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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 15.10.2015
TAKEOVER
Adler-Olsen, Jussi

TAKEOVER


weniger gut

Bevor der dänische Autor Jussi Adler-Olsen mit den Thrillern um Carl Mørk und das Sonderdezernat Q erfolgreich war (der erste Band „Erbarmen“ erschien 2007) , hatte er bereits zwei Romane außerhalb dieser Reihe geschrieben („Das Alphabethaus“ 1997, „Das Washington-Dekret“ 2006), die allerdings in Deutschland erst später erschienen sind. Nun folgt mit „Takeover: Und sie dankte den Göttern“ der dritte „Stand alone“ (ursprünglich aus dem Jahr 2008).

Qualitativ liegen die Einzelromane für mich deutlich über den Bänden der Sonderdezernat Q-Reihe: die Geschichten sind komplexer, die Themen politischer und die Beziehungen zwischen den Personen wesentlich interessanter. Das hatte ich auch von „Takeover: Und sie dankte den Göttern“, dem aktuellen Thriller erwartet.

Spannend ist die Geschichte, keine Frage. Verschiedene Handlungsstränge, aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, werden von Adler-Olsen handwerklich geschickt entwickelt und am Ende zusammengeführt. Und dennoch habe ich mich bei der Lektüre nicht wohlgefühlt. Ich lese sehr gerne Polit-Thriller, aber hier waren es einfach zu viele brisante Themen, die der Autor nicht in dem Maße behandelt und vertieft hat, wie es angemessen gewesen wäre. Die Finanzkrise, die Zerschlagung von Firmen mit schmutzigen Mitteln und deren anschließende Übernahme durch ihren zahlungskräftigen Konkurrenten, Terrorismus und politische Konfliktherde, die Auswirkungen auf die Märkte haben. Überladen, aber dennoch nichtssagend, und immer mit dem Gefühl im Hinterkopf, dass der Autor unter Berücksichtigung dieser verschiedenen Themen einen knallharten Thriller hätte schreiben können. Hätte - hat aber nicht.

Zu allem Überfluss gibt es dann auch noch eine Love Story zwischen der Protagonistin und ihrem Mentor. Hier wird tief in die Mottenkiste gegriffen: Exotin aus einfachsten Verhältnissen, die sich dank unbändigem Ehrgeiz, außergewöhnlicher Intelligenz und mit der Hilfe eines indonesischen Geistwesens den Platz an der Sonne erarbeitet. Das ist mir dann doch zu klischeebeladen. Womit ich allerdings überhaupt nicht klar kam, waren die Passagen, in denen wirre Mystik die Oberhand gewann. Völlig überflüssig und für den Fortgang der Handlung absolut nicht relevant.

Fazit: Sehr viel verschenktes Potenzial, das zweifelsohne vorhanden gewesen wäre. Schade!

Bewertung vom 15.10.2015
Gehen, ging, gegangen
Erpenbeck, Jenny

Gehen, ging, gegangen


sehr gut

Die Regisseurin und Autorin Jenny Erpenbeck ist im deutschsprachigen Literaturbetrieb keine Unbekannte, wurden ihre Werke doch bereits seit 2001 mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Und auch ihr aktueller Roman „Gehen, ging, gegangen“ hat es auf die Shortlist des Deutschen Buchpreises geschafft. Allerdings ist dies nicht weiter verwunderlich, stellt Erpenbeck doch in diesem Roman ein Thema in den Mittelpunkt, das seit geraumer Zeit nicht nur für Schlagzeilen, sondern auch für große Emotionen sorgt.

Im Zentrum der Handlung steht der Altphilologe Richard, Professor im Ruhestand, verwitwet und kinderlos, der mutterseelenallein am Rande Ostberlins ein Haus am See bewohnt. Ohne Kontakte, ohne Ansprache, seine einzige Gesellschaft ist der Fernseher. Die Tage plätschern dahin, angefüllt mit Banalitäten, die sein Leben bestimmen, und mittlerweile fehlen ihm auch die offenen Augen für das, was um ihn herum passiert.

So ist es kein Wunder, dass er bei einem Spaziergang durch die Stadt an einer Demonstration am Alexanderplatz vorbeiläuft, ohne zu registrieren, was dort gerade vor sich geht. Erst die Nachrichtensendung am gleichen Abend führt ihm vor Augen, was gerade in seiner Stadt geschieht: Flüchtlinge aus Afrika campieren in Zelten, um auf ihre hoffnungslose Situation aufmerksam zu machen. Heimatlos, ohne Arbeit, ständig von Abschiebung bedroht.

