Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
hasirasi2
Wohnort: 
Dresden

Bewertungen

Insgesamt 1128 Bewertungen
Bewertung vom 13.07.2017
Mordsleben. Ostfrieslandkrimi
Busch, Ulrike

Mordsleben. Ostfrieslandkrimi


ausgezeichnet

„»Ein Mordsbuch, ein Mordsleben« rief er begeistert. »Ein Mordsleben, ja, das hatte ich«, sagte sie mit zynischem Unterton. »Erst der Unfalltod meiner Tochter. Dann der Selbstmord meines Mannes. Letzte Woche die Schüsse auf mich. Mörderischer geht es kaum.«“ (S.94)

Leonie Altinga (75) ist eine ehemalige Schauspielerin, die auch als Autorin große Erfolge gefeiert hat, allerdings ist das schon länger her. Inzwischen ist sie nach Greetsiel zurückgezogen und hat ihre Autobiografie veröffentlicht. Eben diese soll just an dem Abend in ihrem Literaturzirkel besprochen werden, als auf sie geschossen wird. Da zu dem Zirkel auch Tammos Vater Friedo und Fennas Mutter Magda gehören und diese die Autobiografie bereits gelesen haben, mischen sie bei den Ermittlungen kräftig mit und geben nicht nur einmal wichtige Hinweise.
Denn die Schüsse bleiben nicht der einzige Anschlag, auch andere Bürger von Greetsiel werden angegriffen und der gemeinsame Nenner ist immer Leonies Vergangenheit. Übt sie etwa Rache? Oder versucht ein Verrückter, die Bevölkerung zu dezimieren?

Mordsleben ist der 3. Fall der Greetsieler Ermittler Fenna und Tammo. Zwischen beiden läuft es nicht nur beruflich toll, sondern auch privat – genau wie zwischen Magda und Friedo. Im Ort werden schon Wetten abgeschlossen, welches Paar sich zuerst „trauen“ wird. Aber zuvor muss der verzwickte Fall um Leonie gelöst werden.

Leonies Charakter hat mir in diesem Buch besonders gut gefallen. Sie spielt die Rolle der unwissenden, zu unrecht Verfolgten so, als würde sie noch immer auf der Bühne stehen. Sie hat mich an die alten Hollywooddivas erinnert und natürlich ist sie ohne ihr Personal (Neske und Thilo, ein Ehepaar um die 70) kaum lebensfähig. Ich seh sie jetzt noch kraftlos auf ihr Sofa sinken und nach Tee und Keksen rufen *gg*. Dabei scheint gerade Thilo mit in den Fall involviert zu sein, meint Tammo. Natürlich ist Fenna wieder einmal anderer Meinung und tippt auf Leonies Cousine Fine bzw. deren Sohn Norwin, weil er letztendlich alles erben wird.
Norwin ist das typische Muttersöhnchen. Schon über 40, aber er steht immer noch unter Muttis Fuchtel – eigentlich bemitleidenswert, wenn da nicht seine eigenartigen Andeutungen wären. Er weiß zumindest genau, wie er sein Erbe verwenden würde ...

Ulrike Busch hat mit „Mordsleben“ ein wunderbares Verwirrspiel mit vielen Ups und Downs geschaffen. Schon im 6. Kapitel war ich mir sicher, den Täter zu kennen – und lag natürlich daneben. Durch die unterschiedlichen Anschläge und Verdächtigen kann man sich nie sicher sein, wer hinter allem steckt und welches Ziel er verfolgt. Dazu kommen die „Menscheleien“ zwischen Fenna und Tammo und natürlich ist auch mein heimlicher Star, der Schnauzermischling Buddy, wieder mit dabei. 5 Sterne für diesen vergnüglichen, kurzweiligen und spannenden Krimi!

