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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 02.05.2016
Die Liebe ist ein schlechter Verlierer
Marsh, Katie

Die Liebe ist ein schlechter Verlierer


sehr gut

Eine schal gewordene Ehe – kurz vor dem endgültigen Bruch – dann die Wende. Der Ehemann Tom erleidet einen Schlaganfall und braucht Hannah mehr als je zuvor. Kann sie in dieser Situation noch von Trennung sprechen, so wie sie es vorhatte?
Eine schwierige Situation in die die Autorin ihre Protagonistin Hannah bringt. Wie sie sich auch entscheiden wird, sie selbst wird wieder auf der Strecke bleiben, so wie sich das in den letzten Jahren der Ehe schon abzeichnete, oder gibt es eine Lösung?
Die Autorin wechselt mit den Kapiteln auch die Zeitebenen, mal sind wir mit Hannah am Krankenbett und sehen sie und Tom um die Genesung ringen, dann springen wir ins Jahr 2006 zurück, wo ein schüchterner, linkischer Tom in einem Cafe, die lebendige, temperamentvolle Hannah anschwärmt. Können das wirklich die gleichen Personen sein, wenn man den Tom der Gegenwart betrachtet, rücksichtslos, nur mit der Arbeit verheiratet, nimmt er seine Frau schon lange nicht mehr als Person wahr. Sie ist ein funktionierendes Teil seines Haushalts. Hannah selbst ist inzwischen Lehrerin und fühlt sich in ihrer Ehe aufgerieben und in ihrer Schule ausgebrannt. Sie ist leise geworden, hat sich zurückgezogen und will schon lange Tom verlassen. Eine neue Chance hat sich ihr aufgetan, ein Auslandsjahr als Lehrerin in Afrika. Just, als sie mit Tom sprechen will, passiert der GAU.
So wie in Rückblenden die Liebesgeschichte und ihr Vergehen im Ehealltag geschildert wird, wird in der Gegenwart der Kampf von Tom und Hannah um die Gesundung geschildert. Dabei gelingt es der Autorin sehr realistisch in die Krankenhauswelt einzutauchen. Der Schlaganfall und seine Folgen werden anrührend, aber auch lebensecht geschildert. Jeder, der schon einmal damit konfrontiert war, wird das erkennen. Die Krankheit hat auch Tom verändert, anfängliche Ungeduld weicht der Erkenntnis, dass auch er sich ändern muss, um mit der neuen Situation umzugehen. Auch dieser Prozess wird sehr rührend geschildert. Der Grundton des Romans ist emotional gehalten und für mich war das etwas zuviel. Dagegen sind einige Dialoge durchaus gelungen, besonders Julie, die Schwester Toms, ist gegen den Strich gebürstet und die Szenen mit ihr bringen immer ein bisschen Pep und Aufregung in die Geschichte. Die Charaktere Tom und Hannah sind mir dagegen zu weichgespült angelegt. Ich hätte mir für Hannah etwas mehr Rückgrat und Opposition gewünscht.
Den Titel „Die Liebe ist ein schlechter Verlierer“ ist ansprechend und jede Leserin ( es ist ein Frauenbuch) weiß, was sie von diesem Buch erwarten kann und wird nicht enttäuscht. Auch die Titelbildgestaltung mit Sonne und Regentropfen versinnbildlicht das genau.

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Bewertung vom 01.05.2016
Maria und das Ding mit dem Reinheitsgebot
Herb, Florian