Richards Interesse an den Lebensbedingungen dieser Menschen ist geweckt, wobei aber nicht Mitgefühl der auslösende Faktor ist. Vielmehr ist es sein untätiges Leben als Ruheständler und die Reflexion über die Verluste in seinem Leben, die ihn aktiv werden lässt. Ganz der Akademiker versucht er natürlich mit einer wissenschaftlichen Systematik seinen Informationsbedarf zu decken. Und so sucht er mit einem Fragenkatalog ausgestattet den Dialog mit den Flüchtlingen. Anfangs ist die vorsichtige Annäherung eher einseitig, die Gespräche drehen sich fast ausschließlich um das Warum der Flucht, aber die daraus entstehenden Dialoge geben Richard auch Denkanstöße, sein Leben im Verlauf der Zeit, in Vergangenheit und Gegenwart, kritisch zu beleuchten. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen.

Die Hauptfigur ist ein komischer Kauz, ganz der verkopfte Altphilologe, der im Denken der Antike verhaftet ist. So zieht er immer wieder Parallelen von den Flüchtlingen zu mythologischen Heldenfiguren und benamt diese auch entsprechend. Stellenweise sehr verkopft nimmt diese Überfütterung mit humanistischem Gedankengut dem Thema zwar einiges an politischer Brisanz, zeigt aber auch, dass sich eine anfangs eher intellektuelle und emotionslose Annäherung durchaus im Laufe der Zeit zu gegenseitigem Verstehen und „mit leiden“ entwickeln kann und zwar in beiden Richtungen.

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Bewertung vom 29.09.2015
Odins Söhne / Kommissar Oppenheimer Bd.2
Gilbers, Harald

Odins Söhne / Kommissar Oppenheimer Bd.2


ausgezeichnet

„Germania“, der Ende 2013 erschienene Debütroman des Autors und Historikers Harald Gilbers war für mich eine äußerst positive Überraschung, und mit entsprechend hohen Erwartungen bin ich an die Lektüre des Nachfolgers „Odins Söhne“ herangegangen. Um es gleich vorweg zu nehmen, ich wurde nicht enttäuscht.

Mittlerweile schreiben wir das Jahr 1945, das Ende der Nationalsozialisten ist nahe. Doch noch immer leben die Menschen in Angst und Schrecken vor der Brutalität und Willkür von Hitlers Schergen. Noch immer wird mit Regimegegnern kurzer Prozess gemacht und Juden verfolgt und in Konzentrationslagern zu Tode gequält. So ist es nicht weiter verwunderlich, dass Richard Oppenheimer, ehemals erfolgreicher Kommissar der Berliner Polizei, aber aufgrund seiner jüdischen Herkunft aus dem Dienst entlassen, sein Dasein im Untergrund fristet. Er kommt zwar mit Schwarzmarktgeschäften über die Runden kommt, aber die Angst vor Entdeckung und Deportation ist groß. Glücklicherweise erhält er von seiner guten Freundin Hilde, einer Widerstandskämpferin mit guten Beziehungen, Unterstützung in Form neuer Papiere.

Aber dann kehren sich die Verhältnisse um, denn Hilde wird von der Gestapo verhaftet. Sie steht unter Verdacht, ihren Ex-Ehemann SS-Hauptsturmführer Erich Hauser ermordet zu haben, ein Nazi-Scherge wie er im Buche steht: Lagerarzt in eine Konzentrationslager, skrupellos im Umgang mit den Gefangenen, die er für menschenverachtende Experimente missbraucht. Den drohenden Untergang des Dritten Reiches vor Augen, wollte er sich offenbar absetzen. Und weil man für einen Neuanfang finanzielle Mittel braucht, hatte er größere Mengen Morphium gestohlen, die er auf dem Schwarzmarkt verkaufen wollte.

