Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Bibliomarie

Bewertungen

Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2016
Meine Schwester, die Hummelkönigin
Zannini, Patrizia

Meine Schwester, die Hummelkönigin


sehr gut

Ally hat vor 10 Jahren überstürzt Mutter und Schwester verlassen und sich in L.A. ein neues Leben aufgebaut. Sie fühlte sich erdrückt von der Familienkonstellation. Schwester Emma ist ein „besonderes“ Mädchen, so wird euphemistisch ihre Einschränkung beschrieben, die autistische Züge trägt. Die Geborgenheit der kleinen Gemeinde von Bear Isle in Maine ist für Ally nur noch Einengung gewesen.
Nun führt sie der Unfalltod der Mutter unfreiwillig auf die Insel zurück. Die Schwester ist ihr fremd, sie fühlt sich einsam, überfordert und schuldbewusst. Es scheint, dass ihr ganzes Leben in Windeseile zerbricht.
Wäre da nicht der besondere Zauber von Bear Isle….
Dieser Roman ist wie ein Märchen, berührend und warmherzig geschrieben. Von der ersten Seite an weiß man, dass alles gut wird und mit „und wenn sie nicht gestorben sind..“ endet. Für einige Lesestunden konnte ich mich in dieser Geschichte verlieren aber erst als ich Nachdenken über Logik und Realismus ausschaltete. Aber Autoren dürfen ihre eigene Realität erschaffen und wenn dabei so eine zauberhafte Geschichte entsteht, ist es ein Gewinn für Leser.
Ich habe mich bestens unterhalten und bin in die wunderbare Geschichte eingetaucht. Dazu haben sicher auch die schönen Naturbeschreibungen beigetragen, die Bear Isle zum Sehnsuchtsort in einer heilen Welt werden lassen.

Bewertung vom 03.10.2016
Hattinger und die Schatten
Bogenberger, Thomas

Hattinger und die Schatten


ausgezeichnet

Hattinger ist zusammen mit Tochter frisch in das ererbte Haus eingezogen. Es fehlt noch an vielem, der Herd muss angeschlossen werden, sind einfach noch nicht richtig angekommen. Da überschlagen sich wieder mal die Ereignisse. Eine Wasserleiche wird geborgen, Selbstmord scheint ausgeschlossen, denn eine Schnur um den Hals des Toten ist ein deutliches Indiz. Während sie noch versuchen die Identität der Leiche zu klären, gibt es einen weiteren Toten. Im Garten des älteren Kunsthistorikers Meisel wird ein Ermordeter gefunden und Meisel ist spurlos verschwunden. Die Suche nach Meisel offenbart einige sehr seltsame Angewohnheiten des Rentners und führt direkt in die Nazivergangenheit. Beutekunst scheint ein Thema zu werden.
Gleichzeitig bekommt Tochter Lena Probleme der örtlichen Neonaziszene, weil sie einem jungen Asylbewerber zur Seite stand. Blöd nur, dass die augenblickliche Arbeitsüberlastung Hattinger kaum Zeit für seine Tochter lässt und nur noch SMS zwischen den Beiden gewechselt werden.
Ein toll geschriebener Krimi der spannend und gut recherchiert ist. Ähnlichkeiten mit der Realität sind kein Zufall. Dabei kommt der Humor nicht zu kurz, wenn Hattinger seine kurzen, lakonischen Statements in Dialekt vom Stapel lässt. Aber keine Angst, das ist kein schenkelklopfender, humoristischer Alpenroman. Hier ist alles wohldosiert, der Witz, die Spannung und das typische Lokalkolorit. Die Bezüge zur Zeitgeschichte mit dem Fund von Naziraubkunst und die unrühmliche Rolle des Verfassungsschutzes in Neonaziszene sind großartig mit eingebunden. Ich bin nur so durch die Seiten geflogen. Die Hauptperson Kommissar Hattinger ist besonders gelungen dargestellt, aber auch die anderen Mitwirkenden sind gut portraitiert und bis in die Nebenrollen erstklassig besetzt – wie es beim Film heißen würde.
Ein Muss für Krimifans, die Lokalkolorit und Dialekt mögen.

