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Sikal
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 04.09.2018
Wiener Intrigen, Skandale und Geheimnisse
Badegruber, Reinhardt

Wiener Intrigen, Skandale und Geheimnisse


sehr gut

Nicht nur für Wienkenner
Einen vergnüglichen und höchst interessanten Streifzug durch die österreichische Hauptstadt dürfen wir hier mit Reinhardt Badegruber genießen. Den Wienerinnen und Wienern ist er sicher als Experte ihrer Stadt ein Begriff, doch eigentlich ist er nur ein „Asylwiener“ und kommt ursprünglich aus Kärnten. Nichtsdestotrotz kennt er Wien und die Geschichten drum herum wie seine Westentasche, berichtet Vergnügliches, Skurriles und Morbides. „Wiener Intrigen, Skandale und Geheimnisse“ – für alle, die genauer wissen wollen, was Wien außerhalb von Riesenrad und Stephansdom sonst noch zu bieten hat.

In dem Buch findet man kurzweilige und kurze Geschichten, kommt vorbei am Schottentor oder am Alten Burgtheater, besucht das Café Central und das Café Griensteidl (welches es mittlerweile nicht mehr gibt), wird an Kaiserin Sisi erinnert oder an Maria Theresia. Ebenso liest man über die Verwandlung der Ringstraße, den Volksgarten und viele weitere Wiener Originale. Am Ende gibt es noch einen Stadtplan, in den die genannten Sehenswürdigkeiten eingezeichnet sind.

Gerne habe ich diese Kurzgeschichten gelesen und genossen, viele Male geschmunzelt und gelacht. Herrlich die Vorstellung, dass Kaiserin Sisi oft „unten ohne“ herumlief oder dass es im Kaffeehaus Kokain zum Dessert gab. In der kleinsten Gasse Wiens, der Irisgasse, wurden zur Zeit Maria Theresias nicht ganz jugendfreie Spielchen abgehalten und Meisterspion Oberst Redl hat im Hotel Klomser Selbstmord begangen, der wusste, wann seine Zeit abgelaufen war.

Solche und ähnliche Anekdoten finden sich in dem Buch von Reinhardt Badegruber. Gerne gebe ich hierfür 4 Sterne.

Bewertung vom 30.08.2018
Wahrsagen durch Marmelade
Anfimiadi, Diana

Wahrsagen durch Marmelade


ausgezeichnet

Ein Gaumenschmaus

Die Autorin Diana Anifimiadi ist Georgerin, liebt Literatur und Essen – was liegt näher, als beides miteinander zu verbinden. Und dies macht sie sehr gekonnt. Sie schreibt über Essen, Assoziationen, die mit dem Genuss in Verbindung gebracht werden.

Die Autorin wurde in Tbilissi geboren, arbeitet u.a. als Dichterin, Prosaautorin und lässt uns hier teilhaben an ihren genussvollen Essays. Sie spielt mit Geschmäckern, lässt Erinnerungen mit Literarischem verschmelzen, lädt uns ein, ihre persönlichen Erlebnisse kennenzulernen und betrachtet Meisterwerke der Weltliteratur durch den Dunst kulinarischer Besonderheiten.

Ich durfte eine für mich unbekannte Welt kennenlernen, ihren teils poetischen, dann wieder humorvollen Schreibstil genießen und ich muss gestehen – ich hätte noch gerne weitergelesen. Ihre liebevollen Beschreibungen, ihre wertschätzenden Charakteristiken, ihre oft schmerzhaften Erinnerungen, ihre emotionalen Geschichten über ihre verstorbene Großmutter – immer in Verbindung mit Kochen und Essen, mit dem Hunger als Hintergrund, denn Hunger gehörte in ihrer Kindheit zum Alltag. Sie erzählt über eine ungewöhnliche Methode, die sie damit zurechtkommen ließ. Während Kinder immer wieder vor Hunger ohnmächtig wurden, kramte sie Stellen aus Kinderbüchern hervor, an die sie sich klammerte, z.B. Pippi Langstrumpf wie sie Fladenteig ausrollt

Natürlich findet man auch einige Lieblingsrezepte, die von der Autorin kurz umrissen werden. Das ein oder andere Rezept eignet sich sicherlich zum Ausprobieren.
Auf jeden Fall eine empfehlenswerte Lektüre für den Kochliebhaber ebenso wie für den Literaturgenießer.

