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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 15.01.2017
Paris abseits der Pfade
Renöckl, Georg

Paris abseits der Pfade


ausgezeichnet

„Paris, abseits der Pfade“ ist ein Buch, das die fast unüberschaubare Menge von Paris Führern bereichert. Es sind nicht die sattsam bekannten 5 Sterne Sehenswürdigkeiten, die man präsentiert bekommt, sondern eine Anleitung zum Flanieren, zum entschleunigten Kennenlernen der Stadt.


In 9 Spaziergängen zeigt der Autor Paris von einer sehr lebendigen und liebenswürdigen Seite. Ob man über stillgelegte Bahntrassen einen grünen Spaziergang unternimmt oder den Spuren der Literaten aus den 30iger Jahren folgt, ob man einen Abstecher in quirlige afrikanische Straßen macht, oder auf den Spuren von Streetart-Künstlern folgt, es sind echte Entdeckungen und unbekannte Seiten der Stadt. Historische Zusammenhänge und neue Entwicklungen zeigen eine Stadt, die sich immer wieder neu erfindet und deshalb so lebenswert und lebendig bleibt.


Dazu kommen die Begegnungen des Autors Georg Renöckl mit Menschen, die ihr Viertel lieben und mitgestalten. Es macht Freude den Spuren zu folgen und sich für die nächste Parisreise die Vorschläge herauszupicken. So kann man eine Stadt nur beschreiben, wenn man sie kennt und liebt.


Die Spaziergänge sind durchweg gut beschreiben, kleine Kartenausschnitte helfen bei der Orientierung. Dazu kommen die schon genannten Begegnungen, Tipps für nette Lokale (nicht mal die Rezepte für diverse Spezialitäten fehlen) und besondere Einkaufsmöglichkeiten. Selbstgeschossene schwarz-weiß Fotos sind eine charmante Abrundung. Das praktische kartonierte Format passt auch unterwegs in jede Tasche.


Am besten gefällt mir, dass es Lust macht, eine Stadt abseits der altbekannten Wege für sich neu zu entdecken.

Bewertung vom 11.01.2017
Sweetgirl
Mulhauser, Travis

Sweetgirl


sehr gut

Percy ist 16 und sollte eigentlich ein unbeschwertes Teenagerleben führen, aber schon seit Jahren sorgt sie für ihre schwer drogen- und alkoholabhängige Mutter. Sie hat die Schule abgebrochen und arbeitet um sich durchzubringen. Als sie erfährt, dass ihre Mutter, die schon wieder seit Tagen abgetaucht ist, sich bei Shelton, einem Drogendealer und Kriminellen aufhält, will sie sie zurückholen. In Sheltons Haus findet sie allerdings nicht ihre Mutter, sondern zwischen einem verwesenden Hund und einer jungen im Drogenrausch weggetretenen Frau ein Baby. Am offenen Fenster, halb eingeschneit, der nasse Strampelanzug schon am kleinen Körper festgefroren.
Ohne lange nachzudenken, nimmt sie das Baby und schleicht sich aus dem Haus. Durch den Schneesturm will sie zu Portis fliehen, einem der wenigen Menschen, denen sie vertraut. Doch Shelton und seine Kumpane sind ihr schon auf den Fersen.
Ein Mädchen, das sich mit dem Mut der Verzweiflung durch den eisigen Winter Michigans kämpft. Verfolgt von Kriminellen, die vor nichts zurückschrecken. Das ist sehr eindringlich erzählt und die Heldin des Buches, denn Percy ist wirklich heldenhaft, weil sie ihr eigenen Ängste hintan stellt, ist mir gleich ans Herz gewachsen. Ich habe mit ihr gezittert, dass es ihr gelingt, das Baby rechtzeitig ins Krankenhaus zu bringen. Ihre Verzweiflung ist greifbar und auch ihre Hoffnungslosigkeit, als sie erkennt, dass sie ganz auf sich gestellt ist, weil die Verfolger nicht mal vor Mord zurückschrecken.
Das Buch ist ein Blick auf den Bodensatz der amerikanischen Gesellschaft, Drogensucht und Hoffnungslosigkeit bestimmen das Leben der Protagonisten der Geschichte. Der Autor versucht seinen Figuren gerecht zu werden und vermeidet Schwarz-Weiß-Malerei in der Darstellung der Charaktere .Manchmal wunderte ich mich allerdings, wie Shelton nach exzessiven Drogen- und Alkoholgenuss überhaupt noch handlungsfähig war und noch einen logischen Gedanken fassen konnte.
Mir hat das Buch gut gefallen, ich könnte es mir auch gut für etwas ältere Jugendliche vorstellen, die mit Percy eine eindrucksvolle Hauptfigur finden.

