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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 12.09.2016
Saukatz / Frau Merkel Bd.1
Panizza, Kaspar

Saukatz / Frau Merkel Bd.1


ausgezeichnet

Steinböck ist Bayer, unangepasst mit Ecken und Kanten. So einer muss schon mal mit einer Versetzung rechnen, wenn seine Ermittlungen der Politik zuwider laufen. Ausgerechnet nach München wird er versetzt, wo doch jeder weiß, dass es dort so gut wie keine bezahlbaren Wohnungen gibt.
So ist es vielleicht verständlich, dass der gleich bei der Besichtigung eines Tatorts an die nun freigewordene Wohnung denkt. Auch mit der Vermieterin, einem echten Original mit grünem Daumen, was die schönen Cannabispflanzen im Wintergarten bezeugen, wird er sich einig. Lediglich die sehr eigenwillige Katze des ermordeten Vormieters muss er übernehmen.
Das Opfer schrieb an einer Dokumentation über Medikamentenversuche und hat sich zu Recherchezwecken selbst als Proband bei Bepal Pharma angemeldet. Als kurz danach ein Obdachloser mit der gleichen Waffe erschossen wird, auch er ein „Versuchskaninchen“, schrillen Steinböcks Alarmglocken.
Dieser Krimi fällt etwas aus dem Rahmen. Nicht nur wegen des Ermittlerteams, das durch eine übergewichtige, aber taffe Polizeianwärterin und einen dreifach herausgeforderten Kommissar – Rollstuhlfahrer, 60ger Fan und farbig – ergänzt wird. Ach ja, eine nicht unwichtige Rolle spielt die Katze, von manchen Frau Merkel genannt. Sie ist eine eigenwillige Persönlichkeit, die sich gern gegenüber ihrem neuen Mitbewohner durchsetzt, aber ihn auch an ihren Erkenntnissen teilhaben lässt. Ob Steinböck nun wirklich Zwiesprache mit Frau Merkel hält, oder ob sie ihm als Projektionsfläche für seine Gedanken dient, mag man selbst entscheiden. Sie drückt jedenfalls dem Buch, nicht nur im Titel, ihren Stempel auf.
Aber zusammen mit diesen urigen Typen, witzig-grantigen Münchner Dialekteinsprengseln und einer wendungsreichen Handlung, ergibt das eine gute Mischung. Ein Krimi mit oft recht hintergründigen Humor, Spannung und realen Bezügen, der nicht nur Katzenfans gut gefallen wird.
Bei diesem Buch bin ich schon auf die Fortsetzung gespannt, es wäre dann nur schön, wenn der Text besser Korrektur gelesen würde.

Bewertung vom 06.09.2016
Ausgerechnet wir
Peetz, Monika

Ausgerechnet wir


gut

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit in Berlin der Frau zu begegnen, die zu einem passt? Dieser Frage geht Tom mit großer Akribie und mathematischen Formeln nach. Aufgewachsen unter Frauen, denn Vater und später Schwäger, haben immer recht bald die Flucht ergriffen, ist Tom eher ungeschickt im Flirten oder Daten. Seine Versuche enden in der Regel im Chaos. Ähnlich sieht es auch im Berufsleben aus, sein Job ist der meist der erste der wegrationalisiert wird. Dabei liegt es nicht an seinen Fähigkeiten, er kann sich halt nicht gut verkaufen. Weg mit der Frauenquote ist deshalb auch sein Credo, denn er wurde schon zu oft untergebuttert.
Da erscheint die Online Partnersuche über ein neues Portal, das ganz wissenschaftlich an die Sache herangeht für ihn vielversprechend. Aber was passiert, wenn die Profile nicht sehr ehrlich sind? Statt seiner Traumfrau trifft er ihre Mutter, die ihre Tochter Lisa verkuppeln will und ausgerechnet Lisa wird seine Konkurrentin bei einer neuen Stelle.
Tom ist der Prototyp des neuen Softies. Er will es immer allen recht machen, bleibt aber dabei selbst auf der Strecke. Sein Umgang mit Frauen ist von seinen, recht tyrannischen älteren Schwestern geprägt. So stolpert er mit Rasanz und Witz durch die Geschichte von Monika Peetz. Die Autorin ist durch ihre Romane um die „Dienstagsfrauen“ bekannt geworden und auch mit einer männlichen Hauptfigur gelingt ihr eine witzig überzeichnete Geschichte, in der auch manche Lebensweisheit steckt. Tom, aber auch sein Ex-Schwager und seine Schwestern sind etwas ironisch überzeichnet. Auch vom Sprachwitz und den gut getimten Gags war ich angetan.
Allerdings hält das Tempo und der Witz nicht die ganze Geschichte an, fast hatte ich das Gefühl, der Autorin ging zum Ende die Luft etwas aus. Das hat aber den Gesamteindruck nur wenig geschmälert.

