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hasirasi2
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Dresden

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Insgesamt 1128 Bewertungen
Bewertung vom 27.04.2017
Im Grab schaust du nach oben / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.9
Maurer, Jörg

Im Grab schaust du nach oben / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.9


ausgezeichnet

Im Werdenfelser Land tagt der G7-Gipfel und sämtliche in- und ausländische Ordnungskräfte sind in höchster Alarmbereitschaft. Trotzdem gehen Kommissar Jennerwein und seine Kollegen zu Hansis Beerdigung, schließlich war er „ein ehrenwerter Bürger ... fest verwurzelt im Kurort, den Traditionen verpflichtet, ein Vorbild für alle. ... Der Hansi war einer von den Guten gewesen.“ (S. 12)
Ihm zu Ehren soll es sogar 7 Böllerschüsse geben – doch einer geht nicht los. Und das ist nicht das einzige, was bei der Beerdigung eigenartig ist. Die Angehörigen des Toten verhalten sich irgendwie komisch, finden Jennerwein und Polizeipsychologin Maria. Deshalb gehen sie auch nicht mit zum Leichenschmaus, sondern versuchen lieber, die letzten Stunden des Toten zu rekonstruieren.
Derweil geschieht ein Mord, aber die Leiche verschwindet (was den Mörder verwirrt) und ein verhängnisvoller Schuss fällt ...

Jörg Maurer hat es wiedermal geschafft, mich zu überraschen. Jeder Jennerwein Krimi ist anders und genau das macht den Reiz der Reihe aus.
Der Tod von Hansi ist eine Tragödie, die Jennerwein persönlich nahe geht. Aber irgendwas stimmt da nicht. Das meint auch das ehemalige Bestatter-Duo Grasegger, die ihren Nachfolger schlampig und am Grab noch ganz andere Ungereimtheiten finden. Leider sind sie durch ihre Ayurveda-Diät etwas geschwächt. Fast könnte man Mitleid mit ihnen haben, weil sie dieses Mal nicht schlemmen dürfen ;-).
Dazu kommt die erhöhte Gefährdungslage der Politiker während des G7-Gipfels durch potentielle Attentäter und die fast undurchsichtigen Abstimmungen der verschiedenen Sicherheitskräfte. Das Highlight ist hier eine Sondereinsatzgruppe, die so ziemlich alles versemmelt und unabsichtlich diverse Sachen zerstört. Man fragt sich die ganze Zeit, ob sie vielleicht zu den Bösen gehören und von irgendwas ablenken sollen. Ein sehr kluger Schachzug, um mich endgültig zu verwirren.
Und nicht zuletzt ist auch Swoboda wieder im Lande und versucht sich an einer neuen Aufklärungstechnik. Leider ist Jennerwein zu beschäftigt, um ihn zu bemerken.
Ich liebe diese skurrilen Protagonisten und auch wenn ich selbst noch nie im Werdenfelser Land war, hab ich dank dieser Reihe doch eine sehr genaue Vorstellung, wie Land und Leute aussehen und ticken.

Der Autor spielt gekonnt mit Erwartungen und falschen Spuren, das ist unglaublich. Jedes Mal wenn ich dachte „Jetzt aber!“, kam wieder eine unvorhersehbare Wendung, die ein völlig neues Licht auf den Fall warf. Man musste schon ganz schön aufpassen, um den Anschluss bzw. Überblick nicht zu verlieren.

Falls Ihr also schon immer mal wissen wolltet, was bei Beerdigungen alles schiefgehen kann, wie ein Mafioso auf zerkochte Nudeln reagiert, die Graseggers mit ihrer Diät klar kommen und ihr Euch zusätzlich an wilden Spekulationen um berühmte Todesfälle beteiligen wollt (was haben z.B. Mozart und Erich Honecker gemeinsam?), dann lest „Im Grab schaust Du nach oben“!

5 Sterne und meine unbedingte Leseempfehlung.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.04.2017
Das Glück wohnt in der Ivy Lane
Ashton, Juliet

