Nominiert für den aspekte-Literaturpreis 2021.
Zwei junge Frauen: Charles und Gwen. Charles muss mit ihren Post-Hippie-Eltern aufs Land ziehen und will da unter keinen Umständen hin. Auf einen Kiosk, eine Palme und das Internet ist zum Glück noch Verlass. Und Gwen? Sie wohnt ganz in der Nähe und führt dort unbemerkt ein wildes, schmutziges Leben, um dem Wohlstand ihrer Eltern zu entkommen. Das Geld, das sie den Jungs aus der Tasche zieht, während sie mit ihnen schläft, spendet sie. Dass die beiden sich kennenlernen, ist definitiv überfällig.
Lisa Krusche erzählt in ihrem Debütroman »Unsere anarchistischen Herzen« von den Zumutungen des gegenwärtigen Lebens. Wie soll man eigentlich rebellieren, wenn sich alles schon verloren anfühlt? Was einem bleibt, ist die Freundschaft. Und die entwickelt eine explosive Kraft.
»Lisa Krusche beseelt alles durch ihre starksehnig poetische und quecksilbrig mischfreudige Sprache, und ihr endloser Einfallsreichtum zeigt mir- und den meisten anderen Dichtern deutscher Sprache - wie steinalt und roboterhaft wir inzwischen geworden sind.«
Clemens J. Setz
»Lisa Krusche entwirft ein phantastisches Panorama ... Überzeugend in den literarischen Mitteln und eminent politisch.«
Klaus Kastberger, Jurymitglied Bachmann Wettbewerb
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Zwei junge Frauen: Charles und Gwen. Charles muss mit ihren Post-Hippie-Eltern aufs Land ziehen und will da unter keinen Umständen hin. Auf einen Kiosk, eine Palme und das Internet ist zum Glück noch Verlass. Und Gwen? Sie wohnt ganz in der Nähe und führt dort unbemerkt ein wildes, schmutziges Leben, um dem Wohlstand ihrer Eltern zu entkommen. Das Geld, das sie den Jungs aus der Tasche zieht, während sie mit ihnen schläft, spendet sie. Dass die beiden sich kennenlernen, ist definitiv überfällig.
Lisa Krusche erzählt in ihrem Debütroman »Unsere anarchistischen Herzen« von den Zumutungen des gegenwärtigen Lebens. Wie soll man eigentlich rebellieren, wenn sich alles schon verloren anfühlt? Was einem bleibt, ist die Freundschaft. Und die entwickelt eine explosive Kraft.
»Lisa Krusche beseelt alles durch ihre starksehnig poetische und quecksilbrig mischfreudige Sprache, und ihr endloser Einfallsreichtum zeigt mir- und den meisten anderen Dichtern deutscher Sprache - wie steinalt und roboterhaft wir inzwischen geworden sind.«
Clemens J. Setz
»Lisa Krusche entwirft ein phantastisches Panorama ... Überzeugend in den literarischen Mitteln und eminent politisch.«
Klaus Kastberger, Jurymitglied Bachmann Wettbewerb
Hinweis: Dieser Artikel kann nur an eine deutsche Lieferadresse ausgeliefert werden.
Ein wirklich beeindruckendes Buch. Alexandra Kofler Kleine Zeitung 20230715
Perlentaucher-Notiz zur F.A.Z.-Rezension
Rezensentin Elena Witzeck taucht ein in die Welt zweier verzweifelter Teenagerinnen mit dem Buch von Lisa Krusche. Echt scheint ihr die Sprache der Mädchen zwischen Insta und Poesie, auch wenn es manchmal wie Kunstsprache klingt. Die "Unverbundenheit" der Jugend mit der Welt, das existenzielle Chaos und die Hoffnung auf eine Wende transportiert der Text für Witzeck jedenfalls glaubhaft. Dies möglicherweise, gerade weil die Autorin nicht mehr Teil der dargestellten Generation ist, sondern die Dialoge im Text bis zur Kenntlichkeit ästhetisiert und ironisiert, vermutet die Rezensentin.
© Perlentaucher Medien GmbH
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Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 23.08.2021Zuwendungsspeicher für harte Tage
Wenn sich die Welt dunkelrot verfärbt: Lisa Krusches Roman "Unsere anarchistischen Herzen"
Eines der vielen vergessenen Gefühle der Jugend ist das der Unverbundenheit. Diese tägliche Irritation über eine Welt aus Einkäufen, Zahnarztterminen und Meetings. Im Zimmer zu liegen, Blick an die Decke, ein Lichtjahr zwischen der Türschwelle und der Außenwelt mit ihren Bewohnern, die einem unsichtbaren Uhrwerk zu folgen scheinen. Die Schule als Füllmaterial, als Vorstufe dieses Alltags, auch nur ein Teil des Räderwerks, in das sich der innere Aufruhr nicht integrieren ließ.