Bewertung vom 02.09.2016
Blutroter Flieder
Marlow, Mareike

Blutroter Flieder


ausgezeichnet

Tessa und Jana, die beiden ungleichen Halbschwestern, die zudem noch ein Altersunterschied von 30 Jahren trennt, müssen sich zusammenraufen. Das wunderschöne Haus in Burgheide bleibt in nur erhalten, wenn sie mindestens ein Jahr zusammen wohnen. Nicht ganz einfach für die Zwei, die nicht nur die Frage Tee oder Kaffee trennt.
Aber da ist dann der tödliche Reitunfall einer Reitstallbesitzerin und Sven, der Pferdepfleger mag nicht an einen Unglück glauben und bittet die Journalistin Tessa und ihre Schwester um Hilfe. Denn der örtliche Polizist, der liebenswerte Martin, möchte nur zu gern an einen Unfall glauben. So spart er sich den Besuch der ignoranten und arroganten Kriminaler Kettel und Sprockhövel. Außerdem bleibt ihm so mehr Zeit zum Kuchenbacken. Übrigens sind seine Rezepte abgedruckt und den Butterkuchen kann ich ganz besonders empfehlen!
Schon aus der Kurzbeschreibung wird klar, hier gibt es einen Wohlfühlkrimi, der sich vor allem an Leserinnen wendet. Aber auch die Spannung und die Krimihandlung kommen nicht zu kurz. Schon nach den ersten paar Seiten ist man so in der Geschichte und der idyllischen Landschaft angekommen, dass man gar nicht mehr aufhören mag. Neben den Reibereien der Schwestern und dem Running Gag mit einer verschwunden Kaffeemaschine, darf man sich auch an eingestreuten plattdeutschen Sprüchen freuen.
Ich habe den Krimi ausgesprochen gern gelesen und war von der Idee, den Personen und dem Sprachwitz gleichermaßen begeistert. Die Prise Humor rundet den Krimi perfekt ab und die Backrezepte sind mehr als verführerisch.

Bewertung vom 29.08.2016
Meine geniale Freundin / Neapolitanische Saga Bd.1
Ferrante, Elena