Bewertung vom 11.07.2017
Wir sind die Guten
Heldt, Dora

Wir sind die Guten


ausgezeichnet

SOKO Gartenbau - Karl und Konsorten ermitteln wieder

Frühling auf Sylt. Ruhe vor dem (Besucheran-)Sturm. Die Kripo-Beamtin Maren langweilt sich und bummelt Überstunden ab. Da wird am Fuße des roten Kliffs eine unbekannte Männerleiche gefunden ...

Sabine Schäfer ist Inges und Charlottes Putzfrau. Deren Männer Heinz und Walter dürfen nichts davon wissen, denn Sabine arbeitet schwarz und Walter war früher beim Finanzamt. Doch leider ist den Männern um Ex-Hauptkommissar a.D. Karl Sönnigsen seit der Aufklärung des Falls vom letzten Jahr langweilig und so versteifen sie sich ausgerechnet auf die Suche nach Schwarzarbeitern. Sabine muss weg. Dass sie aber gleich ganz und auch noch spurlos verschwindet, ist den Frauen dann doch suspekt. Also weihen sie den Rest der „SoKo Gartenbau“ ein.

Mit hat schon bei Dora Heldts erstem Sylt Krimi „Böse Leute“ gefallen, wie sehr es zwischen den Protagonisten menschelt. Die „Rentner-Gang“ kennt sich ihr ganzes Leben, man hält zusammen und hilft sich.
Karls Nachfolger auf dem Polizei-Revier ist leider nicht besonders sympathisch und lässt sich (und seinen Mitarbeitern) nicht mehr von ihm in die Karten gucken. Karl langweilt sich. Dass sich sein bester Kumpel Onno (Marens Vater) jetzt nur noch um Helga und nicht mehr um ihn dreht, fuchst ihn zusätzlich. Denn Onno schwebt auf Wolke 7 - Helga und er sind seit einem Jahr ein Paar und nun wird sie wirklich zu ihm ziehen. „Weil es so ein großes Glück ist, in unserem Alter noch so eine Liebe zu finden.“ (S. 244) Karl fühlt sich vernachlässigt und die Streitgespräche zwischen ihm und Onno haben einen sehr großen Unterhaltungswert für alle nicht Betroffenen.

Dora Heldt verknüpft sehr geschickt 3 Fälle, die auf den ersten Blick so gar nicht gemein haben und am Ende doch zusammengehören.
Maren und ihr Team müssen ermitteln, wer der Tote ist und wie er auf die Insel kam, denn er hat keinerlei persönliche Sachen bei sich und wird auch nicht vermisst. Dabei hat sie auch privat Sorgen. Ihr Vater Onno, wegen dem sie auf die Insel zurückgekommen ist, braucht sie nicht und ihre beste Freundin Rike wohnt inzwischen bei ihrem Freund auf dem Festland.
Karl und seine SoKo suchen Sabine und decken dabei deren trostlose, entsetzliche Vorgeschichte auf. Dafür zieht Karl alle Register und holt sogar einen alten Lübecker Kollegen ins Boot.
Walter verbeißt sich in die Schwarzarbeitersuche. Dabei nimmt er tapfer jedes Fettnäpfchen mit, nichts scheint ihm peinlich. Dass er so manches Mal dank seines Alters oder anderer glücklicher Umstände einer ordentlichen Tracht Prügel entgeht, ist ihm indes nicht mal klar.
Doch: „Und manchmal muss man mit dem Leben einfach Geduld haben. Und daran glauben, dass irgendwann etwas Schönes passiert. Nur dann passiert es auch.“ (S. 507)

Obwohl „Wir sind die Guten“ eher ein Wohlfühlkrimi ist, ist der Fall an sich nichts für schwache Nerven. Wer wie ich einen spannenden Krimi mit unterhaltsamen Protagonisten, viel Inselfeeling und Lokalkolorit zu schätzen weiß, liegt bei „Wir sind die Guten“ genau richtig.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.07.2017
Die Versuchung der Ratsherrentochter
Waldherr, Petra