Bewertung vom 10.01.2017
Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2
Ferrante, Elena

Die Geschichte eines neuen Namens / Neapolitanische Saga Bd.2


sehr gut

Auch im zweiten Teil der neapolitanischen Familiensaga sind die Freundinnen Elena und Lila die Hauptpersonen.


Lila, 16 Jahre alt, heiratet Stefano Carracci aus einer vermögenden Familie. Die Ehe ist nicht sonderlich glücklich, bereits am Hochzeitstag verliert Lila ihre Illusionen. Ihr Ehemann versteht sich als Herr im Haus und scheut nicht vor Gewalt zurück, seinen Anspruch durchzusetzen und der eigensinnigen Lila ihre Flausen auszutreiben. Elena dagegen hat Schwierigkeiten ihren schulischen Ehrgeiz wieder zu wecken und weiß nicht recht, wohin sie die Zukunft führen soll. Das Band der Freundschaft bleibt aber erhalten, auch wenn es Missverständnisse und Abkühlung gibt.


Ich habe den ersten Band gern gelesen und war neugierig, wie es weitergeht. Ferrante bleibt sich treu, sie erzählt sehr detailverliebt und ausufernd, wie es zu dieser Familiensaga passt. Das Neapel der 60iger Jahre, vor allem das Viertel der kleinen Handwerker und Arbeiter wird lebendig. Elena und Lila stehen für die zwei Wege, die jungen Frauen in der patriarchalischen, machohaft geprägten Gesellschaft in Süditalien möglich war: entweder möglichst vorteilhaft zu Heiraten oder wie Elena durch Bildung den eigenen Weg zu gehen, auch mit der Gefahr eine Außenseiterrolle einzunehmen.

Ich konnte mich nur schwer in die Gefühlswelt der beiden Frauen hineinversetzen, zwar sind mir ihre Träume, Wünsche und Enttäuschungen und Verletzungen verständlich, aber als Personen sind sie mir nicht sehr nahe gekommen.
Die Geschichte drehte sich für mich zu sehr im Kreis, auch wenn Lila und Elena auf ihre Weise ihren Weg erfolgreich zu Ende gehen, bleibt doch vieles unausgesprochen. Die von Elena in Rückblenden erzählte Geschichte – nachdem sie als junge Frau die Notizbücher Lilas gelesen hat – hat mir nie erschlossen, warum die Bindung über die Jahre so eng geblieben ist. Denn das Verhältnis der beiden jungen Frauen ist nie frei von Konflikten gewesen, manchmal meinte ich fast so etwas wie Abneigung und Eifersucht zu spüren.


Die Faszination, die der erste Band durchaus auf mich hatte, hat sich bei hier in der Fortsetzung nicht mehr so ganz eingestellt.


Ausgesprochen nützlich ist das ausführliche Personenregister mit Kurzbeschreibungen, sonst wäre ich in der verschlungenen Geschichte sicher verloren gewesen, denn nicht mehr alle Figuren waren mir noch so präsent.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2016
Die Spionin
Coelho, Paulo

