Donna Leon, in Venedig heimische Amerikanerin, scheint offenbar altersmilde zu werden. Wie sonst lässt es sich erklären, dass sich nicht nur „Tod zwischen den Zeilen“ (Nr. 23 in der Brunetti-Reihe, kürzlich in der deutschen Übersetzung erschienen) sondern auch „Falling in Love“ (Nr. 24 im Original)
im Wesentlichen, neben dem für einen Kriminalroman natürlich unvermeidlichen Mordfall, mit den…mehrDonna Leon, in Venedig heimische Amerikanerin, scheint offenbar altersmilde zu werden. Wie sonst lässt es sich erklären, dass sich nicht nur „Tod zwischen den Zeilen“ (Nr. 23 in der Brunetti-Reihe, kürzlich in der deutschen Übersetzung erschienen) sondern auch „Falling in Love“ (Nr. 24 im Original) im Wesentlichen, neben dem für einen Kriminalroman natürlich unvermeidlichen Mordfall, mit den „Schönen Künsten“ beschäftigt. Kritisches zu den gesellschaftlichen und politischen Zuständen in ihrer Wahlheimat, wie wir es aus den früheren Werken der Autorin kennen, fehlt völlig. Stattdessen widmet sie sich unbezahlbaren Erstausgaben und Opernpartituren. Und auch das Familienleben des Commissario birgt keinerlei Überraschungen mehr, die Kinder gehen ihrer eigenen Wege und Paolo liest, wie hinlänglich bekannt, in jeder freien Minute Henry James. Auch beruflich ist alles gesagt: Patta ist und bleibt der unfähige Vorgesetzte, der sich lediglich um seine gesellschaftliche Reputation kümmert, Signora Elettra beschafft auf nicht immer legalem Weg Informationen und Vianello bleibt der treue Knappe, der seinen Vorgesetzten mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln bei den Ermittlungen im aktuellen Fall unterstützt. Also auf breiter Front keine Weiterentwicklung der Personen.
In der Biblioteca Merula stellen die Angestellten fest, dass aus wertvollen antiquarischen Büchern fein säuberlich Seiten herausgetrennt wurden. Bei der Überprüfung des Bestandes stellen sie außerdem fest, dass diverse unbezahlbare Folianten spurlos verschwunden sind. In Verdacht gerät ein Amerikaner, der sich über einen längeren Zeitraum täglich in der Bibliothek aufhielt, nun aber nicht mehr auffindbar ist. Dann wird ein Geistlicher, der ebenfalls regelmäßig zu Studienzwecken in den Leseräumen anzutreffen war, ermordet aufgefunden. Brunettis Nachforschungen ergeben, dass dieser Priester kein unbeschriebenes Blatt war. Im Wesentlichen stützt er sich auf die Aussagen dessen nächsten Angehörigen, der seinen Bruder als Lügner, Dieb und Verführer bezeichnet. Soweit, so gut – das war es dann auch schon. Noch etwas hin und her, und schon ist der Fall aufgeklärt, dessen Lösung sich dem erfahrenen Leser bereits von Beginn an aufdrängt.
So bleibt „Tod zwischen den Zeilen“ nur eine einfache Geschichte ohne Biss, die keinerlei Überraschungsmomente bereithält. Enttäuschend, weil man weiß, dass Donna Leon durchaus in der Lage ist bzw. war, raffinierte Kriminalromane mit Seitenhieben auf ihre italienische Wahlheimat zu schreiben.