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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 15.07.2016
Von Anbeginn des Tages / Poldark Bd.2
Graham, Winston

Von Anbeginn des Tages / Poldark Bd.2


gut

Der zweite Band der Poldark Saga schließt unmittelbar an den ersten an. Ross und Demelza haben geheirat und trotz aller Vorbehalte ist die Ehe glücklich und auch wirtschaftlich scheint es immer aufwärts zu gehen. Sogar mit Elizabeth und Francis ist wieder ein zaghafter familiärer Umgang möglich, obwohl die übrigen Poldarks Demelza immer wieder ihre Verachtung spüren lassen. Lediglich in Cousine Verity findet sie eine echte Freundin.
Aber Ross ist ein Gerechtigkeitsfanatiker, er setzt sich immer wieder für die Belange der unterdrückten Bergarbeiter ein und das provoziert die Minenbesitzer und die Friedensrichter. Er kommt in Ruf ein Aufwiegler zu sein, was ihm letztendlich auch wirtschaftlich schadet und seine Existenz – wieder einmal – bedroht.
Der zweite Teil ist persönlicher als der vorangegangene Band. Ross und seine Frau stehen ganz im Mittelpunkt. Die Liebe ist gewachsen, Demelza ist reifer und selbstbewusster geworden, was aber auch immer wieder Reibungspunkte ergibt. Daraus und aus den Machenschaften der anderen Minenbesitzer zieht dieser Band seine Spannung. Graham erzählt farbig und großartig von dieser Zeit im Umbruch mit ihren menschlichen und persönlichen Dramen. Der Stoff ist wirklich für Verfilmungen wie geschaffen, es läuft bei mir beim Lesen ununterbrochen ein Kopfkino.

Bewertung vom 13.07.2016
Abschied von gestern / Poldark Bd.1
Graham, Winston

Abschied von gestern / Poldark Bd.1


gut

Ross Poldark kehrt nach Jahren aus dem Krieg in seine cornische Heimat zurück.Er hat für die Krone gegen die Unabhängigkeitsbestreben der neuen Kolonien gekämpft Er kommt zurück auf ein niedergewirtschaftetes, verarmtes Gut, das nach dem Tod des Vaters in den Händen unzuverlässiger Verwalter lag. Seine große Jugendliebe und Verlobte Elizabeth hat nicht auf ihn gewartet und seinen Cousin Francis Poldark vorgezogen. Der Aufenthalt in den Kolonien hat sein Bewusstsein für Ungerechtigkeit und falschen Standesdünkel geschärft. Die cornischen Zinn-und Kupferminen liegen danieder, Hunderte von Minenarbeitern sind arbeitslos und ihre Familien verelendet.
Das alles spornt Ross Poldark an, seine Besitzverhältnisse zu ordnen, die Mine neu zu eröffnen und Arbeitsplätze zu schaffen. Ein Verhalten, das alteingesessene Edelleute mit Misstrauen und Ablehnung erfüllt. Als er dann noch Demelza, ein Mädchen niederer Herkunft heiratet, ist Beiden der Ausschluss aus der „Guten Gesellschaft“ gewiss, vor allem da Neider Ross Poldark den bescheidenen finanziellen Erfolg missgönnen und Intrigen spinnen.
Winston Graham, der hochdekorierte englische Schriftsteller, hat die Poldark Saga schon in den 40iger Jahren begonnen. Eine erste, sehr erfolgreiche Verfilmung des historischen Stoffes wurde in den 70iger Jahren von der BBC ausgestrahlt und kam dann auch nach Deutschland. Nun hat die BBC die Saga ein zweites Mal verfilmt und aus diesem Grund werden auch die Bücher wieder neu aufgelegt. Der Ullstein Verlag legt nun die ersten beiden Bände der Saga vor.
Historische Romane haben eine große Anhängerschaft und es ist verwunderlich, dass diese großartige Familiengeschichte aus Cornwall nicht schon früher neuentdeckt wurde. Der Stoff hat alles, was einen Erfolg ausmacht: sympathische Protagonisten, eine wunderbare, wilde Landschaft und eine Zeit im Umbruch. Ausgesprochen gut gefallen hat mir die Sprache. Sie ist farbig, lebendig. Automatisch erscheinen die Bilder der Landschaft mit ihren verlassenen Minen und verfallenen Dörfern im Kopf. Man sieht den Gegensatz zu den prachtvollen Herrenhäusern und den Graben der verschiedenen Gesellschaftsschichten. Man merkt dem Buch das Alter der Übersetzung nicht an. Es ist ein ausgewogener Sprachstil mit lebhaften Dialogen und einen gewissen Anspruch an die Leser, den ich heute manchmal vermisse. Vielleicht braucht man einige Kapitel um sich einzulesen, die Familienverhältnisse kennen zu lernen, aber dann entfalten die Geschichten einen ganz besonderen Sog und man kann sich der Dramatik nicht mehr entziehen.

