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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2029 Bewertungen
Bewertung vom 22.04.2021
Irgendwo ist immer irgendwer verliebt
McKinlay, Jenn

Irgendwo ist immer irgendwer verliebt


gut

Viel Wortwitz

Der Anfang des Romans mit dem Dialog zwischen der Protagonistin Chelsea und ihrem Vater ist witzig. Sie ist schockiert, dass ihr Vater wieder heiraten will.

Doch schließlich erkennt sie, dass sie auch mal wieder etwas für sich tun muss und nicht nur Arbeiten. Sie nimmt sich eine berufliche Auszeit und verreist.

Auch später gibt es viel Wortwitz, Das konzentriert sich zunehmend auf die Dialoge zwischen ihr und ihrem Kollegen/Konkurrenten. Mit der Zeit haben mich die gegenseitigen Frotzeleien aber etwas genervt. Neben den Spitzen Bemerkungen, die sie austauschen, gibt es aber auch eine gewisse Anziehungskraft.
Das Buch driftet zu sehr in Richtung Frauenunterhaltung mit Chicklitanleihen. Dafür bin ich nicht so ganz das richtige Zielpublikum. Dennoch erkenne, dass der Roman „Irgendwo ist immer irgendwer verliebt“ für sein Genre einige Qualitäten hat.

Bewertung vom 21.04.2021
Flucht - Eine Menschheitsgeschichte
Kossert , Andreas

Flucht - Eine Menschheitsgeschichte


gut

Flucht – Eine Menschheitsgeschichte von Andreas Kossert ist ein tüchtiges Sachbuch.
Schon der Titel des ersten Kapitels „Jeder kann Morgen ein Flüchtling sein“. Erscheint mir sehr wahr und erzeugt Empathie.

Dem Buch ist treffend ein Gedicht vorangestellt: Fremdenfeindlichkeit von Günter Grass.
Ich denke, dass manchmal wird ein Thema durch Romane besser transportiert wird . Ein Beispiel dafür ist das hier auch zitierte Herkunft von Sasa Stanisic.
Flucht, das Sachbuch hat mich vergleichsweise kalt gelassen. Damit hätte ich nicht gerechnet.

Bewertung vom 18.04.2021
Drei Kameradinnen
Bazyar, Shida

Drei Kameradinnen


sehr gut

Rasant und energiegeladen

Drei Kameradinnen, das sind die 3 Freundinnen, die sich schon lange kennen und alle einen Migrationshintergrund haben. Hani, Kasih und Saya leben in Deutschland und erleben im Alltag immer wieder Vorurteile und Benachteiligungen, sei es durch automatisch schlechte Zensuren von Lehrern oder den Busfahrer, der sie anschnauzt oder der Kaufhausdetektiv, der sie misstrauisch beäugt.

Es ist eine Art Berichtsform, in der erzählt wird und gelegentlich spricht die Erzählerin Kasih die deutsche Öffentlichkeit direkt an und verdeutlicht die Unterschiede.

Wie Shida Bazyar ihren Roman gestaltet ist geschickt und intensiv, oft auch sehr originell. Dabei denke ich zum Beispiel an die Passage, als Kasij einen Auftritt der 3 Freundinnen in der Bärbel Schäfer-Show in den neunziger Jahren imaginiert und dabei einige Punkte klarmacht.

Dann gibt es auch Momente, in denen der NSU-Prozess gerade abläuft und da wird die Stimmung der Zeit abgebildet.

Der Roman beeindruckt auch besonders durch eine sehr starke Figur: Saya, cool, aber immer auch wütend. Nicht auf den Mund gefallen, aber dadurch zu oft auf Konfrontationskurs. Ihre Freundinnen Hani und Kasih sind weniger kämpferisch, obwohl sie den unterschwelligen Alltags-Rassismus genauso spüren.

Shida Bazyar hat nach „Nachts ist es leise in Teheran“ mit Drei Kameradinnen wieder einen eigenwilligen und starken Roman geschafft.

Bewertung vom 18.04.2021
Wenn Haie leuchten
Schnetzer, Julia

Wenn Haie leuchten


sehr gut

Das unbekannte Meer

Wenn Haie leuchten ist ein Sachbuch, das beweist, dass Meeresbiologie spannend und unterhaltsam sein kann, aber dennoch gründlich und informativ. Das Meer und seine Bewohner sind unglaublich vielfältig und rätselhaft. Das allermeiste von dem Buch, was geschildert wird, war mir vollkommen unbekannt.
Es geht um mehr als nur Haie, auch wenn deren Anteil wichtig für das Buch ist. Es geht aber auch um Quallen, Delfine, Insekten, Fische, Viren, Riesenkalmar, Muscheln und anderen ungewöhnliche Arten.

