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Havers
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Bewertungen

Insgesamt 1378 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2015
Better Burger
Wester-Ebbinghaus, Ruben

Better Burger


ausgezeichnet

Ruben Wester-Ebbinghaus ist ein leidenschaftlicher Verfechter der Burger Ess- und Zubereitungskultur. Burger und Kultur, schließt sich das nicht eigentlich aus? Diese Frage muss mit JA beantwortet werden, wenn man von den nichtssagenden Fleischscheiben ausgeht, die tiefgefroren in die Pfanne oder den Grill gelegt und anschließend mit einem welken Salatblatt zwischen zwei pappige, industriell hergestellte Burger-Brötchenhälften gesteckt werden.

Dass es auch anders geht, beweist Ruben Wester-Ebbinghaus. Eigentlich kommt er aus der Werbebranche, hat aber vor zwei Jahren mit einem Freund sein erstes Restaurant in München eröffnet: das „Holy Burger“ in Haidhausen. Das Konzept scheint aufgegangen zu sein, denn in der Zwischenzeit ist ein weiteres Lokal am Hauptbahnhof dazugekommen.

Ergänzend dazu gibt es nun auch ein Kochbuch von ihm, „Better Burger“, in dem die unterschiedlichsten Rezepte für seine schmackhaften Kreationen zu finden sind. Unabdingbar für ein gutes Gelingen sind allerdings erstklassige Ausgangsprodukte: dazu gehört nicht nur ordentliches Fleisch, möglichst in Bio-Qualität, sondern auch ausgewählte vegetarische Zutaten, aus denen sich geschmacksintensive Bratlinge herstellen lassen. Und für das richtige Drumherum sorgen verschiedene Burgerbrötchen-Rezepte, die sehr leicht nachzubacken sind. Alle Zutaten lassen sich in eine gutsortierten Supermarkt finden, und somit steht dem handgemachten Deluxe-Burger nichts im Wege.

Die Rezepte in Wester-Ebbinghaus‘ „Better Burger“ sind allesamt auch für Kochanfänger geeignet, denn sie erfordern keine besonderen küchentechnischen Fertigkeiten. Und durch die appetitanregenden Fotografien, die bei der Mehrzahl der Rezepte zu finden sind, werden die entsprechenden Tipps zum Anrichten auch noch gleich mitgeliefert, wenn man sich bei der Fertigstellung an den Vorbildern orientieren möchte. Ergänzt werden die Rezepte durch Salate, diverse Soßen, Snacks und Desserts, die allesamt untereinander perfekt harmonieren.

Alles in allem ein uneingeschränkt empfehlenswertes Kochbuch für Freunde des gehobenen, handgemachten Fast Foods.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2015
Nördlich der Mondberge
Kay, I. J.

Nördlich der Mondberge


ausgezeichnet

„Lulu“ Louise Adler ist Anfang dreißig und nach zehnjähriger Haft frisch aus dem Gefängnis entlassen. Sie steht vor dem Nichts: keine Wohnung, keine Arbeit, und – was noch viel schlimmer ist – keine Identität. Ein Unterschlupf ist schnell gefunden, auch wenn man dieses Drecksloch ohne Heizung, aber dafür mit einer beachtlichen Rattenpopulation schwerlich als Wohnung bezeichnen kann. Gelegenheitsjobs sichern ihr zumindest das Überleben. Bleibt die Frage nach dem „Wer bin ich?“ und „Woher komme ich?“, existenzielle Fragen, für deren Beantwortung Lulu sich mit ihrer Vergangenheit auseinandersetzen muss.

Ein schmerzhafter Prozess, der alte Wunden wieder aufreißt, als sie sich an ihre gestohlene, lieblose Kindheit in einer dysfunktionalen Unterschichtsfamilie erinnert. Überlebenshilfe bietet einzig ihr Buch, ein Geschenk ihres geliebten Großvaters, mit dessen Hilfe sie sich nach Afrika träumt, wo sie als Masai-Kriegerin ein Leben in Freiheit und Würde lebt. Schade nur, dass dieses Afrika eine Brache in einem Londoner Vorort ist.

Aber manchmal gibt es eben doch Wunder. Manchmal wird auch eine große Sehnsucht gestillt, in diesem Fall durch eine Entschädigungszahlung für die Haftstrafe, die es Lulu endlich ermöglicht, nach Uganda zu den Mondbergen zu reisen.

Die Britin I. J. Kay schreibt unter Pseudonym, und der mit dem Authors‘ Club Best First Novel Award ausgezeichnete Roman „Nördlich der Mondberge“ ist ihr Debüt. Wie ihre Protagonistin hat auch sie Verbindungen nach Afrika, denn sie lebt abwechselnd in England und in Gambia.