Bewertung vom 12.07.2016
Die Sommer der Porters
Graver, Elizabeth

Die Sommer der Porters


sehr gut

Ashaunt, der Ferienort an der Ostküste Amerikas, ist der Dreh-und Angelpunkt der Familie Porter und dieses Generationenromans. Das Sommerhaus ist für viele Wochen im Jahr Ort unbeschwerter Abenteuer, auch wenn es zu Beginn dieses Buches einen spürbaren Einschnitt gibt.
Die Autorin erzählt diesen Familienroman nicht linear, sondern sie wirft Schlaglichter auf einzelne Personen und Dekaden. Wie durch ein Brennglas betrachten wir die jeweilige Hauptperson des Abschnitts und ihr Wirken auf die Familie.
Es beginnt in den 40igern. Ashaunt ist im 2. Weltkrieg zum Stützpunkt geworden. Soldaten tummeln sich auf der Ferieninsel, die Kinder empfinden es als Abenteuer, auch wenn es mit Einschränkungen verbunden ist. In diesem Abschnitt wird Bea, das Kindermädchen aus Schottland zur Hauptfigur. Bea liebt die jüngste Portertochter wie ihr eigenes Kind, wurde es ihr doch als Baby in die Arme gelegt. Ihr eigenes Leben hat sie hintan gestellt. Aber war das wirklich ein so großer Verzicht für sie?
20 Jahre später begleiten wir Helen, die älteste Tochter der Porters auf ihrem Weg, ihr Studium, ihre Familie und ihre Sorgen. Helen ist für mich die wichtigste Person dieser Geschichte, in ihrer Widersprüchlichkeit, ihrer Persönlichkeit drückt sie dem Buch ihren Stempel auf. Dann in den 70iger ist es Charlie, Helens Sohn, dessen Leben in den Fokus gerät, das ohne Helens Persönlichkeit auch nicht die Dramatik hätte entwickeln können.
Aber immer ist Ashaunt der Mittelpunkt, dort nimmt alles seinen Anfang und dort werden die großen Entscheidungen getroffen. Wie in einem Karussell tauchen die einzelnen Figuren auf, stehen einige Zeit im Focus und verschwinden dann wieder in den Kulissen. Eine sehr interessante Erzählweise, die den Leser durchaus fordert. Dazu kommen viele Nebenfiguren und Handlungsstränge, die angerissen aber nicht vertieft werden. Unkonzentriert oder nebenbei kann man das Buch nicht lesen. Die Autorin arbeitet mit Rückblenden und Vorschauen, so bleibt das Interesse am Lebensweg der anderen Hauptfiguren lebendig. Allerdings hätte ich manche Personen lieber länger begleitet, als andere. Einige kamen mir näher, viele blieben mir sehr fremd. Für jeden Abschnitt, jede Person findet E. Graver einen eigenen Ton, bei Helen zum Beispiel Tagebucheinträge und Briefe die einen Blick auf ihre Person werfen. Ein spröder Stil bei Bea und ein zweifelnd-suchender Stil bei Charlie. Ich empfand fast die ganze Lektüre hindurch eine gewisse Distanz zur Handlung und zu den Personen. Vielleicht lag es am - wie ich fand – kühlen, fast spröden Stil der Autorin, war aber dennoch gefesselt.
„Die Sommer der Porters“ ist eine interessante Familiengeschichte, eine sprachlich anspruchsvolle, literarische Unterhaltung, die mich auf die Autorin und ihre weiteren Bücher sehr neugierig gemacht hat und als Lektüre noch lange nachwirkt.

