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Havers
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Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 16.09.2015
Scherbenseele / Kronoberg Bd.1
Sund, Erik Axl

Scherbenseele / Kronoberg Bd.1


sehr gut

„Scherbenseele“ von Erik Axl Sund

Der neueste Psychothriller aus der Feder des schwedischen Autorenduos Jerker Eriksson und Hakan Axlander Sundquist, ist keine Fortsetzung der Victoria-Bergman-Reihe, die mit „Krähenmädchen“, „Narbenkind“ und „Schattenschrei“ im vergangenen Jahr bei den deutschen Thriller-Lesern mitten ins Schwarze getroffen hat.

„Scherbenseele“, so der Titel, ist wiederum der Auftakt einer Trilogie, allerdings mit in sich abgeschlossenen Bänden, deren inhaltlicher Bezug zur Bergman-Reihe lediglich durch den ermittelnden Kommissar Jens Hurtig gegeben ist. Dieser muss sich mit einer Mordserie auseinandersetzen, die offenbar mit der Selbstmordwelle unter Jugendlichen verknüpft ist, die das Land erschüttert. Bei seinen Nachforschungen findet Hurtig heraus, dass es Gemeinsamkeiten zwischen den Freitoden gibt: alle Jugendlichen sind/waren im Besitz einer Cassette eines Interpreten namens „Hunger“, dessen düstere Lieder sie unmittelbar vor ihrem Tode hören. Und sie wählen außergewöhnlich grausame Methoden bei ihren Suiziden an.

Auf seiner Suche nach Antworten taucht Kommissar Hurtig in eine Parallelwelt ein, in die Szene, die sich im Untergrund trifft. Dort, wo sich junge Leute ohne Hoffnung an dunklen Orten treffen, um mit der Hilfe von Drogen und Musik ihrem hoffnungslosen Alltag wenigstens für einige Stunden zu entfliehen. Aber für die meisten gibt es kein Entkommen aus dem perspektivlosen Leben – es sei denn, sie beenden es…

Was die beiden Autoren hier ihren Lesern bieten, ist starker Tobak und geht schon fast an die Schmerzgrenze dessen, was man sich vorstellen mag. Viele Szenen schonungslos, grausam bis ins Detail geschildert. Dazu die Beschreibung der Stockholmer Untergrund Szene, die deren düstere Atmosphäre, die Hoffnungslosigkeit der Jugendlichen, deren Resignation, das sich ergeben in das Unvermeidliche in jeder Zeile transportiert.

Durch kurze Kapitel und permanente Perspektivwechsel bietet „Scherbenseele“ den Lesern, die sich darauf einlassen, einen schnellen, harten, spannenden Thriller, der Pageturner-Qualitäten hat. Aber Warnung: allzu empfindlich sollte man nicht sein…

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.09.2015
Finderlohn / Bill Hodges Bd.2
King, Stephen

Finderlohn / Bill Hodges Bd.2


ausgezeichnet

„Finderlohn“, der neue Roman von Stephen King, ist der zweite Band der Bill Hodges Trilogie. Bill Hodges, wer war das nochmal? Richtig, das war der pensionierte Detective des preisgekrönten Vorgängerbandes „Mr. Mercedes“, der gemeinsam mit Holly Gibney und Jerome Robinson besagten Killer jagte und dingfest machte. Und da das Böse bekanntlich niemals schläft, haben sie bereits einen neuen Fall in petto.