Maria und das Ding mit dem Reinheitsgebot


sehr gut

Was für eine Tragik: In Ried steht die 700 Jahrfeier und diverse andere Jubiläen an, der Landesvater will anreisen und sich in blühenden Landschaften sonnen und seinen Wählern zeigen, da ziehen schwere Gewitterwolken über das Dorf im Allgäu. Alois, der Brauer, will nicht mehr. Er ist allein, im Dauerrausch, das Finanzamt droht, seine Kinder und seine Frau haben das Weite gesucht, er will seine Vorräte auftrinken und dann ist Schluss. Dass sein Bier, das berühmte „Erhellung“ und seine Braugeheimnisse verloren gehen, ist ihm auch schon egal. Aber nicht dem Dorf, vor allem nicht den Landfrauen, die in Wirklichkeit die Geschicke im Ort lenken.
In höchster Not reisen sie in den Norden, um Maria heimzuholen. Die hat vor 20 Jahren das Elternhaus verlassen und ist dem schönen Jan nach Hamburg gefolgt. Aber es trifft sich gut, dass Maria auch das Gefühl hat, es muss im Leben noch mehr geben, als das Anhängsel eines erfolgreichen Mannes zu sein. Der im Übrigen überhaupt nicht merkt, dass er ohne seine Frau nicht da stände, wo er heute ist. Die Kinder sind aus dem Haus und ein Hund ersetzt nicht den Ehemann – oder doch?
Jedenfalls: Maria hilft.
In diesem Buch wird zugepackt, die Figuren sind wunderbare Originale, urig und wie aus dem Bilderbuch. Es wird jedes Klischee zitiert, dass man aus der Tourismusbranche kennt und weil der Autor sie spitzfindig und mit feiner Ironie benutzt, macht es einen „Mordsspaß“ zu lesen. Wie Maria tatkräftig zupackt, sich als Allgäuer Version eines Robin Hood – Mutters altes Trachtenkostüm mit Hut beschwört vor meinem inneren Auge die Version gradezu herauf – dem Finanzamt, Gläubigern und halbseidenen Investoren entgegenstemmt, ist pures Kino. Man darf sich bestens amüsieren und auch ein wenig seufzen, wenn die Versöhnung von Vater und Tochter ansteht. Es ist auch was „für’s Herz“ und für einige Stunden pures Lesevergnügen. An diesem Buch gefällt mir, dass es einfach unterhalten will und das auf gelungene, nie platte Weise. Gleichzeitig ist es auch eine Hommage an die bayerische Braukunst und das Handwerk. Wäre das Buch ein Bier, würde ich sagen: Süffig!

Bewertung vom 24.04.2016
Der Kaffeedieb
Hillenbrand, Tom

Der Kaffeedieb


sehr gut

Obediah Chalon, ein junger Engländer hat die falsche Religion für das Land. Das kostete ihn seine Familie und seinen gesamten Besitz. Seine Wege, wieder zu Reichtum zu kommen, sind gewitzt, aber nicht immer im Sinne der Obrigkeit. Er ist ein Spieler, den das Risiko reizt. Deshalb nimmt er ein Angebot der Ostindien Kompagnie an, dass ihn aus dem Schuldhaus bringt und ein Abenteuer verspricht. Er ist ein Kind der grade beginnenden Aufklärung, wissbegierig, interessiert an all den neuen Wissenschaften und ihren Entdeckungen. Er wechselt Briefe quer durch Europa, für ihn ist dies das soziale Netzwerk seiner Zeit.
Die Kompagnie möchte das Monopol der Osmanen auf Kaffee brechen, deshalb wollen sie aus dem gut geschützten Gebiet Kaffeepflanzen stehlen lassen und Obediah scheint der geeignete Mann.
Mit fast unerschöpflichen Mitteln ausgestattet, schart er eine illustre Schar von Spezialisten um sich, - die jeder auf seinem Gebiet- zum Gelingen beitragen sollen. Nur ein sprichwörtlicher Meisterdieb fehlt noch in der Runde und es ist die erste große Hürde, die die Truppe meistern muss, um Louis de Bourbon, ein Sohn linkerhand des Sonnenkönigs, aus schwer bewachter Festungshaft zu befreien.
Doch als das Treiben bleibt nicht unbemerkt. Absolutistische Herrscher haben immer panische Angst vor Umstürzen und ihr Spitzelnetz überzieht das ganze Land, so auch in Frankreich, wo Obediah und sein Trupp von Polignac, einem Geheimagenten des Königs, bald minutiös ausspioniert wird. Es ist ein Witz, dass Polignac vieles erkennt, aber total falsche Schlüsse daraus zieht. Die Briefe, die er mit dem Sonnenkönig und mit Roussignol, einem Dechiffrierspezialisten wechselt, haben einen ganz eigenen unverwechselbaren Ton.
Diese ganzen Vorbereitungen, die ganzen Planungen, die alle Bereiche der Wissenschaften abdecken, ob Mechanik, Optik oder physikalische Experimente, nehmen einen breiten Teil ein. Der Autor hat dabei wunderbare Recherchearbeit geleistet und lässt uns, die Leser an seinen Erkenntnissen teilhaben. Es gibt kaum einen Abschnitt ohne wissenschaftliche, geschichtliche oder kulturgeschichtliche Einschübe. Auch viele versteckte Zitate sind witzig.
Allerdings, das traf zumindest für mich zu, beginnt diese ausgebreitete Gelehrsamkeit manchmal zu ermüden. Vielleicht ist Tom Hillenbrand der Versuchung erlegen, jedes historische Detail seiner Recherchen noch in seinen Roman zu packen. Manchmal ist weniger eben mehr! Auch das Tempo lässt in Laufe der Handlung nach, es gelingt dem Autor nicht immer, die Spannung über die ganzen Kapitel hochzuhalten. Aber das ist wohl Jammern auf hohem Niveau, denn mehr finde ich wirklich nicht anzumerken.

