Weil sie einen Vorgesetzten der Korruption überführt und einem Gangster die Kronjuwelen weggeschossen hat, ist Staatsanwältin Chastity Riley jetzt Opferschutzbeauftragte und damit offiziell kaltgestellt. Privat gibt es auch keinen Trost: Ihr ehemaliger Lieblingskollege setzt vor lauter Midlife-Crisis zum großen Rachefeldzug an, während ihr treuester Verbündeter bei der Kripo knietief im Liebeskummer versinkt. Da ist es fast ein Glück, dass zu jedem Opfer ein Täter gehört.
Das Opfer ist ein Mann ohne Namen, der übel zugerichtet in ein Krankenhaus im Hamburger Osten eingeliefert wird. Alles sehr professionell gemacht, der klassische Warnschuss. Riley gewinnt nach und nach sein Vertrauen. Bei zwei bis acht Bier auf der Krankenstation nennt er ihr schließlich einen Namen. Nicht seinen, aber es ist eine Spur, und die führt nach Leipzig. Dort findet Riley einen Verbündeten und viel zu viele synthetische Drogen. Als ihr klar wird, wer hinter der Sache steckt, sieht sie ihre Chance, endlich einen der ganz großen Fische dingfest zu machen.
"Nur fürs Protokoll: Dies ist eine höchst seltsame Nacht. Und seltsame Nächte sind immer eine Ankündigung."
Das Opfer ist ein Mann ohne Namen, der übel zugerichtet in ein Krankenhaus im Hamburger Osten eingeliefert wird. Alles sehr professionell gemacht, der klassische Warnschuss. Riley gewinnt nach und nach sein Vertrauen. Bei zwei bis acht Bier auf der Krankenstation nennt er ihr schließlich einen Namen. Nicht seinen, aber es ist eine Spur, und die führt nach Leipzig. Dort findet Riley einen Verbündeten und viel zu viele synthetische Drogen. Als ihr klar wird, wer hinter der Sache steckt, sieht sie ihre Chance, endlich einen der ganz großen Fische dingfest zu machen.
"Nur fürs Protokoll: Dies ist eine höchst seltsame Nacht. Und seltsame Nächte sind immer eine Ankündigung."
buecher-magazin.deIn Hamburg ist so einiges blau. Das Wasser, wenn die Sonne darauf scheint, und ebenso oft die trinkfeste Staatsanwältin Chastity ("Chas") Riley, die aber auch in verkatertem Zustand noch ziemlich tough ist. "Blaue Nacht" heißt außerdem die Bar ihres Nachbarn und Gelegenheitsliebsten Klatsche, der in diesem Buch ein bisschen von seiner nicht ganz lupenreinen Vergangenheit eingeholt wird. Das allerdings nur am Rande; hauptsächlich ist die bei der Oberstaatsanwaltschaft in Ungnade gefallene Chastity damit beschäftigt, die Identität eines anonym im Krankenhaus eingelieferten, übel zusammengeschlagenen Patienten herauszufinden. Der große, ebenfalls sehr trinkfeste Mann mit dem österreichischen Zungenschlag nimmt gern das Bier der Staatsjuristin an, will jedoch nicht sagen, wer er ist. Das hat gute Gründe, denn wenn es um das organisierte Verbrechen und den internationalen Drogenhandel geht, hält man sich besser gut bedeckt. - Und nicht weil das alles wahnsinnig actionreich wäre, oder antörnend blutig oder so, nein, sondern weil Simone Buchholz einfach sehr, sehr gut schreibt, dabei immer milieusicher, atmosphärisch souverän und voller Empathie mit ihren Figuren erzählt, liest sich das alles weg wie nichts, bis man eben fertig damit ist. Schade, schon vorbei!