Die Spionin


gut

Das Buch beginnt mit einer starken Szene: Mata Haris Gnadengesuch ist abgelehnt worden, die Hinrichtung wird vollzogen. Hier zog mich der Autor sofort in Bann.
Der nächste Teil besteht aus einem langen Brief Mata Haris an ihre Tochter. Hier flacht für mich die Geschichte bereits ab. Die Beschreibung brachte mir die Persönlichkeit nicht näher. Im Schnelltempo bewegen sie die Beschreibungen durch ihr Leben. Herkunft und Familie werden gestreift, die Vergewaltigung durch den Leiter der Internatsschule und die immer größere Entfremdung zur Familie, sind die ersten Etappen, die in einer lieblosen Ehe mit einem sehr viel älteren Kolonialoffizier münden. Sie begleitet ihren Mann nach Niederländisch-Ostindien und dort lernt sie die Kultur kennen, die sie zu ihrem Künstlernamen und zu ihren tänzerischen Darbietungen inspirieren. So wird aus Margarethe Zeller Mata Hari. Sie wird eine Berühmtheit der Halbwelt, findet reiche Gönner und lebt ihr Luxusleben, bis der Erste Weltkrieg dem ein Ende bereitet und sie neue Einnahmequellen suchen muss.
Eine dritte Sichtweise bringt der Brief ihres Anwalts, der ihr die Vollstreckung des Urteils ankündigt und der sich und seine Verteidigung rechtfertigt.


Bilder und Dokumente rahmen die Romanhandlung ein, die mir leider viel zu sehr an der Oberfläche geblieben ist. Die Person Mata Hari hätte sicher viel mehr an Projektionsfläche zu bieten gehabt. So kratzte der Roman nur an der Geschichte, aber ich hätte mir viel mir Tiefe gewünscht. In einem Roman hätte der Autor die Möglichkeit gehabt, der Figur nahe zu kommen, sie zu interpretieren, das ist leider nicht passiert. Auch über die große Frage – Spionin oder nicht – hätte ich gern mehr erfahren.


So ist mir eigentlich nur ein Satz, gleich zu Beginn des Buches im Gedächtnis geblieben: Ich bin eine Frau, die im falschen Jahrhundert geboren wurde. Ich weiß nicht, ob sich in der Zukunft jemand an mich erinnern wird, aber wenn doch, dann möchte ich nicht als Opfer gesehen werden, sondern als Frau, die mutig ihren Weg gegangen ist und furchtlos den Preis dafür gezahlt hat.“


Leider trägt das Buch nicht dazu bei, die Erinnerung an Mata Hari lebendig zu halten.

Bewertung vom 25.12.2016
Fast perfekte Heldinnen / Perfekte Heldinnen Bd.1
Bréau, Adèle

Fast perfekte Heldinnen / Perfekte Heldinnen Bd.1


sehr gut

Mathilde, Lucie, Alice und Éva sind Freundinnen seit Jahren, obwohl sie ganz unterschiedlich sind, halten sie zusammen, sind sich auch oft Ratgeberin und Stütze.
Nach wunderschönen, zusammen mit ihren Familien verbrachten Ferien, geht es viel zu schnell zurück in den Alltag.
Mathilde hat Eheprobleme, ihr Max ist seit längerem arbeitslos und hat sich sehr gut in der Situation eingerichtet. So trägt Mathilde ganz allein die Doppelbelastung als Familienmutter und Ernährerin der Familie.
Alice macht die Trennung von Adrien mehr zu schaffen, als sie sich eingestehen möchte, Èvas Kinderwunsch wird immer drängender, während Lucie grade ihr drittes Kind bekommen hat. Alle Freundinnen haben genug Probleme im Alltag, aber ihre Freundschaft hilft ihnen über alle Turbulenzen hinweg.
Das Buch ist wunderbar leicht und unterhaltsam geschrieben, mit einer Leichtigkeit werden Probleme beschrieben, wie ich es in französischen Roman so liebe. Lebensfreude und Charme helfen den vier Freundinnen über die Niederungen des Alltags hinweg.

Wenn man erst mal alle Beziehungsgeflechte durchschaut hat, amüsiert man sich köstlich über das Quartett. Dabei wirkt natürlich alles wie aus einem Hochglanzmagazin über die Pariser Society, aber die Realitätsferne schadet nicht. Es ist gelungene Unterhaltung für einige kurzweilige Lesestunden.