Nun gilt es für Kommissar Oppenheimer. Er muss Hildes Unschuld beweisen und unter allen Umständen verhindern, dass sie vor Gericht gestellt wird, denn das wäre ihr sicherer Tod. Und so nimmt er die Ermittlungen auf, immer in Gefahr, sein eigenes Leben dafür in die Waagschale zu werfen…

Wie bereits in dem Vorgänger „Germania“ punktet der Harald Gilbers in „Odins Söhne“ einmal mehr durch seine stimmigen Beschreibungen. Es sind die Tage der Dunkelheit, die letzten Wochen vor Kriegsende in Berlin. Die Stadt zerstört und im anhaltenden Bombenhagel, die Menschen ohne Hoffnung, jeden neuen Tag um ihr Leben fürchtend - eine dunkle Zeit, geprägt von Mangel und Angst. Auf der anderen Seite die Nazis und ihre Unterstützer, skrupellos und ohne Hemmungen ihre Macht missbrauchend, selbst oder gerade mit dem drohenden Untergang vor Augen. Es ist keine Fiktion, die der Autor beschreibt, man merkt die intensive Recherchearbeit in jedem Satz. Er belegt seine Schilderungen mit Quellen - ein Historiker, der sich der Wahrheit verpflichtet fühlt.

„Odins Söhne“ - ein gehaltvolle Roman, nicht nur für historisch Interessierte, dem ich viele Leser wünsche!

Bewertung vom 25.09.2015
Freedom's Child
Miller, Jax

Freedom's Child


ausgezeichnet

Noch ist Jax Miller, die Amerikanerin mit den irischen Wurzeln, in der Szene der Literaten ein relativ unbeschriebenes Blatt, aber das kann sich schnell ändern, denn mit ihrem Debüt „Freedom’s Child“ verlässt sie die ausgetretenen Pfade der weiblichen Autoren im Thrillerbereich. Millers Stil ist eine Mischung aus Pulp, Punk und Country Noir, mit einer Hauptfigur im Zentrum der Handlung, die man einfach gernhaben muss.

Freedom Oliver arbeitet hinter dem Tresen einer versifften Biker-Bar im ländlichen Oregon, dort, wo der amerikanische Traum nichts weiter als ein Mythos ist. In einem früheren Leben war sie verheiratet und hatte zwei Kinder. Aber sie hatte auch einen Ehemann, der sie solange grün und blau prügelte, bis sie ihn erschoss. Mit einem krummen Deal lieferte sie den nichtsnutzigen Bruder ihres Mannes als dessen Mörder ans Messer, der dafür in den Knast ging.

Aber der Preis für ihre Freiheit ist hoch: seither lebt sie im Zeugenschutzprogramm, und ihre beiden Kinder hat sie seither nicht mehr gesehen, außer auf Fotos, die die beiden auf Facebook posten. Mittlerweile sind achtzehn Jahre vergangen, ihr Schwager ist wieder auf freiem Fuß und brennt, unterstützt von seiner Sippe, vor Rache. Und offenbar weiß er, wie Freedom tickt, denn als sie erfährt, dass ihre Tochter spurlos verschwunden ist, gibt es für sie kein Halten mehr und sie verlässt ihre Deckung…

Liebling der Herzen wird sie wohl nicht werden: Freedom hat ein lockeres Mundwerk, sie raucht wie ein Schlot, kippt sich gerne und oft einen hinter die Binde, ist nicht besonders wählerisch, was ihre sexuellen Kontakte angeht. Aber sie hat ein Herz aus Gold, auch wenn es unter einer dicken Rolle Stacheldraht verborgen ist. Die einzige Konstante, die sie in ihrem Leben hat, ist die Liebe zu ihren Kindern.

Es gibt viele Nebenkriegsschauplätze, die Jax Miller im Laufe der Handlung eröffnet. Hier ein neues Thema, da eine unerwartete Wendung - vieles wird angerissen, aber nicht vertieft, was zwar Tempo schafft, aber nur wenig zum Fortgang der Handlung beiträgt.

„Freedom’s Child“ ist ein Erstling, und so sollte man wohlwollend über die eine oder andere Schwäche dieses Thrillers hinwegsehen: die Sprache einen Tick zu ordinär, die Action etwas zu überzogen, besonders am Ende. Im Gesamtzusammenhang passt es dann doch, aber Raum nach oben bleibt. Ich hoffe sehr, dass Miller kein „one-hit-wonder“ ist und wir uns noch auf weitere Romane freuen dürfen – eine erfrischende, unkonventionelle Autorin!