Ihre Art des Erzählens ist ungewöhnlich und gerade deshalb so interessant. Nichts ist linear. Alles ist fragmentarisch, ob das nun die Erinnerungen oder das Erleben der Protagonistin ist. Es sind immer nur Miniaturen, die erst allmählich ein großes Ganzes ergeben.

Die Personen sind ebenfalls vielschichtig und im permanenten Wandel begriffen, was auch beispielsweise durch die unzähligen Namen für ein und dieselbe Person, in diesem Falle Lulu, deutlich wird. Mal nennt sie sich Catherine, dann wieder Kim oder Beverly. Aber man könnte dies auch als Beleg für viele Fluchten und multiple Persönlichkeiten werten.

Faszinierend ist die Sprache, die schrägen Wortschöpfungen, die aber immer mitten ins Schwarze treffen. Kay arbeitet mit vielen Metaphern, manchmal klischeehaft, oft aber genau in den Zusammenhang passend. Grandios!

„Nördlich der Mondberge“ bietet ein außergewöhnliches Leseerlebnis, weshalb ich diesen Roman nachdrücklich empfehle.

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Bewertung vom 02.07.2015
Zur Sache, Schätzle! / Pipeline Praetorius Bd.4
Kabatek, Elisabeth

Zur Sache, Schätzle! / Pipeline Praetorius Bd.4


sehr gut

Die Protagonistin mit dem ungewöhnlichen Vornamen ist zurück, Pipeline Praetorius, die Frau mit dem Katastrophen-Gen, die alle Line nennen. Und es sieht so aus, als ob ihre flippigen Zeiten sich nun endgültig dem Ende nähern. Denn Lines Freund Leo, Ingenieur beim Bosch und momentan in China im Auslandseinsatz, kommt zurück nach Stuttgart und möchte mit ihr in trauter Zweisamkeit leben. Aber die Wohnungssuche gestaltet sich schwierig, und eigentlich steht Line auch nicht der Sinn nach bürgerlichem Glück mit Reihenhaus und Kinderwagen…

„Zur Sache, Schätzle“ ist nach „Laugenweckle zum Frühstück“, „Brezeltango“ und Spätzleblues“ das vierte Buch in der Reihe mit Pipeline Praetorius. Und glücklicherweise gehen der schwäbischen Autorin Elisabeth Kabatek die Ideen um ihre Protagonistin nicht aus. Sie entwickelt die persönlichen Geschichten konsequent weiter, nimmt aber auch immer wieder Bezug zu den Vorgängerbänden. Von daher ist es von Vorteil, wenn man diese gelesen hat, denn nur so kann man die Beziehungen zwischen Line und ihrem Umfeld sowie einzelne Ereignisse richtig deuten, einschätzen und die Absurditäten genießen.

Und von denen gibt es wahrlich eine ganze Menge. Zum einen natürlich diejenigen, die aus der Schusseligkeit der Protagonistin resultieren, zum anderen aber auch die typisch schwäbischen Eigenheiten wie beispielsweise die Kehrwoch‘. Witzig und mit einem Augenzwinkern beschreibt die Autorin das Leben in Stuttgart, wobei sie mit Ortskenntnis große Authentizität schafft.

Den größten Spaß mit diesem Buch haben wahrscheinlich die Wahlschwaben, die Reig’schmeckte (Zugezogene), die sich im Ländle wohl fühlen, aber doch eine gewisse Distanz zu Kehrwoch‘ und Co. haben. Allerdings sollte man etwas Sprachbegabung mitbringen, um die Dialektaussprüche genießen zu können, die zwar in Fußnoten erläutert werden, aber im Kontext einfach nur gottesglatt* sind.

Kurz und gut, ein Feelgood-Buch mit liebenswerten Personen. Leichte, amüsante Sommerlektüre - vorzugsweise auf einer Bank im Schlossgarten zu lesen!

*originell, komisch

Bewertung vom 16.06.2015
Kaliber
Bruen, Ken

Kaliber


ausgezeichnet

Von Ken Bruen gibt es zwei Thrillerreihen mit verschiedenen Handlungsorten und Protagonisten. Da wäre zum einen Jack Taylor, dem trinkfeste Privatdetektiv aus Galway, zum anderen das Team der Metropolitan Police im Südosten Londons. Und genau dieses Team steht im Mittelpunkt der Neuerscheinung aus der Noir-Reihe des Polar Verlags „Kaliber“ (im Original bereits 2006 erschienen), der sechste Band der Reihe.