Das Glück wohnt in der Ivy Lane


ausgezeichnet

Das Glück wohnt in der Ivy Lane
... aber anscheinend nicht mehr bei Sarah. Ihr Mann Leo hat sie für Helena, die in der Wohnung unter ihnen wohnt, verlassen und jetzt steht sie nicht nur vor den Scherben ihrer Ehe sondern auch allein in einer stark renovierungsbedürftigen Dachgeschoßwohnung. Das Projekt hatten sie und Leo zusammen geplant, die Wohnung in Notting Hill günstig gekauft und die Renovierung begonnen. Doch dann hat sich Leo in Helena verliebt und Sarah verlassen.
Außerdem ist Sarah ist traurig, weil Smith weg ist. Als Jane und Tom in Smith’ ehemalige Wohnung ziehen wird ihr klar, dass sie endlich neue Freundschaften knüpfen muss. Warum also nicht mit den anderen Bewohnern des Hauses beginnen?! Man sieht sich zwar jeden Tag, weiß aber kaum etwas voneinander. Und so kommt es, dass sich Sarah nach und nach mit ihren Nachbarn anfreundet.
Der ewig gereizten Mavis, die gerade erst ihre Zwillingschwester verloren hat, kommt sie durch die gemeinsamen Mittagessen näher – allein gegessen haben beide jetzt schließlich lange genug. Und Lisas Tochter Una, die seit der Trennung der Eltern nicht mehr spricht, kann sie nach einiger Zeit zumindest ein Lächeln entlocken.
Am besten aber kommt sie mit Jane und Tom aus – vor allem mit Tom. Dabei will sie auf gar keinen Fall mit dem Mann ihrer neuen Freundin flirten. Denn Jane kann hinter Sarahs Fassade sehen und mag sie trotzdem: „Du renovierst sie doch nur, weil Du hoffst, mit einer neuen Wandfarbe auch Deine verlorene Beziehung wieder aufzufrischen.“ (S. 38)
Aber auch Leo kann anscheinend nicht von Sarah lassen – denn kurz nach seiner Hochzeit mit Helena macht er ihr schon wieder Avancen.

In „Das Glück wohnt in der Ivy Lane“ geht es um Liebe, Trauer, Vertrauen, Kontrolle, Geheimnisse und Verlust. „Wir haben alle diese Trauer eines Verlustes in uns. Es sei denn, wir haben nie geliebt. Und das wäre dann ein weit größerer Verlust.“ (S. 97),

Mir gefiel besonders, wie mit den Erwartungen der Leser gespielt wird. Lange bleibt unklar, ob Smith wirklich einer der Trennungsgründe von Leo war. Und warum flirtet Tom so offensive mit ihr und hat Jane anscheinend nichts dagegen? Führen sie etwa eine offene Ehe? Wird Sarah die Abnabelung von Leo irgendwann schaffen?
Ich habe Sarah nicht immer verstanden. Klar, sie ist über die Trennung noch nicht hinweg, aber sie lechzt ja geradezu nach Leos Aufmerksamkeiten und weiß, dass er ihre Treffen vor seiner Frau geheim hält. Dabei fühlt sie sich schuldiger als er, obwohl er ihr angeblich nur helfen will, die Wohnung endlich fertigzustellen. Sein wahres Gesicht zeigt er erst, als er etwas entdeckt, was nicht für seine Augen bestimmt ist und die falschen Schlüsse zieht.

Das Buch war anders als erwartet, viel tiefgründiger und trauriger, aber auch voller kleiner Lebensweisheiten. Sein zurückhaltender Humor und die unterschiedlichen zum Teil schweren Schicksale haben mich berührt.

Aber wenn ihr denkt, ich verrate Euch, wer am Ende feststellt: „Wenn Glück bedeutet, das zu bekommen, was man wirklich haben möchte, dann habe ich es schon.“ (S. 385), muss ich Euch leider enttäuschen ...
5 Sterne für diesen tiefsinnigen, überraschenden und nicht alltäglichen Frauenroman.

Bewertung vom 14.04.2017
Demnächst in Tokio
Seewald, Katharina

Demnächst in Tokio


ausgezeichnet

Elisabeth ist 95 und weiß, dass sie nicht mehr lange leben wird. Aber sie möchte nicht abtreten, ohne ihrer Tochter Karoline die Wahrheit über deren Vater erzählt zu haben, die ganze Wahrheit. Schon so oft hat sie einen Brief an sie angefangen, ihn aber nie zu Ende gebracht. Wie erklärt man seinem Kind, was man sein ganzes Leben lang verschwiegen hat? Am Ende wird es kein Brief, sondern eine Lebensbeichte – wunderschön, berührend, mitreißend – und vor allem schonungslos ehrlich.