Bewertung vom 02.10.2016
Das Leben ist ein merkwürdiger Ort
Ostlund, Lori

Das Leben ist ein merkwürdiger Ort


ausgezeichnet

Aaron ist 42 Jahre alt, mehr als die Hälfte seines Lebens hat er an der Seite des viel älteren Walters verbracht, den er als Teenager kennenlernte. Walter nahm sich seiner an, ermöglichte ihm ein Studium und gab seinem Leben eine neue Richtung, man könnte sagen, Walter rettete ihn.
Aber nun packt Aaron fast wortlos seine Sachen und bricht in ein neues Leben auf, nach San Francisco ausgerechnet. Einen Job und ein mieses, kleines Appartement ist schnell gefunden und zum ersten Mal beginnt Aaron sein Leben zu reflektieren. Seine armselige Kindheit unter einem cholerischen und kleingeistigen Vater und einer schwachen Mutter, die ihn nach dem frühen Tod des Vaters eher als Belastung empfand. Sie hat ihn als Jugendlichen einfach verlassen, ohne Erklärung, ohne Vorwarnung war er plötzlich ganz auf sich gestellt, bis er Walter traf.
Aaron lebt ein seltsames Leben, fast wie aus zweiter Hand. Er ist ein höflicher, zurückhaltender Mensch, der sich für seine Mitmenschen interessiert, aber nie erwartet, dass auch er für andere interessant sein könnte. Es gibt viele erstaunliche Menschen in Aarons Leben, die ihn stützen und prägen. Durch die Rückblenden wird der Mensch Aaron sichtbar, mit seinen Verletzungen und Unsicherheiten und es scheint, dass er sich nun zum ersten Mal seiner Geschichte stellt und sich dadurch zum ersten Mal selbst als Person wahrnimmt.
Das Leben ist ein seltsamer Ort und nimmt manchmal auch seltsame Wege. Aarons Wege fand ich faszinierend beschrieben, ein melancholischer Ton durchzieht das Buch, aber es wirkt auf mich nicht negativ, ganz im Gegenteil. Das Buch geht feinfühlig mit seinen Protagonisten um und immer wieder scheint feiner Humor durch. Aaron erkennt, dass seine Liebe zu Walter sich zu Dankbarkeit gewandelt hat und Dankbarkeit allein ist keine tragfähige Basis für ein gemeinsames Leben. Erst als er Walter verlässt, ist er fähig sich wieder auf Liebe einzulassen und auch auf das vergangene Leben positiv zurückzublicken.
Ich habe das Buch von der ersten Zeile an geliebt und Aaron und die Menschen, die ihm begegnen ins Herz geschlossen.

Bewertung vom 29.09.2016
Wintertod / Kommissar Arne Larsen Bd.2
Nommensen, Thomas

Wintertod / Kommissar Arne Larsen Bd.2


sehr gut

Eisige Winterluft liegt über Berlin und eisig ist auch der Empfang, den der frisch versetzte Kommissar Arne Larsen von seiner Kollegin auf der Dienststelle erfährt.
Auf einem alten aufgelassenen Friedhof wird eine Leiche gefunden, offensichtlich sorgsam in ein Leichentuch gebettet und vergraben. Bald darauf findet Arne, den sein „Bauchgefühl“ noch mal zum Fundort führt, noch eine weitere Tote in der Nähe, ein kleines Mädchen. Verwunderlich, dass das der Spurensicherung entgangen ist.
Eine Berliner Schule, übles Mobbing ist an der Tagesordnung. Doch das Kollegium schaut gerne weg, der Ruf der Schule soll nicht leiden. Lediglich Lea Zeisberg, eine Lehrerin, der nach einem „Vorfall“ einige Monate ausgefallen ist, will mehr wissen. Warum fehlen Merle und Kolja so oft in der Schule, warum gibt es kaum Atteste und was bedeutet der Hilferuf in einem Heft von Merle? Da sie niemand anhört, will sie auf eigene Faust mehr über die Familie Großmann erfahren.
Berlin, Waldsiedlung, 80iger Jahre: was geht in dieser hermetisch abgeschlossenen Wohnsiedlung der DDR Bonzen vor sich, Martin lebt dort mit seinem strengen Stiefvater und der kranken Mutter. Martin eifert seinem Stiefvater nach, er ist sein Vorbild an Stärke, Mut und Macht.
Düster, kalt, bedrückend – das ist der Grundton dieses Kriminalromans. Gewalt gegen Frauen, Gewalt gegen Kinder, Repressionen, Mobbing, Ausgrenzung, alles was zur allgegenwärtigen, alltäglichen Erfahrung der Polizei gehört, wird thematisiert. Es gibt viele Handlungsstränge und Zeitebenen, die auf sehr geschickte und anspruchsvolle Weise verknüpft werden. Dabei kommt der Roman ganz ohne explizite Gewaltszenen aus, sehr viel subtiler geht der Autor vor. Er lässt allein durch seine Sprache die Geschichte im Kopf der Leser entstehen, was oft viel eindrücklicher ist, als eine Beschreibung.
Mir persönlich war das etwas zu viel an Düsternis und Hoffnungslosigkeit, es fehlte mir ein positives Gegengewicht. Die Konstruktion der Geschichte war mir auch zu verwinkelt, manche gewichtig dargestellte Szenen verlieren sich im Lauf der Geschichte, aber alle Handlungsstränge verknüpfen sich am Ende zu einer schlüssigen Lösung.
Ich war von diesem Roman fasziniert und wurde komplett in den Sog der Handlung gezogen. Die beschriebenen Szenen lösten bei mir ein sehr lebhaftes Kopfkino aus, das Buch hat mich noch lange nach dem Lesen beschäftigt. Ein wirklich bemerkenswerter Krimi.