Die anderen Hauptfiguren sind Morris Bellamy, Die hard-Fan des erfolgreichen Autors John Rothstein, und Pete, der Sohn von Tom Saubers, dessen arbeitssuchender Vater vor einigen Jahren von Mr Mercedes überfahren wurde. Das Schicksal der beiden wird durch die Beute verknüpft, die Bellamy macht, als er den zurückgezogen lebenden Autor zuhause überfällt und tötet, nicht ohne dessen unveröffentlichten Manuskripte und eine größere Menge Bargeld mitzunehmen. Seine Beute versteckt er, bevor er eines schweren Verbrechens angeklagt und zu lebenslanger Haft verurteilt wird. Nach Jahrzehnten wird er wegen guter Führung auf Bewährung entlassen und macht sich schnurstracks zu diesem Versteck auf. Vergebens, denn fünf Jahre zuvor hat Pete dieses zufällig entdeckt und leer geräumt. Blindwütig vor Zorn macht sich Bellamy auf die Suche nach demjenigen, der ihn bestohlen hat. Aber Bill Hodges wäre nicht der, der er ist, wenn er nicht alles in seiner Macht stehende tun würde, um Pete vor dem rachsüchtigen Mörder zu schützen, aber die Zeit arbeitet gegen ihn…

Besessene Fans, die auch vor Mord nicht zurückschrecken, gibt es in allen Bereichen. Man denke nur an das, was John Lennon geschah. Und es scheint, als ob die Frage „Was erwartet der Leser von einem Autor? Und was geschieht, wenn diese Erwartungen nicht erfüllt werden?“ auch Stephen King umtreibt, denn bereits in dem vor fast dreißig Jahren erschienenen „Misery“ macht er diese Fragestellung zum Thema seines Romans. Aber im Gegensatz dazu ist „Finderlohn“ wesentlich differenzierter, da King sich hier nicht nur auf die Beziehung Autor/Leser sondern auch auf die Beziehung Leser/Werk beschreibt und gleichzeitig die Sozialisation eines Lesers stellvertretend an Pete Saubers betrachtet. Und natürlich fehlen auch die detaillierten Beschreibungen des kleinstädtischen Lebens nicht. Als besonderes Sahnehäubchen gibt es viele verborgene Querverweise zu bekannten Literaten und deren Werken, die der aufmerksame Leser bei näherem Hinschauen erkennen kann.

Ein spannender Thriller aus der Feder Stephen Kings – der abschließende Band wird ungeduldig erwartet!

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.09.2015
Schwindel
Winton, Tim

Schwindel


ausgezeichnet

„Schwindel“ ist der neue Roman des australischen Autors Tim Winton. Und wie bereits in „Der singende Baum“ steht auch hier im Zentrum der Handlung ein Gestrandeter, ein Außenseiter, der an einem Wendepunkt seines Lebens angelangt ist: Tom Keely, ehemaliger Umweltaktivist, dessen Leben in Scherben liegt und der droht, vollends vor die Hunde zu gehen. Früher in gesicherten Verhältnissen lebend, hat der Mittvierziger alles verloren, was ihm wichtig war. Nun steht er ohne Job da, seine Frau hat ihn verlassen und Trost findet er nur noch in der Flasche. Die Welt um sich herum betrachtet er aus sicherer Distanz, und die Tage schleichen ohne besondere Vorkommnisse dahin.

Die Gegend, in der Tom jetzt wohnt ist schäbig und genau so trostlos wie sein Dasein. Doch dann begegnet er Gemma, die im gleichen Hochhaus wohnt, und die er aus glücklichen Kindertagen kennt. Auch sie hat harte Zeiten hinter sich, geprägt von Gewalt in den verschiedensten Formen, und lebt ein Leben am Rande der Gesellschaft. Aber sie hat eine Aufgabe, denn da ihre Tochter eine Gefängnisstrafe verbüßt, lebt deren Sohn bei ihr, ein zutiefst verstörtes Kind.

Dieses zufällige Zusammentreffen markiert einen Wendepunkt in Toms Leben, denn das Kind rührt an längst verschüttete Gefühle und setzt einen Prozess der Heilung in Gang. Sein Beschützerinstinkt erwacht und er übernimmt wieder Verantwortung – nicht nur für Gemma und das Kind, sondern auch für sich selbst.