Die Versuchung der Ratsherrentochter


gut

Wymphen 1624: Was verbindet einen ehemaligen Blutvogt, eine zum Tode Verurteilte, einen kleinen Dieb und eine Hübschlerin? Diese illustre Reisegesellschaft ist zusammen unterwegs nach Haydelberch um ein neues Leben zu beginnen, der Vergangenheit zu entfliehen.
Anna war unschuldig zum Tode verurteilt und wurde durch die Heirat mit dem Blutvogt Michael gerettet. Später stellte sich ihre Unschuld heraus und sie wurde rehabilitiert. Da sie als Bürgerin aber nicht mit einem „Unreinen“ verheiratet sein konnte, wurde Michael ehrlich gesprochen. Aber die anderen grenzen sie immer noch (unbewusst) aus.
Die Hübschlerin Bertha ist schwanger und schon ewig in Michael verliebt. Sie kann nicht von ihm lassen und will in seiner Nähe bleiben. Auch der kleine Dieb Jost hat nichts, was ihn an Wymphen bindet und erhofft sich eine bessere Zukunft.
„...unser Weg liegt uns bereits zu Füßen. Wir müssen ihn nur noch beschreiten.“ (S. 32)

Die Reise ist beschwerlich und nachdem sie die verstümmelte Leiche einer jungen Frau entdecken, kommt noch die Angst dazu – wer steckt dahinter? Wem kann man noch trauen? Und plötzlich sind sie mitten drin im Geschehen, die Ereignisse überschlagen sich und alles gipfelt in einer wahren Gewaltorgie.

„Die Versuchung der Ratsherrentochter“ ist schon fast ein Kammerspiel. Die Handlung dreht sich hauptsächlich um Anna, Michael, Bertha und Jost. Später kommt noch ein weiterer (zwielichtiger) Mitreisender dazu – Johannes, der sich angeblich auf den ersten Blick in die schwangere Bertha verliebt hat. Diese 5 interagieren hauptsächlich miteinander, die anderen Protagonisten bleiben Statisten. Dadurch ist die Handlung sehr dicht und das Mit- und Gegeneinander der Figuren wurde gut herausgearbeitet.
Für Anna und Michael ist dieser Umzug eine Art Hochzeitsreise – sie wollen endlich allein in eine unbeschwerte Zukunft starten, ohne immer wieder an die Vergangenheit denken zu müssen. Aber bekanntlich wird man selbige nie los. Getrübt wird ihr kleines Glück vor allem durch Bertha. Diese ist zwar schwanger, aber auch unglaublich verführerisch. Nur wenige Männer widerstehen ihren Reizen. Anna ist eifersüchtig auf sie und Bertha genießt es. Michael sitzt zwischen den Stühlen – natürlich fühlt er sich von Berthas ungebrochenem Interesse geschmeichelt, aber sein Herz gehört Anna. Die Situation entspannt sich erst, als Johannes zu der Gruppe stößt und sich Bertha erklärt.
Etwas aufgelockert wird das enge Miteinander durch geschickt eingeflochtene wahre Begebenheiten. Auch eine gewisse Originalität bei der Idee der Handlung ist da. Allerdings war mir zu schnell klar, wer der Täter ist. Auch wenn man seine Beweggründe nicht sofort durchschaut, deuten alle Hinweise auf ihn. Dazu kamen für mich noch die zu häufigen und detaillierten Sexszenen – so ausführlich hätte ich es nicht immer wissen müssen / wollen.

Nachdem ich vor Jahren den Vorgänger „Die Ratsherrentochter“ regelrecht verschlungen hatte, lag die Messlatte für die Fortsetzung hoch und leider hat sie meine Erwartungen nicht ganz erfüllen können. Von Beginn an gab es Längen durch zu ausführliche Beschreibungen oder Nebenstränge, die zwar unterhaltsam, aber für die Handlung m.E. nicht zwingend notwendig gewesen wären. Trotzdem würde ich einen weiteren Teil lesen.

