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Auftritt: Tabor Süden, der unbegreifliche Typ, der zunächst als Polizeibeamter, dann als Privatdetektiv sich zum vielerfahrenen und vielerleidenden Spezialisten für Vermissungen, vulgo: für Vermisstenfälle entwickelte. Eigentlich wollte er seine Ermittlertätigkeit nie wieder aufgreifen, nachdem beim letzten Fall ein Mitarbeiter der Detektei das Leben verloren hatte.
Wie eine aus dem Leben gefallene Erscheinung taucht er dennoch plötzlich am Münchner Hauptbahnhof wieder auf - jedoch nur um aus München für immer zu verschwinden, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden. Ziel und Zukunft:
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Produktbeschreibung
Auftritt: Tabor Süden, der unbegreifliche Typ, der zunächst als Polizeibeamter, dann als Privatdetektiv sich zum vielerfahrenen und vielerleidenden Spezialisten für Vermissungen, vulgo: für Vermisstenfälle entwickelte. Eigentlich wollte er seine Ermittlertätigkeit nie wieder aufgreifen, nachdem beim letzten Fall ein Mitarbeiter der Detektei das Leben verloren hatte.

Wie eine aus dem Leben gefallene Erscheinung taucht er dennoch plötzlich am Münchner Hauptbahnhof wieder auf - jedoch nur um aus München für immer zu verschwinden, ohne sich von irgendjemandem zu verabschieden. Ziel und Zukunft: Solche Begriffe liegen für Tabor Süden außerhalb seines Begriffsvermögens. Die Chefin, die meint, ihn zurückhalten zu können mit einem Auftrag der besonderen Art, weiß, dass er den Bahnhof als Startplatz ins Verschwinden nutzt, trifft ihn dort und bringt ihn dazu, sich, zum allerallerletzten Mal, auf Personensuche zu machen.

Vielleicht stimmt Süden nur zu, weil ihm nach kurzer Zeit klar wird: Wenn er den Vermissten aufspürt, wird er dem eigenen Spiegelbild begegnen. Dieser Cornelius Hallig schreibt unter dem Pseudonym Georg Ulrich Romane. Er schrieb Kriminalromane, eine Zeitlang war er sogar eine Berühmtheit, allerdings nicht für immer, und nicht für lange. Er lebte mit seiner Mutter in einem Münchner Hotel, sie starb, er versuchte unablässig in seinem Genre weiter zu tun. Und verschwindet, ohne sich zu verabschieden. Aufenthaltsort: natürlich unbekannt.

Friedrich Ani führt in seinem neuen, an Finsternis nicht zu überbietenden Roman die Lebensläufe des Detektivs und des Autors parallel: Beide versuchen, jeder auf seine Weise, den Tod zu betrügen und eine Zeitlang die Finsternis zu überwinden, die ihnen seit jeher vertraut war. Ihre Erfahrungen, wie sie in den prägnanten, durchdringenden Szenen und Dialogen geschildert werden, lassen nicht den leisesten Hoffnungsschimmer aufkommen. Selbst Pessimismus wird von Ani entlarvt als kaum verschleierter Optimismus. Trotzdem vermag der Roman, durch Empathie, selbst den Fatalismus erträglich zu gestalten.

Bleibt die Frage: Werden sich der Vermisstensucher und der Vermisste, beide verloren für diese Welt, begegnen? Und wie könnte das ausgehen?
Autorenporträt
Friedrich Ani, geboren 1959, lebt in München. Er schreibt Romane, Gedichte, Jugendbücher, Hörspiele, Theaterstücke und Drehbücher. Sein Werk wurde mehrfach übersetzt und vielfach prämiert, u. a. mit dem Deutschen Krimipreis, dem Crime Cologne Award, dem Stuttgarter Krimipreis, dem Adolf-Grimme-Preis und dem Bayerischen Fernsehpreis. Friedrich Ani ist Mitglied des PEN-Berlin.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 01.10.2018

Die Vermissung der Welt

Wenn es dunkel ist, ist es niemals ganz dunkel: Friedrich Ani verbeugt sich in aller Schwärze vor einem Vorbild.

Eigentlich, ja eigentlich war Schluss mit Süden. Nach neunzehn Romanen. Aber nun taucht der ehemalige Polizist, Vermissten-Fahnder und nun auch eigentlich ehemalige Privatdetektiv Tabor Süden doch noch einmal auf, und zwar am Münchner Hauptbahnhof. Der Spezialist für "Vermissung" will gerade aus der Geschichte aussteigen. Er hat eine leere Wohnung inklusive Handy hinterlassen, als ihn bei der Zuganzeige seine ehemalige Arbeitgeberin Edith Liebergesell abfängt. "Ich wusste es", sagt sie. Dass er einen Zug nehmen würde, um endgültig zu verschwinden.

Als sie ihm den Auftrag schildert, den sie im Begriff ist anzunehmen - ein ehemals erfolgreicher Kriminalschriftsteller, der in einem derangierten Hotel lebt, ist seit ein paar Tagen abgängig, der Hotelier macht sich Sorgen - willigt Süden überraschend sein. "Unbedingt", sagt er, wohl auch ein wenig sich selbst überrumpelnd.

