"Beim Müll geht es ja immer um das Trennen. Darum sag ich, Müll beste Schule für das Denken. Weil du hast die Kategorien, sprich Wannen. Ohne die klare Trennung kannst du jedes Recycling vergessen. Und da bin ich noch nicht einmal bei den Problemstoffen."
Auf einem der Wiener Mistplätze (dt.: Altstoffsammelzentrum) herrscht strenge Ordnung, bis eines Tages in der Sperrmüllwanne ein menschliches Knie gefunden wird. Schnell tauchen in anderen Wannen weitere Leichenteile auf, die entgegen der Mistplatzordnung und zum großen Leidwesen der Müllmänner allesamt nicht korrekt eingeworfen wurden. Nur vom Herz des zerlegten Toten fehlt jede Spur. Die Kripo weiß nicht weiter. Zum Glück ist unter den Müllmännern ein Ex-Kollege, der nicht nur das fehlende Herz samt Begleitschreiben findet, sondern auch nie vergessen hat, was man bei Mord bedenken muss. Und damit steckt Simon Brenner nicht nur in einem neuen Fall, sondern auch bis zum Hals in Schwierigkeiten.
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Auf einem der Wiener Mistplätze (dt.: Altstoffsammelzentrum) herrscht strenge Ordnung, bis eines Tages in der Sperrmüllwanne ein menschliches Knie gefunden wird. Schnell tauchen in anderen Wannen weitere Leichenteile auf, die entgegen der Mistplatzordnung und zum großen Leidwesen der Müllmänner allesamt nicht korrekt eingeworfen wurden. Nur vom Herz des zerlegten Toten fehlt jede Spur. Die Kripo weiß nicht weiter. Zum Glück ist unter den Müllmännern ein Ex-Kollege, der nicht nur das fehlende Herz samt Begleitschreiben findet, sondern auch nie vergessen hat, was man bei Mord bedenken muss. Und damit steckt Simon Brenner nicht nur in einem neuen Fall, sondern auch bis zum Hals in Schwierigkeiten.
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Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Rezensent Rainer Moritz freut sich über den neunten Teil der Brenner-Krimireihe des Kriminalromanrevolutionärs Wolf Haas. In "Müll" arbeitet der mittlerweile gealterte ehemalige Polizist und Müllarbeiter an einem neuen Fall, als in einem Container seiner Arbeitsstelle Leichenteile gefunden werden. Was für die Tochter des ermordeten Franz Schall wie eine Tat der Organmafia wirkt, scheint sich im Laufe der Handlung anhand vieler genüsslich und glänzend erzählter Indizien doch als Beziehungstat zu erkennen zu geben, erklärt Moritz. Was am Ende passiert will uns der Rezensent nicht verraten, aber das sei in Haas' Büchern sowieso nicht so wichtig wie das kunstvoll-komische Spiel mit der Sprache und seiner Abneigung gegen das Realistische und Handlungsorientierte. Auch, wenn es so scheint, als würde sich der Protagonist immer mehr verflüchtigen, hofft Moritz auf einen zehnten Teil als würdigen Abschluss der Brenner-Reihe, den er etwa im Jahr 2029 erwartet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Nach acht Jahren Pause erscheint der neunte Brenner-Roman von Wolf Haas, mit dem schon niemand mehr gerechnet hatte.
Von Andrea Diener
Im Prinzip könnte man das hier auch in vier Worten ohne Verb erledigen: Neuer Brenner, immer gut. Aber damit kein Raum für Notizen auf der Seite frei bleibt und weil wir ja auch eine Informationspflicht hinsichtlich literarischer und weniger literarischer Neuerscheinungen haben, wird das jetzt doch ein bisschen länger. Schließlich hat man nach dem letzten Band "Brennerova", der im Jahr 2014 erschienen ist, fast nicht mehr damit gerechnet, dass Wolf Haas noch einmal zu seinem Helden zurückkehrt, aber es ist ihm was eingefallen. Oder, wie es im Brenner-Erzählkosmos heißt, jetzt ist schon wieder was passiert, auch wenn es diesmal eigentlich schon verjährt ist, obwohl Mord nicht verjährt, aber Dings.
Die Brenner-Krimis erzählen ihre Fälle auf eine sehr eigene Weise beziehungsweise lassen sie erzählen von einem, von dem man nur seine Stimme kennt und sonst nichts über ihn weiß. Aber die Stimme ist dafür sehr präsent. So ungefähr wie diese schon ziemlich angetrunkenen Typen an der Bar so gegen Mitternacht, die man nur schwer loswird, aber dann kippt man doch in diese Geschichte rein, auch wenn der Erzähler sich mitunter vergebens um Stringenz bemüht, und hört sich das halt doch bis zum Ende an. Manchmal fließt der Erzählstrom nicht so richtig und schweift irgendwohin ab, wie wenn man einen Hund spazieren führt, und dann ist da ein Eichhörnchen, und es gibt für den Hund in diesem Moment nichts Wichtigeres als eben dieses Eichhörnchen. Genau so beginnt der neue Brenner mit Müll, erst einmal geht es um nichts anderes, da wird die ganze Welt vom Müllplatz aus erzählt oder, wie der Wiener sagt, vom Mistplatz aus. Und dieser Mistplatz und seine Belegschaft werden vor uns ausgebreitet wie ein großes Schlachtengemälde.
"Müll beste Schule für das Denken", heißt es da. Denn Stilmerkmal Satz ohne Verb. Und: "Vor dem Mist sind alle Menschen gleich." Denn natürlich ist die Erzählung nicht einfach nur so dahergeredet, sondern höchst artifiziell geformt und voller Hammersätze, so kennt man Wolf Haas und seine Prosa.