Nach dem Lesen des Buches hätte man fast Lust, selbst Meeresbiologie zu studieren und die Weiten des Meeres zu erforschen. Die Autorin Julia Schnetzler macht aber auch deutlich, dass das nebenbei auch harte Arbeit erfordert. Das macht es eigentlich umso reizvoller, denn große Erkenntnisse kommen nicht ohne Anstrengung.

Bewertung vom 18.04.2021
Hauskonzert
Levit, Igor;Zinnecker, Florian

Hauskonzert


sehr gut

Mehr als nur eine Musikerbiografie

Igor Levit, der erfolgreiche Pianist, ist ein extrovertierter Mensch, der sich engagiert. Er steht den Grünen nahe, spricht gegen Antisemitisus, gegen Ausgrenzung, unterstützt Fridays for Future.
Er äußert sich auch öffentlich, z.B. in einer Talkshow.
Für manche Rechte ist er ein rotes Tuch, es gibt auch Morddrohungen.

Der Autor Florian Zinnecker nähert sich dem Thema vorsichtig. Man spürt die Schwierigkeit dem gerecht zu werden, aber mit der Zeit findet er seinen Schreibfluß.

Eigentlich ist Hauskonzert mehr e als klassische Biografie, obwohl natürlich die Stationen seiner Karriere, die auch nicht ohne Schwierigkeiten war, geschildert wird. Zum Teil ist es auch ein politisches Sachbuch.

Dieses Buch wird Igor Levit weitere Aufmerksamkeit bescheren, die er auch verdient und es lohnt sich auch, seine Musik zu hören.

Bewertung vom 18.04.2021
Die Erfindung der Welt
Sautner, Thomas

Die Erfindung der Welt


ausgezeichnet

Origineller Roman

Der Roman hat eine interessante Ausgangssituation. Eine Schriftstellerin mit dem Pseudonym Aliza Berg bekommt unerwartet einen anonymem, aber hochdotierten Auftrag über das Leben und die Menschen in dem Dorf Litstein zu schreiben.
Das ermöglicht ein Spiel mit literarischen Mitteln und der Entstehung eines Romans, in der die Schriftstellerin schließlich selbst ein Teil wird.
Es bleibt auch ein Drang, die Identität des geheimnisvollen Mäzen G. herauszufinden.

Bestimmt wird der Roman anfänglich vom Blickwinkel der Icherzählerin, dem man gerne folgt, denn sie lässt das Ganze auf sich wirken und hat auch viel Wortwitz. Die Begegnung mit den Menschen in Litstein, die sie schon freudig erwartet haben, sind hinreißend geschrieben.
Im zweiten Teil wechselt die Perspektive und lässt eine Blick von Außen auf die Schriftstellerin und ihrer literarischen Recherche zu.
Im dritten Teil ist es dann wieder überwiegend Alizas Perspektive.

Es ist typisch für viele Bücher des Picus-Verlags, dass sie originell und anspruchsvoll, aber auch ansprechend und voller Leichtigkeit sind. Und Thomas Sautner macht mit seinem einfallsreichen Roman „Die Erfindung der Welt“ da keine Ausnahme. Das schätze ich sehr.

Bewertung vom 17.04.2021
Enriettas Vermächtnis
Madsack, Sylvia

Enriettas Vermächtnis


sehr gut

Die Erben

Die erfolgreiche und vermögende Schriftstellerin Enrietta da Silva ist gestorben. Sie stammte aus Argentinien und wurde in der Schweiz als Autorin bekannt.
Eine unerwartete Erbschaft erwartet den Arzt Emilio Volpe aus Argentinien und er kommt nach Zürich und gerät ins Gespräch mit dem Nachlaßverwalter, der sich wundert, was Emilio mit der Verstorbenen zu tun hatte und warum gerade der einer von 2 Erben wird. Doch Emilio will das Erbe nicht antreten. Die zweite Erbin ist Jana, die wie eine Ziehtochter für Enrietta war. Sie und Emilio freunden sich an.
Aus dieser Konstellation entwickelt die Autorin Sylvia Madsack eine komplexe Geschichte um ein Familiengeheimnis. Die leicht konstruiert wirkende Handlung schreitet nur langsam voran. Geduldige Leser sind gefordert. Mir wäre ein wenig mehr Tempo lieber gewesen. Dafür wird die Handlung für mich mit Zeit interessanter.