1934 erfährt Elisabeth, dass sie noch am selben Tag Ernst Wilhelm heiraten und ihm bald nach Japan folgen wird. Aber was hat Elisabeth davon? Einen Diplomatenpass, eine gesellschaftlich hohe Stellung und Geld. Will sie das alles überhaupt? Es interessiert niemanden!
Schon die Reise mit ihrer "Anstandsdame" Frl. Degenhardt in der Transsibirischen Eisenbahn nach Wladiwostok wirkt surreal. Frl. Degenhardt redet kaum mit ihr. An jedem Halt ist die Landschaft eine andere, von den Menschen ganz zu schweigen. Sie hat Angst vor dem, was sie in Japan erwartet. Sie kennt weder das Land, noch ihren Mann. Ja sie weiß nicht einmal, was in der Hochzeitsnacht passiert. Aber zumindest ihre Angst davor ist unbegründet, ihr Mann hat ein eigenes Schlafzimmer ... Noch mehr überrascht sie, dass er ihr alle Freiheiten lässt – nur stolz soll sie bitte auftreten, schließlich ist sie jetzt eine „von Traunstein“!
Auch Japan ist anders, als sie es sich vorgestellt hat. In Tokio mischen sich westliche Moderne und japanische Tradition, Straßenbahnen neben Rikschas, elektrische Straßenbeleuchtung neben Papierlaternen.
Während die Deutsche Botschaft eine eigene kleine Welt ist, wie in einem Kokon vor den Geschehnissen draußen verborgen, werden die Nazis erst in Deutschland und dann auch in Japan immer stärker und bestimmen bald auch den Alltag in der Botschaft.
Elisabeths Leben ändert sich grundlegend, als Alexander, ein Freund ihres Mannes, auftaucht. Die drei werden unzertrennlich. Aufgrund ihres Alters und ihrer Größe nennt er sie Zwerg. Aber als der Krieg ausbricht, wächst sie über sich hinaus und beweist mehr als einmal Courage. Aus dem Zwerg wird eine Löwin. Dann werden Vorwürfe gegen Alexander laut, er soll einen ganzen Spionagering geleitet haben?!

Elisabeth ist eine unglaublich beeindruckende Frau. Ihre Mutter war zeitlebens devot und hatte sie ebenfalls so erzogen. Als Ernst Wilhelms Frau muss sie das schnell ablegen, damit die anderen sie ernstnehmen, vor allem, als ihr Mann Botschafter wird. Auch ihre politische Bildung wird von ihm und Alexander geprägt. Sie ist sehr mitfühlend. Es interessiert sie, wie die Japaner wirklich leben, was sie denken, wie sehr sie ausgebeutet und unterdrückt werden. Sie begegnet ihnen auf Augenhöhe, nicht nur durch ihre Größe, sondern weil sie ihre eigene ärmliche Herkunft nie vergisst und versucht, hinter die ewig lächelnden und dienernden Gesichter zu schauen. Sie hat im Laufe der Handlung eine außergewöhnliche Entwicklung durchgemacht.

Zur besonderen Spannung des Romans trägt auch die Dynamik des Dreiergespanns bei – das Wechselspiel aus strengem Botschaftsalltag und der regelmäßigen Flucht in ihr Sommerquartier.

Die Beschreibungen Japans und der dortigen Verhältnisse sowie des Kriegsgeschehens sind sehr beeindruckenden. Man weiß ja, worauf Deutschland und Japan zusteuern und trotzdem hofft man bis zuletzt, dass es spurlos an Elisabeth, Ernst Wilhelm und Alexander vorbeigeht. Ein Auf- und Ab der Gefühle beim Lesen ist unvermeidlich. Ich habe mit Elisabeth gelebt und geliebt, gehofft und gelitten – bis zuletzt, bis auch das letzte Geheimnis gelüftet wurde.

„Demnächst in Tokio“ ist eins meiner diesjährigen Highlights: spannend, gefühlvoll, lehrreich, fesselnd und zum Nachdenken anregend. Mehr kann man von einem Buch kaum erwarten.

Bewertung vom 11.04.2017
An der Ostsee sagt man nicht Amore
Jensen, Katharina

An der Ostsee sagt man nicht Amore


sehr gut

Ausgerechnet kurz vor der Hochzeitnacht mit Fabio entdeckt Anne sein gut gehütetes Geheimnis und flieht im Brautkleid von Berlin an die Ostsee. Dort, auf Mönchgut, in den Zickerchen Bergen, war sie früher immer im Ferienlager und mit ihren Eltern im Urlaub. Dort war sie zum ersten Mal verliebt, bekam ihren ersten (Zungen)Kuss von „Fischers Fritz“ und war zum letzten Mal glücklich.
Und ausgerechnet „Fischers Fritz“ (eigentlich Fritz Kiesow), der inzwischen sehr gut aussieht aber auch sehr stoffelig ist, läuft ihr als erstes über den Weg ...