Bewertung vom 28.08.2018
Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung
Höge, Helmut

Die lustige Tierwelt und ihre ernste Erforschung


ausgezeichnet

Faszinierend und informativ

Helmut Höge, Wissenschaftsjournalist, Biologe und Amateurforscher lässt uns hier an seinem zusammengetragenen Wissen teilhaben. Er interessiert sich seit Jahren für alles was so herumschwirrt oder –kriecht. Von A wie Ameise bis Z wie Zitteraal – die Tierwelt ist einerseits faszinierend, dann wieder grausam und viele Male amüsieren wir uns daran.

Höge ist nicht nur an wissenschaftlicher Forschungsarbeit interessiert. Spannend erklärt er uns Beobachtungen des Verhaltens zwischen Mensch und Tier – gerade diese Verhaltensforschungen bringen wichtiges Wissen hervor.

Wir begegnen einer Vielzahl an Tieren und erfahren eine Menge, wobei eine breite Palette geboten wird. Nicht nur Libellen, Regenwürmer oder Gottesanbeterinnen findet man, auch Eisbären, Zebras und viele weitere Tiere werden vorgestellt.

Höge schreibt sachlich und leicht verständlich, gibt uns einen tiefen Einblick in die Natur, die es aufrechtzuerhalten gilt. Sogar die Erforschung der lästigen Fliegen hat Sinn, wenn man dem Autor Glauben schenken darf.

Ein sehr interessanter Einblick in die Tierwelt und deren Erforschung. Gerne vergebe ich für dieses informative Sammelsurium 5 Sterne.

Bewertung vom 25.08.2018
20 beste Reiseziele
Jörg-Brosche, Claudia

20 beste Reiseziele


sehr gut

Reisetipps à la carte

Die Reisejournalistin Claudia Jörg-Brosche bereist seit mehr als 25 Jahren die ganze Welt. Mit Ihrem Buch „20 beste Reiseziele“ stellt sie uns kleine Besonderheiten vor, Destinationen, die noch nicht dem Massentourismus zum Opfer gefallen sind. Und was soll ich sagen – am liebsten würde man sofort die Koffer packen und losziehen.

Das Buch ist in verschiedene Bereiche unterteilt:
Brandaktuelle Reiseziele in Europa
Einzigartiges in Österreich
Hot Spots in der Ferne

Hier findet sich natürlich eine breite Palette, bei der man nun die Qual der Wahl hat. Als Top-Ziel wird Portugal und Madeira genannt oder sollte man doch zuerst nach Island und im Anschluss in die Ukraine. Oder vielleicht möchte man einen Abstecher ins oberösterreichische Almtal machen bevor man sich den Sandspielen und Wildparks in Namibia zuwendet.

Die Autorin hat sämtliche Reisen selbst unternommen und erzählt spannende, informative und persönliche Geschichten. Ergänzend erhält man Tipps über Neuigkeiten (It’s new), „Schöner Wohnen“, was „Gut zu wissen“ ist und warum man hinfahren sollte. Mein Favorit ist eindeutig Vietnam, das ich leider noch nie bereiste, doch die Autorin hat nun meinen Reisewunsch noch gefestigt.

Zum Abschluss findet sich noch ein Urlaubsratgeber von A bis Z, wo man Tipps wie z.B. Annulierung von Flügen, Einreisebestimmungen, Reisezeit, Versicherungen oder auch Tischmanieren bekommt.
Ein Buch über Traumreisen oder für Menschen, die lieber zu Hause träumen und schmökern. Gerne vergebe ich 4 Sterne.

Bewertung vom 19.08.2018
Nordische Sehnsuchtsküche
Langenau, Marie

Nordische Sehnsuchtsküche


ausgezeichnet

Abwechslungsreiche Rezeptideen

Was mir spontan zur nordischen Küche einfiel, war sehr wenig: Kötbullar, Fisch oder Zimtschnecken … Mehr hätte ich aus dem Stegreif nicht gewusst (und vermutlich geht es anderen ähnlich).