Es ist ein wunderbares Buch, das Tim Winton geschrieben hat. Sein Umgang mit Sprache ist außergewöhnlich, intelligent und dennoch leicht lesbar. Und obwohl streckenweise mehr als handlungsarm, kommt bei der Lektüre zu keinem Moment Langeweile auf, denn der Autor versteht es, Interesse an den Menschen seines Romans zu wecken. Seien es nun die persönlichen Lebensumstände oder die Umgebung, in der sich deren Alltag abspielt – alles wirkt authentisch und nicht gestelzt. Er weckt Sympathie für diese kleine Gruppe, die das Schicksal zusammengeführt hat und wünscht ihnen, dass sie die Erlösung finden, nach der sie suchen. Lesen!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.09.2015
Einfach genießen
Slater, Nigel

Einfach genießen


ausgezeichnet

Am Anfang steht immer die Zutat – wer nach diesem Credo kocht, wird an Nigel Slaters „Einfach genießen“ seine helle Freude haben. Dieses Standardwerk ist bereits 2006 in der deutschen Erstausgabe erschienen, hat aber bis zum heutigen Tag nichts von seiner Aktualität eingebüßt und sollte in keiner Küchenbibliothek fehlen.

Wie für den englischen Food-Journalisten üblich, nimmt der Theorieteil großen Raum ein, wobei Theorie eigentlich nicht die richtige Bezeichnung ist. Korrekt wäre eher Küchenphilosophie. Slater spricht sich für einen entspannten und Genuss orientierten Umgang mit den Nahrungsmitteln aus, er steht hinter der Einstellung „Alles kann, nichts muss“. Ein schlechtes Gewissen sollte man sich nicht machen, und wenn der Appetit nach einer Pizza vom Lieferdienst oder einem Burger verlangt, who cares?
Die Freude am Kochen und nicht das sklavische Einhalten von Mengenangaben und Zutaten steht bei Slater im Vordergrund. Das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, wenn es darum geht, Rezepte abzuwandeln, setzt allerdings ein gewisses Maß an Basiswissen voraus.

Und hier kommt „Einfach genießen“ ins Spiel. Einem absoluten Neuling in der Küche würde ich dieses Werk allerdings nicht unbedingt in die Hand geben, mir scheint es eher geeignet für Hobbyköche, die ihre Fähigkeiten ausbauen und verfeinern möchten.

Zu Beginn nimmt Nigel Slater die diversen Küchengerätschaften, die heutzutage in keinem Haushalt fehlen sollten, unter die Lupe und prüft sie auf ihre Tauglichkeit. Es ist nicht verwunderlich, dass der Großteil völlig überflüssig ist. Warum sollte man einen Pizzaroller in der Schublade haben, wenn man die Pizza auch mit einem Messer zerteilen kann? Reduzieren auf das Wesentliche, dieses aber in bester Qualität – nach diesem Motto sollte man die Schränke und Schubladen füllen. Und da ist in meinem Fall dann durchaus auch Platz für ein preiswertes, kleines Messer, mit dem ich seit Jahrzehnten mein Gemüse schneide und dessen Form optimal in meiner Hand liegt.
Dann stellt sich natürlich auch noch die Frage nach den Lebensmitteln, nach Fleisch, Fisch, Kräutern, Obst-und Gemüsesorten. Welche gibt es, wie kann man sie zubereiten und wie lassen sie sich schmackhaft kombinieren?

Und natürlich gibt es auch Rezeptvorschläge. Basics wie Brühen, Fonds und Saucen, aber auch vollständige Gerichte sind hier zu finden. Allerdings unterscheiden sich Slaters Rezepte grundlegend von dem, was man in herkömmlichen Kochbüchern findet. Seine Art der Zutatenbeschreibung erinnert mich eher an die Art und Weise, wie traditionelle Rezepte innerhalb der Familie weitergegeben werden. Die Zutaten stehen fest, aber die Mengenangaben sind meist sehr vage und differieren von Fall zu Fall. Allerdings bietet Nigel Slater auch sehr oft Variationsmöglichkeiten an, falls bei spontanem Hunger das eine oder andere nicht im Vorratsschrank zu finden ist.