© BÜCHERmagazin, Katharina Granzin (kgr)
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 09.05.2016Großen Sauereien auf der Spur
Krimis in Kürze: Sally McGrane, Simone Buchholz und Donald E. Westlake
Reden wir doch mal übers Schreiben, lassen wir die labyrinthischen Plots, die logischen Löcher, die Realismus-Frage beiseite. Reden wir einfach darüber, wie ein Text klingt, über die spezifische Färbung der Prosa. Das ist bei Kriminalromanen nicht ganz so leicht, weil viele Autoren glauben, dass ein halbwegs origineller Ermittler und eine spannende Handlung schon ausreichten. Und deshalb freut man sich über ein Debüt wie das von Sally McGrane. Die Amerikanerin, die seit mehr als zehn Jahren in Berlin lebt und ein Faible für Russland hat, war bisher eine gute Journalistin, die für den "New Yorker" und andere renommierte Medien schreibt. Nun ist sie auch eine Romanautorin, von der man sich etwas erhofft. Ihr Debüt "Moskau um Mitternacht" (Europa Verlag, 312 S., geb., 17,99 [Euro]) hat dieses gewisse Etwas, diesen Ton, der einen sofort spüren lässt, dass die Dinge nicht den erwarteten Verlauf nehmen werden.
Der aussortierte CIA-Mann Max Rushmore soll in Moskau noch eine Routinesache abwickeln: den Nachlass einer verstorbenen Expertin für Nuklearabfall. Natürlich bleibt es nicht dabei. An den kleinen Beobachtungen, den lakonisch hingetupften Details merkt man, dass Sally McGrane sich in dieser Welt auskennt. Die Objekte ihrer Reportagen bleiben nicht bloße Versatzstücke - "Postfachstädte" aus Sowjetzeiten für Waffenentwicklung, ein sibirischer Stamm, der die Zeit für eine Landschaft hält, in der man sich vor und zurück bewegen kann, die geheimen U-Bahnen für die Parteibonzen in Moskau; all das wird durch Sprache und Komposition, durch das Changieren zwischen dem Erfundenen und dem, was nur erfunden scheint, zum besonderen Gewebe, das diesen Roman ausmacht.
Rushmores Weg durch Russland wirkt mitunter so, als hätte sich David Lynch von Andrei Tarkowski inspirieren lassen, um ein Land zu zeigen, das jenseits der klaren politischen Fronten erst einmal entdeckt und entziffert sein will. Sally McGrane liebt die kleinen Abschweifungen und Vignetten aus dem Alltag. Sie weiß, dass scheinbare Redundanz bereichernd sein kann, sie schreibt schnell und pointiert, und ihre Dialoge verraten ein gutes Ohr. Dieses Buch muss man gar nicht mit le Carré oder Forsyth vergleichen. Es steht sehr entspannt auf eigenen Füßen.
Von Simone Buchholz weiß man ja schon, dass sie nicht diese Vorabendgeschichten mit viel Lokalkolorit in leicht gehobenem Gebrauchsanweisungsdeutsch schreibt. In ihren Büchern um die Staatsanwältin mit dem hübschen Namen Chastity Riley schlägt das Herz von St. Pauli, und auch in "Blaue Nacht" (Suhrkamp Taschenbuch, 238 S., br., 14,99 [Euro]) heißen einige Ermittler wie Spieler des FC St. Pauli. Aber Buchholz ist zu smart, um es beim Kiezkolorit zu belassen. Der lässige, knappe Ton, der nie anbiedernd oder zu schnoddrig und pointenfixiert ist, macht die Geschichten charmant und interessant, obwohl die genreüblichen Spannungszutaten meist gar nicht so aufregend sind.
Das gilt auch für Chas' mittlerweile sechsten Auftritt, bei dem ein Patient mit lauter zerschlagenen Knochen sich als stiller Killer erweist und die Ermittler auf die Spur großer Sauereien führt. Aber Simone Buchholz hat einen eleganten Einfall, wie man hier die Grenzen der Ich-Erzählung überwindet. Am Ende jedes Kapitels stehen die Namen zentraler Figuren, in Rückblenden und in erkennbar eigener Tonlage trägt jeder durch seine kurzen Aussagen zur Erzählung bei. Wenn man etwas einwenden kann gegen dieses Buch, dann bloß, dass die Geschichte zu viele Details aus den Vorgängerromanen voraussetzt.