Die Autorin Marie Langenau verbrachte viele Sommer bei ihren Großeltern an der Südwestküste Schwedens und wollte für ihre Töchter die schönsten Rezepte festhalten. Herausgekommen ist dieses Buch, erschienen im Christian-Verlag – und ich finde, es ist sehr gut gelungen.

Sicherlich finden sich nicht nur Rezepte, die jedermann gleich in Versuchung führen, doch es ist bestimmt für jeden etwas dabei. Die Gerichte sind nach Jahreszeiten geordnet, die Zutaten wechseln nach dem jeweiligen Angebot der Saison.

Im Frühling findet sich zum Beispiel eine Ruccolasuppe mit Kresse und Radieschen oder ein Spargelrisotto. Sehr verlockend finde ich auch Kohlrabi mit Lachs und Ricotta gefüllt. Der Sommer hat natürlich auch Salate und kleinere Snacks anzubieten, doch man findet auch Rezepte, die vielleicht nicht so geläufig sind – Krumelurer sind zum Beispiel kleine Teigzöpfe, die mit Marzipan gefüllt werden. Bei den Herbstrezepten findet man nicht nur eine Hagebuttensuppe oder Pfifferlinge (Eierschwammerl für die Österreicher) mit Kartoffeln und gefüllte Paprika oder ein deftiges Rindergulasch mit Rotwein, sondern auch ein Hagebuttenmus sowie einen Saft aus Holunderbeeren. Im Winter finden sich leckere Gerichte für Festmenüs, wie ein Lachtatar auf Avocado oder Belugalinsen mit Granatapfel. Nicht zu vergessen natürlich süße Köstlichkeiten, die zur Weihnachtszeit nicht fehlen dürfen.

Zutaten und Zeitangaben werden in einem separaten Kästchen aufgelistet (jede Jahreszeit hat hier eine eigene Farbe), die Zubereitung ist klar und übersichtlich angegeben. Ebenso wird jedes Rezept mit mehreren Bildern ergänzt.

Das Buch kann ich für alle, die vom Norden fasziniert sind, empfehlen. Ich konnte meinen kulinarischen Horizont ziemlich erweitern (Übrigens: eine Köttbullar-Variante findet man auch).

Bewertung vom 18.08.2018
Der Stammhalter
Münninghoff, Alexander

Der Stammhalter


sehr gut

Eine erschütternde Familienchronik

Der niederländische Autor Alexander Münninghoff, Journalist, Schriftsteller und Schachspieler lässt uns hier in seine Familienchronik eintauchen, die zum Teil bedrückende Details aufzuweisen hat. Eine Geschichte, die über mehrere Generationen ihre Netzwerke zieht und die hervorhebt, welche Auswirkungen es haben kann, wenn alle „nur das Beste“ wollen.

Im Zentrum der Familie steht der tonangebende Großvater des Autors – Joannes Münnighoff, der im baltischen Riga zu Wohlstand kommt. Mit seiner russischen Frau Erica führt die Familie ein angenehmes Leben, die Geschäfte laufen gut, der Zweite Weltkrieg treibt den Erfolg weiter voran. Doch obwohl das Baltikum gut fürs Geschäft ist, bleibt Joannes Münnighoff im Herzen Niederländer – und das verlangt er auch von seiner restlichen Familie, die er mit harter Hand und scheinbar gefühllos führt. Dabei merkt er erst spät, dass sein Sohn Frans dagegen rebelliert. Erst versteckt, danach ganz offen durch seine Zugehörigkeit zur Waffen-SS, stellt er sich gegen seinen Vater, der sich seinerseits nun verraten fühlt. Frans scheidet somit als Erbe des Familienunternehmens aus, was den Großvater veranlasst, seinen Enkel Alexander Münninghoff (den Stammhalter) ins Nachfolge-Visier zu nehmen. Als Alexanders Mutter mit dem Kleinen nach Deutschland flieht und es scheint, dass die beiden dem Netzwerk des Großvaters entkommen sind, greift dieser zu einer drastischen Maßnahme…

Der Autor (und Stammhalter) erzählt hier eine unglaubliche Geschichte über Intrigen, Verwicklungen, dubiose Machenschaften und langsames Zerbrechen einer Familie. Vielschichtige Familienstrukturen geben hier einen spannenden Einblick und lassen den Leser in eine besondere Atmosphäre eintauchen. Man versucht Handlungsweisen zu verstehen und auch Verständnis für den Großvater aufzubringen – der zu seiner Zeit ja dachte, das Richtige und Beste zu tun. Alexander und seine Mutter mussten beide vieles ertragen und können einem leidtun.