Die Sprache ist gelungen, der Wechsel zum Tonfall der einzelnen Protagonisten ebenso. Mit seinen Personal deckt Hillenbrand auch alle Bereiche ab, den Wissenschaftler, den alten Militär, den Spitzbuben, die kokette Kokotte usw. Das Buch ist ein historischer Abenteuerroman, der wunderbar das „Mantel-und-Degen“ Genre abwandelt, es ist auf höchstem Niveau unterhaltsam.
Und ganz zum Schluss, darf es auch noch ein romantisch-blumiges Ende geben, ohne das zu viel dechiffriert wird.

Bewertung vom 15.04.2016
Waidmannsdank
Bleyer, Alexandra

Waidmannsdank


ausgezeichnet

Martin Schober wird ins Mölltal versetzt, nie hätte er gedacht noch einmal freiwillig in sein Heimatdorf zurückzukehren wird. Aber da sitzt er nun, genau wie Bettina, sein Schwarm aus Schulzeiten, die nach einer gescheiterten Ehe auf dem elterlichen Anwesen eine Auszeit nimmt.
Bald hat Martin seinen ersten Fall. Der Aufsichtsjäger Sepp Flattacher, ein Mann wie ein Eiterpickel, der mit kauzig noch sehr vorteilhaft beschrieben ist, findet am Fuße eines neu gebauten Ansitzes seinen Jägerkollegen Huber: „Nur war er tot. Nicht der Hirsch. Der Huber.“
Das war kein Unfall. Galt der Anschlag vielleicht so gar ihm, schließlich kommt sein Lebensmotto „Viel Feind, viel Ehr“ nicht von ungefähr.
Martin Schober hat mit seinen Kollegen keinen leichten Fall, auch wenn sie untereinander spinnefeind sind, nach außen halten die Jäger zusammen.
Tote Hirsche, tote Steinböcke und tote Jäger - dass man darüber so witzig lesen kann, sich auf jeder Seite auf’s Beste amüsiert, verdanken wir der Autorin Alexandra Bleyer. Sie hat in ihrem Kärntner Regionalkrimi einen Fall mit viel Lokalkolorit, Humor und Jägerlatein geschaffen, darüber aber auch nie den Krimi und die nötige Spannung aus dem Auge verloren. Ihre Figuren sind allesamt Originale, urig, knurrig, kauzig und vor allem mit viel Schlitzohrigkeit ausgestattet. Man sollte sich aber nicht täuschen lassen, bei aller Kauzigkeit, Gemütlichkeit und Schmäh, es lauert durchaus Bösartigkeit und Grausamkeit hinter der kommoden Fassade.
Dass Martin Schober unbeirrt sein Fall löst, liegt vielleicht auch daran, dass er als Heimkehrer den Blick von außen hat und trotzdem nicht als Fremder wahrgenommen wird, wie die Beamten des LKA, denen nur der Spott über ihr arrogantes Auftreten bleibt.
Es gibt keine Szene, keine Figur, die nicht passt, das Buch ist von der ersten Seite an Lesespaß pur, die Spannung - bei allem Witz – es ist ein Krimi, bleibt hoch und Verdächtige gibt es viele in Obervellach.
Das angehängte Glossar mit der Erklärung österreichischer Begriffe ist für „Piefkes“ wie mich auch sehr nützlich. Aber ich werde mich hüten, sie beim nächsten Österreichbesuch auch anzuwenden, auch wenn die Kellnerin mal gschnaprig ist.
Jetzt kann ich nur hoffen, dass die Autorin bereits an einem weiteren Fall arbeitet und Martin Schober noch weiter im Mölltal bleiben lässt und für dieses Buch eine unbedingte Empfehlung aussprechen.