Meine geniale Freundin / Neapolitanische Saga Bd.1


sehr gut

Raffaela, oder Lila wie Elena ihre Freundin aus frühen Kindertagen sie nennt, ist spurlos verschwunden. Wie ausgelöscht scheint ihr Leben. Elena macht sich noch nicht viele Gedanken, sie kennt Lila und ihre spontanen Entscheidungen und weiß um ihre Eigenwilligkeit. Sie hält die Sorge von Lilas nichtsnutzigem Sohn eher überzogen. Aber Lila hat wohl alle Spuren ihres Lebens getilgt, keine Kleidung, keine Briefe, keine Erinnerungsstücke sind zurückgeblieben. Aber Lila war immer anders !
In Gedanken geht Elena zurück ins Neapel der 50iger Jahre und lässt den Beginn der Freundschaft zwischen den beiden Mädchen Revue passieren. Lila war ein starkes, mutiges Mädchen, ja sie war sogar manchmal richtig grausam, Elena unterwirft sich willig den diversen Mutproben und Lila wird ihre wichtigste Bezugsperson. Sie ist klug, sie hat sich allein lesen und schreiben beigebracht, sie ist intelligent, aber das ist in den Augen des Vaters nicht unbedingt ein Vorteil. Im Arme-Leute-Viertel, in dem die zwei Mädchen aufwachsen, geht es laut und derb zu. Auch Gewaltausbrüche sind an der Tagesordnung, der Vater als Patriarch steht über Allen. Väter können die Zukunft und das Schicksal ihrer Kinder bestimmen, weit ins Erwachsenenalter hinein. Elena weiß, dass Bildung ein Weg aus diesem Kreislauf sein könnte, Lila wählt den Weg der Heirat mit einem aufstrebenden, wohlhabenden Mann, beide wollen durch ihre Entscheidungen den Verhältnissen entkommen. Ob es beiden gelingt?
Das Buch erinnerte mich an die großartigen Schwarz-Weiß-Filme des italienischen Neorealismus. Das neapolitanische Viertel wird sehr authentisch und kraftvoll dargestellt, die Familien, die eng zusammenwohnen, die Konflikte, die Beziehungen, das hat mir sehr gut in der Darstellung gefallen. Fast meine ich die Lautstärke im Ohr zu haben, so lebendig ist die Darstellung. In diesem Zusammenhang fand ich auch das Personenregister am Anfang des Buches sehr hilfreich.
Die Sprache ist bildreich, durch die Ich-Erzählerin ist der Leser unmittelbar ins Geschehen eingebunden. Die Erinnerungen Elenas sind lebendig und doch hinterfragt sie sich immer wieder. Fast habe ich das Gefühl, dass sich Elena nicht sicher ist, ob Lila sie wirklich mochte. Zu prägend waren die Erfahrungen von Zurückweisungen und Verletzungen. In diesem Buch lerne ich Lila ja nur aus der Sichtweise von Elena kennen und die Erinnerungen sind durch ein langes Leben verwaschen.
Ich habe dieses Buch sehr gern gelesen, es ist eine Entdeckung, denn es wurde in Italien bereits 1991 veröffentlicht. Ich bin wirklich eingetaucht in diese beiden Frauenleben. Ich bin gespannt, ob mich diese Faszination noch durch drei weitere Bände trägt.

Bewertung vom 29.08.2016
Tod auf dem Kreuzbergl
Nagele, Andrea

Tod auf dem Kreuzbergl


ausgezeichnet

Peter Grohar wird aus der Haft entlassen. Er hat seine Strafe als Kindermörder abgesessen. Aber ist er wirklich frei? Sein Bewährungshelfer beäugt ihn misstrauisch, ein unglückliches Missverständnis auf dem Spielplatz bringt ihn sofort wieder in Verdacht.
Dann verschwindet ein Mädchen, sofort sind alle Vorurteile wieder da und Peter Grohar landet in U-Haft. Kathie kann einige Hinweise auf ihre Freundin geben, aber sie bringen keinen Erfolg bei der Suche. Dann verschwindet auch noch die kleine Maisy und der Ort gerät in Aufruhr.
Wie immer bei Andrea Nagele wird man sofort in Sog des Geschehens gezogen. Die Spannung, die dabei entsteht, hat nicht so sehr mit Action zu tun, sondern mit der dichten, ungeschminkten Beschreibung der Charaktere. Schaut man hinter die Fassaden der bürgerlichen Familien, tun sich Abgründe auf. Das ist bei den wohlsituierten Eltern von Maisy nicht anders, als bei Kathies Mutter, die kaum über die Runden kommt und mit einem gewalttätigen Ehemann gestraft ist. Auf heile Welt in einem touristisch schön beschriebenen Klagenfurt darf man nicht hoffen.
Dass dieser Roman – Krimi wäre eine fast zu einseitige Kategorisierung – aber mitreißend und spannend und keinesfalls trist ist, liegt einfach an der Kunst der Autorin mit wenigen Beschreibungen komplexe Charaktere und Situationen zum Leben zu erwecken. Sicher hat das auch mit der Profession von Andrea Nagele zu tun. Ein Kriminalroman der schon zum Psychothriller tendiert und dafür keine krankhaften Phantasien und Szenarien braucht.
Ein tolles Buch und ein fast schmerzhaft dichtes Psychogramm der Gesellschaft.