„Einfach genießen“ ist ein Kochbuch, dessen Titel Programm ist: Essen ist mehr als bloße Nahrungszufuhr. Genuß ist das Thema, denn „wer nicht genießt, ist ungenießbar“ (frei nach Konstantin Wecker).

Bewertung vom 31.08.2015
Verschwörung / Millennium Bd.4
Lagercrantz, David

Verschwörung / Millennium Bd.4


sehr gut

Die Irritation, die die Fortsetzung der erfolgreichen Millennium-Trilogie des verstorbenen schwedischen Autors und Journalisten Stieg Larsson allenthalben hervorruft, kann ich nicht nachvollziehen. Speziell aus dem Umfeld Larssons heißt es, die ursprüngliche Reihe sei lediglich auf drei Teile hin ausgelegt gewesen. Die Veröffentlichung eines vierten Bandes sei Geschäftemacherei und Grabschändung. Nun ja, auch der eine oder andere Freund des Autors hat seine Erinnerungen niedergeschrieben und in bare Münze verwandelt.

Die Rechte an der Trilogie liegen mittlerweile bei Larssons Vater und Bruder, und diese haben gemeinsam mit seinem seinen Verlag beschlossen, die monetäre Gunst des Publikums zu nutzen und eine Fortsetzung auf den Markt zu bringen. Daran ist meiner Meinung nach nichts Verwerfliches zu finden, denn aus reinem Selbstverwirklichungsdrang schreiben die wenigsten Autoren. Unterhaltung ist ein Geschäft, und der Erfolg eines Romans setzt sich aus einem gut durchdachten Konzept und einem cleveren Marketing zusammen. Aber schlussendlich entscheiden die Leser, ob ein Titel erfolgreich ist, was aber nichts über die Qualität aussagt.

Larssons Landsmann David Lagercrantz führt mit „Verschwörung“ die Reihe um die geniale Hackerin Lisbeth Salander und den investigativen Journalisten Mikael Blomkvist fort. Allerdings wird die Geduld des Lesers stark strapaziert, denn es vergeht sehr viel Zeit, bis die beiden Protagonisten ins Geschehen eingreifen. Lisbeth, tough und wütend wie eh und je, Mikael, eher behäbig und analysierend. Es geht um den Tod eines schwedischen Wissenschaftlers, einer Koryphäe im Bereich der Künstlichen Intelligenz, Vater eines autistischen Jungen, der seine Forschungen nicht mehr mit seinem Gewissen vereinbaren will und kann. Aber natürlich gibt es kriminelle Elemente, allen voran eine russische Verbrecherorganisation, die gesteigertes Interessen an den Forschungsergebnissen haben. Aber auch ein Internetkonzern und die NSA haben Dreck am Stecken. Bekannte Muster. Eine neue Dimension kommt durch Lisbeths Zwillingsschwester hinzu, und natürlich mündet alles in das finale Duell Gut gegen Böse.

Keine Frage, vor uns liegt ein spannender Thriller mit vielen alten Bekannten aus der Millennium-Trilogie. Lagercrantz hat aktuelle Themen ausgesucht, ob das nun die allgegenwärtige Überwachung oder die Forschungen im Bereich KI sind. Und mit der Figur des autistischen Jungen rührt an die Emotionen der Leser. Sein Stil ist gefällig, aber und mir einen Tick zu glatt.

Man sollte „Verschwörung“ allerdings nicht unbedingt als Teil der Trilogie sehen, denn in dieser geht es um Lisbeth. Um ihre Vergangenheit, um die Ereignisse, die sie zu der Persönlichkeit gemacht haben, die sie ist. Und dafür hätte es keines vierten teils bedurft, denn diese Geschichte ist mit dem dritten Band der Reihe abgeschlossen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.