Alexander Münninghoff schaffte es mit dieser Familienchronik, eine spannende, fesselnde Geschichte zu schreiben, die ich sehr gerne gelesen habe. Zwischendurch eingeflochten findet man interessante historische Begebenheiten.
Gerne vergebe ich 4 Sterne für diese Romanbiografie.

Bewertung vom 17.08.2018
Veilchens Show / Valerie Mauser Bd.5
Fischler, Joe

Veilchens Show / Valerie Mauser Bd.5


ausgezeichnet

Ein Hoch auf die Einschaltquoten!

Mittlerweile ermittelt Valerie Mauser (genannt Veilchen) bereits zum 5. Mal in einem Krimi von Joe Fischler, in diesem Fall begibt sie sich hinter die Kulissen einer beliebten Fernsehshow. Um die Gunst der „Bauerlorette“ buhlen fünf Bauern, die als Hauptpreis nicht nur die begehrenswerte Jackie sondern auch noch eine Million Euro erhalten. Als knapp hintereinander zwei Kandidaten tot sind, während die Show einfach weiterläuft, beginnt Veilchens Partner Stolwerk zu zweifeln – Ob hier tatsächlich ein natürlicher Tod vorliegt oder vielleicht jemand nachgeholfen hat? Doch wär hätte Interesse daran? Die Bauerlorette? Deren anstrengende Mutter? Die Fernsehmacher oder doch die Mitstreiter in diesem Wahnsinn? Verdächtige gibt es einige und Veilchen sowie Stolwerk enthüllen so manche Illusion …

Joe Fischler schafft es auch dieses Mal, mit temporeichen Szenen zu überzeugen. Gute Ideen, Witz und die Kritik an diesen dubiosen Fernsehshows punkten dieses Mal und lassen Seite um Seite verfliegen. Toll finde ich, dass dieses Mal auch Veilchens Schwiegersohn Schmatz einen genialen Auftritt hinlegen darf – wenngleich auch ziemlich peinlich, bekommt er endlich auch mal eine Bühne für sich.

Die Charaktere sind mir mittlerweile gut bekannt und ich habe mich auf Veilchen & Co schon ziemlich gefreut. Stolwerk bekommt nun auch etwas Privatleben zugeteilt, obwohl Veilchen damit nicht ganz zufrieden ist. Und auch Veilchen schwelgt eigentlich auf Wolke 7, wäre da nicht der Störenfried Stolwerk und ihr Fokus ständig auf ihre Arbeit gerichtet. Doch auch Geyer ist wieder mit von der Partie – unfreundlich und unbeliebt wie eh und je, seine Beleidigungen gegenüber Schmatz sind ziemlich heftig.

Besonders gut getroffen finde ich die Kritik an diesen dubiosen Fernsehshows, die Glanz und Glamour vorgaukeln und sich letztendlich alles als Lug und Trug herausstellt.

Gerne vergebe ich fünf Sterne für diesen rasanten Alpenkrimi.

Bewertung vom 17.08.2018
Ein ganz normales Pogrom
Kellerhoff, Sven Felix

Ein ganz normales Pogrom


ausgezeichnet

Es war einmal?

Das kleine Dorf Guntersblum wird hier stellvertretend für sämtliche Orte des gesamten Deutschen Reiches genannt. Jahrelang wurde gehetzt, Hass gestreut und gegen Juden gewettert, brodelte es unter der Oberfläche – bis es im November 1938 zum Ausbruch kommt. Einer Eruption eines Vulkanes gleich werden Synagogen abgefackelt, Wohnungen von Juden geplündert und demoliert, Juden gedemütigt, misshandelt und unter dem Beifall von Nachbarn oder Freunden vertrieben.