„Aber das mit dem Glück ist ja eh so eine Sache ...“ „Das kommt immer, wenn man es am wenigsten erwartet.“ (S. 182)

„An der Ostsee sagt man nicht Amore“ ist ein schönes Sommer-Sonne-Strand-Buch. Sehr unterhaltsam stolpert man mit Anne vom Liebeskummer in diverse Fettnäpfchen und wieder zurück. Sie ist eine lustige, authentische Person, die sich erst in die Beziehung mit Fabio und dann in ihren Schmerz wegen seines Vergehens hineingesteigert hat. Worin dieses eigentlich besteht, bleibt sehr lange geheim und macht die Geschichte besonders spannend. Als sein „Fehltritt“ dann allerdings erwähnt wird, habe ich das Drama, welches sie daraus gemacht hat, nicht wirklich verstanden. Aber sie ist halt sehr impulsiv ...
Außerdem zeigt ihr die Zeit allein auf Rügen, wie sehr sie sich Fabio angepasst und ihm immer untergeordnet hat. Und dann ist da ja auch noch Fritz – schweigsam, schwer zu durchschauen, aber sehr rücksichtsvoll und hilfsbereit.
Es knistert an allen Ecken und Enden, denn natürlich gibt auch auch Fabio nicht einfach auf.
Dazu kommt die Kulisse von Rügen – man kann das Meer förmlich riechen, hört die Wellen an den Strand schlagen und spürt den Sand unter den Zehen - was will man mehr?!

Bewertung vom 10.04.2017
Französisch backen
Bastian, Aurélie

Französisch backen


ausgezeichnet

Wer unserem Blog folgt weiß, dass ich gerne und viel backe. An französische Törtchen, Croissants und Macarons hatte ich mich bisher aber noch nicht getraut – sie erschienen mir zu kompliziert. Deshalb war ich neugierig, ob Aurélie Bastians neues Buch sein Versprechen halten kann: „Für typisch französisches Gebäck muss man acht Stunden in der Küche stehen? Nicht mit dem neuen Backbuch von Aurélie Bastian! Sie erklärt, wie man mit wenig Aufwand und nur wenigen Zutaten authentische und köstliche Klassiker zaubert.“

Schon das Cover macht Lust aufs Backen. An den Blätterteig habe ich mich aber immer noch nicht gewagt, die Einarbeitung der Butter und die „Tour“ – mehrfache Faltarbeit inkl. Ausrollen – des Teiges war mir dann doch zu viel.

„Französisch Backen“ ist so aufgebaut, dass Aurélie Bastian nach einem kurzen Vorwort auf die zu verwendenden Zutaten, deren Anwendungen und die Grundrezepte (wie z.B. für Sauer- oder Blätterteig) eingeht. Dazu gibt es Tipps, Tricks und Hinweise, falls doch mal was schief geht.

Der eigentliche Rezeptteil ist in Petit déjeneur (Frühstück), Pâtisserie (Gebäck), Goûter (Kaffeezeit) und Grandes occasions (Besondere Anlässe) gegliedert. Die französischen Bezeichnungen der Backwerke ziehen sich durch das ganze Buch und machen es sehr ansprechend. Auch die Fotos sind umwerfend und lassen dem Leser das Wasser im Mund zusammenlaufen.

Mein erstes Projekt war die perfekte Brioche. Eigentlich ein einfacher Hefeteig, aber am Ende wird kalte Butter in den Teig eingearbeitet, wodurch er unglaublich glänzend und elastisch wird – so habe ich ihn wirklich noch nie hinbekommen. Die Brioche war ein Gedicht! Dazu gab es die Créme de caramel au beurre salé – eine salzige Karamellcreme, die Aurélie eigentlich zu ihren verführerischen Crêpes reicht.

Als nächstes habe ich den Far breton (einen bretonischen Pflaumenkuchen) gebacken. Der ist am besten mit einer Art gebackenem Pudding mit Dörrpflaumen zu vergleichen: sehr lecker, aber auch sehr süß.

Und da unsere Familie Schokokuchen-süchtig ist, musste auch noch der glutenfreie Gâteau au chocolat probiert werden. Ein Traum! Ich habe ihn dann gleich noch mal für meine Kollegen auf Arbeit gebacken und alle wollten das Rezept – auch dort war er ein voller Erfolg!

Gerade ruht übrigens der Teig für das perfekte Baguette in der Küche ...