Bewertung vom 02.07.2017
Fliedersommer
Bramley, Cathy

Fliedersommer


ausgezeichnet

Holly muss mit fast 30 wieder bei ihrer Mutter einziehen, als ihr Arbeitgeber Pleite geht. Aber das Zusammenleben der beiden Generationen ist nicht das Hauptproblem, sondern dass Hollys Mutter seit einer dramatischen Erfahrung ein Messi ist. Holly kompensiert das Chaos zu Hause , indem sie ihr Leben bis ins Kleinste plant und für wirklich alles Listen erstellt.
Als die Besitzer des Landsitzes Wickham Hall einen neuen Assistenten für ihren Veranstaltungsmanager suchen, schlägt Hollys Herz höher – seit Jahren wäre das ihr Traumjob! Sie hat Glück und bekommt ihn. Und ihr Herz schlägt noch schneller, als sie mit Ben zusammenarbeiten muss ...

Ich habe Holly vom ersten Augenblick an gemocht. Sie arbeitet hart, um ihre Träume zu verwirklich und hat auch noch Spaß dabei. Nur im Privatleben läuft es nicht so toll. Bens Mutter findet sie unpassend als zukünftige Schwiegertochter und auch sie selbst ist unsicher, ob die Beziehung funktionieren würde.
Zum Glück hat Holly Esme – ihre beste Freundin und Stimme der (Un)Vernunft – die ihr immer wieder klar macht: „Aber manchmal muss man auch loslassen und sich mitreißen lassen. Denn manchmal passieren magische Dinge. Vor allem dann, wenn man es am wenigsten erwartet.“ (S. 80)

Auch die anderen Angestellten von Wickham Hall und Lord und Lady Fortescue (Bin ich eigentlich die einzige, die bei dem Namen immer an den Loriot-Sketch denken muss?) haben sehr harmonisch ins Bild und meine Vorstellung von einem englischen Landsitz gepasst.

„Fliedersommer“ ist ein perfekter Sommer-Sonne-Wohlfühlroman (auch wenn er nicht ausschließlich im Sommer spielt), der mit dem einen oder anderen spannenden Familiengeheimnis aufwartet. Cathy Bramley bringt das Flair von Cornwall so gut rüber, das ich das Gefühl hatte, Wickham Hall oder Hollys Cottage wie meine Westentasche zu kennen und mich selber ein bisschen wie alter englischer Landadel gefühlt habe.
Zwischen den Protagonisten prickelt und knistert es angenehm – aber es ist romantisch, nicht kitschig. Mir hat auch die kleine Reminiszenz an „Stolz und Vorurteil“ gefallen. Die Figuren sind generell sehr liebevoll und realistisch gezeichnete. Es wird keine „heile Welt Geschichte“ erzählt – alle Beteiligten haben die eine oder andere Leiche im Keller, verdrängen Probleme oder fliehen gleich ganz.

„Das Leben wäre so langweilig, wenn wir immer wüssten, wie jede Geschichte endet. Das ist eine neue Geschichte ... und Du solltest nicht Angst davor haben, die Seiten umzublättern.“ (S. 346)

Wer sich vom Cornwall-Flair und der Romantik des englischen Landadels verzaubern lassen möchte, sollte bei diesem Buch unbedingt zugreifen. Mich hat es jedenfalls in eine träumerische Stimmung versetzt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.06.2017
Vermählung
Sittenfeld, Curtis

Vermählung


gut

Es gibt wohl kaum jemanden, der Jane Austens „Stolz und Vorurteil“ nicht kennt - und sein es nur aus einer der zahlreichen Verfilmungen. Selbst „Bridget Jones -Schokolade zum Frühstück“ basiert darauf und auch „Das geheime Tagebuch der Lizzie Bennet“ von Bernie Su (erschienen 2016). Die bisherigen Adaptionen haben mir immer sehr gut gefallen, umso neugieriger war ich auf „Vermählung“ von Curtis Sittenfeld. Die amerikanische Schriftstellerin geht noch einen Schritt weiter als ihre Vorgänger und siedelt die Story nicht nur in der heutigen Zeit, sondern gleich auch noch in der Welt der Soap Operas an – und macht die Bennet Töchter deutlich älter als im Original (zwischen 40 und 23).

