Der Durchbruchs- und Supererfolgsroman der chinesischen Bestsellerautorin »Eine unglaublich reiche Geschichte.« Lukas Bärfuss, SRF Literaturclub
Dieser heute in China unterdrückte Roman machte Fang Fang bei seinem Erscheinen 1987 schlagartig berühmt: Glänzende Aussicht erzählt das Leben einer einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan aus Sicht des verstorbenen jüngsten Sohnes. Es ist ein drastisches Porträt: Zu elft haust die Familie in einer dreizehn Quadratmeter kleinen Hütte. Schon die Jüngsten lernen stehlen, um ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten, Schlägereien sind an der Tagesordnung und zärtlichere Töne rar. Im Schatten eines Vaters, der vor allem mit der Faust erzieht, versuchen die neun Brüder und Schwestern auf je eigene Weise, den Fesseln ihrer Herkunft und den Nachwehen der Kulturrevolution zu entkommen und eine bessere Zukunft zu finden.
Mit einem Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann
»Mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein.« Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Ein burleskes Buch, traurig und komisch, von einer schönen Logik der Zärtlichkeit.« Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung
»Ein Buch, das mich sprachlich umgehauen hat.« Laura de Weck, SRF Literaturclub
»Ein schmales Buch, das lange nachhallt.« Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff
Dieser heute in China unterdrückte Roman machte Fang Fang bei seinem Erscheinen 1987 schlagartig berühmt: Glänzende Aussicht erzählt das Leben einer einfachen Arbeiterfamilie aus Wuhan aus Sicht des verstorbenen jüngsten Sohnes. Es ist ein drastisches Porträt: Zu elft haust die Familie in einer dreizehn Quadratmeter kleinen Hütte. Schon die Jüngsten lernen stehlen, um ihren Beitrag zum Familienleben zu leisten, Schlägereien sind an der Tagesordnung und zärtlichere Töne rar. Im Schatten eines Vaters, der vor allem mit der Faust erzieht, versuchen die neun Brüder und Schwestern auf je eigene Weise, den Fesseln ihrer Herkunft und den Nachwehen der Kulturrevolution zu entkommen und eine bessere Zukunft zu finden.
Mit einem Nachwort des Übersetzers Michael Kahn-Ackermann
»Mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein.« Mark Siemons, Frankfurter Allgemeine Zeitung
»Ein burleskes Buch, traurig und komisch, von einer schönen Logik der Zärtlichkeit.« Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung
»Ein Buch, das mich sprachlich umgehauen hat.« Laura de Weck, SRF Literaturclub
»Ein schmales Buch, das lange nachhallt.« Corinne Orlowski, WDR3 Lesestoff
Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension
Eine erstaunliche Veröffentlichung ist das, findet Rezensentin Katharina Borchardt. Die chinesische Autorin Fang Fang erzählt in ihrem ursprünglich 1987 erschienenen Roman vom Schicksal einer Familie in Wuhan, lernen wir, die die Härten der chinesischen Geschichte des 20. Jahrhunderts durchlebt und deren Blick auf die Welt dabei selbst verhärtet. Freundlich oder gar solidarisch ist hier praktisch niemand, heißt es weiter, schon gar nicht der siebte Sohn der Familie, der, nach einer besonders schweren Kindheit, Parteifunktionär und als solcher ein unbarmherziger Machtmensch wird. Sehr mutig ist dieses zwei Jahre vor dem Tiananmen-Massaker entstandene Buch, bewundert Borchardt, die außerdem anmerkt, dass sich das Buch thematisch deutlich abhebt von einer chinesischen Gegenwartskultur, die sich mit Vorliebe der Zukunft oder der Vergangenheit, kaum jedoch der Gegenwart zuwendet.
© Perlentaucher Medien GmbH
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»Ein Buch, das mich sprachlich umgehauen hat.« Laura de Weck SRF Literaturclub
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 08.06.2024Bruder Siebens Schicksal
Fang Fangs Roman "Glänzende Aussicht" über eine Proletarierfamilie in der chinesischen Stadt Wuhan
Äußerlich geht es in diesem schon 1986 geschriebenen Roman um das elende und geradezu anarchische Eigenleben einer Proletarierfamilie in der chinesischen Stadt Wuhan der Sechziger- bis Achtzigerjahre, vergiftet nicht nur durch die Enge der dreizehn Quadratmeter, auf denen sich elf Personen drängeln, sondern auch durch die eigene Gewalt und Erbarmungslosigkeit, denen sie nicht entrinnen zu können scheinen. Doch die Handlung steuert zugleich auf ein moralisches Zentrum jenseits dieses Sozialrealismus zu. Im Mittelpunkt steht "Bruder Sieben", das namenlose jüngste Kind der Familie, das in deren Hackordnung an unterster Stelle steht. Wegen des Platzmangels muss Bruder Sieben unter dem Bett der Eltern schlafen, und von seinem Vater, einem stämmigen Dockarbeiter mit engen Verbindungen zu einer mafiösen Bruderschaft, wird er regelmäßig so verprügelt, dass sich Maden in seinen fauligen Wunden einnisten.
