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yellowdog

Bewertungen

Insgesamt 2029 Bewertungen
Bewertung vom 15.04.2021
Moos
Modick, Klaus

Moos


sehr gut

Erzählt wird anhand von nachgelassenen Notizen eines Botanikers. Es sind naturwissenschaftliche Aufzeichnungen, aber auch noch mehr.
Das Leben des Verfassers Lukas Ohlburg bis tief in die Vergangenheit spielt auch eine große Rolle und man lernt diese Figur dadurch gut kennen.
Außergewöhnlich ist seine Faszination von Moos. Die Sprache ist nicht nur wissenschaftlich sondern auch erzählerisch und wird so Literatur.

Es gibt zum Teil bemerkenswerte Beschreibungen von Natur, insbesondere Moos. Das wird sehr dicht. Das trägt dazu bei, dass der Text als Novelle funktioniert.

Eine gut Idee, ein schon älteres, lange nicht mehr lieferbares Buch von Relevanz neu aufzulegen. Das Buch hat ein Nachwort vom Autor.

Bewertung vom 14.04.2021
Menschwerdung eines Affen
Behrend, Heike

Menschwerdung eines Affen


ausgezeichnet

Menschwerdung eines Affen ist eine großartige Autobiografie, ausdrucksstark und lebendig sowie interessant und spannend.
Beim Titel stutzt man zunächst, doch es ist die 1947 geborene Autorin Heike Behrend selbst, die zunächst den abwertenden Titel Affe erhält, als sie vor Jahrzehnten in Kenia, Ostafrika ankommt, um als Ethnologin zu forschen. Da warten anfangs einige Fettnäpfchen auf sie. Das betrifft sprachliche Missverständnisse und fehlende Kenntnisse der Sitten und Kultur. Aber sie lernt dazu, nimmt an Ritualen teil und steigt auf der Leiter zur Menschwerdung. Schließlich kann die Fremdheit überwunden werden.

Mir fällt sofort die Sympathie und den Respekt auf, den sie für die Menschen in den kenianischen Tugenbergen hat. Die weiteren Teile des Buches spielen sich überwiegend in Uganda Ende der achtziger Jahre bis 2005 ab, ein bürgerkriegsversehrtes Land, in dem die Forschungs- und Fotoarbeit riskant ist. Heike Behrend forscht im Kriegsgebiet über die Holy Spirit-Bewegung.

Der Verlag Matthes & Seitz hat mit diesem Buch wirklich etwas zu bieten und es ist kein Wunder, dass dieses Buch für den Deutschen Sachbuchpreis nominiert wurde.

Bewertung vom 13.04.2021
Das ist Lust
Gaitskill, Mary

Das ist Lust


ausgezeichnet

Ein kurzes Buch, das im Original 2019 im New Yorker veröffentlicht wurde. Und es vermittelt auch das Gefühl einer Erzählung aus diesem Magazin, inklusive der literarischen Kraft und Qualität.
Erzählt wird abwechselnd von M und Q. Das sind die analytisch denkende Margot und der charismatische Quin, die seit langen miteinander befreundet sind und die in der Buch-Branche arbeiten.
Quin ist jetzt von einer MeToo-Aktion betroffen. In einer Petition werfen ihm viele Frauen Übergriffe vor und er steht davor, seinen Job zu verlieren.
Während man in seinen Abschnitten hauptsächlich seine Gedanken und Überlegungen erfährt, wirken Margots Kapiteln wie ein Bericht. Das ist wirklich brillant gemacht und auch sprachlich außerordentlich beeindruckend. Mary Gaitskill versteht es, eine Story zu erzählen.

Bewertung vom 13.04.2021
Die Schlange im Wolfspelz
Maar, Michael

Die Schlange im Wolfspelz


ausgezeichnet

Dem Geheimnis auf der Spur

Die Schlange im Wolfspelz von Michael Maar ist ein grandioses Sachbuch über verschiedene Aspekte der Literatur. Betrachtet wird klassische Literatur, aber manchmal auch moderne.
Es ist ein aufregendes Werk, auch eins über das man sich manchmal aufregen kann. Nicht allen provokanten Thesen von Michael Maar stimme ich ohne weiteres zu. Aber viel ist wirklich originell und Michael Maar ist alles andere als dogmatisch. Michael Maar steigert sich ganz schön rein und zieht den Leser mit in einem Taumel literarischer Fragestellungen über Stil, Metaphern, Bildsprache, Dialoge

Es werden beeindruckend viele, überwiegend deutschsprachige Autoren behandelt: Fontane, Thomas Mann, Canetti, Hemingway, Franz Werfel, Goethe, Grimm, Hebel, Hölderlin, Valery, Heidegger, Heine, Stifter, Storm, Rudolf Borchardt, Anna Seghers, Robert Walser, Kafka, Leo Perutz, Thomas Bernhard, W,G,Sebald, Brigitte Kronauer, Herta Müller, Walter Kappacher, Wolfgang Herrndorf, Botho Strauß, Martin Mosebach, Clemens J.Setz, uva.
Es gibt auch einen Ausflug in die Lyrik.

Ob Maar wirklich dem Geheimnis großer Literatur auf die Spur kommt, kann ich nicht sagen. Aber ich habe viel neues erfahren.

Ein kluges Buch mit viel Humor.

