene Darstellung vergebe ich gerne die volle Punktezahl, einen Stern Abzug bringt der fehlende Anhang.

Bewertung vom 06.10.2018
Queen Victoria
Urbach, Karina

Queen Victoria


ausgezeichnet

Queen Victoria regierte 63 Jahre – ein Wahnsinn eigentlich…

Die Historikerin Karina Urbach gilt als Expertin für die englische Monarchie seit dem 19. Jahrhundert. Mit ihrer Biographie über Queen Victoria (1819 – 1901) bringt sie uns ein Stück des Viktorianischen Zeitalters nahe, spannt den Bogen von der jungen Victoria bis über ihren Tod hinaus, ergänzt durch die Auswirkungen in die Gegenwart. Die Autorin versucht zu zeigen, welch unterschiedliche Rollen sie während ihres Lebens zu spielen hatte – Mutter und Ehefrau, Monarchin, Diplomatin in grenzübergreifenden Machtspielen, …

Victoria wurde mit nur 18 Jahren zur Königin gekrönt und niemand traute ihr zu, dass sie darin erfolgreich sein würde. Unterstützt wurde sie in dieser schwierigen Aufgabe durch ihren Premier Lord Melbourne, was oft Anlass zu Spekulationen gab.

Aufgrund ihrer Körpergröße wurde sie als „kleine Königin“ oder „kleine Majestät“ bezeichnet. Aber sie galt auch als reichste Monarchin Europas und bekam eine Vielzahl an Heiratsangeboten. Interessant fand ich hier, dass der englische Hochadel auch Nichtadelige heiraten konnte oder Untertanen – nur Katholik durfte der zukünftige Ehemann nicht sein. Schließlich wählte sie Albert von Sachsen-Coburg-Gotha, obwohl sie anfangs mit seinem Bruder durch die Ballsäle tanzte, Albert ihr zu ruhig war. Die beiden mussten sich erst zusammenfinden, auch musste Victoria lernen, etwas Macht auf Albert zu übertragen und ihm Aufgaben anzuvertrauen. Victorias Leben wird in drei Phasen unterteilt: anfangs junge Alleinherrscherin, später von Albert abhängig und erst spät wurde sie zu einer selbstbewussten Herrscherin.

Im Laufe der Zeit bekamen Albert und Victoria neun Kinder, doch nicht alle Kinder schafften den Status „Lieblingskind“. Albert bevorzugte kluge Kinder, Victoria legte Wert auf Attraktivität. Als absoluten Makel empfand Victoria ihren jüngsten Sohn Leopold, der Bluter war und häufig kränkelte. Sie schickte ihn auf Abhärtungwanderungen und vermied es, ihn in den Familienurlaub mitzunehmen, um mit seiner Behinderung nicht konfrontiert zu werden. Erst spät wurde Victoria bewusst, dass sie es war, die diese schwere Erbkrankheit an ihre Kinder weitergegeben hatte. Ihre Enkelin Alexandra brachte die Krankheit in die russische Zarenfamilie und vererbte diese an den Thronfolger Alexei …

Obwohl es während ihrer Regierungszeit nur zwei nennenswerte Kriege gab (Krimkrieg und 2. Burenkrieg), waren die Viktorianer kein friedliebendes Volk, sondern trugen ihre Konflikte einfach in die Kolonien. Ein wachsendes Empire musste zusammengehalten werden, die dort ausgetragenen Kriege waren in Victorias Augen gerechtfertigt und heldenhaft.

Karina Urbach zeigt eine unbeugsame Victoria, die ihren politischen Einfluss verteidigte und ihre Kinder „strategisch wichtig“ verheiratete (wie es eben üblich war zu dieser Zeit).
Die Autorin schreibt sehr unterhaltsam und informativ, einige Bilder ergänzen diese Biographie. In den Umschlagseiten finden sich die weit verzweigten Stammbäume, die zum Schmökern einladen und sehr interessant sind. Der Bogen wird nicht nur über das politische Leben gespannt, sondern zeigt auch Victoria ganz privat. Die hier gefundene Mischung finde ich sehr gelungen und vergebe gerne 5 Sterne.