Bewertung vom 18.12.2016
Mord im stillen Belfrey / Belfrey Bd.1
Kelly, Michelle

Mord im stillen Belfrey / Belfrey Bd.1


gut

Keely kommt zurück in die Kleinstadt ihrer Kindheit und Jugend. 10 Jahre hat sie in Indien, New York und London gelebt, eine Ausbildung zur Yoga Lehrerin gemacht und möchte nun einen Traum verwirklichen. In der alten Metzgerei ihres verstorbenen Vaters möchte sie ein Yoga Café eröffnen und vegetarische Speisen anbieten.
Doch es gibt eine böse Überraschung, kaum angekommen wird sie von der Polizei befragt, im leeren Geschäft hat es gebrannt und im Obergeschoss wurde die Leiche eines Mannes gefunden, offensichtlich erschlagen. Der Polizeibeamte ist niemand anders als Ben Taylor, der Schwarm ihrer Schulzeit. Aber damals hat er keinen Blick für sie gehabt, Keely war das Pummelchen der Schule und Opfer vieler Hänseleien. Nun verdächtigt er sie auch noch, das bringt sie völlig aus der Fassung und auch sonst wird ihr nicht allzu viel Wohlwollen entgegen gebracht. Deshalb versucht sie selbst ein paar Informationen zu erfragen und beginnt zu schnüffeln.
Auf der Rückseite ist ein Zitat der RT Books Review abgedruckt: "Das Buch hat alles, was Cosy Crimes so populär macht." Das mag sein, aber leider hat die Autorin die Zutaten nicht zu einer homogenen Mischung gerührt. Die Figuren sind blutleer und bleiben allesamt blass, die Story ist zu langatmig um echte Spannung aufkommen zu lassen. Lediglich gegen Ende des Buches zieht die Spannung dann an. Bei mir wollte der Funke einfach nicht überspringen, zu uninspiriert hat die Autorin erzählt. Es fehlte an der typischen Kleinstadtatmosphäre mit ihren kauzig-spleenigen Bewohnern, die bei einem Landhaus-Krimi einen großen Teil des Reizes und der Unterhaltung ausmachen.
Am besten gefallen mir noch die manchen Kapiteln voran gestellten Yoga Übungen und die Rezepte am Ende des Buchs. Und natürlich die hübsche Gestaltung des Covers, die mir so viel Lust auf den Krimi machten.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.12.2016
Geheimnis in Weiß
Farjeon, J. Jefferson

Geheimnis in Weiß


sehr gut

Zu Glühwein und Weihnachtsplätzchen gehört für mich auch immer ein Weihnachtskrimi. Mit der Neuauflage des Klassikers „Geheimnis in Weiß“ von J.J. Farjeon habe ich einen guten Griff getan.
Kurz vor dem 24. Dezember wird England von heftigen Schneefällen heimgesucht, das führt zu einer Zwangsgemeinschaft, als der Zug in einer Schneewehe stecken bleibt. Die Reisenden eines Abteils beschließen sich zu Fuß zum nächsten Bahnhof durchzuschlagen. Als sie sich verirren, kommt in das Licht eines Landhauses wie die ersehnte Rettung vor. Im unverschlossenen Haus scheint alles auf Gäste vorbereitet zu sein, in den Kaminen brennen wärmende Feuer, der Tee ist vorbereitet, sogar das Wasser scheint gerade erst gekocht zu haben. Doch kein Mensch ist zu sehen, niemand nimmt die Reisenden in Empfang und das sie alle durchnässt und durchfroren sind, gewähren sie sich mit seltsamen Gefühl selbst die Gastfreundschaft. Als sie noch ein großes Messer auf dem Boden finden, verstärkt sich ihr Unbehagen.
Die Reisegruppe ist bunt gemischt, ein Geschwisterpaar der besseren Gesellschaft, ein Nörgler und Besserwisser, eine Revuetänzerin auf der Suche nach einen Engagement, ein schüchterner junger Mann und natürlich Mr Maltby, ein kultivierter älterer Herr, der rasch zum Führer der kleinen Gruppe wird. Als dann noch ein grobschlächtiger Mann, der sich Smith nennt, auftaucht, rückt die Gemeinschaft noch etwas enger zusammen.
Natürlich strahlt das Haus etwas Geheimnisvolles und Gefährliches aus und abgeschnitten von der Außenwelt versuchen sie die unfreiwilligen Gäste so gut wie möglich zu arrangieren. Auch wenn bald klar wird, dass sich ein Mörder unter ihnen befindet.
Das Buch ist wirklich ein Klassiker, schon 1937 in England erschienen, es hat nicht von seinem Charme eingebüßt. Vielleicht merkt man es der Sprache an, die der Zeit entspricht und mir deswegen ganz besonders gefallen hat. Auch die Zusammensetzung der Gruppe ist ein Spiegel der damaligen Gesellschaftsschichten.
Ein spannendes Krimirätsel, voller Geheimnisse und mysteriösen Begebenheit, das mir sehr viel Spaß gemacht hat. Der Klett Cotta Verlag hat nicht nur das Buch neu für deutsche Leser entdeckt, er hat es auch durch eine besonders schöne Ausstattung (feines Leinen, Lesebändchen) hervorgehoben.