Bewertung vom 14.04.2016
Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte
Walton, Emily

Der Sommer, in dem F. Scott Fitzgerald beinahe einen Kellner zersägte


ausgezeichnet

Dieses durchgehend im Präsens geschriebene Buch katapultiert uns mitten in die „Goldenen Zwanziger Jahre“ des letzten Jahrhunderts. Die südfranzösische Küste wird von der angelsächsischen Welt als sommerliches Urlaubsziel entdeckt und mit ihnen zieht es Lebenskünstler, Maler und Schriftsteller an die damals für Engländer und Amerikaner noch günstige Gegend.
Auch Scott. F. Fitzgerald zieht es dorthin, er schreibt an einem neuen Roman und ist trotz seines Erfolgs und Rufs als Schriftsteller zunehmend verunsichert. Den plötzliche Ruhm und Reichtum haben weder er, noch seine labile Frau Zelda verkraftet. Sie treiben in einem Sog aus Alkoholexzessen, Verschwendung, Partyrummel und Katerstimmung durch ihr Leben. Scott sieht bald voll Neid andere Schriftsteller, wie Hemingway an sich vorbeiziehen. Er kann es nicht ertragen, nicht mehr im Mittelpunkt aller Aufmerksamkeit zu stehen, er zweifelt immer mehr und erträgt sich und die Welt nur noch im Alkoholrausch. Während Zelda immer weiter in ihre Depressionen abdriftet, seine finanziellen Probleme immer größer werden, gehört der Ruhm und die Aufmerksamkeit zunehmend seinen Konkurrenten, allen voran Ernest Hemingway. „Der große Gatsby“ der heute zu den Klassikern der amerikanischen Literatur gehört, ist weder finanziell, noch in der Kritik erfolgreich gewesen, diesen – in seinen Augen schmählichen Rückschlag kann er nicht verarbeiten.
In diesem schmalen Buch, mehr Novelle als Roman, wird diese kurze Zeitspanne der „Roaring Twentys“ kraftvoll und lebendig beschrieben. Die Essenz dieser Stimmung findet sich in diesem Buch. Der Leser taucht ein in diese Welt aus Unbeschwertheit, Vergnügungen und künstlerischen Entfaltung. Ein kurzer Abschnitt, der aber eine neues Zeitalter einläutet, die jungen Künstler fegten wie ein Wirbelsturm durch die etablierte Kunstszene. Und doch ist schon das Ende dieser unbeschwerten, wilden Zeit zu ahnen.