Bewertung vom 27.09.2016
Brot backen in Perfektion mit Hefe
Geißler, Lutz

Brot backen in Perfektion mit Hefe


ausgezeichnet

Brotbacken in Perfektion kommt schon in perfekter Ausstattung daher. Das Titelbild lässt sofort das Wasser im Munde zusammenlaufen. Einfach und puristisch sind die Fotos, das Layout ist ebenfalls gelungen.
Gleich zu Beginn wird das Plötz-Prinzip erklärt und das sollte man sorgfältig verinnerlichen. Es ist eigentlich ganz einfach. Nur eine Handvoll Zutaten und Gerätschaften und einem schmackhaften Brot steht nichts mehr im Weg.
Die Grundteige und ihre Behandlung sind ein klaren Schritt-für-Schritt Bildern erklärt und lassen keine Fragen offen. Da kann sich auch ein Anfänger heranwagen. Das Einzige was man braucht, ist etwas Geduld.
Ich habe schon öfters Brot gebacken, auch Sauerteigbrote (keine Fertigmischung) aber immer wieder musste ich Abstriche am Aussehen mache, meist ist es zu fest und zu feucht geworden. Deshalb war ich neugierig auf diese Rezepte, die mit besonders wenig Treibmittel auskommen. 0,5 gr Hefe konnte ich gar nicht glauben, aber ich habe mich exakt an die Angaben gehalten und mich sofort an ein französisches Landbrot gewagt.
Nun, es ist nicht so ganz fotogen in der Kruste gebrochen wie im Buch, aber es ist wunderbar aufgegangen, die Krume ist luftig und großporig und die Rinde richtig knusprig.
Nach diesem ersten Brot kann ich nur sagen: Ein 5 Sterne ***** Brotbackbuch.

Bewertung vom 26.09.2016
Das Geheimnis der Mittsommernacht
Kabus, Christine

Das Geheimnis der Mittsommernacht


gut

Das Cover dieses Buch macht schon viel Appetit auf den Roman, das sanfte Licht des Nordens, ein typisch rot-weißes Schärenhäuschen, geradezu idyllisch.

Allerdings beginnt der Roman dann nicht ganz so idyllisch:
Bevor Olaf Ordal mit seiner deutschen Frau Clara und dem Sohn Paul eine berufliche Herausforderung in Samoa annimmt, führen dringende Familienangelegenheiten die Familie nach Norwegen. Doch kaum bei den Eltern angekommen, erleidet Olaf eine tödliche Herzattacke und Clara bleibt mit dem Sohn völlig mittellos und von den Schwiegereltern verachtet in Norwegen zurück.

Da Paul das Grab des Vaters nicht verlassen möchte, beschließen sie erstmal in Norwegen zu bleiben und mit Hilfe einer netten Pensionswirtin und eines deutschstämmigen Mitarbeiters im Bergwerk, kann Clara eine Stelle annehmen und ein bescheidenes Auskommen erwirtschaften. Trotz der Ablehnung der „besseren Gesellschaft“ des Ortes findet sie mit ihrer bescheidenen und hilfsbereiten Art schnell auch Freunde.
Gleichzeitig spielt Ivar Svartstein, dem das Bergwerk gehört, eine große Rolle in der Stadt und damit auch in Claras Leben. Mit Sofie, der jüngeren Tochter, verbindet Clara allmählich Freundschaft. Es liegt ein Geheimnis über der Familie Svartstein und das betrifft auch die Familie Ordal. Clara findet bald eine Spur zu den schicksalshaften Ereignissen der Vergangenheit.

Der Roman ist ein breit angelegter Familien- und Schicksalsroman, der ins Norwegen des 19. Jahrhunderts führt. Die Beschreibungen des Ortes, der Lebensumstände usw sind sehr ausführlich erzählt und gleiten manchmal arg ins Nebensächliche ab. Dafür wird das Gesellschaftsleben des Ortes interessant erzählt und die Autorin bringt sogar leise Ironie an den "feinen" Damen unter.