Bewertung vom 25.06.2016
Die Canterbury Schwestern
Wright, Kim

Die Canterbury Schwestern


weniger gut

Che de Milans Verhältnis zur Mutter war immer schon kompliziert. Ihr verdankt sie nicht nur den außergewöhnlichen Namen, sondern auch eine turbulente Kindheit, da ihre Hippieeltern sich in einer Kommune auslebten. Als Erwachsene reagiert Che mit einem sehr strukturierten Leben auf ihre Kindheitserfahrung. Nun hat ihre Mutter "nach dem Verlust eines Lungenflügels und ihres Ehemanns" (S.10) zurück in den Schoss der katholischen Kirche gefunden und je weiter der Krebs fortschreitet, umso glühender wird der Wunsch nach einer Pilgerreise nach Canterbury.

Auch wenn Diana de Milan den Weg nicht mehr gehen kann - der Tod kam ihr zuvor - die Verpflichtung ihre Asche dort hin zu bringen, gab sie ihrer Tochter mit. Nun sitzt Che also in einem Gasthaus in Southwark, beäugt kritisch ihre Pilgerschwestern und zögert noch, ob sie sich ihnen zu erkennen geben soll.

Nun wandert sie trotz ihrer Vorbehalte mit den acht Frauen, die Asche der Mutter in ein einem Plastikbeutel im Rucksack. 5 Tage soll die Wanderung dauern und ganz nach Chaucers Vorbild regt die Reiseleiterin Tess an, jede der Frauen soll mit einer Geschichte den Weg verkürzen. Nun hören wir also Lebensbeichten und Lebenslügen der einzelnen Frauen, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Doch ihre Lebensgeschichten haben fast alle nur ein Thema.
Lange konnte ich die Frauen nicht richtig auseinander halten, zu belanglos und oberflächlich erschienen mir ihre Erzählungen von toten Ehemännern, zerbrochenen Ehen und gescheiterten Lebensentwürfen. Allmählich aber blättert die Fassade und ein Kern Wahrheit bricht sich Bahn, aber bevor die Frauen wieder zu sich selbst finden, ist der Weg auch schon zu Ende.

Der Roman ist locker und leicht erzählt, es gibt Annäherungen und neue Erfahrungen, aber eigentlich nie eine echte Teilnahme an den Figuren. Vielleicht weil sie zu blass und austauschbar geschildert werden, es fehlt den Figuren einfach an Persönlichkeit! Gegen Ende der Geschichte agiert dann Drama und Hektik, aber so richtig fesselnd wird die Geschichte für mich dadurch auch nicht.
Nach den Einführungen der Reiseleiterin Tess hätte ich mir etwas mehr „Chaucer“ erhofft, aber da Tess eine der blassesten Figuren des Roman ist, kam da gar nicht viel.

Es ist eine nette Lektüre, aber ich finde, das Thema hätte viel mehr Potenzial gehabt, das leider nicht ausgeschöpft wurde.

