Korfu, die Königin des Ionischen Meeres, fasziniert mit ihren malerischen Bergdörfern, unendlichen Olivenwäldern, aristokratischen Villen, ihrer venezianischen Altstadt und den zahllosen grandiosen Ausblicken auf die Insel und das Mittelmeer. Ihre Begegnung mit den Landschaften, der üppigen Vegetation dieser Insel und der offenen Herzlichkeit ihrer Bewohner schildern Hans-Bernhard Schlumm, 'Wahlkorfiote' und Professor an der Ionischen Universität und der bekannte Aquarellist Hans-Jürgen Gaudeck auf ihren Inselwanderungen. Diese Augenblicke hielten sie – jeder auf seine Weise – fest.
Papierener Teppich
Hans-Jürgen Gaudeck weckt mit seinen Aquarellen Neugier auf die Welt, gerade weil seine Bilder vage bleiben
VON NICOLE SAGENER
Ein leerer Bogen Papier ist wie ein fliegender Teppich – er kann der Ausgangspunkt der betörendsten Reisen sein. Auf einem Blatt Papier kann alles Stimme, Farbe und Form erhalten, was sonst als flüchtiger äußerer Eindruck rasch verloren ginge oder als innere Regung nie einen Ausdruck fände. Es ist der Ausgangspunkt der Reise, von dem aus Worte oder Pinselstriche einen in die ganze Welt zu tragen vermögen, indem sie Phantasie und Wirklichkeit miteinander verschmelzen.
Hans-Jürgen Gaudecks Aquarelle sind besonders schön geknüpfte Einladungen, unbekannte Innen- und Außenwelten in all ihrer Vielfalt zu bereisen. Malen, schreibt der Künstler in dem Vorwort zu seinem Band „Auf Reisen“, sei für ihn ein sinnliches Erlebnis. Und so deuten seine Bilder das in der Fremde Gesehene an, mehr noch spiegeln sie aber Gaudecks Innenwelt, seine Imaginationen.
Tief ziehen die Bilder den Betrachter in die dargestellte Szenerie – weniger durch das mit dem Auge Nachvollziehbare und Identifizierbare, als durch all das, was vage bleibt: Ein Mönch in Myanmar in leuchtend rotem Gewand tritt durch einen Torbogen. Durch die Figur, die mehr ein halb transparenter Schleier als ein fester Körper ist, schimmern die Stufen einer nach obenführenden Treppe. In weichem Blau reflektiert die Tormauer den Himmel, der, obwohl gar nicht sichtbar, über die Farben der Wand präsent wird.
„Auf Reisen“ führt quer durch die Welt: eine blau-grüne Zypressenlandschaft in der Toskana, die in wilden Farbklecksen durcheinander wogende Menschenmenge auf einem Athener Basar, ein rot glühender, wie wund die Landschaft überragender Vulkankegel auf Lanzarote – mit durchsichtigen Farbflächen und weichen, mäandernden Linien rufen die Bilder im Betrachter immer neue Ideen und Phantasien hervor. Einige Aquarelle sind beinahe grafisch in ihrer Klarheit, andere auf den ersten Blick unübersichtlich in ihrer Wuseligkeit, in den verwischten, verlaufenen Formen. Tiefe haben sie alle.
Der zweite aktuell erschienene Band Hans-Jürgen Gaudecks, „Augenblicke auf Korfu“, beschränkt sich auf einen kleinen, klar umrissenen Kosmos. Grüntöne, Sonnengelb und vor allem Blau in allen Nuancen sind hier bestimmend – vom Stahlblau des aufgewühlten Meeres bis zum satten Himmelblau heißer Mittagsstunden. Die Farben lassen einen die salzige Meeresluft schmecken, die flirrende Hitze spüren. Und während man die Bilder mit den Augen abwandert und die kurzen Begleittexte des Autors Hans-Bernhard Schlumm liest über die Pläusche mit dem Gärtner des britischen Friedhofs auf Korfu und über die Wanderungen durch die Altstadtgassen oder entlang den Maultierpfaden, meint man manchmal sogar, Zikaden zu hören.
Hans–Jürgen Gaudeck: Auf Reisen. Wege zum Aquarellieren. Ars Momentum Verlag, Witten 2012, 80 Seiten, 26 Euro.
Hans–Jürgen Gaudeck: Augenblicke auf Korfu. HSB-Verlag, Stuttgart 2012, 88 Seiten, 19,90 Euro.
Rote Schatten und gelbe, so etwas kann die Natur nicht,
so sieht es der Künstler. Auf seiner Reise durch Myanmar hat Hans-Jürgen Gaudeck diesen Moment festgehalten: Menschen auf dem Ayeyarwady, dicht an dicht auf einem schmalen Holzboot. Zügig habe er das Bild gemalt, schreibt der Künstler. Und zügig war das Boot vorüber.
ABBILDUNG: HANS-JÜRGEN GAUDECK
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