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»Eine europäische Literatur, [die] vollbringt, was hervorragende Literatur vollbringen sollte - uns hoffen lassen, dass sich Wunder erfüllen. Lana Bastasics Geschichten müssen erzählt werden.« Sasa Stanisic
Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Lejla, die Schamlose, Unbändige. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs. Eine zwiespältige Nähe aus Befremden und Anziehung. Eine außergewöhnliche Freundschaft, die plötzlich zerfiel wie das Land, in dem sie aufwuchsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien verließ, um an einem besseren Ort…mehr

Produktbeschreibung
»Eine europäische Literatur, [die] vollbringt, was hervorragende Literatur vollbringen sollte - uns hoffen lassen, dass sich Wunder erfüllen. Lana Bastasics Geschichten müssen erzählt werden.« Sasa Stanisic

Als junge Mädchen waren sie unzertrennlich, obwohl sie gegensätzlicher nicht sein könnten: Lejla, die Schamlose, Unbändige. Sara, die besonnene Tochter des Polizeichefs. Eine zwiespältige Nähe aus Befremden und Anziehung. Eine außergewöhnliche Freundschaft, die plötzlich zerfiel wie das Land, in dem sie aufwuchsen. 12 Jahre ist es her, als Sara Bosnien verließ, um an einem besseren Ort ein neues Leben zu beginnen. 12 Jahre absoluter Funkstille, als ein Anruf sie in die verlorene Heimat zurückbringt. Die Rückkehr wird kein harmloses Wiedersehen zweier Kindheitsfreundinnen.
Mit einer fesselnden Sprache zwischen rebellischem Trotz und beißender Komik erzählt Bosniens aufregender Literatur-Shootingstar Lana Bastasic in »Fang den Hasen« von einer außergewöhnlichen Freundschaft in den Wirren der jugoslawischen Geschichte - ausgezeichnet mit dem Literaturpreis der Europäischen Union 2020.
Autorenporträt
Lana Bastai¿, 1986 in Zagreb, Kroatien, als Kind serbischer Eltern geboren, wuchs nach dem Zerfall Jugoslawiens in Bosnien auf und lebte zuletzt viele Jahre in Barcelona. Mit ihrem Debütroman 'Fang den Hasen' stand sie auf der Shortlist des NIN-Award, Serbiens renommiertesten Literaturpreis, erhielt 2020 den Literaturpreis der Europäischen Union und ist für den Dublin Literary Award 2022 nominiert. Rebekka Zeinzinger, geboren 1992, studierte Germanistik, Geschichte und Vergleichende Literaturwissenschaft. Sie lehrte drei Jahre lang an der Universität Sarajevo deutsche Sprache und Literatur. Heute lebt sie als Übersetzerin aus dem Bosnischen, Kroatischen und Serbischen in Wien.  
Rezensionen

Perlentaucher-Notiz zur NZZ-Rezension

Rezensent Andreas Breitenstein sieht mit Lana Bastasic eine Autorin die literarische Bühne betreten, die dem reichen weltliterarischen Echoraum Bosnien endlich auch eine weibliche Stimme hinzufügt. Auch steht für ihn außer Zweifel, dass sich Bastasic schon bald unter die großen Autoren jener Region einreihen wird. In ihrem Debütroman erzählt sie von zwei jungen Frauen, die sich auf einen Road-Trip von Mostar nach Wien begeben und dabei Fragen um Identität und Anerkennung verhandelt. Wie Bostasic das "tragische innere Unglück Bosnien" aufnimmt und mit der Erfahrung der Disaspora und westlich aufgeklärter Sinnleere verbindet, das erscheint dem Rezensenten stark. Dass die Autorin dabei mitunter einen Überschuss an den Kunstwollen an den Tag legt, verzeiht er gern.

© Perlentaucher Medien GmbH

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 22.04.2021

Das freieste Selbstporträt trägt keine Farben
Roadmovie im Kreisverkehr: Lana Bastasics Roman "Fang den Hasen" über eine Rückkehr nach Bosnien

Zwölf Jahre lang hat die bosnische Serbin Sara nichts mehr von ihrer ehemals besten Freundin Lejla gehört. In Dublin, wo sie inzwischen lebt, erhält sie plötzlich einen Anruf: "Hör zu, du musst mich abholen kommen", sagt Lejla, sie wolle von Mostar nach Wien reisen, und ihre Freundin solle das Auto fahren. Als Sara verständlicherweise zögert und auch ein weiteres "du musst!" nicht recht fruchtet, spielt Lejla ihren letzten Trumpf aus. In Wien warte Adrian auf die beiden Frauen, sagt sie, Lejlas Bruder und Saras heimlicher Schwarm. Er war zwei Jahrzehnte zuvor, als Jugoslawien auseinanderbrach, aus der zunehmend serbisch dominierten gemeinsamen Heimatstadt Banja Luka verschwunden - vielleicht irgendwohin geflohen, vielleicht ermordet wie ein Gleichaltriger, dessen Leiche man Tage nach dem Verschwinden im Fluss fand.