Bewertung vom 25.06.2016
Die Sommer mit Lulu
Nichols, Peter

Die Sommer mit Lulu


sehr gut

Wie eine Naturgewalt verliebten sich Lulu und Gerald 1948 und in ihren Flitterwochen bei einem Segeltörn im Mittelmeer, endete die Ehe abrupt. Das Schicksal verschlug beide später nach Mallorca, eine von Fremden damals kaum besuchte Insel und nie wieder, bis zu ihrem gemeinsamen Tod 2005, wechselten die Beiden nochmal ein Wort. So nah sie auch beieinander lebten, so unversöhnlich und fern waren sich Lulu und Gerald.
Der Roman lebt vom ungewöhnlichen Stilmittel der rückwärts angelegten Chronologie. So lernen wir Lulu und Gerald als 80jährige kennen und gehen in Etappen ihr Leben zurück. Daraus ergibt sich eine ganz besondere Spannung und Faszination, da sich viele Begebenheiten und Handlungen erst aus Rückblenden logisch erschließen. Verbunden sind aber ihre Kinder, jeweils vom zweiten Ehepartner, Luc und Aegina, die sich ihr ganzes Leben kennen und viele Sommer gemeinsam auf Mallorca verbrachten, die sich sogar lieben, ohne dass sie zueinander kommen oder es sich eingestehen können. Es ist die unversöhnliche Lulu, die leidenschaftlich ihr Leben dem Hass auf Gerald widmet. Man könnte vielleicht sogar sagen, dass ihr Hass sie nährt und vital erhält, während Gerald mit Trauer und Sehnsucht seiner ersten Liebe gedenkt. Er hat den Bruch nie verstehen können und hatte nie die Möglichkeit sich zu erklären.
In konventioneller Erzählweise geschrieben, wäre es keine große Geschichte, die gescheiterte Liebe zweier Menschen und die Folgen bis in die dritte Generation. Es wäre eher langatmig, auch wenn es erstaunlich ist, die Wandlung der Insel Mallorca vom rückständigen Refugium einiger exzentrischen Engländer bis zur Touristenhochbuch der 2000er Jahre mitzuerleben. So aber interessierte mich vor allem das Ende des Romans, weil ich natürlich wissen wollte, welches katastrophales Unglück im Mittelmeer den Liebenden widerfuhr, dass es einen solch lodernden Hass auslösen konnte, der Lulu 50 Jahre später nicht mal vor sexuellen Übergriffen auf den Enkel Geralds zurückschrecken lässt. Wobei in meinen Augen eher Luc und Aegina die tragenden Figuren des Buches sind. Sie sind es auch, denen meine Sympathie gehört und deren Geschichte ich am interessantesten fand.
Der Roman ist eine anspruchsvolle, doch unterhaltende Sommergeschichte, die mit ein Leichtigkeit und Stilsicherheit 60 Jahre Revue passieren lässt. Vom verhaltenen Beginn des Tourismus, bis hin zur unvermeidlichen Hippiereise nach Marokko und dem elenden Bauboom an den malerischen Küsten des Mittelmeeres, es ordnet sich alles logisch in diesen Roman ein, der auch mit seinen toll und lebendig beschriebenen Personen fesselt.

Bewertung vom 08.06.2016
Deschperate Housewives
Rössle, Karin

Deschperate Housewives


sehr gut

Rezension vom 07.06.2016 (36)




Das Leben in der Reihenhaussiedlung geht seit Jahren seinen festgelegten Gang, auch wenn immer mal wieder ein Haus zum Verkauf steht. Ehen zerbrechen, Kinder verlassen das Nest und Nette und ihre Freundinnen merken, wie schnell die Zeit verging. Den 50. Geburtstag empfindet Nette deswegen auch als eine Zäsur. Ihr Ehemann hat sich vor einiger Zeit schon in Richtung USA verabschiedet, ein neuer Job, eine neue Herausforderung, eine neue Frau. Sie gehörte wohl schon länger nicht mehr in seine Lebensplanung, nicht dass es ihr schlecht geht. Im Gegenteil, aber nun wollen die Zwillinge ein Jahr beim Vater zur Schule gehen, Einsamkeit und Traurigkeit umfangen sie. Aber auch ihre Freundinnen Patti und Silke stehen vor Wendepunkten, die grünen Witwen machen sich auf zu neuen Ufern.
Das Buch ist eine leichte, sommerliche Lektüre. Humorvoll und mit gut beobachteter Situationskomik. Aber was mir bei diesem Buch besonders gefallen hat, die Frauen sind realistisch und liebevoll gezeichnet. Die Frauen „in den besten Jahren“ werden sich darin wiedererkennen. Wer kennt nicht die Panik, wenn die Falten tiefer und die Blicke der Parfümerieverkäuferin immer kritischer werden, bevor sie zum Regal für reife Haut gehen. Der Wechsel zu Brigitte Woman ist eben nicht immer einfach. Die drei wackeren Schwäbinnen lassen sich aber nicht hängen, auch wenn sie manchen Irrweg beschreiten, das Herz haben sie alle auf dem rechten Fleck und zusammengehalten wird auch. Da wird es doch sicher auch ein Happy End geben.
Besonders die Hauptfigur ist mir ans Herz gewachsen, auch wenn die heftig schwäbelnde Patti und die geheimnisvolle Silke eine wichtige Rolle spielen. Genauso wichtig wie übrigens Schnäpsle, ein auch schon in die Jahre gekommener Kater, der seine eigenen Kapitel bekommt und überzeugt ist, als einziger den Überblick zu haben um das richtige Herrchen für Frauchen zu finden.
Wer sich nach dem fröhlichen Cover und dem Klappentext für dieses Buch entscheidet, wird nicht enttäuscht, die Deschperate Housewifes sorgen trotz Spätzle und Kehrwoche für Amüsement und Kurzweil.