Der Autor Sven Felix Kellerhoff zeichnet anhand des Beispiels Gunterblum diese sogenannte Reichskristallnacht nach, erläutert welche Ausschreitungen es in kleinen Dörfern gab (nicht nur in Städten wie Berlin oder München). Er zeigt auf, wie sich Mitbewohner (die sich oftmals sehr gut kannten) herablassen, um ihre Nachbarn zu demütigen, zu denunzieren. Juden werden mit Spott und Hohn durch die Straßen getrieben, während Kinder und Jugendliche menschenverachtend lachen oder zumindest teilnahmslos zuschauen.

Der Historiker Kellerhoff schwenkt zurück bis zum Ersten Weltkrieg, den Versailler Vertrag, die Reparationszahlungen und den Wunsch der Menschen nach Vergeltung. Die NSDAP kommt quasi wie gerufen, propagiert Gerechtigkeit für Deutschland, die Schuldigen sind schnell gefunden … Ein System, welches jahrelang funktioniert, das über Menschenrechte und Menschenwürde hinwegsieht – und eine Menschengruppe völlig ausklammert. Der Autor hat hier sehr gute Recherchearbeit geleistet, kann den Verbleib einiger Familien nachvollziehbar machen und gibt noch einen Einblick in die Nachkriegsära, als plötzlich keiner beteiligt war und schon gar nicht davon wusste. Schuld trifft immer nur die anderen, die Vergangenheit soll plötzlich ausgeklammert werden.

Wie war all dies möglich? Kellerhoff versucht auch darauf Antworten zu finden, erläutert dies exemplarisch an Guntersblum. Auch die Aufarbeitung nach dem Krieg wird hier beispielhaft dargestellt, Täter, die ungeschoren oder mit geringen Strafen davon kommen. Geschädigte, die um Wiedergutmachung kämpfen und sich mit lächerlichen Schadenersatzzahlungen abfinden müssen.
Man darf nur hoffen, dass sich derartige Vorfälle nicht wiederholen …

Sehr aufschlussreiches Buch, informativ und interessant zu lesen. Gerne vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 17.08.2018
Die Herzen der Männer
Butler, Nickolas

Die Herzen der Männer


ausgezeichnet

Wann ist ein Mann ein Mann?

Gleich vorneweg – der Roman von Nickolas Butler hat mich bewegt, ich fand ihn sehr gelungen. Im Fokus der Geschichte steht Nelson, den wir von Kindesbeinen an über die Jahre begleiten, der auf der Suche nach sich selbst einen gangbaren Weg findet und lernt, mit der Vergangenheit zu leben.

Bereits als kleiner Junge muss Nelson erkennen, dass das Leben sich nicht einfach gestaltet. Er ist ein stilles, nachdenkliches Kind, das den Wünschen seines Vaters leider nicht entspricht. Das zeigt sich überdeutlich im Pfadfindercamp, welches eigentlich als Vater-Sohn-Urlaub die Beziehung der beiden fördern sollte. Doch Nelsons Vater lässt ihn spüren, welch herbe Enttäuschung er für ihn ist. Nelson sehnt sich mehr und mehr nach zu Hause, nach seiner Mutter, die ihm ihre gesamte Zuwendung und Liebe schenkt. Während Nelson mit sich und seinen Kameraden zu kämpfen hat, beginnt sich Pfadfinderleiter Wilbur für Nelson zu interessieren und unterstützt ihn im Camp – und später auch im weiteren Leben. Nelson findet nur einen einzigen Freund, Jonathan, der charakterlich dem gutgläubigen, gerechtigkeitsfanatischen Nelson nicht das Wasser reichen kann. Und trotzdem bleibt die Freundschaft der beiden über die Jahre bestehen. So dürfen wir auch die nächsten Generationen noch ins Pfadfinderlager begleiten, Jonathons Sohn Trevor und dessen Sohn Thomas. Irgendwann übernimmt Nelson das Lager und versucht die Grundsätze und Werte den Jugendlichen mitzugeben, die ihm ein Leben lang wichtig waren. Doch er muss erkennen, dass sich die Zeiten geändert haben und Lagerfeuerromantik sowie Zusammenhalt nicht mehr diesen Stellenwert haben wie in seiner eigenen Jugend. Nur die Liebe der Mütter zu ihren Söhnen bleibt auch über Generationen hinweg bestehen.