Sara jedenfalls hat keine Wahl: Sie verabschiedet sich von Michael, dem irischen Programmierer, mit dem sie seit Jahren unentschlossen zusammenlebt, und fährt zurück auf den Balkan. Wie sehr Adrian ihr Denken bestimmte in all den Jahren, wird bald deutlich, und so könnte "Fang den Hasen", der Debütroman der 1986 in Zagreb geborenen Autorin Lana Bastasic, auf einen sehr konventionellen Handlungverlauf zusteuern, auf das Porträt einer Freundinnenschaft über die Jahrzehnte und eine unausgelebte Sehnsucht.

Nur dass der Roman, wie es scheint, diese beiden Motive vor allem als Hinführung zu einem dritten nutzt, das sich rasch als umfassend erweist und den Roman nachhaltig prägt. Es ist die Frage nach der eigenen Person, nach der Identität und dem, was sie bedroht in Zeiten, in denen ein Vielvölkerstaat untergeht und den zurückgelassenen Bewohnern auferlegt wird, sich zu einem kleinen Teil dessen zu bekennen, was zuvor ein Ganzes war.

Der Riss zieht sich durchs Land ebenso wie durch die innige Verbindung von Lejla und Sara. Das beginnt mit giftigen Bemerkungen von Saras serbischen Eltern - ihr Vater ist der Polizeichef der Gemeinde - am heimischen Esstisch und den gar nicht so diskreten Versuchen, ihre Tochter für andere Freundschaften zu öffnen als die zu dem muslimischen Mädchen. Es setzt sich fort mit den hilflosen Versuchen von Lejlas alleinerziehender Mutter, der Familie eine serbische Identität zu verpassen, um unter den zunehmend feindseligen Nachbarn nicht mehr aufzufallen - aus Lejla wird Lela, aus Adrian Marko, und der Familienname ändert sich von Begic zu Beric. Von größeren Kämpfen bleibt die Stadt im Jugoslawien-Krieg zwar verschont, aber die Moscheen werden zerstört. Und die Bevölkerungsstruktur verändert sich dramatisch.

"Fang den Hasen" erzählt von der gemeinsamen Autofahrt der beiden Frauen, die nun etwa Mitte dreißig sind, durch Bosnien, Kroatien, Slowenien und Österreich. Und in Rückblenden, typographisch durch eckige Klammern markiert, in assoziativer Folge von den Ereignissen vor der zwölf Jahre langen Funkstille. Anfang und Ende setzen dabei höchstens die Ereignisse selbst, die man in eine chronologische Ordnung bringen könnte, was der Roman selbst nicht vorsieht, auch nicht in der Schilderung der Reise. Denn auf der letzten Seite des Buches bricht der Erzählfluss mitten in einem Satz von Lejla ab - "Ich wollte nur" -, um sich auf der ersten Seite des Buchs fortzusetzen: "von vorn anfangen", steht da, ebenso unvollständig. Wer diese Zirkelstruktur mitmacht, fängt also wieder mit dem Lesen von vorn an und vollzieht damit zugleich Lejlas Wunsch nach, der sich aus den beiden Satzteilen ergibt, setzt man sie nur zusammen - nicht gerechnet die dritte Deutungsebene, die der Erzählerin Sara, die sich selbst dazu ermahnt, die Geschichte ihrer Freundschaft und Entzweiung eben von vorn anzufangen.

Es ist eine Geschichte zweier wacher Kinder und lebenslustiger Teenager, die in undurchsichtigen Zeiten aneinander Halt finden, die äußerst unterschiedlich erscheinen und ihre Gemeinsamkeit durch symbolische Akte unterstreichen. Sie handelt von Mutproben, von Erfahrungsaustausch, von Grenzüberschreitungen und vom trotzigen Miteinander. Nur stehen Saras Erinnerungen die Einwürfe der auf der Fahrt oft schweigsamen Lejla gegenüber - erinnert sich Sara überhaupt korrekt? Wer hat der anderen damals, beim letzten Streit vor der zwölfjährigen Pause, ein "Leck mich!" zugerufen?