Bewertung vom 12.05.2016
Mörderische Wahrheiten / Carlotta Fiore Bd.2
Prammer, Theresa

Mörderische Wahrheiten / Carlotta Fiore Bd.2


ausgezeichnet

Teresa Prammers zweiter Krimi „Mörderische Wahrheiten“ knüpft nahtlos an ihren ersten Erfolgsband „Wiener Totenlieder“ an. Aber keine Angst, man muss das erste Buch nicht kennen, um sofort von der Geschichte gefangen genommen zu sein und allen Handlungsstängen zu folgen zu können.
Konrad Fürst ist aus dem Koma erwacht und gleich danach fordert sein ehemaliger Polizeichef seine Hilfe ein. Vor 30 Jahren, noch als aktiver Polizist, überführte Fürst den Serienkindermörder Riedl und nun, kurz nach dem Tod des Mörders im Gefängnis, gibt es erneut eine Serie von Kindermorden, die nicht nur alle Merkmale der damaligen Taten aufweist, sondern auch die DNA Spuren Riedls. Carlotta Fiore, die schon mit Fürst im letzten Band zusammenarbeitete und vielleicht sogar noch engere Bande an ihn hat, ist nun gefordert, denn Fürst hat nach der langen Zeit im Koma noch erhebliche Gedächtnislücken. So führt sie Gespräche mit Riedls Kindern und der Ehefrau, die nur ungern an die Stigmata erinnert werden, die sie als Familie eines Mörders zu erleiden hatten. Besonders zu Moritz Riedl, den jüngsten Sohn, in den sie sich sehr gut einfühlen kann, entwickelt sie eine besondere Verbundenheit, da sie die Gemeinsamkeit einer traumatischen Kindheit teilen.
Der Ermittlungsdruck ist hoch, weil es bereits mehrere getötete Kinder gibt und als nun Fanny, eine taffe 13jährige verschwindet, die Carlotta seit einiger Zeit gut kennt und auch als Babysitterin im Haushalt Fiore/Fischer fast ein zweites Zuhause hat, nimmt dieser Fall auch eine persönliche Wendung für Lotta.
Das Buch ist stark geprägt von der vielschichtigen Persönlichkeit der Carlotta Fiore, die zwar etwas zur Ruhe gekommen ist, aber noch lange nicht alle seelischen Verletzungen überwunden hat. Immer noch muss sie mit ihren inneren Dämonen kämpfen und hat auch immer noch Schwierigkeiten, Nähe zuzulassen. Spontan, kein Risiko scheuend, trotzt Carlotta dem Kripochef ihre Teilnahme an den Ermittlungen ab. Manche ihre Aktionen scheinen überzogen, passen aber zur beschriebenen Persönlichkeit. Darunter leidet auch ihre Beziehung zu Hannes Fischer, dem Vater ihres Kindes, der ihre Alleingänge wenig schätzt. So wird diese noch junge Beziehung bis zur Zerreißprobe belastet. Genau wie Carlottas Temperament ist die Spannung des Buches immer kurz vor dem Siedepunkt. Bis zur Auflösung um das Rätsel des Wiederholungstäters erleben die Protagonisten ein Auf und Ab der Gefühle, die den Leser kaum zu Atem kommen lassen. Dieses Tempo und die Spannung machen auch kleine Logiklücken wieder wett (kann ein hoher Beamter eine Zivilperson mit Amnesie vor eine Pressekonferenz zerren?)
Bis hin zu den Nebendarstellern, hat die Autorin kraftvolle Persönlichkeiten beschrieben, die mit ihren Ecken und Kanten sehr lebendig werden. Sie sind psychologisch stimmig, Henriette zum Beispiel, ist eine solche Person, die zwar in diesem Band eine Nebenrolle spielt, die dem Leser trotzdem ans Herz wächst.
Mit Carlotta hat die Autorin eine Figur geschaffen, die aus der Masse der Privatermittler herausragt. Unangepaßt, menschlich und verletzlich, aber letztendlich auch daraus ihre Stärke schöpfend. Schon nach dem ersten Band „Wiener Totenlieder“ war ich begeistert, die Autorin hat in diesem Buch ihr Können nochmal unter Beweis gestellt.