Bewertung vom 06.10.2018
Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein
Steinthaler, Evelyn

Mag's im Himmel sein, mag's beim Teufel sein


ausgezeichnet

Als die Liebe nicht privat war…

Unzählige Bücher gibt es über die Zeit als die Nazis halb Europa ihren Willen aufzwangen, als nichts mehr privat war und alle persönlichen Gepflogenheiten von den Machthabern ins Visier genommen wurden. Dieses Buch von Evelyn Steinthaler gibt einen Einblick in das Leben von vier Künstler-Paaren, die ebenfalls von den Nationalsozialisten ins Visier genommen wurden – zum Teil weil sie „gemischtrassig“ liiert oder verheiratet waren oder/und das System kritisierten.

Wir treffen hier auf Namen, die uns allen bekannt sind, die auch zum Teil noch nach dem Krieg von sich reden machten. Heinz Rühmann, Hans Albers, Kurt Weill oder Joachim Gottschalk mit ihren Familien mussten einiges an Schikanen ertragen, haben sich teilweise auch mit dem System arrangiert oder führten Herrn Goebbels an der Nase herum…

Bereits seit 1933, spätestens ab 1935 (Nürnberger Gesetze) waren Juden in Deutschland unerwünscht. Viele wurden gezwungen, sich von ihren jüdischen Partnern zu trennen, viele wurden in die Emigration gezwungen, viele blieben und hofften darauf, dass es nicht ganz so schlimm werden würde (und zerbrachen daran) und viele unterstützten das System, um ihre Karriere zu fördern.

Ohne den Propagandaminister Goebbels konnte kein Film gedreht werden, die Besetzungslisten mussten genehmigt werden, sogar die Themen wurden von ihm mitbestimmt und manches Mal arbeitete er selbst an den Drehbüchern mit. Doch wieviel musste man von seiner eigenen Überzeugung aufgeben, um mit dem System zu kooperieren? Nicht alle konnten oder wollten ins Ausland, nicht jeder hatte einen finanziellen Schutzpolster außerhalb Deutschlands, die Sprachbarriere tat natürlich ihr Übriges.

Erwähnt wird auch Hans Moser, der von Hitler höchstpersönlich eine Sondergenehmigung für seine jüdische Frau Blanca erhielt, um unbehelligt leben zu können. Hans Albers geriet in den Verdacht, ein Nazi zu sein, doch gelang es ihm mit äußerst gefährlichen Manövern, seine Partnerin Hansi Burg in Sicherheit zu bringen. Während Joachim Gottschalk keine Auswegmöglichkeiten fand und für sich und seine Familie den Freitod wählte.

Die hier vorgestellten Paare stehen stellvertretend für viele andere, die ebenso mit dieser schrecklichen Zeit zu kämpfen hatten. Angst, Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung stand immer an der Tagesordnung. Viele gaben vor völlig unpolitisch zu sein, um selbst ein halbwegs angenehmes Leben führen zu können – Ignoranz oder Toleranz dem System gegenüber, was waren hier wohl wirklich die Beweggründe?

„Es ist geschehen, und folglich kann es wieder geschehen.“

Wir können nur darauf hoffen, dass solche Zeiten der Vergangenheit angehören. Dass „die Anderen“ auch eine Daseinsberechtigung bekommen. Politisches Interesse ist wichtiger als Passivität – so zitiert die Autorin hier den Auschwitz-Überlebenden Eli Wiesel „Neutralität hilft dem Unterdrücker, niemals dem Opfer. Stillschweigen bestärkt den Peiniger, niemals den Gepeinigten.“

Gerne vergebe ich hier 5 Sterne.