Der Roman lebt zum einen von dem Rätsel der Vergangenheit und zum anderen vom Verhältnis der Figuren untereinander. Das spitzt sich zu, als mit Armando ein weiterer möglicher Erbe auftaucht. Eine undurchsichtige, aber charismatische Figur mit zweifelhafter Vergangenheit, der aber eine große anziehende Wirkung auf Jana ausübt.
Alle 3 sind gleichberechtigte Hauptfiguren des Romans, deren Gedanken in sequentieller Reihenfolge gezeigt werden. Das fand ich sehr überzeugend.

Der Roman ist weitgehend auch durch den Schauplatz Zürich (teilweise auch Salzburg) geprägt, aber die Erinnerungspassagen in Argentinien gefallen mir auch gut.

Der Roman ist weniger zeitgenössische Literatur als gut gemachte, ansprechende unterhaltende Belletristik.

Bewertung vom 16.04.2021
Freiheitsgrade
Möllers, Christoph

Freiheitsgrade


sehr gut

Freiheitsgerade und ihre Voraussetzungen

Das Buch betrachtet den Liberalismus aus verschiedensten Blickwinkel.
Dazu nutzt Christoph Möllers viele kurze Kapitel und den Begriff Freiheitsgrade und den Voraussetzungen dafür. Das halte ich für einen guten Einfall.

Die Freiheitsgrade definiert Möllers wie folgt:
1. Freiheit steht Individuen und Gemeinschaften zu
2. Freiheit kann rational gerechtfertigt und willkürlich wahrgenommen werden
3. Freiheit kann im Rahmen einer formalisierten Ordnung und außerhalb dieser wahrgenommen werden

Die Freiheitsgrade haben Voraussetzungen:
Veränderbarkeit setzt Unveränderbarkeit voraus
Freiheit setzt Ungleichheit voraus
Freiheitswahrnehmung bedarf der Aneignung von Entscheidungen

Mit diesem Rüstzeug setzt sich der Autor mit den Mechanismen der Politik auseinander. Das führt am Schluß zu praktischen Ausblicken wie politische Lager, Klimakrise und Freiheitsgrade in der Pandemie.

Das Buch ist umfangreich und man muss nicht alles lesen, aber man findet mit Leichtigkeit viele interessante Kapitel.

Bewertung vom 16.04.2021
Wetter (eBook, ePUB)
Offill, Jenny

Wetter (eBook, ePUB)


sehr gut

Wetter ist ein Buch, dass einen Blick auf das gesellschaftliche Klima der USA wirft. Dieser Blick gehört einer eigenwilligen Bibliothekarin. Es wird die ganze Zeit aus ihrer Sicht und ihrem familiären Umfeld erzählt. Der Roman ist unkonventionell gemacht. Es gibt durchgehend immer kurze, fragmentarische Textböcke. Dennoch ist Jenny Offills Roman gut lesbar und schafft das Kunststück, ernsthaft zu sein, aber auch viele komische Momente zu haben.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.04.2021
Fahrtwind
Modick, Klaus

Fahrtwind


gut

Ein moderner Taugenichts

Ein junger Mann zieht in den siebziger Jahren nur mit seiner Gitarre ziellos in die Welt. Das ziellose ist Programm, inspiriert und orientiert an Aus dem Leben eines Taugenichts.
Das jemand außer der Freiheit und Spaß nichts will, tut einmal ganz gut. Der Icherzähler lässt sich treiben, hat aber auch das Glück, Leute zu treffen, die ihn mitnehmen. Streckenweise ist es fast eine Road novel und selbst der Leser kann den Fahrtwind fühlen.

Was mich zeitweise daran hinderte den Roman richtig zu genießen, ist der nur vorgeblich naive Ton und manchmal die Dialoge. Ich denke, auch in den siebziger Jahren haben viele Menschen normal geredet ohne diesen ständigen Jugendjargon, der aufgesetzt wirkt. Auf die Dauer kann das nerven, aber zum Glück gibt es auch einige gute Passagen, wo Klaus Modicks typischer Humor funktioniert.

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