In Lisa Krusches Buch "Unsere anarchistischen Herzen" gibt es auch Schulalltag. Er spielt aber keine Rolle. Ihre Protagonistinnen haben andere Probleme. Die eine, Charles, weil ihre Eltern in der Hoffnung auf späte Erleuchtung ein durchgesessenes Hippietheater aufführen, das ihre Tochter in die Rolle der einzigen Erwachsenen zwingt. Die andere, Gwen, weil Vater und Mutter sich mehr für die allabendliche Bestätigung ihres gesellschaftlichen Status interessieren als für die Ängste ihrer Tochter. Kollateralschaden: betrunkene Männer, Kollegen, Freunde, die Gwen mit anzüglichen Bemerkungen überhäufen. Beide Mädchen eint die Verzweiflung an der Welt hinter der Türschwelle, die sich zugrunde richtet und sie gleich mit - aber auch die Wehrhaftigkeit, mit der sie ihr begegnen.
Eine Erzählstimme also, in der diese Beobachtung des Niedergangs, diese Sehnsucht nach dem Umbruch mitschwingt: "Der erste Regen seit Wochen: Ich kann die Bäume hinter dem Haus aufatmen hören." Charles ist mit ihren Eltern aufs Land gezogen, in eine Kommune nahe Hildesheim. Beinahe nebenan wohnt Gwen. Aber bis sie einander treffen und retten können, vergeht noch viel Zeit, in der Charles zwischen einem Oktopus aus Plüsch und einer Bananenpflanze nach Sinn sucht. Gwen wiederum sieht ihr Leben vorgezeichnet: "Champagner in der Psychiatrie, wenn mein Mann mich verlässt, Beruhigungsmittel und Birkin zu Weihnachten, wenn er es nicht tut." Sie schaut zu, wie sich die Welt dunkelrot verfärbt und läuft dagegen an, verprügelt Jungs, sucht die Nähe der Unangepassten, schläft mit Fremden. Abends steht sie im Bad, und die Zahnpasta sieht aus wie eine Sternenexplosion. "Was hat das zu bedeuten?" Leider nichts.
Es hat etwas jugendlich Wahrhaftiges und erstaunlich Tröstliches, wie man hier vom Großen ins Kleine gebeamt wird, wie in Beobachtungen aus der Zimmerhöhle und Begegnungen mit dem Stadtstreicher, der natürlich auch etwas zum Chaos der Existenz zu sagen hat, gleichermaßen Bedeutung gesucht wird wie in einer pathetischen Selbstreflexion am Ende des Tages: "Das Seltsamste am Leben und vielleicht sein ganzes Geheimnis ist sein egozentrischer Drang nach sich selbst." Und dann schmiert man sich halt noch ein Toastbrot.
Krusches Figuren sind schonungslos zu sich und ehrlich, vielleicht sogar zu ehrlich für ihr Alter zu ihrem Umfeld, sie sind frech (Charles) und analytisch (Gwen), sie kreisen um sich - natürlich, welche Sechzehnjährige tut das nicht, dafür braucht es keine neue Generationenkritik - und erkennen doch das Ausmaß der Ungerechtigkeit: "Jede Zuwendung hätte ich gern als GIF, um es immer wieder abspielen zu können für die harten Tage." Manchmal verhalten sie sich allzu geschmeidig, so, wie es sich eine aufgeklärte Erwachsene von ihrem jüngeren Ich wünschen würde, aber übel nehmen kann man es ihnen auch nicht, dafür sind sie zu besonders, zu speziell.
Die Sprache, die Krusche gefunden hat, ist eine Collage aus poetischen Momentaufnahmen, Dialogen, Bewusstseinsströmen ohne Punkt und Komma und Instagram-Aphorismen, ist unverfälschtes Jugendklischee. Charles kann einen Look performen und an ihren Swag glauben und sich trotzdem an den leeren Kunstdiskursen ihrer Eltern abarbeiten. Wie sie miteinander sprechen und schreiben: eine Art hochgejazzte, narzisstische Intellektualität, die von Kapitel zu Kapitel die Perspektive wechselt und alle Fantasie auf das infrage gestellte Mittelstandsdasein überträgt, sodass sich immer wieder irre Überraschungen ergeben. Charles' Vater läuft nackt durch Charlottenburg. Sie reitet auf einem weißen Pony in die Stadt. Der Geschmack von Melonenkaugummi, der alles erträglicher macht, das Schmelzwasser von einem Kühlbeutel auf einem lädierten Ohr, das wild umher schwappt: "Die Wellen laufen von allen Seiten aufeinander zu, als würden ein paar übermütige Gedanken in der Mitte auf und ab springen und das Wasser mehr und mehr in Bewegung versetzen. Fast hört ich sie entzückt kreischen, wenn die Wellenbewegungen sie emporheben."