Bewertung vom 28.08.2016
Zwischen den Meeren
Moss, Sarah

Zwischen den Meeren


sehr gut

Zwischen den Meeren ist eine berührende Geschichte, die sich dem Leser aber nicht einfach erschließt, was vielleicht auch an der Distanz zu den zwei Hauptfiguren liegt.
Alathea hat als eine der ersten Frauen einen medizinischen Doktorgrad erworben, das macht sie in den Augen der Gesellschaft aber eher verdächtig. Aufwachsen ist sie in einer kalten, lieblosen Atmosphäre, die Mutter ist eine religiöse Eiferin, die Selbstkasteiung zum Lebensprinzip erhoben hat. So waren Wärme und Nahrung für Ally ihr Leben lang Mangel, von Liebe ganz zu schweigen.
Wir lernen sie als Ehefrau von Tom Cavendish kennen, der als Ingenieur seinen Weg machen will, der führt ihn dann auch kurz nach der Eheschließung für viele Monate nach Japan. Nach seiner Rückkehr ist die Fremdheit zwischen dem Ehepaar augenscheinlich, es scheint nicht möglich an die kurze Zeit des Eheglücks anzuknüpfen, zu sehr haben sich beide in verschiedene Richtungen entwickelt.
Die Kapitel wechseln sich ab, wir sehen Tom eine neue Kultur erfahren und mit allen Sinnen erleben. Er taucht in die fremde Welt Japan ein, unsicher anfangs, aber dann immer interessierter, er verlängert seinen Aufenthalt und Cornwall und seine Frau ist in weite Ferne gerückt.
Ally dagegen scheint in ihrer ersten unbezahlten Anstellung als Irrenärztin an den Umständen scheitern. Sie kämpft gegen die Vorurteile, die ihr entgegen gebracht werden, genauso, wie die lieblose und demütigende Behandlung der Insassen. Das kalte und feuchte Cottage, das Tom für sie gemietet hat, bietet keine Zuflucht. Die Einsamkeit, die Unwirtlichkeit der winterlichen Landschaft machen ihr immer mehr zu schaffen. Die Unterschiede zwischen den Beiden treten schmerzhaft zu Tage. Diese Wechsel tauchten mich als Leserin in ein Gefühlschaos, hier das Elend einer viktorianischen Anstalt, dort die schöne Welt der japanischen Kultur. Für beide Seiten findet die Autorin wunderbare stimmige Bilder und gelungene Beschreibungen.
Überhaupt ist die Sprache das tragende Element dieses Buches. Fein, zurückgenommen und doch nuancenreich hat sie mir aufmerksames Lesen abgefordert. Das war ein Lesegenuss, auch der Wechsel der Perspektiven ist sprachlich hervorragend ausgearbeitet.
Großartig geschildert finde ich die Gegensätze – hier das viktorianische England mit all seiner sozialen Ungerechtigkeit und der großen Fortschrittsgläubigkeit – dort die feinsinnige, fremde Kultur, die sich nur sehr langsam nach außen öffnet.