Wer ist wer im Konstrukt dieser Erinnerungen? Die Autorin spart nicht mit Zeichen dafür, dass die Identitäten ihrer Protagonistinnen fließend sind, dass sie bald lernen, etwa die Schrift der jeweils anderen zu imitieren, und dass besonders Lejla sich nicht gern auf etwas festlegen lässt - die Papierpuppe, mit der sie sich selbst als Aufgabe für den ersten Schultag abbilden soll, bleibt farblos, und als sie ein Kaninchen bekommt, will sie ihm keinen Namen geben, weil es dadurch "besser dran" sei - sie weiß, wovon sie redet. Umgekehrt nimmt Sara, die schon als Studentin einen Lyrikband veröffentlichen wird, für sich in Anspruch, im Erzählen ihre Welt zu formen, sich selbst, die Vergangenheit, Lejla, Adrian. Umso irritierender ist für sie, wenn ihr die ehemalige Freundin verändert gegenübertritt, mit blondgefärbtem oder gar, wie auf der Reise durch Bosnien, weißem Haar, unter dem Sara nach ein paar Tagen befriedigt aber doch ein paar schwarze Wurzeln entdeckt. Dass sie selbst fortwährend Rollen spielt, unter denen die der Dichterin nicht die gewagteste ist, bleibt für das Konzept ihrer selbst lange folgenlos. Nicht für den Leser, gelenkt von einer klugen Autorin.

Leider liegt genau hier das Manko eines Romans. Denn in dem Bemühen, Sara als schöpferische Gestalterin ihres eigenen Lebens auftreten zu lassen und überdeutlich zu machen, dass man es hier mit einer individuellen Perspektive zu tun hat, die sich immer wieder an Lejlas bricht, stattet Bastasic ihre Erzählerin mit einer unglückseligen Liebe zur Metapher aus, die den gesamten Roman über anhält. Da fällt Lejlas Blick "von meinem Gesicht ab wie das Laken von einer Statue", ein Schweigen "füllte meine Ohren wie ein vergiftetes Meer", ihre Gedichte prallen an Lejla ab "wie Gewehrkugeln an einem Panzerfahrzeug" und dergleichen mehr. Die Häufigkeit dieser Sprachbilder ist beträchtlich.

Nötig wäre das nicht, und dass Bastasic auch mit diskreteren Hinweisen arbeiten kann, teilt sich oft genug mit. So kommt es nach einer missglückten ersten Nacht zwischen Sara und Michael entgegen allen Erwartungen doch zu einer Beziehung - nicht nur, weil er ein Lieblingsbuch des angehimmelten Adrian im Regal stehen hat. Sondern durch eine temporäre Lieblingsplatte, die Michael, angeregt durch Saras Frage, am Morgen danach auflegt: Greg Lakes "Still You Turn Me on", ein Lied über eine Liebe, die dem anderen jede Freiheit zur Metamorphose lässt. Als Utopie klingt es durch bis zur letzten Seite des Romans.

TILMAN SPRECKELSEN

Lana Bastasic: "Fang den Hasen". Roman.

Aus dem Bosnischen von Rebekka Zeinzinger. S. Fischer Verlag,

Frankfurt am Main 2021. 326 S., geb., 22,- [Euro].

Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
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Mit einer Einzigartigkeit spielt Bastasic mit den einzelnen Sätzen und den Erzählstrukturen. Katrin Hesse literaturinitiative 20210628
Rezensent Norbert Mappes-Niediek hat dieser Roman über zwei ehemalige Freundinnen, die zusammen von Mostar nach Wien reisen, um den verschollenen Bruder der einen wiederzufinden, in seinen Bann gezogen: Über die Unterschiede zwischen den Frauen, die beide in Banja Luka aufgewachsen sind, bis die eine nach Dublin auswanderte, verhandelt das Buch die Unterschiede zwischen Ost und West, erzählt von unterschiedlich gelebter weiblicher Sexualität und unterschiedlichen Identitätsentwürfen, fasst der Kritiker zusammen. Die wilde Lejla bringt die europäisierte Sara dabei dem Rezensenten zufolge an ihre Grenzen und konfrontiert sie mit der Unordnung der Welt, die Sara lange verdrängt hat - eine Unordnung, in der laut Mappes-Niediek "alles wild gedeiht: Hass und Stumpfsinn, aber auch Liebe und Zärtlichkeit".

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