Chip Bingley hat bei der Fernsehshow „Vermählung“ (entspricht dem deutschen Bachelor) mitgemacht, ohne sich für eine der Kandidatinnen zu entscheiden. Als er jetzt nach Cincinnati zieht, wittert Mrs. Bennet ihre Chance – eine ihrer 5 Single-Töchter müsste ihm doch gefallen. Und gleich beim ersten Treffen funkt es auch zwischen ihm und Jane. Doch Jane hat ein kleines Geheimnis, dass noch für viel Wirbel sorgen wir ... „Manchmal verblüfft es mich, wie viel Entscheidendes in unserem Leben von purem Zufall abhängt.“ (S. 409)
Und auch zwischen Chips Freund Fitzwilliam Darcy und Liz fliegen die Funken, nur leider nicht auf die gute Art und Weise...

„Vermählung“ hat mich an einigen Stellen echt geschockt. Die Bennets haben sich auseinandergelebt und schlafen seit Jahren getrennt. Das Haus ist komplett verwahrlost und vermüllt. Mr. Bennet verwaltet das nichtmehr vorhandene Vermögen, Mrs. Bennet ist kaufsüchtig und die Mädels haben zwar alle mindestens eine ordentliche Ausbildung, aber bis auf Liz nie wirklich für ihren Unterhalt gearbeitet. Im großen und ganzen verbringen sie ihren Tag damit, sich die Nägel zu lackieren, Crossfit zu betreiben und die Vor- und Nachteile der Paleodiät zu diskutieren - das war mir dann doch zu modern.

Mr. Bennet hat sich in sein Schicksal ergeben. Obwohl er in der Einschätzung der familiären und pekuniären Situation offen, schonungslos ehrlich und realistisch ist, unternimmt er nichts, um sie zu ändern. Er wartet ab und hofft, dass es sich schon irgendwie von selbst erledigt (vielleicht wirklich durch die Heirat einer seiner Töchter?).
Richtiggehend gehasst hab ich Mrs. Bennet. Sie ist extrem unsympathisch, sehr abwertend, überheblich und unaufgeklärt. Regelrecht bigott.
Liz ist die Vernünftige der Familie. Sie versucht alles, um die Zwangsversteigerung des Hauses abzuwenden und ihre Schwestern dazu zu bewegen, endlich ein eigens Leben zu beginnen, ohne ihren Eltern auf den ohnehin leeren Taschen zu liegen. „Lizzy, du bist die Stimme der Vernunft in einer Kakophonie von Albernheiten.“ (S. 345)
Auch Cousin Willie (im Original Mr. Collins) ist hier extrem überkandidelt - reich aber sozial komplett inkompetent. Man weiß nicht, ob man ihn lieben oder hassen soll.
Mein Lichtblick war Darcy – blasiert und unverstanden wie eh und je. Leider erinnerte auch er eher an Colin Firth aus Bridget Jones als das Original.

Ich fürchte, ich bin die falsche Generation oder Zielgruppe für diese Adaption. Mir war es zu trashig und abgewrackt, als hätte ich tagelang RTL2 Doku-Soaps geschaut. Man sieht das Unglück kommen, kann aber nicht wegsehen.

2,5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 27.06.2017
Die Galerie der Düfte, 5 Audio-CDs
Fischer, Julia

Die Galerie der Düfte, 5 Audio-CDs


ausgezeichnet

Verführung mit Worten und Düften

Johanna hat einen kleinen Laden in München – ihre Sternwarte – in der sie selbstgemachte Hydrolate (Düfte), Öle, Seifen und handgenähte Dessous verkauft. Ihr Laden ist sehr sinnlich, genau wie sie. Sie würde gern auch Produkte der „Officina Profumo di Santa Maria“ aus Florenz verkaufen, aber deren Besitzer schicken ihr Jahr für Jahr eine Absage. Also fasst sie sich ein Herz und fährt nach Florenz, um sie persönlich von sich und ihrem Geschäft zu überzeugen. "Manchmal muss man einen Traum loslassen, um Platz für neue Träume zu machen."