Dieser Bruder Sieben, der vor lauter Einschüchterung kaum den Mund aufmacht, wechselt dann aber zur allgemeinen Überraschung in eine ganz andere Sphäre über: In den Achtzigerjahren wird er ein mittelhoher Parteikader mit randloser Brille und einem Flair höflicher Zurückhaltung. Nachdem er die obligate Landverschickung während der Kulturrevolution in einem einsamen Bergdorf verbracht hatte und danach an der Peking-Universität studieren durfte, trifft er für sich eine folgenschwere Entscheidung: Sein Lebensziel soll die Veränderung seines Schicksals sein. Mit dieser Entschlossenheit bringt er es fertig, seine Verlobte, die er liebt, um der Tochter eines hohen Funktionärs willen zu verlassen und ihr bei einem gemeinsamen Besuch der Baracke, in der er groß geworden ist, zu eröffnen: "Zu achtzig Prozent ist meine Wahl auf dich wegen des Einflusses gefallen, den dein Vater hat. Ich brauche deinen Vater als Brückenpfeiler zu meinem Ziel."
Wütend gibt sie ihm eine Ohrfeige, kehrt aber später zu ihm zurück - weil sie keine Kinder bekommen kann, hat sie im damaligen China sonst keine Möglichkeit, einen Mann zu finden. Das Kalkül von Bruder Sieben erscheint hier nicht einfach als banaler Opportunismus, sondern angesichts seines hoffnungslosen Herkommens schon fast wie eine höhere Moral: "Andernfalls wäre ihm die Welt etwas schuldig geblieben, und seine Seele würde nach dem Tod keine Ruhe finden." Mit seinem Funktionärsposten erhält das frisch verheiratete Paar eine schöne große Wohnung; erst jetzt versteht man so richtig den Titel des Romans, "Glänzende Aussicht", in seinem ganzen Sarkasmus. Von heute aus kann man ihn als eine Parabel auf den Aufstieg Chinas lesen, der damals erst seinen Anfang nahm.
Dies alles wird mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein. Das schafft sie durch den dramaturgischen Kniff, dass der Erzähler der bereits früh verstorbene Bruder Acht ist, der das Geschehen von seinem kleinen Grab vor der Baracke aus verfolgt. So kann er die Brutalität dieser sich unentwegt anschreienden und schlagenden Familie von außen betrachten und als Familienmitglied zugleich von innen, sie als etwas Selbstverständliches, Unabänderliches hinnehmen, was all den Schrecken zugleich etwas Komisches gibt. Für die Handlung hat dieser Einfall der aus dem Grab dringenden Erzählstimme allerdings keine Funktion. Es ist, als habe sich die Autorin Fang Fang zwischen den beiden Mitte der Achtzigerjahre in China aufeinandertreffenden Schreibstrategien nicht recht entscheiden können - zwischen dem Realismus der die Gräuel der Kulturrevolution aufarbeitenden "Narbenliteratur" und dem damals nach dem Vorbild lateinamerikanischer Autoren aufkommenden magischen Realismus, der für Schriftsteller wie Mo Yan oder Yu Hua charakteristisch werden sollte.