Bewertung vom 14.04.2016
Das Geheimnis der Muschelprinzessin (eBook, ePUB)
Jaeggi, Christine

Das Geheimnis der Muschelprinzessin (eBook, ePUB)


sehr gut

Um eine verloren gegangene goldene Jakobsmuschel ranken sich seit Jahrhunderten Legenden und ausgerechnet am Tiefpunkt ihres Lebens wird diese Muschel eine Wende für Nora bedeuten.
Seit mehr als einem Jahrzehnt taumelt Nora ziellos durchs Leben, ohne Schulabschluß, ohne Jobs sinkt sie auf der sozialen Leiter immer tiefer, als der Rauswurf aus einer Striptease Bar den endgültig den Tiefpunkt ihres Lebens markiert. In dieser Situation trifft sie auf Estelle, Miteigentümerin eines Schweizer Nobelhotels, die sich ihrer annimmt, einen Job und eine Wohnmöglichkeit verschafft. Nora ist dankbar und will auf keinen Fall diese Chance vermasseln. Aber gleich am Anfang ihrer Hoteltätigkeit wird Estelles Sohn, der Besitzer der Nobelherberge in seinem Büro ermordet, aus seinem Besitz ist die Goldene Muschel verschwunden, er der Öffentlichkeit präsentieren wollte.
Zwei Männer treten nun in Noras leben, David Preston, ein charmanter Hotelgast, der als Journalist das Geheimnis des Mords und dem Raub der Muschel lösen möchte und Max, ein ebenso charmanter, dazu noch vermögender Bankier. Er erkennt Nora, da er im Striplokal an einem Junggesellenabschied teilnahm und trotzdem bemüht er sich um sie. Nora ist geblendet, endlich kann sie ihrem Vater einen Erfolg vorweisen und seiner Verachtung etwas entgegen setzen.
Als sie dann noch auf Henri, einen Straßenmusikanten trifft, der ihr Tag für Tag ein Stückchen der Legende der Goldenen Muschel erzählt, wird sie immer mehr in ein Familiendrama hineingezogen.
In diesem Buch ist alles vorhanden: eine Familientragödie, eine unglückliche Liebe und ein ungesühntes Verbrechen und tief vergrabene Geheimnisse. Die Autorin verwebt diese Handlungsstränge zu einem einfühlsamen Roman. Als Nora und David Preston auch noch auf eigene Faust nach dem Mörder Eric le Bochs suchen, bekommt die Handlung dazu noch Tempo und Krimispannung. Der Erzählstil ist flüssig und mit dem Kunstgriff der Rückblende und der „häppchenweise“ erzählten Vergangenheit aus Estelles und Henris Sicht bleibt die Spannung auch durchgehend hoch. Nach und nach gewinnen auch die Figuren ein wenig mehr Kontur, trotzdem bleiben mir einige Charaktere, vor allem auch Nora, die Hauptperson, zu verwaschen, zu blass.
Aber trotz dieses kleinen Einwands ist „Das Geheimnis der Muschelprinzessin“ ein wunderbar unterhaltendes Buch mit einer romantisch-melancholischen Stimmung und mit einem zu Herzen gehenden Ende, genau das Richtige für alle Leserinnen, die sich gern mit Familien- und Liebesgeschichten verzaubern lassen.