Bewertung vom 02.10.2018
Leonardos Fahrrad
Köhler, Peter

Leonardos Fahrrad


sehr gut

Alles Fake, oder?

Der Autor Peter Köhler hat in seinem Buch „Leonardos Fahrrad“ Fake News aus unterschiedlichsten Zeitebenen, Ländern und Gesellschaftsschichten zusammengetragen. Spätestens seit der Präsidentschaftswahl von Donald Trump sind getürkte Wahrheiten in aller Munde. Doch diese gibt es nicht erst seit dem Internet…

Die älteste historisch belegte Falschmeldung ist beispielsweise über 3000 Jahre alt. Manche skurril, viele amüsant, einige erschreckend, verursachen die meisten Lügengeschichten zumindest ein Kopfschütteln. Breit gestreut findet man diese nicht nur in der Politik, auch in der Religion, im Alltagsleben oder in der Wissenschaft. Peter Köhler hat hier einen Auszug aus allen Sparten recherchiert, die sehr spannend zu lesen sind.

Ganz abgesehen davon, dass auch im privaten Umfeld Klatsch und Tratsch rasch weitergetragen wird, um bei gewissen Personen Eindruck zu machen, wird der Dominoeffekt über Internet oder andere Medien natürlich optimiert. Von Multiplikatoren werden Informationen ungeprüft weitergereicht, was oft zu schlimmen Auswirkungen führen kann. Auf jeden Fall gibt es immer wieder Adressaten, die empfänglich sind für derlei News und diese annehmen ohne zu hinterfragen.

Einige Beispiele gefällig? Um ein höheres Ansehen zu genießen, ließ Nicolae Ceausescu an seinem Geburtstag gefälschte Glückwunschtelegramme ausländischer Staatsoberhäupter veröffentlichen. Die unmöglichsten Thesen wurden rund um Nessie bereits aufgestellt, ebenso können von dem Schneemenschen Yeti keine glaubwürdigen Sichtungen geteilt werden. Gerüchte und Legenden verbreiten sich, Mythen entstehen und können auch mittels Gegenbeweisen nie vollständig entkräftet werden. Ebenso findet sich natürlich die Geschichte rund um Leonardos Fahrrad in dem Buch, sowie die der singenden Katze – immerhin kann diese 36 Lieder auswendig. So manch dichterische Freiheit nimmt sich einer aus, sowie es auch Länder ohne festen Boden zu geben scheint.

Peter Köhler präsentiert hier ein Sammelsurium an Fake News, die immer Hochkonjunktur zu haben scheinen. Die zum Teil sehr kurzen Episoden lesen sich rasch und machen nachdenklich – so mancher Lügenbaron macht Münchhausen alle Ehre. So manches kritisch zu hinterfragen, sollte man auch in Zukunft beherzigen …

„Die Menschen sind so einfältig und hängen so sehr vom Eindrucke des Augenblickes ab, dass einer, der sie täuschen will, stets jemanden findet, der sich täuschen lässt.“

Bewertung vom 01.10.2018
Wild leben!
Baker, Nick

Wild leben!


sehr gut

Wie wichtig sind Natur und Wildnis

„Das Wilde ist ein unbezahlbarer Schatz, und doch können wir ihn alle besitzen. Er ist überall zu finden, wo Sie ein Blatt umdrehen, in der Erde buddeln, den Himmel sehen und ins Wasser tauchen können.“

Der Autor Nick Baker ist Naturforscher, bezeichnet sich selbst als biophil und lässt uns mit einer derartigen Begeisterung anteil an seinen Entdeckungen nehmen, dass diese Begeisterung überspringt. Er versucht wertschätzend und empathisch mit der Natur und Wildnis umzugehen, gibt Tipps und Tricks, um die Momente zu genießen und nicht abgelenkt zu werden.

