"Orte können wechseln, das wahre Zuhause ist dein Körper", sagt die Künstlerin Marina Abramovic. Dennoch fühlt sich nicht jeder Körper an jedem Ort zu Hause. Manchen sind die Berge ein Graus; andere fürchten das Meer eher, als dass sie es lieben; Moor und Heide sind auch nicht jedermanns Geschmack. Machen Feld und Wiese alle Menschen glücklich? Oder die Flüsse mit ihrem hohen Symbolgehalt? Und natürlich der Wald, das germanische Urgestrüpp, seit die Römer frech geworden. Was dem einen sein Idyll und Seelentröster, ist dem anderen die Vorhölle. Wie die Bedeutung der Landschaft sich entwickelte, erkundet die ungemein belesene Susanne Wiborg in diesem klugen Buch, das aus historischen und naturkundlichen Quellen schöpft und literarische Stimmen von Goethe bis Marlitt, Tucholsky bis Bachmann zu den heimischen Landschaften und ihrer prägenden Atmosphäre zitiert. In vorindustrieller Zeit wappnete man sich gegen die Natur, die sowieso tat, was sie wollte: das ungnädige Moor, das unbeeindruckte Meer ("verschmutzen geht immer, verändern nicht"). Als Feldmark wurde Landschaft genutzt und respektiert; verklärt wurde sie erst in der Romantik, "doitsch" erst durch Ideologisierung, großflächig zerstört in denkbarer Zeit. Starke Worte findet Wiborg da zum Thema Wolf, dem Fetisch eines idealisierenden Naturschutzes und Überlebenskünstler, der Weidetiere, die eine gewachsene, artenreiche Kulturlandschaft erhalten, meuchelt. Soweit sei die Sehnsucht nach heiler Natur gediehen, dass einer, der an jedem Autobahnkreuz zurecht käme, zum "Ablasstier für unsere kollektiven Umweltsünden" mutierte. Der Wolf, so Wiborg, sollte sich hier lieber nicht zu Hause fühlen. letz
"Der glückliche Horizont - Was uns
Landschaft bedeutet" von Susanne Wiborg, Verlag Antje Kunstmann, München 2023.
360 Seiten. Gebunden, 25 Euro.
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