Lisa Krusche hat im vergangenen Jahr beim Wettbewerb in Klagenfurt den Deutschlandfunk-Preis gewonnen. Sie wird zu einer Generation von Autoren gezählt, denen man irgendwann das Joch der Stimme ihrer Generation aufgebürdet hat, um den Karren dann engagiert mit Stilkritik zu beladen, ein Schicksal, das auch ihren ersten Roman nach dem Erscheinen traf. Diejenigen, die zu wissen glaubten, dass so ganz sicher nicht die Jugend spricht, sagten es auch. Krusche ist jung, 1990 geboren, aber selbst kein Teil dieser Jugend mehr. Auch deshalb hat sie die Stimmen von Charles und Gwen ästhetisiert, verfremdet, ironisiert, ihren Blick auf ihre Eltern beinahe satirisch aufgeladen, aber eben genau so, wie junge Menschen es tun, wenn sie ihr Leben als Film, Roman, als unvollendetes Kunstwerk begreifen, wenn sie durch den Türrahmen auf das Dasein blicken.
Als sie sich dann doch noch treffen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Charles vergleicht Gwens Lächeln mit dem ihres Vaters, dann trinken sie Eistee und schweigen. Als Gwen geht, schaut Charles ihr nach und konstatiert wieder einmal sehr poetisch: "Sie sieht aus wie eins dieser ganz blauen Bilder von Max Ernst." Glaubt doch keiner, dass die so was sagt? Doch. Alle, die sich noch erinnern können. ELENA WITZECK.
Lisa Krusche: "Unsere anarchistischen Herzen". Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2021. 448 S., geb., 23,- Euro. Ab 15 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main
Wenn sich die Welt dunkelrot verfärbt: Lisa Krusches Roman "Unsere anarchistischen Herzen"
Eines der vielen vergessenen Gefühle der Jugend ist das der Unverbundenheit. Diese tägliche Irritation über eine Welt aus Einkäufen, Zahnarztterminen und Meetings. Im Zimmer zu liegen, Blick an die Decke, ein Lichtjahr zwischen der Türschwelle und der Außenwelt mit ihren Bewohnern, die einem unsichtbaren Uhrwerk zu folgen scheinen. Die Schule als Füllmaterial, als Vorstufe dieses Alltags, auch nur ein Teil des Räderwerks, in das sich der innere Aufruhr nicht integrieren ließ.
In Lisa Krusches Buch "Unsere anarchistischen Herzen" gibt es auch Schulalltag. Er spielt aber keine Rolle. Ihre Protagonistinnen haben andere Probleme. Die eine, Charles, weil ihre Eltern in der Hoffnung auf späte Erleuchtung ein durchgesessenes Hippietheater aufführen, das ihre Tochter in die Rolle der einzigen Erwachsenen zwingt. Die andere, Gwen, weil Vater und Mutter sich mehr für die allabendliche Bestätigung ihres gesellschaftlichen Status interessieren als für die Ängste ihrer Tochter. Kollateralschaden: betrunkene Männer, Kollegen, Freunde, die Gwen mit anzüglichen Bemerkungen überhäufen. Beide Mädchen eint die Verzweiflung an der Welt hinter der Türschwelle, die sich zugrunde richtet und sie gleich mit - aber auch die Wehrhaftigkeit, mit der sie ihr begegnen.
Eine Erzählstimme also, in der diese Beobachtung des Niedergangs, diese Sehnsucht nach dem Umbruch mitschwingt: "Der erste Regen seit Wochen: Ich kann die Bäume hinter dem Haus aufatmen hören." Charles ist mit ihren Eltern aufs Land gezogen, in eine Kommune nahe Hildesheim. Beinahe nebenan wohnt Gwen. Aber bis sie einander treffen und retten können, vergeht noch viel Zeit, in der Charles zwischen einem Oktopus aus Plüsch und einer Bananenpflanze nach Sinn sucht. Gwen wiederum sieht ihr Leben vorgezeichnet: "Champagner in der Psychiatrie, wenn mein Mann mich verlässt, Beruhigungsmittel und Birkin zu Weihnachten, wenn er es nicht tut." Sie schaut zu, wie sich die Welt dunkelrot verfärbt und läuft dagegen an, verprügelt Jungs, sucht die Nähe der Unangepassten, schläft mit Fremden. Abends steht sie im Bad, und die Zahnpasta sieht aus wie eine Sternenexplosion. "Was hat das zu bedeuten?" Leider nichts.