Angeführt werden die Mets von Tom Brant, einem Polizisten mit hervorragenden Instinkten, aber auch ein total durchgeknallter Kerl, der es mit dem Polizeikodex nicht so genau nimmt. Ob er nun von beschlagnahmten Drogen etwas für sich abzweigt, Gefälligkeiten von Prostituierten einfordert, unbefugt Privateigentum betritt, Zeugen mit brachialer Gewalt einschüchtert – sein Verhalten ähnelt eher dem eines Kriminellen als dem eines Cops. Interessanterweise hat er literarische Ambitionen, angelehnt an die Klassiker Ed McBains über das 87. Revier beabsichtigt Brant, einen Krimi zu schreiben – wenn er denn eine Idee für das Exposé hätte.

Weitere Teammitglieder sind sein Vorgesetzter, Chief Inspector Roberts, der mehr mit seinem äußeren Erscheinungsbild als mit der Ermittlungsarbeit beschäftigt ist, Porter Nash, gutmütig und unauffällig, Constable McDonald, ein unangenehmer, feiger Zeitgenosse, der seine Aggressionen nicht unter Kontrolle hat und Constable Falls, die Frau im Team, bei einem früheren Fall degradiert, jetzt aber wieder auf dem Weg nach oben. Wie bereits hieraus ersichtlich, verzahnt der Autor die Historie seiner Personen mit der Story, die durch diese persönlichen Aspekte stark gewinnt.

Aktuell treibt in London ein Killer sein Unwesen, der es auf Menschen mit schlechten Manieren abgesehen hat. Sein erstes Opfer ist der Mann, der im Restaurant eine junge Frau zum Weinen bringt, und das mit dem Leben bezahlen muss. Es gibt weitere Tote und die dazugehörigen Bekennerbriefe. Wird es Brant schaffen, dem Täter das Handwerk zu legen, oder steht er gar selbst auf der Abschussliste?

Ken Bruen kommt aus Galway, und wie bei so vielen seiner irischen Autorenkollegen zeichnen sich seine Thriller durch beißende Ironie und schwarzen Humor aus. Die Nähe zu amerikanischen Noir-Autoren kann er ebenfalls nicht verleugnen, wobei aber Bruens Dialoge wesentlich spritziger sind.

„Kaliber“ bietet intelligente und spannende Unterhaltung auf höchstem Niveau mit sehr vielen bissigen Anspielungen das Genre betreffend. Mir ist es jedenfalls bisher höchst selten passiert, dass ich bei einem Thriller leise kichern und lauthals loslachen musste.

Eine letzte Bemerkung für Freunde der bewegten Bilder: der vierte Band „Blitz“ wurde unter dem gleichnamigen Titel mit Jason Statham verfilmt.

Bewertung vom 15.06.2015
Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke
Fowler, Karen Joy

Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke


sehr gut

Der neue Roman der amerikanischen Autorin Karen Joy Fowler „Die fabelhaften Schwestern der Familie Cooke“ (nichtssagender Titel, dessen Original „We are all completely beside ourselves“ wesentlich passender ist) hat es 2014 nicht nur auf die Shortlist des renommierten Man Booker Prize geschafft, sondern wurde auch mit dem PEN/Faulkner Award und dem California Book Award ausgezeichnet.

Die Cookes sind zwar keine normale Familie, entsprechen aber nur bedingt dem Bild, das man von einer dysfunktionalen Familie hat, denn auf den ersten Blick wirken sie völlig gewöhnlich. Schaut man aber genauer hin, kann man schon ins Grübeln kommen: der Vater ist Wissenschaftler, ein Psychologe, der schwerpunktmäßig im Bereich der Verhaltensforschung arbeitet und dem Alkohol mehr als zugetan ist. Die Mutter ist psychisch angeschlagen und verbringt ganze Tage in der Abgeschiedenheit des Schlafzimmers, völlig überfordert mit der Erziehung von drei Kindern, zwei Mädchen und einem Jungen.

Eine der Töchter ist Fern, die eines Tages spurlos verschwindet. Die andere, Rosemary, ist ein lebhaftes Kind, immerzu am Plappern, das verstummt, als ihre Schwester verschwindet. Lowell, ihr Bruder, erträgt die Spannungen in der Familie eines Tages nicht mehr und verlässt diese Hals über Kopf. Mittlerweile wird er wegen verschiedener Delikte polizeilich gesucht.