Der Autor Nickolas Butler zeigt am Beispiel Nelsons die Ansprüche an einen Mann, die von der Gesellschaft vorgegebenen Muster, die es zu erfüllen gilt. Ein kleiner Junge, der seinen eigenen Gedanken nachhängt, wird schnell zum Außenseiter – doch genau dieser kleine Junge macht hier eine enorme Entwicklung durch, denn er erkennt, worauf es im Leben ankommt.

Der Schreibstil ist ruhig und bewegend, trotz vieler schwieriger Momente wird hier nicht mit Effekthascherei gepunktet. Vielleicht hat der Roman gerade dadurch eine sehr starke Wirkung. Auch die Stellung der Frau in dieser sogenannten Pfadfinder-Männerdomäne kristallisiert sich hier sehr klar heraus, welcher Respektlosigkeit diese ausgesetzt sind.

Die Charaktere finde ich sehr gut getroffen, entwickeln sich im Laufe der Geschichte und werden somit großteils zum Sympathieträger. Die Einblicke in das amerikanische Pfadfindersystem finde ich sehr interessant und es zeigt sich die Schwierigkeit für Jungs, die nicht als cool und hart gelten, dort mithalten zu können. Gemeinschaft und Freundschaft werden zwar gepredigt, schließen jedoch nur solche ein, die sich nicht von der breiten Masse abgrenzen.

Eine interessante Geschichte über die Männerwelt, die gesellschaftlichen Grundsätze und deren Veränderungen im Laufe der Zeit, über Werteverhalten und Generationenverständnis. Gerne habe ich dieses Buch gelesen und vergebe hiermit fünf Sterne.

Bewertung vom 03.08.2018
Mord im Hotel
Bauer, Hermann

Mord im Hotel


sehr gut

Wiener Schmäh trifft Verbrechen

Oberkellner Leopold gehört wohl bereits zum Inventar des Café Heller und mutiert immer wieder zum Ermittler diverser Verbrechen, manches Mal auch während der Dienstzeit – sehr zum Leidwesen seiner Chefin. Dieser Fall wird sehr persönlich, feiert doch seine Freundin Erika Haller ihren Geburtstag im Café Heller, mit vielen alten Freunden und auch ihrem Ex-Freund. Erikas Freunde übernachten zum Großteil im nahe gelegenen Hotel Floridus. Als nach einem Feueralarm der Charmeur und Frauenheld Eberhard Aichholzer ermordet aufgefunden wird, ist Leopold natürlich äußerst neugierig und beginnt anfangs oberflächlich (später engagierter) zu ermitteln. Gar nicht passt ihm, dass ausgerechnet Erika von der Polizei eingeladen wurde, mit ihnen zusammen zu arbeiten. Obwohl dies doch eigentlich Leopolds Terrain wäre… Außerdem ist er ganz schön damit beschäftigt, seine Eifersucht nicht überschwappen zu lassen…

Der Autor Hermann Bauer beschreibt das fiktive Floridsdorfer Café Heller mit seinem Oberkellner Leopold sehr authentisch. Man fühlt sich während des Lesens direkt ins Kaffeehaus versetzt und schaut Leopold über die Schulter. Der Schreibstil hat Charme, Schmäh und ist mit einer gehörigen Portion Humor gewürzt.

Für mich war es der erste Fall mit Leopold, doch bestimmt nicht der letzte. Der Krimi punktet nun nicht mit viel Tempo und Schwung, sondern vermittelt die Wiener Kaffeehausatmosphäre mit dem netten Leopold. Die Charaktere sind teilweise sehr zwielichtig und man vermutet gleich in mehreren den Täter … Doch zum Glück ist Leopold sehr engagiert und unterstützt die Polizei wo er nur kann.

Netter atmosphärischer Wiener Kaffeehauskrimi für den ich gerne vier Sterne vergebe.

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