Bewertung vom 23.09.2015
Die Stimmen der Toten / Ash Henderson Bd.2
MacBride, Stuart

Die Stimmen der Toten / Ash Henderson Bd.2


ausgezeichnet

Der schottische Autor Stuart MacBride musste sich einige Kritik gefallen lassen, als er in „Das 13. Opfer“ eine neue Hauptfigur einführte. Viele Leser, die bisher die Thriller-Reihe mit Logan McRae, Ermittler in Aberdeen, verfolgt hatten, wurden mit Detective Inspector Ash Henderson nicht warm: zu aggressiv, zu brutal, zu rotzig und oft außerhalb der Legalität ermittelt er in Oldcastle, einer fiktiven Stadt, von der man nur weiß, dass sie im Nordosten Schottlands liegt. Ich hingegen mag die Ash Henderson Thriller, die noch einen Tick „schwärzer“ sind und die sich durch ihren perfekten Plot und die interessanten und perfekt ausgearbeiteten Charaktere wohltuend von der englischen Massenware abheben.

Wer „Das 13. Opfer“ gelesen hat, wird nicht überrascht sein, dass in dem neuen Thriller der Henderson-Reihe „Die Stimmen der Toten“ die Ausgangslage für den Protagonisten nicht gerade rosig ist. Sein Privatleben liegt in Trümmern, er ist wegen Mordes inhaftiert, seinen Job bei der Polizei hat er verloren, und im Gefängnisalltag muss er sich gegen allerlei Gesindel zur Wehr setzen, denn seine Erzfeindin Mrs. Kerrigan, die Patin der Unterwelt in Oldcastle, zieht von extern die Fäden und will ihn ein für alle Mal vernichten. So ist es kein Wunder, dass die halbjährlichen Entlassungsgesuche Hendersons immer wieder abgelehnt werden.

Aber glücklicherweise gibt es Kollegen, die sich an seine Fähigkeiten erinnern. DS Jacobson, Leiter der Sonderermittlungseinheit, benötigt seine Hilfe im Fall des „Inside Man“, der offenbar wieder aufgetaucht ist. Bei dessen Mordserie vor einigen Jahren war Ash Henderson bereits im Ermittlungsteam, aber der Killer konnte nicht gefasst werden. Nun ist er wieder aktiv, und es gilt ihn schnellstens zu schnappen. Deshalb wird Henderson vorübergehend entlassen und heftet sich mit Unterstützung der bereits aus Band eins bekannten Polizeipsychologin Alice McDonald an dessen Fersen…

Stuart MacBride setzt konsequent die gelungene Charakterisierung seiner Figuren fort, die so immer mehr an Tiefe gewinnen. Henderson ist und will nicht „everybodys darling“ sein, er will seinen Job erledigen, die Kriminellen hochnehmen und der gerechten Strafe zuführen. Aber es kann auch schon vorkommen, dass er voller Wut über das Ziel hinausschießt und sich selbst die Hände schmutzig macht.

Wie bereits der Vorgänger punktet „Die Stimmen der Toten“ mit einer raffinierten Story, die immer wieder Haken schlägt und auch den geübten Krimileser in Erstaunen versetzt. Lesen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.09.2015
Glut und Asche / Hackberry Holland Bd.2
Burke, James Lee

Glut und Asche / Hackberry Holland Bd.2


ausgezeichnet

Der Kampf Gut gegen Böse, in einer Landschaft, die der heimliche Protagonist des Romans ist – „Glut und Asche“, Band drei der Hackberry Holland-Reihe des amerikanischen Schriftstellers James Lee Burke.

In einem Alter, in dem seine Altersgenossen ihren verdienten Ruhestand genießen, im Schaukelstuhl auf der Veranda sitzen und in den Sonnenuntergang schauen, ist Hackberry Holland noch immer als Sheriff im texanischen Grenzland unterwegs und versucht, in seiner Gemeinde Recht und Ordnung zu bewahren. Außer kämpfen hat der Koreakrieg-Veteran nichts gelernt, aber das hat er bis zur Perfektion entwickelt.

Als Danny Boy Lorca, ein abgehalfterter Ex-Boxer und Säufer, in der Wüste unterwegs ist, wird er Zeuge eines brutalen Mordes. Zwei Männer sind auf der Flucht, einer wird von einer mysteriösen Gestalt getötet, der andere kann fliehen. Zutiefst schockiert und voller Angst setzt er Holland von seiner Beobachtung in Kenntnis. Dessen Nachforschungen ergeben, dass es sich bei dem Toten um einen Informanten der DEA handelt. Und auch die Identität des Flüchtigen ist bald geklärt. Ihm sind einige dunkle Gestalten auf den Fersen, da er im Besitz brisanter Militärgeheimnisse ist, für die sich verschiedene Gruppierungen interessieren.