Ein winziges Manko habe ich aber trotzdem, auch in diesem Backbuch fehlen die Zeit- und Nährwertangaben, die gehören m.E. aber in jedes Rezeptbuch. Dennoch vergebe ich hier sehr gern die volle Punktzahl und weiß auch schon, wer bei nächster Gelegenheit ein Exemplar des Buches geschenkt bekommt ;-)!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.04.2017
Die Zitronenschwestern
Cebeni, Valentina

Die Zitronenschwestern


gut

Eddas Geheimnis

Elettras Mutter Edda liegt seit 1 Jahr im Koma, die Familienbäckerei ist inzwischen Bankrott und Elettra weiß nicht, wie es weitergehen soll. Da findet sie in den Sachen ihrer Mutter eine Fahrkarte zur Isola del Titano. In dem dortigen Kloster Santa Elisabetta hat ihre Mutter anscheinend viele glückliche Jahre verbracht, leider hat sie nie darüber gesprochen – genau so wenig wie über Elettras Vater.

Auf Titano angekommen muss Elettra feststellen, dass die Bewohner der Insel merkwürdig, geheimnisvoll und sehr schweigsam sind. Das Kloster wurde längst aufgegeben, es scheint unbewohnt. Aber dann stellt sie fest, dass noch mindestens drei junge Frauen dort autark leben: Lea, Dominique und Nicole. Außerdem hört sie immer wieder Stimmen und Schritte – Geister, der Wind??? Trotzdem nimmt Elettra Leas Angebot an und bleibt im Kloster. Sie meint nämlich, ihre Mutter dort spüren zu können, ihrer Herkunft endlich näher zu kommen. „Jeder kommt an dem Ort an, den das Schicksal für ihn bestimmt.“ (S.40) Und sie will dem Geheimnis unbedingt auf den Grund gehen, aber die Bewohner schweigen. Überhaupt – angeblich kann sich niemand auf der Insel an Edda erinnern ...
Aus der geplanten Kurzreise werden Monate. Ihre Freundin bittet sie, endlich wieder heimzukommen: „Irgendwann muss man die Vergangenheit loslassen, spätestens, wenn sie die Gegenwart zu bestimmen droht.“ (S. 161), aber Elettra fühlt sich im Kloster und auf der Insel heimisch.

„Die Zitronenschwestern“ war für mich kein einfaches Buch. Die Geschichte war mir stellenweise zu mystisch und erinnerte stark an „Chocolat“ von Joanne Harris. Während dort der Duft der Schokolade die Menschen verführt, ist es hier der Duft von Eddas Anisbrötchen und der überall wachsenden Zitronen, welcher Elettra auf die Insel führt und dort festhält. Außerdem störte mich, dass die Witwen der verunglückten Seefahrer als ausgestoßen gelten und sich am liebsten in Luft auflösen sollten. M.E. ist nicht unüblich, dass Frauen ihre Männer überleben?!

Elletras „Mitbewohnerinnen“ im Kloster sind sehr verschieden und tragen an ihrem eigenen Kummer. Lea wuchs als Waise im Kloster auf, aber inzwischen gehört es ihr. Sie war immer die Ausgestoßene und genießt jetzt ihre Führungsposition. Nicole und Dominique gehören zu den unerwünschten (jungen) Witwen. Beide lassen niemanden wirklich an sich heran, Nicole auf nette Art, während Dominique sehr verschlossen, abweisend und regelrecht verbissenen ist. Aber letzten Endes ergänzen sich die 4 Frauen perfekt.
Isabelle Fouchett, die uralte Inselhebamme, ist ebenfalls regelmäßig im Kloster zu Besuch und hilft, wenn es brenzlig wird bzw. mischt sich immer dann ein, wenn Elettra kurz vor der Aufdeckung des Geheimnisses zu stehen scheint. Ihre Verbindung zu Eddas Vergangenheit bleibt lange nebulös.
Das Geheimnis um Elettras Vater wird dann nach 2/3 des Buches - mit für mich viel zu pathetisch und zu viel Drama - aufgelöst und war nicht mehr wirklich überraschend. Außerdem wäre diese Aufdeckung für mich das ideale Ende des Buches gewesen, aber Valentina Celebni klärt noch das letzte Fitzelchen Ungereimtheiten auf und zieht das eisern bis zum Happy End durch.

Bewertung vom 07.04.2017
Die Zeit, in der wir träumten
Jaeger, Meredith

Die Zeit, in der wir träumten


ausgezeichnet

Die Journalistin Sarah Havensworth führt nach außen hin ein glückliches Leben. Sie hat einen reichen Ehemann (Hunter), der sie hingebungsvoll liebt, und steht kurz vor Beendigung ihres Studiums. Nur ihre Abschlussarbeit, ein Roman fehlt noch. Bei der Recherche dazu stößt sie auf einen Zeitungsausschnitt: 1876 sind 2 Näherinnen verschwunden. Dieser Fakt lässt sie nicht mehr los und sie beginnt nachzuforschen. Doch bald droht ihr ein Unbekannter, ihre eigene Vergangenheit zu enthüllen – das Geheimnis, welches sie bisher erfolgreich vor allen verbergen konnte – wenn sie die Geschichte nicht ruhen lässt.