Bewertung vom 11.04.2016
Der Ort, an dem die Reise endet
Owuor, Yvonne Adhiambo

Der Ort, an dem die Reise endet


sehr gut

Yvonne Adhiambo Owuor ist eine junge kenianische Schriftstellerin, die hier ihren ersten Roman vorlegt. Das ist bemerkenswert, da die einheimische afrikanische Stimme auf dem europäischen Buchmarkt noch selten ist. Doch wer könnte die Geschichte eines Landes und ihrer Menschen besser erzählen, als ein Kind der Nation.
Odidi Oganda, ein hoffnungsvoller, begabter Student wird auf den Straßen Nairobis erschossen. Zur Beerdigung reist auch seine Schwester Ajani, die als Künstlerin in Brasilien lebt und Heimat und Familie den Rücken kehrte, zurück. Zusammen mit ihrem Vater will sie den Leichnam zur Bestattung auf die alte Familienfarm im Norden Kenias überführen. Dort brechen in der spannungsgeladenen, von Trauer und Hoffnungslosigkeit überschatteten Atmosphäre viele verdrängte Konflikte auf. Die Zerrissenheit der Familie ist ein Spiegel der Zerrissenheit des Landes, das nach dem Befreiungskampf gegen die Kolonialmacht nur kurze Zeit einen hoffnungsvollen Aufbruch erlebte, aber sich bald in Korruption, Machtkämpfen und Gewalt verlor.
Als ein Engländer auftaucht, der nach der Geschichte seines Vaters sucht, wirkt er wie ein Katalysator.
Owuors Erzählstil erinnert an die orale Tradition des afrikanischen Kontinents, sie schreibt genau, wie gesprochen wird. Die Geschichte wird immer wieder durch Abschweifungen und Rückblenden unterbrochen. Es ist keine stringente Erzählweise, es gibt keinen Handlungsstrang, der wie ein roter Faden durch die Geschichte führt. Es bleibt dem Leser überlassen, die Abschnitte einzuordnen, sich den Figuren zu nähern. Es ist nichts, wie es anfangs scheint. Die Sprache ist farbig, sie ist schnell. Sie erinnerte mich an die Kakaphonie auf einem afrikanischen Markt, man muss sich konzentrieren, die wichtige Erzählstimme zu finden. Wer sich darauf einlässt, wird durch einen außergewöhnlichen, kraftvollen Roman belohnt, der einen Eindruck des künstlerischen Potential eines Kontinents hinterlässt.
Es ist mutig und innovativ, dass der Dumont Verlag die Autorin in Deutschland vorstellt und die kenianische Literatur einem breiteren Publikom vorstellt.

Bewertung vom 27.03.2016
Leuchtturmmord / Romy Beccare Bd.5
Peters, Katharina

Leuchtturmmord / Romy Beccare Bd.5


ausgezeichnet

Mit „Leuchtturmmord“ präsentiert Katharina Peters den 5. Fall für die sympathische Polizistin Romy Beccare.
Dort beim Leuchtturm auf der Insel Rügen wird die brutal zugerichtete Leiche der jungen Merle gefunden. Ein Mord der viele Rätsel aufgibt, es gibt keine verwertbaren Spuren und alle, die in Verbindung mit Merle standen, wie zum Beispiel ihr früherer Geliebter Piet Schubert haben wasserdichte Alibis.
Romy stochert tief in der Vergangenheit von Merle und findet dort auch Hinweise auf eine Jugendclique, von denen aber kaum noch einer lebt. Seltsam, diese vielen Unfälle und Todesfälle, findet nicht nur Romy. Aber auch auf der Dienststelle von Jan Riechter aus Stralsund, Romys Lebensgefährte, gibt es viel zu tun, es gibt viele Hinweise auf illegale Boxkämpfe, die ohne Limit ausgetragen werden.
Mit zwei Polizeidienststellen und den entsprechend vielen Figuren, vielen Handlungssträngen und Motiven, hat es ein Neuleser wie ich, die nicht auf die früheren Fälle aufbauen kann, anfangs etwas schwerer. Aber nach einigen Kapiteln fremdelt man nicht mehr, ganz im Gegenteil, man ist völlig in Bann gezogen. Die Spannung ist durchgehend hoch und wenn sich, was geographisch auf naheliegt, die Fälle bald berühren und Verbindungen klar werden, beginnt man automatisch mit zu rätseln.
Alle Figuren sind lebensnah geschildert, ich sehe sie vor mir. Auch der Anteil an privaten und persönlichen Problemen der Polizeibeamten, die in jeden Krimi gehören, wenn seine Protagonisten echt sein sollen, haben genau das richtige Maß um mich zu fesseln und zu unterhalten. Die Insel Rügen, als Schauplatz gewählt, ist ein angenehmer und unaufgeregter Hintergrund. Es gibt viel Inseltypisches, ohne in ellenlange Beschreibungen auszuufern, die einen Krimi oft eher bremsen.
Katharina Peters versteht ihr Handwerk und das ist im besten Sinne gemeint. Leuchtturmmord ist ein guter, spannender und grundsolider Kriminalroman, der von der ersten bis zur letzten Seite fesselt und denn ich vorbehaltlos empfehlen kann.
Lediglich eine Frage stellt sich mir: warum fehlt auf dem Titelbild der Leuchtturm und statt dessen ist eine Seebrücke abgebildet, die im Buch überhaupt nicht vorkommt?