Bleibt nur noch die Frage nach dem Killer: war es Antonio Vargas, genannt Krill, oder aber der ihm hündisch ergebene Negrito? Und welche Rolle spielt die Asiatin „La Magdalena“, der Engel der Illegalen, die im Zuge der Ermittlungen immer wieder Hackberry Hollands Wege kreuzt? Aber auch ein alter Bekannter taucht wieder auf, den Holland bereits im Reich der Toten wähnte - Jack Collins, der „Preacher“ ist zurück, der Albtraum des Sheriffs…

Bildgewaltig und atmosphärisch dicht wie eh und je baut James Lee Burke seinen Roman auf, und natürlich eignet sich die karge Landschaft im Südwesten von Texas perfekt als Hintergrund für die Geschichte, die er zu erzählen hat. Es sind die Herausforderungen der amerikanischen Gegenwart, mit denen die Protagonisten speziell in dieser Gegend konfrontiert werden, denn die mexikanische Grenze ist nah. Schlepper und Immigranten, Drogendealer und Junkies, große und kleine Fische, alle sind vertreten und ständig im Kampf, um ihre Pfründe zu sichern.

Wie immer bei Burke passt die verwendete Sprache nicht in die Sonntagspredigt. Sie ist hart und direkt, oft an der Grenze, aber immer sowohl zur Person als auch zur Situation passend, und in Kombination mit den Beschreibungen der Landschaft ergibt sich so ein stimmiges Gesamtbild.

Ganz großes Kino, Mr. Burke!

Bewertung vom 18.09.2015
Racheherbst / Evelyn Meyers & Walter Pulaski Bd.2
Gruber, Andreas

Racheherbst / Evelyn Meyers & Walter Pulaski Bd.2


ausgezeichnet

In „Racheherbst“, dem neuen Thriller des österreichischen Autors Andreas Gruber, gibt es ein Wiedersehen mit Walter Pulaski, wegen seiner Asthma-Erkrankung mittlerweile Ermittler beim Kriminaldauerdienst in Leipzig, und der Wiener Anwältin Evelyn Meyers, die wir bereits aus dem Vorgänger „Rachesommer“ kennen. Allerdings dauert es eine ganze Weile, bis sich deren Fährten kreuzen, nämlich bis auf Seite 369. Bis dahin schlagen sich beide mit ihren eigenen Fällen herum, nicht wissend, dass es einiges an Gemeinsamkeiten gibt.

Pulaski ermittelt im Fall der beiden Schwestern: Natalie, die ältere der beiden, wurde unter einer Leipziger Brücke angeschwemmt. Die Untersuchung der Leiche fördert Erschreckendes zutage. Vor ihrem Tode musste sie unvorstellbaren Grausamkeiten ausgesetzt sein, denn jeder einzelne Knochen in ihrem Körper ist gebrochen. Es stellt sich heraus, dass sie ganz unten angekommen war. Aber wer kümmert sich schon um den Mord an einer drogenabhängigen Prostituierten?

Ungefähr zeitgleich verschwindet ihre jüngere Schwester spurlos. Und auch hier hält sich das Engagement der Polizei in Grenzen. Daran verzweifelt Mikaela, die Mutter der beiden jungen Frauen, die daraufhin die Zelte hinter sich abbricht und auf eigene Faust zum einen nach dem Mörder, zum anderen nach ihrer verschwundenen Tochter sucht. Unterstützt wird sie von Pulaski, selbst Vater einer Tochter, und mit dem minimalen Einsatz seiner Polizeikollegen nicht einverstanden. Ihre Nachforschungen führen sie zu einem Killer, der eine blutige Spur durch Europa zieht.

In Wien schlägt sich derweil die junge Anwältin Evelyn Meyers mit ihrem ersten Klienten herum. Ein erfolgreicher Arzt ist des Mordes angeklagt und besteht darauf, von ihr verteidigt zu werden. Offenbar möchte er die persönlichen Beziehungen seiner Anwältin zur Staatsanwaltschaft nutzen. Und obwohl er immer wieder seine Unschuld beteuert, hat die Anwältin ein ungutes Gefühl.