Was ist geschehen? Was hat die einzelnen Familienmitglieder so aus der Bahn geworfen? Rosemary, die Ich-Erzählerin, dröselt die Geschichte auf und enthüllt nach und nach das Geheimnis, das die Familie Cooke umgibt. Dabei sind ihre Schilderungen nur bedingt chronologisch, sie springt zwischen Kindheit, Jugend und Erwachsenenleben hin und her, berichtet, philosophiert und reflektiert. Und überlegt fieberhaft, ob sie eine Mitschuld an den Ereignissen hat…

Es ist eine Familiengeschichte der anderen Art, die Karen Joy Fowler erzählt, ironisch, emotional, aber auch erschütternd. Sie packt den Leser von Beginn an, der Rosemary und die Geschehnisse in der Familie verstehen und natürlich wissen möchte, was es mit dem Verschwinden von Rosemarys Schwester auf sich hat. Dabei vermeidet es Fowler zwar zu moralisieren, stellt aber gleichwohl die Frage nach Ethik und dem, was den Menschen zum Menschen macht.

Eine unterhaltsame, lohnenswerte Lektüre, die Denkanstöße gibt. Lesen!

Bewertung vom 09.06.2015
Das Kartell / Art Keller Bd.2
Winslow, Don

Das Kartell / Art Keller Bd.2


ausgezeichnet

Es sind unglaublich viele Informationen, die Don Winslow in „Das Kartell“, der Fortsetzung seines beeindruckenden Thrillers „Tage der Toten“, verarbeitet. Und so ist es nicht weiter verwunderlich, dass daraus ein umfangreiches Epos wurde. Winslow beschreibt die Auswirkungen, die der von amerikanischer Seite ausgerufene „War on Drugs“ hat, aber erzählt auch die Geschichte zweier Freunde, die zu erbitterten Feinden werden.

Art Keller ist zurück, der Besessene und Drogenfahnder der DEA, der sich nur entfernt um Anweisungen und Kompetenzen schert, hat er doch der Jagd nach Adan Barrera nicht nur seine Ehe sondern auch seinen Idealismus geopfert. Barrera, mittlerweile wieder aus dem Gefängnis draußen, ist der Kopf des größten Kartells und bestrebt, seinen Einflussbereich immer weiter auszudehnen, wobei er nicht davor zurückschreckt, diejenigen, die ihm im Wege stehen, kaltblütig beseitigen zu lassen.

Geld und Einfluss lockt, und es sind nicht nur ehemalige Soldaten und Ex-Polizisten viele davon jenseits der Grenze hervorragend ausgebildet, sondern auch junge Männer aus den armen Barrios, deren einzige Chance, dem tristen Leben in den Elendsvierteln zu entkommen, die schmutzige Arbeit für die Drogenbosse ist. Nein, bis in die höchsten Zirkel der Macht in Politik und Polizei greifen die Bestechungen Barreras, sodass sich Keller nie ganz sicher sein kann, wer Freund oder Feind ist. Zumal auch die CIA die Finger im Spiel hat.

Und das sollte er dringend wissen, denn auf seinen Kopf ist ein Preis ausgesetzt: 2 Millionen Dollar ist sein Tod Barrera wert, eine schöne Stange Geld für einen Mord.
Aber Keller dreht den Spieß um, und so wird aus dem gejagten Drogenfahnder ein Jäger, dessen Ziel es ist, das Kartell zu zerschlagen und Barrera zu vernichten.

Don Winslow hat glücklicherweise zu alter Stärke zurückgefunden, denn für seinen Thriller „Vergeltung“ musste er harsche Kritik einstecken. „Das Kartell“ schließt nahtlos an „Tage der Toten“ an, dessen Lektüre ich zum besseren Verständnis ich dringend empfehlen möchte, so nicht bereits geschehen. Ansonsten könnte die Vielzahl der Personen, die maßgeblich an der Handlung beteiligt und den verschiedenen Organisationen zuzuordnen sind, für Verwirrung sorgen – hier hätte ich mir zumindest ein abgespecktes Register gewünscht.

Temporeich und spannend erzählt „Das Kartell“ eine fiktive, aber außerordentlich gut recherchierte Geschichte, die sich an realen Ereignissen orientiert und für die der Autor die verschiedensten Quellen herangezogen hat. Eine entsprechende Literaturliste ist am Ende des Buches angefügt. Am informativsten finde ich den Blog insightcrime.org, falls sich jemand ausführlicher mit dem Thema beschäftigen möchte. Hier findet man topaktuelle Meldungen – höchst interessant!

Und die stärksten Passagen sind in den Reflexionen Art Kellers zu finden, gerade dann, wenn er die Verstrickungen der US-amerikanischen Behörden mit der mexikanischen Drogenmafia, die ja zweifelsfrei existent sind, beschreibt. Denn es ist „(…) nicht das mexikanische Drogenproblem (…), es ist das amerikanische Drogenproblem. Und wie korrupt muss eine Gesellschaft sein, deren Bürger Drogen brauchen, um ihrer Wirklichkeit zu entfliehen, und dafür Mord und Totschlag bei ihren Nachbarn in Kauf nehmen?“

Uneingeschränkte Leseempfehlung!