Bewertung vom 16.12.2016
Sparifankerl
Rößner, Susanne

Sparifankerl


sehr gut

Es ist schon mehr als ungewöhnlich, wenn sich der selbstverliebte und überhebliche Pathologe Dr. Dyrkhoff mal leutselig gibt und das Ermittlerteam um Kommissar Sauerwein mit Torte verwöhnt. Ihm sind einige Merkmale an verstorbenen Männern aufgefallen, zu wenig um den Totenschein zu verweigern, doch seltsam, weil es ihm öfters begegnet.
Mehr aus Freundlichkeit, als aus Überzeugung sehen sich Sauerwein und Eva die Fälle näher an und müssen tatsächlich zugeben, dass ihr Bauchgefühl Dr. Dyrkhoff Recht gibt, auch wenn sie keine Ermittlungsansätze sehen. Alle Männer waren verheiratet und die Ehefrauen hatte alle sehr häufig häusliche Unfälle, blaue Flecken, Prellungen, aber nie kam es zu einer Anzeige wegen häuslicher Gewalt. Aber das macht das Team aus, sie halten zusammen. Allmählich verdichten sich die Verdachtsmomente, nicht zuletzt durch die findigen Ermittlungsansätze von Eva Neunhoeffer und ihren Kollegen. Ganz besonders gut fand ich hier den Part, den die sonst so gern unterschätzte Sekretärin Nora einnimmt
Der dritte Krimi von Susanne Rößner ist dieses Mal etwas ernster im Ansatz als die beiden Vorgänger. Sicher liegt das am Fall, der bald alle Kollegen an ihre Grenzen bringt. Sind es Morde? Was sind die Motive? Kann man die wasserdichten Alibis der Ehefrauen knacken?
Auch wenn auch in diesem Band immer wieder der Humor und der Witz anklingt, die Rößners Krimis so unverwechselbar machen, es ist ein ernstes und spannendes Thema, das diesen Krimi ausmacht. Nicht nur die Ermittler des Kommissariats Rosenheim, auch die Leser werden gefordert. Bis zur letzten Seite bleibt es spannend, auch weil immer wieder ganz geschickte Wendungen auftauchen. Die Charaktere sind wieder gut gezeichnet, Susanne Rößner kann mit einigen Sätzen schon eine Figur formen.

Es gibt einen kleinen Kritikpunkt, den ich erwähnen möchte. Der Titel „Sparifankerl“ (Teufel im bayrischen Brauchtum) wirkt fast zu verniedlichend für das Thema des Krimis.