1876 träumen Hanna und Margaret von einem besseren Leben. Als Kinder deutscher bzw. irischer Einwanderer gehören sie zur untersten Gesellschaftsschicht. Obwohl sie als Näherinnen zum Familieneinkommen beitragen, werden sie regelmäßig von ihren Vätern halbtot geprügelt.
Auf ihrer Arbeit lernen sie die reichen Cousins Lucas und Robert Havensworth kennen. Trotz der widrigen Umstände verlieben sich Hanna und Lucas. Aber dann verschwindet Margaret und das Gerücht wird laut, dass der Mädchenmörder wieder zugeschlagen hat. Mit Lucas Hilfe versucht Hanna, Margaret zu finden, bevor es zu spät ist.

Neben den zwei Zeitebenen sind auch die Gesellschaftsunterschiede in beiden Handlungssträngen sehr gut herausgearbeitet. Hannas und Margarets Familien wollten in Amerika das große Glück und Reichtum finden. Jetzt müssen sie hart arbeiten, um wenigstens halbwegs satt zu werden. Sie leben in der Nähe von Barbary Coast – dem Rotlichtviertel. Übergriffe auf Mädchen sind an der Tagesordnung. Die meisten Männer sind dem Suff und der Spielsucht verfallen.
Die Unterschiede zu Lucas und Robert könnten also kaum größer sein. Deren Familie gehört zu den Immobilienmogulen der Stadt. Sie können sich die Bedingungen, unter denen die Zuwanderer leben, nicht wirklich vorstellen. Keine Schulbildung, kein fliesendes Wasser, selbst die Kinder müssen arbeiten – wie rückständig.
In der Gegenwart ist es ähnlich. Hunters Familie ist reich, engagiert sich bei Wohltätigkeitsveranstaltungen und Stiftungen. Sarah spricht kaum über ihre Vergangenheit. Ihre Eltern sind lange verstorben, mehr gibt sie nicht preis. Sie hat sich in San Francisco neu erfunden und dank der Heirat mit Hunter auch einen neuen Nachnamen.

Die Geschichte hat mich sofort in ihren Bann gezogen. Es ist eine atemlose Jagd gegen die Zeit und durch die Geschichte San Franciscos. Parallel zu Hannahs Suche nach Margaret, versucht Sarah in der Gegenwart ebenfalls, das Verschwinden der Frauen aufzuklären – und das möglichst, bevor ihr eigenes Geheimnis ans Licht kommt. Die Spannung steigt ins schier Unermessliche und endet in einem doppelten Showdown.

Das Buch hat mich so gefesselt, dass ich alles um mich herum ausgeblendet habe. Liebe, Hass, viele dunkle Geheimnisse und Verwicklungen und ein verrückter Mörder – „Die Zeit, in der wir träumten“ hat alles, was eine spannende Geschichte ausmacht!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.04.2017
Die Villa am Meer
Jary, Micaela

Die Villa am Meer


ausgezeichnet

Warnemünde um 1900: Katharina entscheidet sich gegen ihren heimlichen Verlobten Joachim. Er hat nie offiziell bei ihrem Vater um sie angehalten und geht auf eine zweijährige Schiffsreise, die für seine weitere Kariere wichtig ist – so lange will sie nicht warten. Stattdessen heiratet sie kurz entschlossen den 20 Jahre älteren Hofkorbmacher Olaf Borchers. Er bietet ihr ein ruhiges und sicheres Leben.
Fünf Jahre später hat Katharina zwei Söhne geboren, fühlt sich ansonsten aber überflüssig. Ihrem Mann geht es nur noch um den gesellschaftlichen Aufstieg. Seine Frau hat hübsch auszusehen und zu repräsentieren, von einer Mitarbeit in der Firma hält er nichts. Dabei ist ihr Plan wirklich revolutionär. Anstatt die Strandkörbe nur herzustellen und zu verkaufen, könnten sie diese auch selbst am Strand aufstellen und vermieten.
Joachim hat inzwischen Greta geheiratet. Diese entstammt einer ehemals reichen Familie und erhofft sich von ihm ebenfalls ein sicheres Leben und den gesellschaftlichen (Wieder-)Aufstieg – wenn er nur endlich Kapitän wird. Sie bringt gerade ihre Tochter zur Welt, als Joachim verunglückt und Gretas Pläne zerschellen ...

