Ausgangspunkt dieser Arbeit ist die Frage nach der Existenz des französischen naturalistischen Theaters, da es kaum in literarischen Referenzwerken genannt wird. André Antoine (1858-1943), ein Theateramateur und Autodidakt, bemühte sich als einziger um die praktische Umsetzung der Forderungen Emile Zolas nach einem wahrheitsgetreuen und realistischen Theater. An seinem Théâtre Libre (1887-1894), seiner "freien Bühne", ließ Antoine insgesamt 86 Texte junger und damals zum Teil noch unbekannter Autoren aufführen. Bei der Analyse des Repertoires ergab sich, daß die Familie als Handlungsträger in den meisten Fällen den Ausgangspunkt des Geschehens bildet. Neben dem Bürgertum hält auch der vierte Stand Einzug in die Dramaturgie. Die zunehmende dargestellte Grausamkeit ermüdet jedoch das Publikum, so daß auch die anfangs euphorischen Rezensenten sich vom Projekt Antoines immer mehr distanzieren. Schließlich ist die schlechte finanzielle Situation Hauptgrund für den Niedergang des Théâtre Libre im Jahre 1894.