Bewertung vom 12.12.2016
Schere 9
Archan, Isabella

Schere 9


ausgezeichnet

Isabella Archan überrascht mich mit jedem Buch auf’s Neue. Mit Heinz Baldur hat sie einen Kommissar auf den Weg gebracht, der in seinen Ermittlungen mehr involviert ist, als ihm lieb sein kann.
Obwohl er seine Verlobte Rita liebt, kann er keiner Versuchung widerstehen und sein letzter Seitensprung mit der besten Freundin Ritas, lässt sie ausrasten. Sie versucht Baldur zu vergiften. Nach seiner Genesung lässt er sich nach Frankfurt versetzen um einen privaten und beruflichen Neuanfang zu machen. Gleich sein erster Fall führt in an seine Grenzen. In einem Hotel wird die Leiche eines Mannes gefunden, der offensichtlich ein tödliches Sexabenteuer hatte, die Mordwaffe: eine Schere! Es bleibt nicht bei diesem Toten und allen ist gemeinsam, dass sie hemmungslos jede Möglichkeit zu außerehelichem Sex nutzten. Die Rache einer betrogenen Frau?
Verstörend ist der zweite Handlungsstrang: ein Chat zwischen zwei Personen, die sich an diesen Morden ergötzen.
Heinz Baldur kommt an seine Grenzen, zu nah kommt ihm dieser Fall. Aber seine Mitarbeiter Melek Arslan und Thomas Habermann können ihn immer wieder erden. Die Entwicklung des Teams und die Zusammenarbeit untereinander haben mir gut gefallen.
Der Krimi hat viele Elemente, die ihn schon fast zum Psychothriller machen. Ich konnte mich dem Sog der Handlung nicht entziehen, auch wenn die Mordschilderungen mir schon an die Nieren gingen. Isabella Archan schaut schon genau hin und die Opfer sind in ihrer realistischen Charakterisierung so erschreckend banal. Die Story wird temporeich vorangetrieben und die zweite Erzählebene, aus der Sicht des Täters geschrieben, ist schonungslos, rasant und eiskalt und hat die Spannung noch einmal erhöht. Das liegt sicher auch an der Sprache der Autorin, die in diesem Buch ungewohnt hart ist.
Ein toller Krimi, eher schon ein Thriller, der mich von der ersten Seite an gepackt hat.

Bewertung vom 12.12.2016
Lautlose Nacht
Lupton, Rosamund

Lautlose Nacht


ausgezeichnet

Eigentlich wollte Yasmin zusammen mit ihrer gehörlosen Tochter Ruby ihren Mann Matt in Alaska besuchen. Er arbeitet dort als Tierfilmer, sie sehnt sich nach langer Abwesenheit Matts auch nach einer Aussprache. Doch statt von ihrem Mann wird sie am Flughafen von der Polizei erwartet, die von einem tragischen Unfall spricht. In der kleinen Ansiedlung Anaktue im Norden Alaskas wurde durch einen Brand die ganze Bevölkerung ausgelöscht und Matt hat sich dort aufgehalten.
Doch alles in Yasmin wehrt sich gegen die Nachricht, sie ist sich sicher dass Matt lebt und macht sich zusammen mit Ruby auf die Reise in den Norden Alaskas, zuerst als Beifahrer auf einem Truck, dann später allein, durch Dunkelheit, Stürme und Minustemperaturen weit unter vorstellbaren Graden.
Drei Ebenen strukturieren diesen spannenden, mitreißenden Roman: Yasmins Erinnerungen an den Beginn ihrer Liebe zu Matt und die beginnende Entfremdung. Rubys Gedankenwelt, ihr Umgang mit der Gehörlosigkeit und ihr Sträuben gegen Einengung durch ihre Mutter. Ihre Welt ist auch ohne Sprache vielseitig und mit ihren Sinnen nimmt sie viel an Stimmungen wahr, hat so viele Ausdrucksmöglichkeiten, dass ihre Welt dem Leser ebenso reich erscheint, wie dem Sprechenden. Dann die Realität, die Gefahr durch die lebensfeindliche Umwelt und ganz akut durch einen geheimnisvollen Verfolger, der mit allen Mitteln verhindern will, das Yasmin und ihre Tochter Anaktue erreichen.
Die Geschichte fesselte mich durch die facettenreiche Beschreibung der Erinnerungen und der Gedanken von Yasmin und Ruby, aber auch durch die tollen Schilderungen des arktischen Winters. Dunkle, menschenleere Tundra, durchzogen vor einer Eisstraße, auf der nur die Scheinwerfer des Trucks einen Lichtstrahl durch die dunkle Welt schicken. Stürme, Schnee, Eis und eisige Temperaturen von minus 40° werden für mich auch beim Lesen fast erlebbar, so plastisch und lebendig ist die Sprache von Rosemary Lupton, so atmosphärisch dicht ihr Stil.
Ein tolles, spannendes Buch, ein Thriller mit einer wichtigen Botschaft, das ich nicht mehr aus der Hand legen konnte und das mich tief beeindruckt hat.
Auch das Cover passt zur Atmosphäre des Romans, eine Nacht mit dem kalten Grün des Polarlichts, passend auch der deutsche Titel.