„Die Villa am Meer“ erzählt die Geschichte der Seebäder (und des Strandkorbverleihs) aus der Sicht zweier Frauen: Katharina, einer reichen Unternehmergattin, und Greta, einer Frau mit Ambitionen. Beide sind nicht glücklich, hatten sich ihre Ehen und das Leben anders vorgestellt.

Katharina ist eine moderne Frau und damit unbedingt nicht ihrer Zeit, aber zumindest ihrem Mann weit voraus. Sie sieht sich nicht nur als Hausfrau und Mutter – zumal ihr Mann eine langjährige Geliebte hat – sondern will sich selbst verwirklichen, ein eigenes Geschäft aufziehen. Und der Erfolg gibt ihr letzten Endes Recht, der Strandkorbverleih läuft sehr gut. Aber je erfolgreicher sie wird, desto mehr entfremdet sie sich von den Vorstellungen ihres Mannes für seine Frau. Er kommt damit nicht zurecht, flüchtet sich in die Arme seiner (altmodischen) Geliebten, die seiner Rollenvorstellung nur zu gern entspricht, und in immer gewagtere Spekulationen.

Greta hingegen sieht den gesellschaftlichen Aufstieg schon vor sich, als Joachims Unfall ihre Pläne zunichte macht. Aber auch, als Katharina Joachim einen sehr guten Job anbietet, ist sie nicht glücklich. Sie weiß, dass zwischen ihnen mal etwas war und torpediert mit ihrem jahrelangen Misstrauen ihre Ehe.

Die Handlung ist fast ein Kammerspiel, getragen von den 2 Frauen und ihren Männern. Ihre Dynamik bestimmt das ganze Buch. Die anderen Figuren sind für den Roman zwar auch wichtig, bleiben aber am Rand und nehmen von dort Einfluss auf die Handlung. Das habe ich so noch nie bewusst wahrgenommen, aber es funktioniert hier ausnehmend gut.

Micela Jary erzählt in „Die Villa am Meer“ eine sehr spannende und unterhaltsame Geschichte mit viel Ostseeflair – ein echter Sehnsuchtsroman.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.04.2017
Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt
McFarlane, Mhairi

Irgendwie hatte ich mir das anders vorgestellt


sehr gut

Das Buch beginnt da, wo Liebesgeschichten normalerweise aufhören – auf einer Hochzeit mit dem Kuss des Bräutigams. Nur küsst Jack leider nicht seine frischgebackene Ehefrau Charlotte sondern seine Kollegin Edie, die er monatelang angeflirtet hat. Natürlich überrascht Charlotte sie und Edie wird als alleinig Schuldige hingestellt – ein Shitstorm ohne gleichen auf Facebook und Twitter beginnt und fast alle Freunde sagen sich von Edie los. „Ein echter Freund war jemand, dem du dich sogar in einem vollgekotzen Morgenmantel zeigen würdest.“ (S. 186)
Um sie aus der Schusslinie zu bringen, beauftragt ihr Chef sie mit dem Ghostwriting der Autobiografie des berühmten Schauspielers Elliot Owen. Dazu muss sie von London zurück in ihre Heimatstadt Nottingham ziehen, aus der sie nach der Schule regelrecht geflohen ist. Dort muss sich Edie mit ihrer aggressiven und militant vegetarischen Schwester Meg, ihrem verbitterten Vater und natürlich dem neurotischen Elliot auseinandersetzten.

„Irgendwie hatte ich mir das (Buch) anders vorgestellt“ – denn vor allem im ersten Drittel herrscht eine extrem depressive Grundstimmung. Edie wird vom Weltschmerz gebeutelt. Dieser ergibt sich aus ihrer trostlosen Situation zu Hause und den Nachrichten ihres schwulen „Freundes“ Louis, welcher sie über die Hetzkampagnen auf Facebook und Twitter auf dem Laufenden hält. Edie war mir hier viel zu selbstzerstörerisch. Sie nimmt nur noch das Schlechte um sich herum wahr und kann Gutes nicht mehr erkennen. Z.B. weiß sie, dass Louis sich an ihrem Schmerz weidet und blockiert den Kontakt trotzdem nicht. Außerdem hofft sie, dass Jack endlich zugibt, dass er der Hauptschuldige war – was dieser natürlich nicht macht. Dazu kommt der Stress mit ihrer zickigen Schwester, welche sie nur mit Samthandschuhen anfasst, statt ihr mal ordentlich die Meinung zu sagen, und auch bei Elliot hat sie keinen guten Start. Dabei hat dieser den gleichen zynischen Humor wie sie und beide verbergen ein trauriges Familiengeheimnis.
Lange sind nur Edies beste Freundin Hannah und ihr alter Schulfreund Nick ein Silberstreifen am Horizont.
Die herrlich skurrile Nachbarin Margot ist ein weiterer Lichtblick und meine Lieblingsfigur des Buches. Sie streitet sich als einzige fröhlich mit Meg (das ist ihr Lebenselixier) und gibt Edie ungefragt Ratschläge. Eine tolle Frau.