Es hat etwas jugendlich Wahrhaftiges und erstaunlich Tröstliches, wie man hier vom Großen ins Kleine gebeamt wird, wie in Beobachtungen aus der Zimmerhöhle und Begegnungen mit dem Stadtstreicher, der natürlich auch etwas zum Chaos der Existenz zu sagen hat, gleichermaßen Bedeutung gesucht wird wie in einer pathetischen Selbstreflexion am Ende des Tages: "Das Seltsamste am Leben und vielleicht sein ganzes Geheimnis ist sein egozentrischer Drang nach sich selbst." Und dann schmiert man sich halt noch ein Toastbrot.
Krusches Figuren sind schonungslos zu sich und ehrlich, vielleicht sogar zu ehrlich für ihr Alter zu ihrem Umfeld, sie sind frech (Charles) und analytisch (Gwen), sie kreisen um sich - natürlich, welche Sechzehnjährige tut das nicht, dafür braucht es keine neue Generationenkritik - und erkennen doch das Ausmaß der Ungerechtigkeit: "Jede Zuwendung hätte ich gern als GIF, um es immer wieder abspielen zu können für die harten Tage." Manchmal verhalten sie sich allzu geschmeidig, so, wie es sich eine aufgeklärte Erwachsene von ihrem jüngeren Ich wünschen würde, aber übel nehmen kann man es ihnen auch nicht, dafür sind sie zu besonders, zu speziell.
Die Sprache, die Krusche gefunden hat, ist eine Collage aus poetischen Momentaufnahmen, Dialogen, Bewusstseinsströmen ohne Punkt und Komma und Instagram-Aphorismen, ist unverfälschtes Jugendklischee. Charles kann einen Look performen und an ihren Swag glauben und sich trotzdem an den leeren Kunstdiskursen ihrer Eltern abarbeiten. Wie sie miteinander sprechen und schreiben: eine Art hochgejazzte, narzisstische Intellektualität, die von Kapitel zu Kapitel die Perspektive wechselt und alle Fantasie auf das infrage gestellte Mittelstandsdasein überträgt, sodass sich immer wieder irre Überraschungen ergeben. Charles' Vater läuft nackt durch Charlottenburg. Sie reitet auf einem weißen Pony in die Stadt. Der Geschmack von Melonenkaugummi, der alles erträglicher macht, das Schmelzwasser von einem Kühlbeutel auf einem lädierten Ohr, das wild umher schwappt: "Die Wellen laufen von allen Seiten aufeinander zu, als würden ein paar übermütige Gedanken in der Mitte auf und ab springen und das Wasser mehr und mehr in Bewegung versetzen. Fast hört ich sie entzückt kreischen, wenn die Wellenbewegungen sie emporheben."
Lisa Krusche hat im vergangenen Jahr beim Wettbewerb in Klagenfurt den Deutschlandfunk-Preis gewonnen. Sie wird zu einer Generation von Autoren gezählt, denen man irgendwann das Joch der Stimme ihrer Generation aufgebürdet hat, um den Karren dann engagiert mit Stilkritik zu beladen, ein Schicksal, das auch ihren ersten Roman nach dem Erscheinen traf. Diejenigen, die zu wissen glaubten, dass so ganz sicher nicht die Jugend spricht, sagten es auch. Krusche ist jung, 1990 geboren, aber selbst kein Teil dieser Jugend mehr. Auch deshalb hat sie die Stimmen von Charles und Gwen ästhetisiert, verfremdet, ironisiert, ihren Blick auf ihre Eltern beinahe satirisch aufgeladen, aber eben genau so, wie junge Menschen es tun, wenn sie ihr Leben als Film, Roman, als unvollendetes Kunstwerk begreifen, wenn sie durch den Türrahmen auf das Dasein blicken.
Als sie sich dann doch noch treffen, ist es Liebe auf den ersten Blick. Charles vergleicht Gwens Lächeln mit dem ihres Vaters, dann trinken sie Eistee und schweigen. Als Gwen geht, schaut Charles ihr nach und konstatiert wieder einmal sehr poetisch: "Sie sieht aus wie eins dieser ganz blauen Bilder von Max Ernst." Glaubt doch keiner, dass die so was sagt? Doch. Alle, die sich noch erinnern können. ELENA WITZECK.
Lisa Krusche: "Unsere anarchistischen Herzen". Roman.
S. Fischer Verlag, Frankfurt 2021. 448 S., geb., 23,- Euro. Ab 15 J.
Alle Rechte vorbehalten. © F.A.Z. GmbH, Frankfurt am Main