Florenz überwältigt sie – und auch die beiden geschäftsführenden Brüder Luca und Sandro. Luca ist für die Zahlen zuständig und Sandro für die Entwicklung neuer Parfüme. Für Luca sieht sie aus wie die fleischgewordenen Venus von Botticelli – er wirbt leise um sie, zu leise. Denn Sandro überrollt sie geradezu, bei seiner animalischen Ausstrahlung und Präsenz wird sie schwach. Dabei ist Sandro bereits vergeben ...

Die Autorin Julia Fischer, welche auch Hörbuchsprecherin ist und ihr Buch selbst eingelesen hat, malt geradezu mit Worten. Ihre tolle Stimme und die unglaublich bildhaften Beschreibungen machen den Reiz dieses (Hör)Buches aus. Ich hatte jederzeit eine genaue Vorstellung, wie eine Person, ein Ort oder ein Gegenstand aussieht und von den Düften will ich lieber gar nicht erst reden. Sie malt geradezu olfaktorische Bilder. Ich habe es genossen, mir die Düfte vorzustellen und bilde mir ein, sie immer noch riechen zu können!
Da wird eine Creme aus Brombeere und Magnolie zu "Einer Liebesgeschichte mit Schraubverschluss", der Innenhof eines Klosters erscheint wie der Garten Eden und der Duft von Nachtkerzen verführt und heilt gleichermaßen Liebeskummer - alles ist extrem sinnlich und poetisch und trieb mir bei der gerade herrschenden Hitze noch zusätzlichen Schweiß auf die Stirn.

Auch die Spaziergänge, welche die Protagonisten unternehmen, sind sehr inspirierend und man bekommt quasi nebenbei tolle (auch historische) Hintergrundinformationen. Am liebsten würde ich sofort meinen Koffer packen und nach Florenz reisen.

5 Sterne und meine unbedingte Hörempfehlung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.06.2017
Der Gaukler und die Tänzerin
Steyer, Nicole

Der Gaukler und die Tänzerin


sehr gut

Zwei Leben

... hat Suni schon geführt. Bis zu ihrem 6. Lebensjahr war sie Magdalene, die uneheliche aber geliebte Tochter des hessischen Landgrafen. Als ihre Mutter von einer Konkurrentin ermordet wird, flieht sie und wird von Zigeunern aufgenommen. Diese sind fortan ihre Familie, sie vergisst (verdrängt) sogar ihr früheres Leben. Mit 16 lernt sie Sorlo kennen. Dieser gehört einem anderen Roma-Stamm an und will sie beeindrucken. Also führt er sie zu einem ungenutzten Jagdschloss und zeigt ihr dort ein Gemälde – darauf sind Magdalene und ihr Vater. Suni erinnert sich an ihr altes Leben und den Mord an ihrer Mutter – und ausgerechnet da taucht die Mörderin wieder auf und erkennt sie.

Zu Magdalenes altem Leben gehörte auch der Schokoladenmohr Mathis. Sie wuchsen fast wie Geschwister auf, waren sich sehr nah. Auch er musste damals fliehen, aber anders als sie landete er bei Lorenz Gauklertruppe. Lorenz verdient nebenher Geld als Zigeunerjäger und so beginnt ein Wettlauf, wer sie zuerst findet.

„Reiß die Brücken hinter dir nicht ab, du musst wieder über sie zurückgehen!“ (S. 265)

Sunis / Magdalenes Geschichte hat mich von Beginn an mitgerissen. 2 Seelen wohnen in ihrer Brust. Sie liebt das Zigeunerleben, zumindest kennt sie es am besten. Aber tief in ihr drin kommen auch die Erinnerungen an die Zeit davor immer wieder hoch – und sie gefallen ihr. Auch Mathis steht ihr sofort wieder nah, als sie sich endlich wiederfinden. Aber vorerst wird ihr Leben von der dauernden abenteuerlichen Flucht beherrscht. Ich habe mich beim Lesen oft gefragt, ob sie wohl je an einem Ort und in ihrem Leben ankommt, sich für einen Version davon entscheiden kann – Magdalene oder Suni.