Für alles, was auf der Welt anfällt, gibt es Wannen. Für Folien, für Sperrmüll, für Textil. Nur für menschliche Überreste gibt es keine Wannen, denn die sind kein Müll. Wenn trotzdem welche auf dem Müllplatz auftauchen, also Knie und Hände und ein Kopf, dann ist ein Fehler im System und irgendwas schiefgelaufen. Simon Brenner, Haas' vom Leben gebeutelter Ermittler, der seit einiger Zeit auf dem Müllplatz arbeitet, beginnt also der Genrekonvention entsprechend zu ermitteln. Auch wenn sonst wenig nach Konvention läuft, denn es gibt erst einmal Wichtigeres als Fall und Ermittler, nämlich den Müll und seine Philosophie, und da müssen wir jetzt durch. "Kriminalroman Hilfsausdruck", würde der Brenner-Erzähler sagen. Womöglich sogar bloß Hilfskonstrukt, muss man da ergänzen.
Bis der Brenner endlich auftaucht und in die Gänge kommt, dauert es. Zuerst einmal erscheint die reguläre Polizei in Gestalt der Kripobeamten Savic und Kopf, wobei Letzterer den Brenner noch als Ausbilder kennt. Also der Brenner war der Ausbilder, der Kopf ermittelt mehr so aus dem voluminösen Bauch heraus. Und natürlich ist er überrascht, seinen ehemaligen Vorgesetzten ausgerechnet auf dem Müllplatz anzutreffen, in Orange von Kopf bis Fuß und, auch das stellt sich heraus, ohne festen Wohnsitz. Dabei ist Brenner nicht komplett unzufrieden mit der Situation, aber viele Lebensträume sind ihm auch nicht gerade geblieben.
Die Sache mit den menschlichen Überresten in den Müllwannen ist nun nicht ganz unkompliziert. Der Tote, Franz Schall, ein furchtbarer Geizhals, hat eine Tochter, Iris. Außerdem hat er eine aktuell unauffindbare todkranke Ehefrau, von der er sich gerade getrennt hat, plus eine Zukünftige namens Roswitha, die nach dem Todesfall nur mehr eine ehemalige Zukünftige ist. Weil Vater Schall so ein Geizhals war, neigten Iris und ihre Mutter zu überbordenden Spontankaufaktionen, und nun fährt Iris regelmäßig mit dem Fahrer eines Transportunternehmens zum Mistplatz, um den ganzen teuren Schrott wieder loszuwerden, wobei sie sich dort in den jungen, etwas antriebslosen Praktikanten verguckt. Mit diesem Transportunternehmen und diesem Fahrer, so viel ist schnell klar, ist auch Franz Schall zum Mistplatz gekommen beziehungsweise seine Teile. Und sind in die ganzen falschen Wannen entsorgt worden.
Die vorläufige These lautet nun über viele Seiten hinweg "Entladung der langfristig aufgestauten Ehewut in einer Spontanhandlung", sprich, die Frau war's, Zorn, Messer, dann Beseitigung. Nach allem, was man über Franz Schall weiß, würde man es ihr auch nicht übel nehmen. Dafür spricht auch das fehlende Teil, in diesem Fall das Herz des Verstorbenen, denn aus dem am Müllplatz vorgefundenen Material lässt sich kein ganzer Mensch rekonstruieren. Das Herz taucht fein säuberlich verpackt und mit handgeschriebenem Begleitbrief - "Da hast du es. Sein Herz gehört dir" - in Roswithas Tiefkühltruhe auf. Das ist praktisch ein Geständnis, aber so einfach hat sich das mit der Ehewut dann wohl doch nicht abgespielt. Und Tochter Iris hat ohnehin ganz andere Ideen, weil ihr Vater besessen war von den Machenschaften einer kriminellen Organmafia, die Menschen ausweidet. Und für die Organe von so einem Menschen bekommt man einen Haufen Geld, das fängt bei achtzigtausend für eine Niere gerade erst an. In Österreich ist die Gesetzeslage außerdem anders als in Deutschland, dort nämlich muss man vor dem Ableben einer Organentnahme ausdrücklich widersprechen.
Jetzt braucht es etwas, bis Brenner und Roman in Bewegung kommen. Aber die Iris hat Überzeugungskraft für zwei, und der Brenner so eine gewisse Trägheitsenergie, die, je nach Masse und äußeren Dynamiken, eine enorme Kraft entfalten kann, so ist das auch in der Physik. Es dauert halt, so etwa hundertfünfzig Seiten, dann ist man durchs Gröbste durch, und die Dinge kommen endlich in Bewegung.
Der Brenner hat sein eigenes Tempo, auch der Erzähler hat seines, und man ist ihnen beiden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert, wenn man nun wissen will, was das für ein Mord oder doch nicht war. Aber wer den neunten Fall liest, der hat womöglich auch die acht vorherigen gelesen und weiß ohnehin, worauf er sich einlässt, setzt sich an die Bar, gibt dem angetrunkenen Typen noch einen aus und lässt ihn schwadronieren.
Wolf Haas:
"Müll". Roman.
Verlag Hoffmann &
Campe, Hamburg 2022.
288 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
»I love Wolf Haas and whenever I feel homesick I read one of his books and this one is as amazing and so very typical Austrian as every other one of his. (4.5/5)« @thewaveshavecome Instagram, 01.03.2022