Masterarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,8, Freie Universität Berlin (Philosophie und Geisteswissenschaften), Sprache: Deutsch, Abstract: „Ich bin Berlin“ – diese Aussage des kunstseidenen Mädchens im gleichnamigen Roman von Irmgard Keun zitiert, wie Urte Helduser treffend feststellt, einen männlichen Großstadtdiskurs, in dem die Stadt als Projektionsfläche männlicher Moderneerfahrung weiblich allegorisiert wird. Doris, die Protagonistin des Romans, adaptiert diese Tradition weiblicher Allegorisierung unbewusst, weil diese im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts auch in der populären Kultur eine weite Verbreitung fand. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, welche Weiblichkeitsbilder in dieser Tradition enthalten sind und in welchem Verhältnis sie zu den konkreten Frauenfiguren in der modernen Großstadtliteratur stehen. Wie lassen sich diese Bilder von der weiblichen Stadt mit der tatsächlich in der Stadt existierenden Frau in einen Zusammenhang bringen? In der Literaturgeschichte ist der Topos von der Stadt als Frau – sei es als Mutter, Göttin oder gefährliche Verführerin – schon sehr viel älter. Bereits in der Bibel ist die Rede von dem wohl prominentesten Beispiel, der Hure Babylon, die als Allegorie auf die gottlose Stadt auch in der Moderne wieder aufgegriffen wird. Doch obwohl die moderne Großstadt als literarisches Motiv in der Literaturwissenschaft sehr beliebt ist, wird ihre weibliche Allegorisierung nur selten kritisch hinterfragt. Diese Arbeit soll einen Beitrag zur Beseitigung dieses Mangels zu leisten, denn eine ausführliche Analyse der Großstadtromane der „Klassischen Moderne“ unter diesem Aspekt gibt es bisher nicht. Alfred Döblins "Berlin Alexanderplatz" (1929) und Irmgard Keuns "Das Kunstseidene Mädchen" (1932) können als zwei repräsentative Vertreter dieser „klassischen“ Großstadtliteratur betrachtet werden. Die Themen Stadt und Weiblichkeit sind hier besonders eng miteinander verknüpft. Die Stadt wird zum einen dämonisiert und als solche mit „allen Attributen verführerischer und beängstigender Weiblichkeit ausgestattet“ , zum anderen birgt sie neuen Freiraum für die Frau selbst. Folglich prallen tradierte, großstadtkritische Imaginationen der Stadt als Frau auf moderne Vorstellungen so genannter „neuer“ Frauen, die in der Großstadt die Möglichkeit zur Emanzipation sehen. Hieraus ergibt sich die Frage, wie diese in der Großstadt entstandenen Weiblichkeitsbilder miteinander zu vereinbaren sind bzw. inwiefern eine Emanzipation der Frau möglich ist, solange die stereotypen Weiblichkeitsvorstellungen, die in den Allegorisierungen zum Vorschein kommen, vorherrschen.