Bewertung vom 08.03.2016
Rabenfraß
Skalecki, Liliane;Rist, Biggi

Rabenfraß


ausgezeichnet

Heiner Hölzle, gebürtiger Schwabe, schon lange in Bremen als Kriminalkommissar tätig, verbringt spontan einen Urlaub im Harz. Spontan deshalb, weil der geplante Honeymoon in Australien durch ein endgültiges Zerwürfnis mit Christiane geplatzt ist und er jetzt einfach Abstand braucht. So fahrt er los und landet in einer sympathischen Landpension mit netten Wirtsleuten und einem Stammtisch, der ihn sofort in seiner Mitte aufnimmt. Ruhige Tage wären garantiert, wäre nicht gerade einen Tag vor seiner Ankunft eine junge Frau zu Tode gekommen, enthauptet fand man sie auf einem Felsbrocken. Der Ehemann, dem mehr als einmal öffentlich die Hörner aufgesetzt wurden, ist bereits als Hauptverdächtiger in Haft.
Als wäre gut, wenn das nicht dieses Bauchgefühl wäre, dem Heiner eigentlich immer vertrauen kann. Auf seinen Wanderungen durch die wunderschön beschriebene Landschaft und ihren malerischen Städten, beschäftigt er sich auch mit alten Sagen, Mythen und Beschreibungen und bald kommt ihm ein schrecklicher Verdacht…..
Rabenfraß ist ein großartig inszenierter Kriminalroman, der auch von der Landschaft getragen wird, in der er spielt. Es ist dem Autorenduo gelungen, die Eigenheiten der Umgebung mit einzubetten. Hölzle begegnet vielen „Harzern“, die ihn herzlich aufnehmen, obwohl manche doch recht harsch und schnell mit ihrem Urteil über Fremde und anders lebende, glaubende und aussehende Menschen bei der Hand sind. Seine Beschäftigung mit dem Mord führt ihn zu alten Fällen und Unfällen, die in ihm den Verdacht eines Serientäters keimen lassen. Anfangs belächelt, bekommt er aber doch Unterstützung vom Bremer Kollegen Harry und der Rechtsmedizinerin Sabine, die sich weit mehr einbringt, als Hölzle anfangs recht ist.
Ausgeklügelte Wendungen halten die Spannung unvermindert hoch. Auch wenn ich mich schon früh mit dem Rätseln nach Täter und Ursache auf der richtigen Spur wähnte, gibt es immer noch einen Haken, den die Autorinnen schlagen. Dazu kommen die sympathisch geschilderten Menschen, die Hölzle begegnen und helfen, die amüsant beschriebenen touristischen Highlights, die er besucht. Das alles macht Lust, selbst die Schauplätze des Krimis kennenzulernen. Hölzle selbst, der sich allenfalls mal in Gedanken einen Ausflug in den heimisch-schwäbischen Dialekt erlaubt, ist gleich von Anfang eine vertraute und liebenswerte Figur, der ich gerne durch den Fall gefolgt bin.
Das ist ein Regionalkrimi, wie er sein sollte: die Landschaft und ihre Bewohner mit ihren Eigenheiten spielen eine tragende Rolle, ohne dass dabei die Spannung des Krimis darunter leidet. Alles bildet eine gelungene Einheit, eine kleine Prise Witz und Humor, auch ein bißchen Situationskomik machen die Dialoge noch lebendiger.
Übrigens hat Heiner Hölzle schon mehrfach ermittelt, aber auch wenn man keine früheren Bücher der Autorinnen Liliane Skalecke und Biggi Rist kennt, ist das kein Manko und schmälert nicht den Lesegenuß.