Während des Lesens ist mir klar geworden, dass es ein Vorgängerbuch gab. Ich hatte öfters den Eindruck, dass mir Wissen aus diesem Buch fehlt, um die Beziehung zwischen Ally und Tom restlos zu verstehen. Ich habe oft das Gefühl gehabt, zwischen den Beiden ist das Meer immer noch da, selbst als Tom zurück ist. Deshalb fand ich den Titel auch besonders gut gewählt.


Außerdem rundet der wunderschön konzipierte Einband des Buches den Eindruck ab. Die Kirschblüten auf dem Schutzumschlag zieren in Negativdruck auch den Bucheinband. Eine sehr gelungene Gestaltung für ein empfehlenswertes Buch.

Bewertung vom 27.08.2016
Alle meine Kinder
Schenk, Herrad

Alle meine Kinder


sehr gut

Ika Beaufort steht vor den offenen Türen ihres Schranks und versucht sich von vielen Dingen zu trennen, aber alles ist mit Erinnerungen belastet und diese Erinnerungen wiegen schwer. Sie taucht in Gedanken in die Vergangenheit ein, ihre Dreiecksbeziehung über viele Jahre, die ihre Partnerschaft wohl doch schwerer belastet hat, als gedacht. Der lange Loslösungsprozess von ihrem Geliebten und vor allem der Schwangerschaftsabbruch, der kurz danach einem leidenschaftlichen Kinderwunsch auslöste, der sich auf natürlichem Weg nicht erfüllen wollte.


Ika ist eine Frau fast Ende der Sechzig. Zusammen mit ihrer langjährigen Freundin wollte sie sich in einer neuen Wohnung inmitten der Stadt neu finden. Raus aus dem viel zu großen Haus und dem riesigen Garten, ein Neuanfang ohne den Ballast der Vergangenheit, ganz abgesehen von den praktischen Erwägungen – wie Ärzte, Geschäfte und Kultur in unmittelbarer Nachbarschaft. Doch Hilde verstirbt unerwartet und Ika muss nun allein den Neuanfang wagen.


Das Buch wird durch die Rückblicke interessant. Ika ist ein Kind ihrer Zeit, aufgewachsen als die Pille den Frauen neue Freiheit gewährte, als Partnerschaften und Sexualität neu definiert wurden. Die Beziehungen waren offen und Seitensprünge wurden diskutiert und toleriert. Dieses Zeitbild hat mir ausgesprochen gut gefallen, ich kenne vieles aus eigenem Erleben und die Schilderung hat mich zurück katapultiert in diese Zeit. Die Hauptfigur Ika ist mir sehr nahe gekommen, ja sie war mir sympathisch, wenn ich auch manche ihrer Handlungen nicht gut fand. Fast hatte ich das Gefühl, ich müsste es jetzt mir ihr ausdiskutieren. Das spricht für die lebensnahe Charakterisierung.


Die ausufernden Schilderungen der Reproduktionsmedizin fand ich allerdings zu viel. Nicht jeder vergebliche Zyklus hätte in dieser Ausführlichkeit geschildert werden müssen. Wenn ich noch einmal den Begriff „Follikel“ lese, schreie ich – diese Empfindung drängte sich mir beim Lesen auf.
Der verhalten optimistische Schluss hat mich dann aber versöhnt und über diese Klippe getragen.


Das Buch hat mich berührt, ich bin der Hauptfigur fast immer gern in ihren Erinnerungen gefolgt.

