Der irische Autor Roddy Doyle gewann 1993 mit seinem Werk „Paddy Clarke Ha ha ha“ einen der wichtigsten englischsprachigen Preise, den Booker Prize und jetzt liegt er in neuer Übersetzung auf Deutsch vor. Ein Coming-of-Age-Roman, der von einer Kindheit in Dublin berichtet, von Freundschaft,
Rivalität und Gemeinschaft, aber auch Kampf, Verrat, Spiel und Gefahr und dem langsamen, schwierigen und…mehrDer irische Autor Roddy Doyle gewann 1993 mit seinem Werk „Paddy Clarke Ha ha ha“ einen der wichtigsten englischsprachigen Preise, den Booker Prize und jetzt liegt er in neuer Übersetzung auf Deutsch vor. Ein Coming-of-Age-Roman, der von einer Kindheit in Dublin berichtet, von Freundschaft, Rivalität und Gemeinschaft, aber auch Kampf, Verrat, Spiel und Gefahr und dem langsamen, schwierigen und schmerzhaften Prozess des Erwachsenwerdens.
Im Zentrum stehen Patrick Clarke, der ältere Bruder einer sechsköpfigen irischen Familie, und seine Freunde, mit denen ihn die vielen alltäglichen Abenteuer, Streiche, Machtkämpfe und die Lust an Verbotenem verbinden. Mit besonderem Vergnügen wird der jüngere Bruder Sinbad / Francis gequält. Viele Überlegungen analysieren aus Kinderperspektive das Verhältnis zwischen den beiden Brüdern, changierend zwischen Liebe und Hass, Vertrauen und Neid. „Er war großartig und ich wollte ihn umbringen“, so Paddy über seinen Bruder, der überraschende Fähigkeiten beim Fußball zeigt.
Generell ist diese Darstellung des 10-jährigen Paddys überraschend, erstaunlich, wie naiv er einerseits wirkt und wie "durchtrieben" er andererseits agiert. Er macht sich Gedanken über das Fegefeuer und die Wirkung der Beichte, dann ist aber auch die Gewalt gegenüber den Kleineren Thema, besonders seinem Bruder gegenüber. Ohne Gewissensbisse oder Schuldgefühle werden verwerfliche Dinge getan, werden die Schwächeren ausgenutzt und drangsaliert. Es ist trotz der Brutalität entwaffnend, wie unzensiert und ohne moralische Beurteilung diese Verhaltensweisen in vielen kleinen Anekdoten und Erzählungen beschrieben werden.
Die Atmosphäre wirkt schon zu Beginn aufgrund der detaillierten Schilderungen von Gewalt und Aggressivität dicht und bedrohlich, wie ein Damoklesschwert, das über dem Familienalltag hängt. Paddy ist stolz auf seinen großen Vater, möchte so stark und selbstbewusst sein, wie er, glaubt auch dessen Gewalt und Übermacht den Kindern gegenüber zu verstehen und rechtfertig sie. Im Laufe des Romans dreht sich diese Sichtweise allerdings und die beiden Brüder erleben den Vater als unberechenbar und gewalttätig der geliebten, schwachen Mutter gegenüber. Sie sind voller Sorgen, fühlen sich der Situation aber machtlos ausgeliefert und versuchen auf ihre Weise das Verhältnis der Eltern zu beeinflussen und die Mutter zu schützen.
Hier wird ein alltägliches Drama voller Komik, Alltagswitz, aber auch Schmerz und Tragik gezeichnet. Die Kinder geben die erlebte Gewalt weiter, sehnen sich gleichzeitig nach Nähe und Geborgenheit - ein starkes, ungefiltertes Bild Irlands Ende des letzten Jahrhunderts, das sprachlich authentisch und direkt ist, voller wunderbarer Dialoge, die amüsieren, erstaunen und berühren und die Protagonisten zum Leben erwecken.
Hoffen wir, dass Paddy und Sindbad aus dem Dilemma entkommen können und ihre eigene Zukunft eine Chance auf Glück und Selbstbestimmung erhält.