Wer hat das noch nie gemacht? Durch den Wald spazieren, um den unterschiedlichen Geräuschen zu lauschen, die Stille zu genießen oder das Laub im Herbst rascheln zu lassen. Vögel beobachten, gehört genauso dazu, wie die Schneeflocke zu betrachten oder den Wildtieren nachzuschleichen. Der Autor fasst in Worte, was so mancher von uns bestimmt schon erlebte und so beschreibt Nick Baker immer wieder kleine Erlebnisse, erzählt Anekdoten von seinen Ausflügen in die wilde Natur und gibt Hinweise, worauf zu achten ist.

Diese kleinen Geschichten sind sehr persönlich, immer wieder stellt sich die Frage, wie weit man bereits von der Natur entfernt ist, wie wichtig sind Smartphone und anderer technischer Schnickschnack, um sich in der Nacht im Wald zurechtzufinden –ohne auf die eigenen Sinne zu vertrauen. Wenn man Nick Baker Glauben schenken darf, ist es ein leichtes, die Sinne zu trainieren, um ohne Lichtquelle von A nach B zu kommen. Der Autor gibt den Sinnen (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken) großen Raum, welche Besonderheiten kommen den Begegnungen zwischen Mensch und Natur zugute.

Ich habe das große Glück, direkt in der Nähe eines Waldes zu leben und habe schon oft Rehe beobachtet, die am Gemüse meines Hochbeets knabbern oder die Rosenknospen vertilgen. Doch allzu viel Geduld bringe ich leider nicht auf, wenn es um Beobachtungen im Wald geht, bei denen man still sein sollte … Von Nick Baker erfährt man auch etwas über die Definition der Stille.

Das Buch erzählt mit großer Wertschätzung über Flora und Fauna in unseren Breiten und teilweise auch exotischen Ländern, informiert darüber, wie ungewohnt leise sich ein Massai nähert und berichtet über Erlebnisse mit Kindern und Jugendlichen, denen der Umgang mit unserer Natur nicht mehr so vertraut ist wie früheren Generationen.

Was ich wirklich vermisste, ist ein vernünftiges Literaturverzeichnis, um das Gelesene noch zu vertiefen oder zu ergänzen.

Für alle Naturliebhaber ein informatives Buch über Renaturierung, Wildnis, den Schutz– sowie auch das Erleben in - der Natur.

Bewertung vom 30.09.2018
Ich schweige nicht
Knab, Jakob

Ich schweige nicht


ausgezeichnet

Ich schweige nicht

Hans Scholl wurde am 22. September 1918 geboren, liebevoll war sein Aufwachsen, von den Eltern immer in jeder Hinsicht unterstützt. Hans Scholl war 24 Jahre alt, als er von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde.

Begeistert stürzte er sich anfangs in die Unternehmungen der Hitlerjugend, wurde auch bald zum Fähnleinführer und durfte sogar beim Reichsparteitag die Fahne tragen. Als alle Jugendverbände außer der HJ verboten wurden, organisierte Scholl im Geheimen noch einige Unternehmungen bis diese aufflogen. Ebenso wurde er von einigen Jungen denunziert und kam aufgrund seiner Homosexualität ins Kreuzfeuer der Gestapo. Langsam merkte Scholl auch, dass die Nationalsozialisten nie bereit sein werden, von ihrem starren Kurs abzuweichen.

Der Literaturliebhaber Scholl hatte kein Verständnis für die Bücherverbrennungen oder die Liste der verbotenen Bücher der Nazis. Bereits als Jugendlicher war er z.B. Stefan Zweig zugeneigt, vertiefte sich immer mehr in die Dichter und Denker (Platon, Nietsche, …), Philosophie wurde zu seiner Leidenschaft. Viele Bücher las er in französischer Sprache, weil er unbedingt fließend Französisch sprechen wollte.