Clara und Sofie sind die Hauptpersonen dieses Familiendramas und beide sind sehr starke, sympathische und aufgeschlossene Frauen, die für den Wandel der Gesellschaft stehen und deshalb auch etwas klischeehaft charakterisiert sind.

Aber auch die Dramatik kommt nicht zu kurz, aber mir waren es zu viele Wendungen und Nebenhandlungen, die den Roman breiter, aber nicht tiefer machten.Manchen Handlungsstrang fand ich unglaubwürdig und auch nicht immer logisch.
Ich habe mich im Großen und Ganzen gut unterhalten, aber so richtig gepackt hat mich das „Geheimnis der Mittsommernacht“ nicht.

Bewertung vom 23.09.2016
Der Angstmann / Max Heller Bd.1
Goldammer, Frank

Der Angstmann / Max Heller Bd.1


ausgezeichnet

Dresden im Winter 44, Elend, Not und Hunger, wohin man blickt. Kripomann Max Heller hat nur noch sehr unzulängliche Mittel die Ordnung aufrecht zu halten. Da wird die schlimm zugerichtete Leiche einer jungen Krankenschwester entdeckt, sein Vorgesetzter, ein strammer SS Mann, der noch unverdrossen an den Endsieg glaubt, hat in einem Juden den idealen Täter gefunden. Heller weiß, wie absurd, diese Theorie ist. Auch als die Leiche einer zweiten jungen Frau auftaucht, rituell wie ein Todesengel zugerichtet, hat SS Mann Klepp mit einem Fremdarbeiter gleich den passenden Täter an der Hand.
Max Heller ist ziemlich allein, wem kann man in diesen Tagen noch trauen, eine abweichende Meinung wird schnell zu Wehrkraftzersetzung und Volksverhetzung, aber er will sich nicht verbiegen und sich mit diesen Fehlurteilen zufrieden geben.
Beeindruckend war für mich, wie plastisch Dresden in den letzten Kriegsmonaten beschrieben wird. Faszinierend und beängstigend zugleich. Deutlicher als in einem Geschichtsbuch sind mir die Stimmungen und die Gefühle der gebeutelten Menschen geworden. Ob sie nun glühende Anhänger des Führers waren und an Endsieg und Wunderwaffe glaubten, oder schon resigniert auf das Ende warteten. Nur leise wurde vom aussichtslosen Kampf gesprochen, die Angst vor den Russen war allgegenwärtig und dabei stand die letzte Prüfung Dresdens noch bevor. Dieser Hintergrund macht diesen Kriminalroman außergewöhnlich. Die Figur Max Heller, der sich nicht verbiegen lassen will, nur seine Arbeit machen möchte, aber der die Flut der Flüchtlinge, den Hunger und die Kälte nicht ausblenden kann, ist wie ein Lichtblick. Dabei hat er gar nichts Heldenhaftes an sich. Er ist in seinen Ängsten und Zweifeln zutiefst menschlich beschrieben. In dieser Zeit schwindet die dünne Schicht der Zivilisation schnell und nicht nur die grauenvollen Morde sind beängstigend, auch die stillschweigende Meute der Mitläufer, die Unmenschlichkeit der Nazis, ihre Engstirnigkeit und Grausamkeit tragen zu seinem Gefühl der Hilflosigkeit bei.
Ein toller Kriminalroman mit einem historischen Hintergrund, den ich für wichtig und aktueller denn je halte. Für mich ist dieser Autor eine Entdeckung unter den deutschen Kriminalschriftstellern.

Bewertung vom 14.09.2016
Vergeltung im Münzhaus
Schier, Petra

Vergeltung im Münzhaus


ausgezeichnet

Griet Burka und Clara van Oeche leben im mittelalterlichen Köln. Beide eint ein schreckliches Schicksal aus ihrer Vergangenheit, aber sie haben inzwischen einen Platz im Leben gefunden. Da trifft Clara zufällig ihren Vater wieder, der sie als junges Mädchen an ein Hurenhaus verpfändet hatte. Als kurze Zeit später der Vater erstochen aufgefunden wird, ausgerechnet im Haus einer Schwangeren, die Clara als Hebamme betreut, ist für die Büttel der Stadt klar, dass sie die Täterin bereits gefunden haben. Aber Griet und ihre Familie wollen nicht zulassen, dass Clara für eine Tat verurteilt wird, die sie nicht begangen hat.
Aber auch außer den Ermittlungen haben Griet und ihre Familie wieder viele Turbulenzen zu überstehen. In diesem 6. und leider auch letzten Band um die Apothekerin Adelina Burka und ihre große Familie, steht die älteste Tochter Griet im Fokus.
Petra Schier hat mir dieser Mittelalter Saga eine große und treue Fangemeinde erworben, die sich fast in der Familie heimisch fühlt, aber auch Erstleser werden sofort in diese farbig und lebendig erzählte Geschichte eintauchen. Kriminal- Familien- Liebes- und Entwicklungsroman, alles kann man in diesem rund und spannend komponiertem Buch finden. Das Zunft- und Handelswesen einer mittelalterlichen Stadt hat die Autorin sorgfältig recherchiert und dieses Wissen fließt in die Handlung ein. Das hat mich unmittelbar in die geschilderte Zeit versetzt, auch wenn vor allem die Frauenfiguren fast zu modern und selbstbestimmt wirken. Der Roman ist so lebendig und unterhaltsam geschrieben, dass ich mich nur ungern aus Adelinas Familie verabschiede.