Derweil ist jener Cornelius Hallig, der sich als Autor Georg Ulrich nennt, im Osten Münchens abgetaucht. Er beobachtet das verwahrloste Haus, in dem einst seine Mutter als Schneiderin arbeitete. Die Mutter, die ihn allein großzog, bei der er blieb auch als Erwachsener. In einem Wintermantel steht Hallig in der Julihitze in Zamdorf, nördlich der Autobahn, die Richtung Passau führt. In einem Dreieck zwischen der Eggenfeldener Straße, der Friedrich-Eckart-Straße, benannt nach einem Konservenfabrikanten, und der Emin-Pascha-Straße, benannt nach dem deutschen Afrikaforscher Eduard Schnitzer. Wo einst Dorf war, franst heute hier die große Stadt aus, unentschieden, was sie sein will, ein Gelände ohne Haltepunkte.

Aufgelöst haben sich längst auch Halligs menschliche Beziehungen. Nach dem Tod der Mutter, die mit ihm im Hotel gelebt hatte, gibt es nur noch eine Tante in Schwabing, aber das ist eine ganz andere Welt. Berührung hat Hallig nurmehr mit dem Hotelpersonal. Er sieht aus wie siebzig, ist obendrein krank, verweigert aber jeden Arztbesuch. Geplagt von den stechenden Schmerzen eines offenen Beins, abgemagert, eine Hülle von Mensch, ein "getriebener Schatten, der den Abend nicht erwarten kann", hat Hallig/Ulrich nur noch ein Ziel.

Der ihn sucht, ist ihm so ähnlich, dass er bald weiß, wo er zu suchen hat. Halligs Lektorin hat eine Biographie über Georg Ulrich geschrieben, der eine ganze Weile recht erfolgreich als Kriminalschriftsteller war - Verfilmungen; Hörspiele, Übersetzungen. Seine Biographie hat er nicht angefasst, stattdessen hortet er eine Pistole, von der niemand weiß. Nachdem Süden das Manuskript gelesen, die Autorin und das Hotelpersonal vernommen und Witterung aufgenommen hat, folgt er antizipatorisch den Bewegungen Halligs.

Auf staubtrockenen hundertvierzig Seiten führt Ani die beiden Geistesverwandten aufeinander zu, dass es einem rabenschwarz ums Gemüt werden könnte. Aber da ist noch eine Ebene, die von Bedeutung ist. Das Buch ist eine Hommage an den amerikanischen Schriftsteller, der als Vater der Schwarzen Serie mehr Legende denn vielgelesener Autor ist, die Diogenes-Ausgabe ist längst nurmehr antiquarisch zu finden: Cornell George Hopley-Woolrich (1903 bis 1968). Er schrieb unter den Namen Cornell Woolrich und zwei weiteren Pseudonymen maßgebliche Bücher und Kurzgeschichten, die später durch ihre Verfilmungen Weltruhm erlangten (am bekanntesten Hitchcocks "Das Fenster zum Hof", Truffauts "Die Braut trug schwarz", "Walzer in die Dunkelheit").

Ani hat zum fünfzigsten Todestag ein Gedenkblatt über Woolrich verfasst, das man auf culturmag.de findet. Im Roman ist Woolrich omnipräsent: Er lebte, wie Anis Antiheld Hallig, die längste Zeit seines kurzen Lebens mit seiner Mutter in Hotels. Das Pseudonym Georg Ulrich ist eine Verbeugung vor Cornell Woolrich, ein Zitat aus dessen nicht übersetzter Autobiographie "Blues Of A Lifetime", in der er sich als "ein Narr und seine Maschine" charakterisierte, gibt dem Roman den Titel. Auf ein Whodunit verzichtet Friedrich Ani ebenso, wie er im Finale die Gepflogenheiten des Genres unterläuft, so als wolle sich der Autor abwenden, um allein zu sein mit seiner Schattentraurigkeit.

Dass es Ani schafft, in dieser dunklen Seelenwelt unter dezentem Einsatz religiöser Motive ein paar menschenfreundliche Lichter anzuzünden, nimmt den Leser für die Weltabgewandtheit seiner beiden Leidensmänner, die das Lächeln verlernt haben, ein.

HANNES HINTERMEIER

Friedrich Ani: "Der Narr und seine Maschine". Ein Fall für Tabor Süden.

Suhrkamp Verlag, Berlin 2018. 143 S., geb., 18,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Perlentaucher-Notiz zur ZEIT-Rezension

Alexander Cammann ist gnädig. Wenn Friedrich Ani seinen Privatdetektiv Tabor Süden beim Aussteigeversuch auf einen anderen Aussteiger treffen bzw. diesen suchen lässt, einen Krimiautor auch noch, befürchtet der Rezensent schon Sinnfragen von jenseits der Lebensmitte. Bei Ani aber gesellen sich geschickter Schnitt und barocker Sprachexistenzialismus hinzu, bei Süden routinierte Intuition, frohlockt der Rezensent. Weniger maniriert als witzig und virtuos, so sein Urteil.

© Perlentaucher Medien GmbH
»So gott- und weltverlassen sind die, über die Friedrich Ani in gemessenen, schlanken, berührenden Sätzen einen um den anderen Kriminalroman schreibt. ... Er macht nicht viele Worte, aber es sind immer die richtigen.« Sylvia Staude Frankfurter Rundschau 20181020