Fang Fang ist in China schon mit diesem Erstling bekannt geworden, im Westen aber erst mit ihrem "Wuhan-Diary" aus Corona-Zeiten, durch dessen Ehrlichkeit sie den Zorn der Behörden erregte. Die Jahre, in denen "Glänzende Aussicht" spielt, war eine Zeit extremer Turbulenzen: von der großen Hungersnot über die Kulturrevolution und den Richtungswechsel nach Maos Tod bis hin zu den Anfängen des durch Deng Xiaoping entfesselten Kapitalismus. Bezeichnend für die Kunst dieses so schlicht daherkommenden Romans ist, dass diese aus den Geschichtsbüchern bekannten Eckdaten und Begriffe in ihm gar nicht vorkommen, umso mehr aber deren dramatische Auswirkungen auf die Menschen ganz unten. Michael Kahn-Ackermann, der frühere Direktor des Goethe-Instituts in China, der nun schon das vierte Buch von Fang Fang souverän und mit viel Gespür für atmosphärische Zwischentöne übersetzt hat, hält das in seinem Nachwort für plausibel; die Partei- und Staatsinstitutionen seien für viele Chinesen so fern wie höhere Schicksalsmächte: "Man unterwirft sich ihren Anordnungen, aber versucht nach Möglichkeit, den Umgang mit ihnen zu vermeiden."
Am Ende werden zwei der Brüder "Privatunternehmer" und verkaufen mit wechselndem Erfolg T-Shirts auf der Straße. Die Baracken werden abgerissen, um modernen Hochhäusern Platz zu machen. Der Roman hört auf, wie er begonnen hat: mit Spruchweisheiten wie bei Konfuzius, dessen Sentenzen regelmäßig mit der Formel "Der Meister sprach" eingeleitet werden. Hier nun heißt es "Bruder Sieben sagt", aber was dann folgt, unterscheidet sich sehr von der Geradheit und Ordnung, die der alte Meister dem Leben zuweist: "Erst, wenn du alles auf der Welt, einschließlich die Welt selbst, als völlig wertlos erkannt hast, erlebst du, dass dein Leben seinen Reiz entfaltet, erst dann kannst du dich frei und unbeschwert auf der Straße des Lebens auf und ab bewegen." Indem der listige kleine Roman diesen Zynismus verständlich macht, gelingt es ihm zugleich, ihn zu bannen. MARK SIEMONS
Fang Fang: "Glänzende Aussicht". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2024. 176 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.
Fang Fangs Roman "Glänzende Aussicht" über eine Proletarierfamilie in der chinesischen Stadt Wuhan
Äußerlich geht es in diesem schon 1986 geschriebenen Roman um das elende und geradezu anarchische Eigenleben einer Proletarierfamilie in der chinesischen Stadt Wuhan der Sechziger- bis Achtzigerjahre, vergiftet nicht nur durch die Enge der dreizehn Quadratmeter, auf denen sich elf Personen drängeln, sondern auch durch die eigene Gewalt und Erbarmungslosigkeit, denen sie nicht entrinnen zu können scheinen. Doch die Handlung steuert zugleich auf ein moralisches Zentrum jenseits dieses Sozialrealismus zu. Im Mittelpunkt steht "Bruder Sieben", das namenlose jüngste Kind der Familie, das in deren Hackordnung an unterster Stelle steht. Wegen des Platzmangels muss Bruder Sieben unter dem Bett der Eltern schlafen, und von seinem Vater, einem stämmigen Dockarbeiter mit engen Verbindungen zu einer mafiösen Bruderschaft, wird er regelmäßig so verprügelt, dass sich Maden in seinen fauligen Wunden einnisten.
Dieser Bruder Sieben, der vor lauter Einschüchterung kaum den Mund aufmacht, wechselt dann aber zur allgemeinen Überraschung in eine ganz andere Sphäre über: In den Achtzigerjahren wird er ein mittelhoher Parteikader mit randloser Brille und einem Flair höflicher Zurückhaltung. Nachdem er die obligate Landverschickung während der Kulturrevolution in einem einsamen Bergdorf verbracht hatte und danach an der Peking-Universität studieren durfte, trifft er für sich eine folgenschwere Entscheidung: Sein Lebensziel soll die Veränderung seines Schicksals sein. Mit dieser Entschlossenheit bringt er es fertig, seine Verlobte, die er liebt, um der Tochter eines hohen Funktionärs willen zu verlassen und ihr bei einem gemeinsamen Besuch der Baracke, in der er groß geworden ist, zu eröffnen: "Zu achtzig Prozent ist meine Wahl auf dich wegen des Einflusses gefallen, den dein Vater hat. Ich brauche deinen Vater als Brückenpfeiler zu meinem Ziel."