Bewertung vom 13.09.2016
Hier ist alles Banane

Hier ist alles Banane


gut

Nicht nur Elvis – auch Erich lebt!
Im chilenischen Exil hat er mit Margots Hilfe seinen Tod nur vorgetäuscht um unbehelligt seine Tage zu genießen. Dabei kommentiert er mit seiner Weltsicht das Tagesgeschehen und die Politik. Er hat es da nicht immer ganz leicht, man weiß ja, dass auch früher schon Margot in Heim und Politik die Hosen anhatte.
Die Sprüche, die der Autor Erich Honecker in Mund legt, sind oft witzig und hintergründig. In dem er ihn das Tagesgeschehen aus der Sicht eines strammen Politbüro-Mitglieds kommentieren lässt, bekommt so manche Aktion etwas Entlarvendes. Der Leser, der die Verhältnisse der DDR vielleicht noch aus eigener Anschauung kennt, wird sicher ganz besonders Spaß an den Anspielungen haben. Wenn zum Beispiel Erich Honecker auf Waren und Dienstleistungen warten muss, ist das für ihn unbegreiflich, hatte er doch in seiner geliebten Deutschen Demokratischen Republik nie auf etwas verzichten müssen. Oder mit welcher Empörung er den Kleckerbetrag aus der BRD kommentiert, denn schließlich hat sich Margot die Rente mit ihrer Lebensleistung auch verdient. Auch die Nachbarn verhalten sich nicht ganz dienstbeflissen, wie sich Erich das erwartet.
Es bleibt manchmal das Lachen im Hals stecken, wenn Erich seine Weisheiten zum Besten gibt, aber hat man auch häufig das Gefühl, dass der eine oder andere Witz schon etwas Bart angesetzt hat oder einmal zu oft wiederholt wurde.
Am besten, man blättert immer wieder mal in dem Buch und liest nicht alles auf einmal, dann ist die Dosis besser zu verdauen und es schleicht sich nicht das Gefühl der Wiederholung ein.

Bewertung vom 12.09.2016
Lebensgeister
Yoshimoto, Banana

Lebensgeister


sehr gut

Bei einem Autounfall stirbt Yoichi und seine Freundin Sayoko wird schwer verletzt. Sie hat eine ausgeprägte Nahtoderfahrung, von der sie leicht und voll Freude berichtet: "Wohin ich auch schaute - überall glitzerte und funkelte es, ich fühlte mich so wohl und so leicht, dass ich am liebsten immerfort vor mich hin geträllert hätte." Sie sieht ihren Großvater und der schickt sie ins Leben zurück. Dort muss sie mit dem Verlust ihres Liebsten klarkommen. Eine große Hilfe sind ihr dabei seine Eltern, die sie wie eine Tochter stützen und aufnehmen.
Aber der Unfall und die Nahtoderfahrung hat Sayoko verändert, sie ist der Zwischenwelt nahegekommen und ihre Sinne wurden geschärft. Sie kann Tote sehen und diese Geisterwelt ist für sie überhaupt nicht bedrohlich. Auch lebt Sayoko ganz im hier und jetzt. Sie erzählt nur realistisch von einer weiteren Dimension der Wahrnehmung.
Dieser kurze Roman, fast nur eine Novelle, hat eine sensible, beinahe melancholische Sprache. Yashimoto setzt sich sehr oft in ihren Büchern mit dem Tod und mit übernatürlichen Phänomenen auseinander. Hier verknüpft sie die beiden Themen in einer melancholischen, aber trotzdem mit leichtem Ton geschriebenen Erzählung.
Mit dem zarten Cover – frische Blatttriebe über die watteweiße Flocken schweben – hat der Diogenes Verlag eine adäquate Ausstattung gefunden.