Scholl war selbst ein Denker, philosophierte oftmals mit seinen Geschwistern oder Freunden über seine Anschauungen über politische, aber auch religiöse Themen. Besonders während seiner Haft wandte er sich immer mehr der christlichen Religion zu. Seine Ansichten und der christliche Glaube ließen sich seiner Ansicht nach nicht mit dem Gedankengut der Nationalsozialisten in Verbindung bringen. Die Idee zum Widerstand war geboren …

„Als wissbegieriger junger Mensch war er stets offen und empfänglich für alles Wahre, Gute und Schöne. Als Medizinstudent, Sanitätsfeldwebel und angehender Arzt ließ er sich vom namenlosen Leid der Opfer, vom Elend und Grauen des Krieges anrühren. In seiner Suche nach Sinn entdeckte er die christliche Gläubigkeit.“

Als Hans Scholl an die Front nach Russland musste, war er erschüttert von den Grausamkeiten, die sich dort abspielten. Es umfasste ihn eine ziemliche Schwermut, mit der ein so junger Mensch erst mal zurechtkommen musste. Immer wieder wünschte er sich geistigen Austausch und vertraute Gespräche herbei. Auch noch nach seinem Fronteinsatz sprach er viel mit einem Priester und festigte in dieser Zeit wohl seine Wünsche zum Widerstand.

Ein großer Teil dieser Biographie zeigt den Prozess, wie Scholl zum Widerstand kam, welche Gedanken ihn begleiteten und wie hektisch (und oft unüberlegt) er getrieben wurde. Besonders in seiner letzten Zeit soll er sich Aufputschmittel besorgt haben, um diesen (selbst auferlegten) Druck aushalten zu können.

Doch nicht nur Hans und Sophie Scholl bekommen Raum in diesem Buch, auch die anderen Unterstützer der Weißen Rose und Verfolgten des Regimes erhalten ihren Platz. Die Fakten rund um Verhaftung, Prozess, Hinrichtung, die Beziehung zu den Eltern – natürlich liest man auch darüber.

Zum Schluss gibt es noch ein Kapitel über die Erinnerungskultur und Rezeptionsgeschichte, das Wachhalten des Mythos „Weiße Rose“. Im Anhang finden sich die Texte der Flugblätter, die den Geschwistern Scholl und Christian Probst letztendlich zum Verhängnis wurden.

„Eine Erinnerungskultur, die sich auf ein hohes Maß an historischer Kenntnis, politischer Bildung und ethischer Urteilskraft stützt, stiftet Sinn und bildet Identität, wenn um eine humane Orientierung gerungen wird. – Es lebe die Freiheit.“

Dem Autor Jakob Knab ist hier eine sehr eindrucksvolle Biographie gelungen, die ich gerne gelesen habe. Auch wenn ich schon mehrere Bücher über Hans Scholl und die Weiße Rose kenne, fand ich hier den Schwerpunkt über die Sinnfindung sehr interessant. Gerne vergebe ich 5 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.09.2018
Urlaubsg'schichten und Reisesachen
Prokopetz, Joesi;Schindlecker, Fritz

Urlaubsg'schichten und Reisesachen


sehr gut

Wenn einer eine Reise tut...

Wer die beiden Autoren bisher noch nicht kennt, wird sie in diesem Buch von ihrer „besten Seite“ kennenlernen. Wer hat sie noch nicht erlebt – die Geschichten, die man erzählt, wenn man eine Reise tut – oder eben danach, oder erst sehr viel später – wenn man dann schon wieder darüber lachen kann.

Joesi Prokopetz und Fritz Schindlecker überschlagen sich in diesem Buch mit Anekdoten und Geschichten zum Thema Reisen. Reiseschriftsteller aufgelaufen zu ihrer Höchstform…

Von der Reiseplanung über deren Finanzierung, weit entfernte Ziele und Naheliegendes bis zur Rückkehr aus dem Paradies findet sich so mancher Leser wieder. Ob in der Karibik oder in den Vorarlberger Alpen, überall passieren sie – die Geschichten, die den Urlaub ausmachen. Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen.