Mhairi McFarlanes andere Bücher waren deutlich leichter. Hier hingegen gibt es kaum einen Protagonisten, der nicht unter einem Trauma oder zumindest Verlust leidet. Trotzdem hat mir das Buch gut gefallen. Es wirkt erschreckend real, wie die Hetze gegen Edie nach und nach fast ihr Leben zerstört. Mir war nicht bewusst, wie perfekt soziale Medien geeignet sind, wenn man jemanden richtig fertig machen möchte. Im Gegenzug dazu wird aber auch dargestellt, wie wichtig gute Freunde sind und dass man erst in solchen Augenblicken merkt, wer wirklich dazu gehört. Hut ab für die gelungene Umsetzung dieses schwierigen Themas.

Wer locker leichte Frauen-Unterhaltungsliteratur erwartet, wird von diesem Buch sicher enttäuscht. Aber wer einen tiefgründigen Roman zum Thema soziale Netzwerke und dem Umgang mit deren unerwünschten Nebenwirkungen sucht und trotzdem gut unterhalten werden möchte, liegt bei diesem Buch genau richtig.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.03.2017
Meerblick inklusive
Rosendahl, Anna

Meerblick inklusive


ausgezeichnet

Schon der Einstieg ins Buch ist genial – Meike ist genau wie ich Buchbloggerin. Eine ihrer treuesten Leserinnen ist ihre Oma Elisabeth, welche sie quasi aufgezogen hat. Und jetzt ist Elisabeth weg, nach 50 Ehejahren hat sie von heute auf morgen ein paar Sachen gepackt und ist verschwunden, ohne eine Nachricht zu hinterlassen. Ihren Mann, Meikes Opa, scheint das nicht wirklich zu stören. Er hat keine besonders gute Meinung von ihr, aber Meike ist besorgt. Außerdem hat sie vor kurzem ihren Job in der Buchhandlung verloren und ihr Freund hat sich getrennt – ihr Leben sieht also nicht wirklich rosig aus. Als sie einen Tipp bekommt, dass ihre Oma auf Amrum, sein könnte, fährt sie deshalb sofort los.
Bei der Ankunft auf Amrum stolpert Meike direkt in Barne - einen ziemlich gutaussehenden Wikinger, der aber leider nicht ihr Typ ist. Auch die anderen Inselbewohner sind sehr nett, amüsant und zum Teil herrlich skurril. Wie die Heilerin, die eine Pension betreibt und der Feuerschamane, welcher Meikes Aura reinigen will.
Je mehr Fragen sie nach ihrer Oma stellt, desto mehr erfährt sie über deren bisher verschwiegene Vergangenheit und kommt so einem Geheimnis auf die Spur. Aber wird sie auch Elisabeth finden? Die Suche nach ihr entwickelt sich immer mehr zur Suche nach sich selbst. Meike kommt nicht nur auf der Insel, sondern auch in ihrem Leben an.
Dazu kommt die tolle Kulisse von Amrum – schon bei der Beschreibung der Sandstrände könnte ich sofort die Koffer packen und losfahren *seufz*.

So toll und hilfsbereit die Inselbewohner sind, so unsympathisch sind die Männer in Meikes Familie. Ihr Opa ist egoistisch, kalt und überheblich; ihr Vater merkt erst im Laufe der Handlung, was er eigentlich an seiner Frau hat und über Meikes Ex-Freund habe ich mich mehr als einmal aufgeregt. Es gibt also einige Protagonisten, die man so richtig schön und mit Inbrunst hassen kann.

„Meerblick inklusive“ ist lustig, spannend, kurzweilig und gehört in jede Strandtasche – nicht nur an der Nordsee. Man fliegt nur so durch die Seiten und das Urlaubs-/ Strandfeeling ist inbegriffen. Die Insel und das Buch wirken irgendwie zeitlos und beruhigend. Auf jeden Fall schreit es nach einer Fortsetzung!
Nur das Ende hat mich etwas zwiegespalten zurückgelassen, es ist irgendwie glatt und doch wieder nicht – aber bildet Euch selbst ein Urteil.