Bei Donald E. Westlake, mindestens genauso bekannt unter dem Pseudonym Richard Stark, gibt es nichts zu mäkeln. Der Mann gehört zum Kanon, und wenn jetzt, acht Jahre nach seinem Tod, ein Buch wieder aufgelegt wird, muss man das erwähnen, weil es die erste vollständige Übersetzung ist. "Fünf schräge Vögel" (Atrium Verlag, 288 S., geb., 19,99 [Euro]) heißt im Original "The Hot Rock", im Deutschen taufte man es damals "Finger weg von heißem Eis"; der Film, der 1972, zwei Jahre nach Erscheinen, entstand, wurde dann, weil das Drehbuch eine Romanfigur gestrichen hatte, "Vier schräge Vögel" genannt. Das ist der Fluch der törichten Tat.
Robert Redford spielte auf jeden Fall den Gauner John Archibald Dortmunder. Der Name, behauptet Westlake, verdanke sich dem einzigen Barbesuch seines Lebens, bei dem ihm hinterm Tresen eine Leuchtreklame für "DAB - Dortmunder Actien-Brauerei" erschien. Die ins Aberwitzige driftende Geschichte hat die Jahre bestens verkraftet. Die Idee vom großen Smaragdraub in New York, der fünfmal gelingt und doch zugleich scheitert, ist immer noch großartig. Ein denkwürdiges Dortmunder-Debüt war das - dem dreizehn weitere (meist unübersetzte) Romane mit dem Berufsgauner folgten.
PETER KÖRTE
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Krimis in Kürze: Sally McGrane, Simone Buchholz und Donald E. Westlake
Reden wir doch mal übers Schreiben, lassen wir die labyrinthischen Plots, die logischen Löcher, die Realismus-Frage beiseite. Reden wir einfach darüber, wie ein Text klingt, über die spezifische Färbung der Prosa. Das ist bei Kriminalromanen nicht ganz so leicht, weil viele Autoren glauben, dass ein halbwegs origineller Ermittler und eine spannende Handlung schon ausreichten. Und deshalb freut man sich über ein Debüt wie das von Sally McGrane. Die Amerikanerin, die seit mehr als zehn Jahren in Berlin lebt und ein Faible für Russland hat, war bisher eine gute Journalistin, die für den "New Yorker" und andere renommierte Medien schreibt. Nun ist sie auch eine Romanautorin, von der man sich etwas erhofft. Ihr Debüt "Moskau um Mitternacht" (Europa Verlag, 312 S., geb., 17,99 [Euro]) hat dieses gewisse Etwas, diesen Ton, der einen sofort spüren lässt, dass die Dinge nicht den erwarteten Verlauf nehmen werden.
Der aussortierte CIA-Mann Max Rushmore soll in Moskau noch eine Routinesache abwickeln: den Nachlass einer verstorbenen Expertin für Nuklearabfall. Natürlich bleibt es nicht dabei. An den kleinen Beobachtungen, den lakonisch hingetupften Details merkt man, dass Sally McGrane sich in dieser Welt auskennt. Die Objekte ihrer Reportagen bleiben nicht bloße Versatzstücke - "Postfachstädte" aus Sowjetzeiten für Waffenentwicklung, ein sibirischer Stamm, der die Zeit für eine Landschaft hält, in der man sich vor und zurück bewegen kann, die geheimen U-Bahnen für die Parteibonzen in Moskau; all das wird durch Sprache und Komposition, durch das Changieren zwischen dem Erfundenen und dem, was nur erfunden scheint, zum besonderen Gewebe, das diesen Roman ausmacht.
Rushmores Weg durch Russland wirkt mitunter so, als hätte sich David Lynch von Andrei Tarkowski inspirieren lassen, um ein Land zu zeigen, das jenseits der klaren politischen Fronten erst einmal entdeckt und entziffert sein will. Sally McGrane liebt die kleinen Abschweifungen und Vignetten aus dem Alltag. Sie weiß, dass scheinbare Redundanz bereichernd sein kann, sie schreibt schnell und pointiert, und ihre Dialoge verraten ein gutes Ohr. Dieses Buch muss man gar nicht mit le Carré oder Forsyth vergleichen. Es steht sehr entspannt auf eigenen Füßen.