Andreas Gruber versteht es, den Leser bei der Stange zu halten. Durch die beiden Handlungsstränge, die aus verschiedenen Perspektiven erzählt werden, bleiben sowohl Spannung als auch Tempo durchgängig auf hohem Niveau. Allerdings bietet die Auflösung des Falls keine Überraschung, und auch die Motivation des Täters wird lediglich en passant erwähnt.

Dafür punktet er bei seinen Personen. Nicht nur die Haupt- sondern auch die Nebenfiguren sind sympathisch und mit viel Liebe zum Detail angelegt. Man nimmt ihnen ihre Reaktionen ab, sei es nun die Mutter, die aus Verzweiflung völlig unüberlegt agiert und von einer gefährlichen Situation in die nächste gerät, oder aber Pulaski, dem dieses Verhalten Bewunderung abringt, obwohl Mikaela immer wieder seine Gutmütigkeit ausnutzt und ihn auch schädigt. Einzig die Anwältin bleibt eine recht blasse Protagonistin, was aber nicht weiter verwundert, denn der Schwerpunkt der Handlung liegt eindeutig bei dem Duo Pulaski/Mikaela.

Nach Sommer folgt Herbst, und wenn der Autor die Chronologie der Jahreszeiten fortführt, erwartet uns als nächstes wohl ein „Rachewinter“ – wir dürfen gespannt sein!

Bewertung vom 16.09.2015
Die stille Bestie / Detective Robert Hunter Bd.6
Carter, Chris

Die stille Bestie / Detective Robert Hunter Bd.6


ausgezeichnet

Es ist Robert Hunters persönlichster Fall, den Chris Carter in dem sechsten Band der Hunter-und-Garcia Reihe „Die stille Bestie“ beschreibt, denn in diesem wird der Profiler des Los Angeles Departments für besondere Gewaltverbrechen vom FBI zu einem Fall hinzugezogen. Lucien Folter, sein Freund und Zimmergenosse aus Studententagen wird des Mordes beschuldigt und hüllt sich bei den Vernehmungen in Schweigen. Die einzige Äußerung, die er sich entlocken lässt, ist seine Forderung nach Robert Hunter, denn nur ihm gegenüber möchte er sich zu den Vorwürfen äußern. Natürlich beteuert er seine Unschuld, aber in Hunter, der ein „Menschenleser“ mit einem ausgeprägten Gespür für sein Gegenüber ist, keimen erste Zweifel. Sollte er womöglich von seinem alten Freund getäuscht worden sein?

Bisher habe ich alle Bände Reihe gelesen und muss feststellen, dass dieser Thriller sich stark von den Vorgängern unterscheidet. Zum einen konzentriert sich hier die Handlung komplett auf Robert Hunter und das Psycho-Duell mit dem des mehrfachen Mordes beschuldigten Lucien Folter, sein Partner Garcia taucht nur kurzzeitig zu Beginn in seinem Nebensatz auf. Zum anderen plaudert hier der Autor, der nach dem Studium der forensischen Psychologie mehrere Jahre als Kriminalpsychologe tätig war, aus dem Nähkästchen und weist bereits vor Beginn des Thrillers darauf hin, dass die geschilderten Ereignisse auf realen Fällen beruhen. Während des Thrillers untermauert er auch immer wieder Fiktion mit theoretischen Fakten, was dem Beschriebenen stellenweise schon fast Lehrbuchcharakter verleiht.

Üblicherweise mag ich es nicht, wenn bereits zu Anfang die Frage nach dem Täter geklärt ist. Hier hat es mich nicht gestört, im Gegenteil, denn die Spannung baut sich genau aus diesem Wissen und dem daraus folgenden Psychoduell der beiden Protagonisten auf. Überschaubare Kapitel mit den obligatorischen Cliffhangern bringen Tempo in die Story, die sich trotz ihrer 450 Seiten zügig weglesen lässt.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: die Art der Gesprächsführung der beiden Protagonisten. Nach Clarice Starlings Besuchen bei Hannibal Lecter wurde diese auf Gegenseitigkeit beruhende Befragungstechnik in zahlreichen Filmen, in denen es um die Überführung eines Serienmörders geht, überstrapaziert. Hier dient es jedoch über weite Strecken dazu, dem Leser endlich die seit fünf Bänden vorenthaltenen persönlichen Informationen zur Person Robert Hunters zu geben – deshalb sei es dem Autor verziehen.