Mathis war für mich ein schwer zu fassender Charakter. Er lässt sich jahrelang von Lorenz leiten (unterdrücken) und bekommt erst durch Magdalene wieder eigenen Antrieb und einen eigenen Willen. Dann lehnt er sich auch endlich gegen Lorenz auf. Etwas untergegangen ist leider seine Andersartigkeit. Es gibt zwar ein paar Stellen im Buch, an denen explizit darauf hingewiesen wird, dass er als Mohr damals für so viel Entsetzen sorgte wie der Teufel persönlich, aber meistens geht das leider unter, er bleibt etwas farblos (blödes Wortspiel, ich weiß).

Lorenz hingegen ist eine extrem dominante Persönlichkeit, die dem Leser Schauer über den Rücken jagt: sadistisch, brutal und gefühllos. Er geht im wahrsten Sinne des Wortes über Leichen und erfüllt seiner verheirateten Geliebten jeden Wunsch – er mordet ohne Reue für sie!

Diese (ihr Name wird hier natürlich nicht verraten) ist ein berechnendes Aas. Sie will die unbedingte Macht und Kontrolle und schiebt ihrem Mann sogar 2 Kuckuckskinder unter. Erst, als man ihre grauenvolle Vorgeschichte erfährt, kommt so etwas wie Mitleid für sie auf.

Die Schicksale der einzelnen Beteiligten haben mich zum Teil sehr berührt. Dem Roman als Ganzes ist das leider nicht durchgängig gelungen. Ein paar Stellen waren zu langatmig bzw. zu konstruiert. Außerdem gab es gerade am Ende zu viele Zufälle. Ich weiß, dass diese für die Geschichte notwendig waren, aber das hätte man m.E. eleganter lösen können.

3,5 von 5 Sternen

Bewertung vom 18.06.2017
Ich schenk dir die Hölle auf Erden
Berg, Ellen

Ich schenk dir die Hölle auf Erden


ausgezeichnet

Carina kann wirklich froh sein, dass ihre Freundinnen zur Stelle sind, als sie entdeckt, dass ihr Mann Jonas sie nach 10 Ehejahren und 2 gemeinsamen Kindern betrügt. Sofort schmieden Leni (frisch geschieden), Wanda (spirituelle Öko-Tante), Sybille (Lehrerin) und Betty (rationale Personalerin) finstere Rachepläne. Jonas soll bluten und seine Geliebte gleich mit! Leider fragen sie Carina nicht, die überlegt nämlich, ob eine Ehetherapie inkl. Aussöhnung nicht die bessere Lösung wäre. Aber: „Eine Ehetherapie wegen einer Affäre ist wie Bausparen für Rentner: schlicht und einfach zu spät.“ (S. 12)
Und nachdem Carina die Neue – Chantal – kennengelernt hat und feststellen muss, dass Jonas mir DER all das macht, was er ihr immer vorenthalten hat, sind ihre Rachegelüste geweckt und ihrer Fantasie diesbezüglich kaum noch Grenzen gesetzt.
Und dann ist da ja bald auch noch Tom, ihr neuer und sehr verständnisvoller Fitnesstrainer „Manchmal haut einem das Leben eine rein, damit man die Schmerzgrenze überschreitet und aufwacht.“ (S. 113) ...