Von Simone Buchholz weiß man ja schon, dass sie nicht diese Vorabendgeschichten mit viel Lokalkolorit in leicht gehobenem Gebrauchsanweisungsdeutsch schreibt. In ihren Büchern um die Staatsanwältin mit dem hübschen Namen Chastity Riley schlägt das Herz von St. Pauli, und auch in "Blaue Nacht" (Suhrkamp Taschenbuch, 238 S., br., 14,99 [Euro]) heißen einige Ermittler wie Spieler des FC St. Pauli. Aber Buchholz ist zu smart, um es beim Kiezkolorit zu belassen. Der lässige, knappe Ton, der nie anbiedernd oder zu schnoddrig und pointenfixiert ist, macht die Geschichten charmant und interessant, obwohl die genreüblichen Spannungszutaten meist gar nicht so aufregend sind.
Das gilt auch für Chas' mittlerweile sechsten Auftritt, bei dem ein Patient mit lauter zerschlagenen Knochen sich als stiller Killer erweist und die Ermittler auf die Spur großer Sauereien führt. Aber Simone Buchholz hat einen eleganten Einfall, wie man hier die Grenzen der Ich-Erzählung überwindet. Am Ende jedes Kapitels stehen die Namen zentraler Figuren, in Rückblenden und in erkennbar eigener Tonlage trägt jeder durch seine kurzen Aussagen zur Erzählung bei. Wenn man etwas einwenden kann gegen dieses Buch, dann bloß, dass die Geschichte zu viele Details aus den Vorgängerromanen voraussetzt.
Bei Donald E. Westlake, mindestens genauso bekannt unter dem Pseudonym Richard Stark, gibt es nichts zu mäkeln. Der Mann gehört zum Kanon, und wenn jetzt, acht Jahre nach seinem Tod, ein Buch wieder aufgelegt wird, muss man das erwähnen, weil es die erste vollständige Übersetzung ist. "Fünf schräge Vögel" (Atrium Verlag, 288 S., geb., 19,99 [Euro]) heißt im Original "The Hot Rock", im Deutschen taufte man es damals "Finger weg von heißem Eis"; der Film, der 1972, zwei Jahre nach Erscheinen, entstand, wurde dann, weil das Drehbuch eine Romanfigur gestrichen hatte, "Vier schräge Vögel" genannt. Das ist der Fluch der törichten Tat.
Robert Redford spielte auf jeden Fall den Gauner John Archibald Dortmunder. Der Name, behauptet Westlake, verdanke sich dem einzigen Barbesuch seines Lebens, bei dem ihm hinterm Tresen eine Leuchtreklame für "DAB - Dortmunder Actien-Brauerei" erschien. Die ins Aberwitzige driftende Geschichte hat die Jahre bestens verkraftet. Die Idee vom großen Smaragdraub in New York, der fünfmal gelingt und doch zugleich scheitert, ist immer noch großartig. Ein denkwürdiges Dortmunder-Debüt war das - dem dreizehn weitere (meist unübersetzte) Romane mit dem Berufsgauner folgten.
PETER KÖRTE
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Perlentaucher-Notiz zur WELT-Rezension
Rezensent Elmar Krekeler liebt die Vergespensterung a la Simone Buchholz. Die Autorin betreibt ihren Beruf mit einem Faible für Härte und Nebel, in welch letzterem sie bevorzugt Szenestorys aufscheinen lässt. St. Pauli lässt grüßen. Weitgespannte Bögen, Helden und Subhelden machen die Lektüre zwar nicht immer einfach, gibt Krekeler zu, doch wer dranbleibt, wird belohnt, meint er. Mit knochentrockenen Bildern, poetisch, liebevoll und verstörend. Zudem mit einer Staatsanwältin und Ermittlerin (hier: kaltgestellt), die Krekeler nicht missen möchte.
© Perlentaucher Medien GmbH
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"... er [ist] durchaus liebenswert, dieser Krimi, in dem mehr getrunken als ermittelt wird"
Juliane Liebert, Süddeutsche Zeitung 12.04.2016
Juliane Liebert, Süddeutsche Zeitung 12.04.2016
»Frech, witzig und ein wenig melancholisch. Simones bisher bester.« DIE ZEIT 20160602