Wütend gibt sie ihm eine Ohrfeige, kehrt aber später zu ihm zurück - weil sie keine Kinder bekommen kann, hat sie im damaligen China sonst keine Möglichkeit, einen Mann zu finden. Das Kalkül von Bruder Sieben erscheint hier nicht einfach als banaler Opportunismus, sondern angesichts seines hoffnungslosen Herkommens schon fast wie eine höhere Moral: "Andernfalls wäre ihm die Welt etwas schuldig geblieben, und seine Seele würde nach dem Tod keine Ruhe finden." Mit seinem Funktionärsposten erhält das frisch verheiratete Paar eine schöne große Wohnung; erst jetzt versteht man so richtig den Titel des Romans, "Glänzende Aussicht", in seinem ganzen Sarkasmus. Von heute aus kann man ihn als eine Parabel auf den Aufstieg Chinas lesen, der damals erst seinen Anfang nahm.
Dies alles wird mit einer Lakonie erzählt, der gleichzeitig das Kunststück gelingt, nicht kalt, sondern warmherzig zu sein. Das schafft sie durch den dramaturgischen Kniff, dass der Erzähler der bereits früh verstorbene Bruder Acht ist, der das Geschehen von seinem kleinen Grab vor der Baracke aus verfolgt. So kann er die Brutalität dieser sich unentwegt anschreienden und schlagenden Familie von außen betrachten und als Familienmitglied zugleich von innen, sie als etwas Selbstverständliches, Unabänderliches hinnehmen, was all den Schrecken zugleich etwas Komisches gibt. Für die Handlung hat dieser Einfall der aus dem Grab dringenden Erzählstimme allerdings keine Funktion. Es ist, als habe sich die Autorin Fang Fang zwischen den beiden Mitte der Achtzigerjahre in China aufeinandertreffenden Schreibstrategien nicht recht entscheiden können - zwischen dem Realismus der die Gräuel der Kulturrevolution aufarbeitenden "Narbenliteratur" und dem damals nach dem Vorbild lateinamerikanischer Autoren aufkommenden magischen Realismus, der für Schriftsteller wie Mo Yan oder Yu Hua charakteristisch werden sollte.
Fang Fang ist in China schon mit diesem Erstling bekannt geworden, im Westen aber erst mit ihrem "Wuhan-Diary" aus Corona-Zeiten, durch dessen Ehrlichkeit sie den Zorn der Behörden erregte. Die Jahre, in denen "Glänzende Aussicht" spielt, war eine Zeit extremer Turbulenzen: von der großen Hungersnot über die Kulturrevolution und den Richtungswechsel nach Maos Tod bis hin zu den Anfängen des durch Deng Xiaoping entfesselten Kapitalismus. Bezeichnend für die Kunst dieses so schlicht daherkommenden Romans ist, dass diese aus den Geschichtsbüchern bekannten Eckdaten und Begriffe in ihm gar nicht vorkommen, umso mehr aber deren dramatische Auswirkungen auf die Menschen ganz unten. Michael Kahn-Ackermann, der frühere Direktor des Goethe-Instituts in China, der nun schon das vierte Buch von Fang Fang souverän und mit viel Gespür für atmosphärische Zwischentöne übersetzt hat, hält das in seinem Nachwort für plausibel; die Partei- und Staatsinstitutionen seien für viele Chinesen so fern wie höhere Schicksalsmächte: "Man unterwirft sich ihren Anordnungen, aber versucht nach Möglichkeit, den Umgang mit ihnen zu vermeiden."
Am Ende werden zwei der Brüder "Privatunternehmer" und verkaufen mit wechselndem Erfolg T-Shirts auf der Straße. Die Baracken werden abgerissen, um modernen Hochhäusern Platz zu machen. Der Roman hört auf, wie er begonnen hat: mit Spruchweisheiten wie bei Konfuzius, dessen Sentenzen regelmäßig mit der Formel "Der Meister sprach" eingeleitet werden. Hier nun heißt es "Bruder Sieben sagt", aber was dann folgt, unterscheidet sich sehr von der Geradheit und Ordnung, die der alte Meister dem Leben zuweist: "Erst, wenn du alles auf der Welt, einschließlich die Welt selbst, als völlig wertlos erkannt hast, erlebst du, dass dein Leben seinen Reiz entfaltet, erst dann kannst du dich frei und unbeschwert auf der Straße des Lebens auf und ab bewegen." Indem der listige kleine Roman diesen Zynismus verständlich macht, gelingt es ihm zugleich, ihn zu bannen. MARK SIEMONS
Fang Fang: "Glänzende Aussicht". Roman.
Aus dem Chinesischen von Michael Kahn-Ackermann. Hoffmann und Campe, Hamburg 2024. 176 S., geb., 24,- Euro.
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.