Bewertung vom 07.05.2016
In Liebe, Layla
Barrows, Annie

In Liebe, Layla


gut

Layla Beck, verwöhnte Senatorentochter, weigert sich den Heiratsantrag eines Favoriten ihres Vaters anzunehmen. Sie lehnt die Hochzeit mit dem „Bündel Dollar“ wie ein Onkel ihn tituliert ab. Darauf wirft sie ihr Vater aus dem Haus und streicht jede finanzielle Unterstützung. Ihr Onkel Ben verschafft ihr einen von der Fürsorge bezahlten Job, sie soll die Chronik der Kleinstadt Macedonia schreiben, die der Stadtrat zum 150 jährigen Gründungsjubiläum plant.
Widerwillig reist Layla nach West-Virginia, als Untermieterin zur Familie Romney, die einst als Fabrikanten zu den ersten Familien zählten. Aber das ist lange vorbei, Jottie – ein spätes Mädchen – zieht an Mutter statt die beiden Töchter des Bruders groß und die paar Dollar Miete sind ein willkommenes Zubrot. Layla, misstrauisch beäugt, beginnt mit ihrer Arbeit und nach der Jubiläumsfeier werden einige Geschichten der Stadt neu erzählt.
Annie Barrows verleiht gleich 3 Frauen Stimme. Da ist Layla, die mit ihren ironischen Briefen nach Hause von den Ereignissen berichtet, da ist Jottie, die für mich eigentlich wichtigste Stimme und Willa, eine Tochter von Bruder Felix, die mit ihren 12 Jahren kein Kind, aber auch noch nicht erwachsen ist und neugierig und eifersüchtig jedem nachspioniert. Felix, der vergötterte Bruder und Vater ist ein – nett ausgedrückt – Filou. Er ist charmant, bricht Frauenherzen reihenweise, lügt und geht mehr als unsauberen Geschäften nach. Er ist ein Spieler und gewiefter Manipulator. Dass Layla sich sofort verliebt und dem Charme Charme Felix verfällt und blind und taub auf alle Anzeichen und Warnungen reagiert, ist fast unausweichlich.
„Liebe Layla“ soll sicher mit dem deutschen Titel an der Erfolg der Autorin Annie Barrows anknüpfen, der vor einigen Jahren mit „Deine Juliet“ ein Überraschungserfolg gelang. In manchen Teilen erreicht sie auch wieder den Witz und Esprit des ersten Buches, auch wenn hier nur eine Handvoll Briefe Ironie versprühen dürfen. Der Hauptteil liegt in der Familientragödie der Romneys, die wir aus der Sicht von Jottie und der pubertären Willa erfahren, die voller Eifersucht auf die zunehmende Vertraut- und Verliebtheit von Layla und ihrem Vater blickt.
Dazwischen geht das Kleinstadtleben seinen gemächlichen, in der Hitze des Sommers schläfrigen Gang und auch diese Schläfrigkeit überfällt auch bald den Leser, denn der Mittelteil des Buches zieht sich zäh dahin. Der Grundton des Romans ist sympathisch, die Zeit der Depression Amerikas am Beispiel der Stadt Macedonia, wird lebendig und entsteht farbig vor Augen. Dazu trägt auch eine Auswahl skurriler Nebenfiguren bei. Die ehrenwerte Mrs. Buckley etwa, die Willa immer zum Schwarzbrenner schickt, oder der überaus eitle Mr. Parker Davies, der sich der geballten Weiblichkeit geschlagen geben muss. Im Endergebnis war der Roman abaer zu lang, im Mittelteil kreiste er zwei-dreihundert Seiten immer um das gleiche Thema, damit verlor sich der Schwung, den der temperamentvolle Beginn versprach. Gegen Ende hin, nimmt das Buch wieder etwas Fahrt auf und ich konnte den Roman dann doch wieder versöhnt aus der Hand legen.
Die schöne, ideenreiche Ausstattung des Buchs hat eine besondere Erwähnung verdient.