Bewertung vom 11.04.2021
Wenn es uns gegeben hätte
Weiß, Josefine

Wenn es uns gegeben hätte


sehr gut

Ela und Timo

Eine unerfüllte Liebesgeschichte, die einst abrupt endete. Doch 8 Jahre später treffen sich Ela und Timo wieder. Die alten Gefühle sind sofort wieder da, aber es ist nicht einfach. Gibt es eine zweite Chance, die Beziehung doch realisieren zu können?
Schließlich versuchen sie es. Dann erfährt Ela von Timos schwerer Herzerkrankung, die tödlich enden kann. Das klingt wie aus einem Nicolas Sparks-Schmöker, aber hier fehlt glücklicherweise das offensichtliche Kalkül.
Die Realität ist, das Ela nicht damit fertig wird, dass Timo ihr seine Krankheit verschwiegen hat und sie verlässt ihn.

Es wird immer aus Elas Perspektive erzählt und es gibt viele Momente, in denen sie zweifelt, auch an sich selbst. Sie erinnert sich auch an ihre Kindheit, als sie vom Vater verlassen wurde. Das prägte sie.

Die Autorin Josefine Weiss zeigt die Schwierigkeiten einer Liebesbeziehung unter Belastungen. Das hebt ihr Buch aus der Masse heraus.

Bewertung vom 10.04.2021
In einer Nacht ein ganzes Leben
Ruiz, Olivia

In einer Nacht ein ganzes Leben


gut

Die Französische Sängerin und Schauspielerin Olivia Ruiz nutzt in ihrem Debütroman „In einer Nacht ein ganzes Leben“ einen literarischen Kniff um das Leben einer Frau zu erzählen, die schon als Kind das Exil von Spanien im Bürgerkrieg nach Frankreich erlebte. In Zehn Briefen wird Abuela Ritas ganzes Leben geschildert. Gelesen werden die Briefe nach ihrem Tod von der Enkelin in einer einzigen Nacht. Diese Erzählmethode funktioniert, hätten für meinen Geschmack aber literarisch anspruchsvoller sein können. Eigentlich kenne ich diese Erzählform hauptsächlich aus Frauen-Unterhaltungsromanen und das hatte ich hier nicht so erwartet, da der Stoff angeblich vom Leben der Familie der Autorin beeinflusst sein sollte. Das heißt aber nicht, dass mir der Roman nicht gefallen hätte, aber man muss seine Erwartungshaltung anpassen.
Am Ende sind die Briefe bzw. das Leben Ritas sind das Erbe für ihre Enkelin, die sich von dem gelesenen getröstet und gestärkt fühlt.

Bewertung vom 10.04.2021
Die Roseninsel
Reitner, Anna

Die Roseninsel


gut

Der Duft der Roseninsel

Die junge Berliner Ärztin Liv entflieht ihrem Überdruss für 4 Wochen auf eine bayrischen Roseninsel. Dort ist niemand außer einer Villa und die Rosenstöcke. Sie findet durch Zufall in einem Versteck ein Tagebuch und so wird eine zweite Geschichte in Gang gesetzt, die 1889 von Magdalena erzählt, die isoliert auf eben dieser Roseninsel leben musste. Sie ist die uneheliche Tochter des bayrischen Königs.
Während mir Liv streckenweise ein wenig überspannt vorkommt, kann man mit Magdalena in ihrer Lagre sofort mitfühlen.
Die beiden Handlungsebenen wechseln sich ab und die Geschichte verdichtet sich immer mehr.
Der Schwachpunkt des Buches sind für mich die lauen Liebesgeschichten.

Anna Reitner verwendet einen einschmeichelnden, einfachen Schreibstil, um die Leser in ihre Geschichte zu ziehen. Mit dem Starnberger See in Bayern hat sie einen reizvollen Schauplatz gewählt und es entstehen einige gute Bilder im Kopf des Lesers und man glaubt die Rosen riechen zu können.

Bewertung vom 09.04.2021
Genki
Chauvat, Nicolas

Genki


sehr gut

Mir hat von Nicolas Chauvat schon sein Buch „Zen-Lehren der Teemeister“ ganz gut gefallen und auch Genki halte ich für lesenswert. Es enthält die zehn goldenen Regeln aus Japan.
Genki, Arigatou, Jiyu, Mitate, Shinken, Gambaru, Kawakiri, Muda, Baka, Omotenashi
Interessant, diese Begriffe aus dem Japanischen kennen zu lernen.
Such die Form überzeugt. Die Begriffe werden vorgestellt und anhand treffenden Zitaten und Beispielen erläutert. Man kann daraus seine Schlüsse ziehen.
Ein Buch, dass positives vermittelt und behutsam sinnvolle Ratschläge gibt.

Bewertung vom 06.04.2021
Paris
Imboden, Blanca

Paris


ausgezeichnet

Natürlich ist dieser Roman von Blanca Imboden in erster Linie Frauenunterhaltung, aber ich habe das Buch dennoch gerne gelesen und das liegt in erster Linie an der sympathischen Hauptfigur Judith Flury, deren Gedanken den Plot bestimmen.
Sie ist Bähnlerin bei einer Seilbahn in der Schweiz. Diese Szenen haben mir besonders viel Spaß gemacht. Judith träumt auch schon seit langer Zeit von einem Besuch in Paris und lernt fleißig Französisch. Aber es dauert lange, bis sie tatsächlich Paris erreicht. Es bleibt in erster Linie ein Stanserhorn-Roman.
Man muss es nicht bereuen, diesen Roman gelesen zu haben. Er wirkt entspannend und ist manchmal amüsant, manchmal auch nachdenklich.