Carina war 10 Jahre lang Super-Mami und Haushälterin für ihren Mann, immer schön klein gehalten, damit sie ja keine eigenen Bedürfnisse anmeldet. Ihre Freundinnen verpassen ihr Dank mentaler Unterstützung (jede auf ihre spezielle Art), neuer Klamotten und einem Fitnesstrainer (Tom) endlich auch wieder ein Selbstwertgefühl.
Tom ist ein echtes Schnuckelchen. Er sieht nicht nur sehr gut aus sondern ist auch noch schlagfertig und liebenswert. Und er scheint auf Carina zu stehen.
Ihren Mann Jonas dagegen kann man super hassen – beruflich ein Überflieger, lässt er sich zu Hause von vorn bis hinten bedienen und die Kinder stören eigentlich auch durch ihre bloße Anwesenheit. Da ist seine ebenfalls erfolgreiche Geliebte doch deutlich pflegeleichter.
Chantal ist genau so, wie ihr Name vermuten lässt – gutaussehend, zickig, eine emotionale Null. Sie wähnt den Sieg schon in der Tasche und ist völlig entsetzt, als Carina nicht klein beigibt.
Besonders toll fand ich Carinas Kinder Melli (9) und Benny (6). Vor allem Mellis altkluge Art und ihre blitzschnelle Auffassungsgabe retten Carina mehr als einmal.

Nach diversen Verwicklungen kam dann ein Ende, dass ich so überhaupt nicht erwartet habe. Die Überraschung ist der Autorin echt gelungen!

Ellen Bergs neues Buch „Ich schenk dir die Hölle auf Erden“ ist genial. Ich habe mir beim Lesen unzählige Sprüche notiert, an meine Freundinnen gesimst und wir haben herzlich darüber gelacht. Endlich schlägt eine Frau mal zurück und lässt ihren Mann so richtig schön leiden. Ich will hier nicht zu viel verraten, aber was bei 5 Freundinnen an krimineller Energie zusammenkommt, wenn die Rachegelüste erst mal ausgebrochen sind, ist enorm. Vielen Dank für die vergnüglichen Lesestunden – 5 Sterne!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.06.2017
Tod auf Juist. Ostfrieslandkrimi (eBook, ePUB)
Busch, Ulrike

Tod auf Juist. Ostfrieslandkrimi (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Kaya kann´s nicht lassen

Juist: Der Strandkorbvermieter Ricklef ist erschrocken, dass die 2 Damen, welche anscheinend die Nacht in einem seiner Körbe verbracht haben, nicht schlafen sondern tot sind. Für ihn ist schnell klar, dass es Mord gewesen sein muss - in dem feinen Sand sind keinerlei Spuren zu erkennen!

Die Journalistin Kaya, ihre Freundin Inka und Tante Leenke haben auf Juist eine Seminarwoche im „Haus der inneren Mitte“ gebucht. Inka will sich von den Albträumen kurieren lassen, die sie seit der Jagd nach dem Blauen Stern quälen (Vorgängerbuch) und Kaya will eine Reportage über das Haus schreiben.
Doch schon auf der Fähre nach Juist erfährt Kaya von den beiden Toten, und ihr Spürsinn ist geweckt. Im Haus erfährt sie dann, dass die beiden auch Seminarteilnehmer waren.
Außerdem bekommt Kaya mit, dass sich die Therapeuten untereinander bekriegen und ein berüchtigter Finanzjongleur das Seminarhaus unbedingt kaufen möchte. Motive gibt es also viele - aber wer war der Täter?!

Tod auf Juist ist der zweite Band um die Journalistin Kaya Witt und hat mir deutlich besser gefallen als der erste. Kaya wirkt viel menschlicher und der hintergründige Humor ist genau meins. Besonders unterhaltsam fand ich die Bezeichnungen und Beschreibung der Kurse – ich hoffe, dass ich nie so ein Seminar machen muss *gg*. Auch der Täter und sein Motiv haben mich am Ende überrascht. Es gab zwar einige dezente Hinweise auf ihn, aber man versteht sie erst am Ende. Bis dahin werden genügend verwirrende Spuren gelegt.

Was mich verblüfft hat, war die Länge / Kürze des Krimis – er umfasst nur knapp 100 Seiten und ist damit für mich weder ein Booksnack noch ein „richtiges“ Buch. Der Vorteil ist allerdings, dass man ihn bequem in 1-2 h lesen kann.