Bewertung vom 25.08.2016
Todesgruß
Plötner, Astrid

Todesgruß


sehr gut

Unna in Westfalen, eine Kleinstadt, die jährliche Kirmes ist ein Höhepunkt im Festkalender der Stadt. Mit der beschaulichen Ruhe ist es vorbei, als eine Leiche im Stadtpark gefunden wird, auffällig drapiert und mit einem Kirmes-Lebkuchenherz um den Hals „Ein letzter Gruß von G.“ steht darauf, mit Zuckerguss geschrieben. Eine Beziehungstat? Ein Racheakt? Ein zufälliges Opfer? Die Kommissarin Maike Graf, erst kürzlich aus Dortmund hergezogen und ihr Kollege Max Teubner bearbeiten den Fall der ermordeten Zahnärztin. Doch es bleibt nicht bei einer Leiche, kündigt sich hier ein Serienmörder an? Aber dann stellen sich die Verbindungen zur ersten Leiche heraus und der Kreis der Verdächtigen wird eingeengt.
Der Krimi wirkt westfälisch geerdet, das macht das Regionale an diesem Krimi so angenehm zu lesen. Die Balance mit einem spannenden Plot und der typischen Eigenheiten von Mensch und Landschaft stimmt. Die Figuren haben mir auch gut gefallen, allen voran Maike Graf, die auch als Hauptkommissarin menschlich agiert und immer auch einen Blick auf die Gesellschaft hat. Ihr Privatleben wird thematisiert, aber hier bleibt es ebenfalls im Gleichgewicht. Realistisch geschildert war die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kommissariaten und die menschlichen Reibereien, die sich dadurch ergeben. Die Autorin hat sehr geschickt Spuren gelegt, die Handlung schlägt einige Haken und die Spannung bleibt hoch.
Natürlich gab es auch ein – zwei Klischees, die ich überflüssig fand. Warum zum Beispiel, müssen die agierenden Staatsanwälte immer eitle und cholerische HB Männchen sein, die immer zu dumm für naheliegende Argumente sind? Warum müssen junge Beamtinnen so oft geschwätzige Blondinnen sein, die sich zum Schluss doch zum Pferdestehlen eignen?
Aber sind nur ganz kleine Einwände, die den Lesegenuss nicht geschmälert haben.
Mein Fazit: ein gekonnter, immer spannender Regionalkrimi, den ich empfehlen kann.

Bewertung vom 22.08.2016
Niemand weiß, wie spät es ist
Freund, René

Niemand weiß, wie spät es ist


ausgezeichnet

Noras Vater ist tot. Sein Testament an eine kuriose Bedingung geknüpft: unter notarieller Aufsicht, soll Nora die Urne nach Österreich bringen. Jeweils am Morgen wird das Ziel oder die Richtung bekannt gegeben, in die Nora mit ihrer Begleitung laufen soll. Dieser Begleiter, ein junger Jurist ist genauso pedantisch, wie korrekt und zugeknöpft. Ein Grauen für die temperamentvolle, immer etwas chaotische Nora.
Unterwegs erreichen Nora eine Videobotschaft und die täglichen Nachrichten ihres Vaters, endlich spricht er zu ihr, etwas was sie wohl schon lange vermisste. Sie hatten ein gutes, aber auch etwas distanziertes Verhältnis.
Die Reise ist von vielen unvorhersehbaren Ereignissen geprägt. Weder Nora, noch der Jurist Bernhard Petrovits werden nach der Rückkehr ihr altes Leben nahtlos wieder aufnehmen können.
Selten hat mich ein Roman so stark berührt. Ich gestehe, ich konnte manchmal die Tränen nicht wegdrücken, aber gleich danach brachte eine Szene voller Witz und Situationskomik wieder Heiterkeit und Unbeschwertheit in das Buch. Es war eine Achterbahn der Gefühle, auf die ich damit geschickt wurde und nie – wirklich nie – wurde es sentimental oder kitschig. Gerade das hat mich ganz besonders beeindruckt.
Nora und Bernhard, die beiden Hauptpersonen sind natürlich und echt geschildert, haben so viel Lebendigkeit in sich, kein Wunder, dass sie mir so ans Herz gewachsen sind. Trotz der berührenden Thematik wie Tod, Abschied und Trauer ist das ein Buch mit Leichtigkeit und leisem Humor.
Ich habe ein weiteres Lieblingsbuch gefunden.