Und erzählen können auch die beiden Autoren. Abwechselnd präsentieren sie ihre Urlaubserlebnisse auf derart humorvolle Weise, dass es schwer ist, den Witz von einer Geschichte zur nächsten einzustellen oder gar zu überbieten. Dennoch sollte man bei all dem Humor den oftmals ernsten Hintergrund nicht überlesen. So wird das Fliegen zwar aufs Korn genommen, jedoch nicht ohne dabei auf die dramatischen Folgen für die Umwelt hinzuweisen.

Über 170 Seiten weit, nähert man sich dem Reisen auf eine Art, wie man sie nicht jeden Tag findet und doch entdeckt man sich auch immer wieder selbst in den Geschichten. Es sei jedoch darauf hingewiesen, das Buch nicht in einem Rutsch durchzulesen – es könnte sich der Witz verlieren und die Geschichten als übertrieben humoristisch empfunden werden. Jeden Tag ein oder vielleicht zwei der Geschichten könnten einem aber durchaus die nächste Reise schmackhaft machen. Und wenn nicht die Geschichten selbst, dann vielleicht die sehr gut ausgewählten und platzierten Zitate.

„Der Weg ist das Ziel“ aber:
„Wenn der Weg das Ziel ist, ist das Ziel weg!“ (Seite 55)

Bewertung vom 25.09.2018
Traumtunnel
Lüders, Harald

Traumtunnel


gut

Traumtunnel

Virtuell-Reality, Data-Mining und Big-Data sind in Harald Lüders‘ Buch „Traumtunnel“ nicht nur Schlagworte. Alle diese Begriffe aus der Welt der Informationstechnologie laufen in Lüders‘ Thriller in einem Luxussanatorium in den Südtiroler Alpen zusammen.

Aber wozu benötigt ein Sanatorium, in dem es in erster Linie um Heilung und Erholung gehen soll, Daten von Google, Facebook und dergleichen?
Diese Frage stellt sich schon zu Beginn der Frankfurter Journalist Mitch Berger und stolpert dabei nicht nur über dubiose Geschäfte der Sanatoriumsleitung, sondern auch über die Grenzen von Virtuell-Reality.

Der Autor zeigt zu Beginn des Buches die Chancen der neuen Methoden in Richtung Datenauswertung und Computersimulation auf und kehrt den guten Seiten dieser Möglichkeiten schnell den Rücken. Es entwickelt sich eine spannende Geschichte, die den Leser bis ins zweite Drittel des Buches durchaus fesselt.

Der Schreibstil des Autors mag für so manchen gewöhnungsbedürftig sein. Schon zum Einstieg in die Geschichte hat man das Gefühl als würde man dem Autor nicht schnell genug lesen können. Kurze Sätze, oft ein wenig unzusammenhängend, sollen scheinbar das Gefühl von Geschwindigkeit vermitteln. Das gelingt dem Autor leider nur mäßig und der Leser bekommt eher den Eindruck, die Sätze wären einfach aus einem vorhandenen Baukasten von Sätzen zusammengestoppelt.

Auch wird aus der durchaus plausibel wirkenden, spannenden Geschichte gegen Ende ein blutiges Durcheinander. Die Figuren wirken mehr und mehr unkoordiniert, verlieren schnell an Glaubhaftigkeit und die Erzählung beginnt ins Unwirkliche zu kippen – schade um die gute Story.

Auffallend sind auch sehr viele Rechtschreibfehler und Stilfehler. So bekommt einer der Protagonisten innerhalb eines Absatzes einen neuen Namen. Sollte es zu einer weiteren Auflage des Buches kommen, wäre ein nochmaliges Korrekturlesen anzuraten...

Nach Abzug der 2 Sterne für die (leider) sehr mäßige Umsetzung und die Fehlerhäufigkeit bleiben immer noch 3 Sterne für die Idee.