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J. D. H. Temme, Richter im preußischen Staatsdienst, stand 1848/49 als Abgeordneter in der Constituierenden Versammlung in Berlin und in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche an vorderster Front der Revolution. Er wurde vor Gericht gestellt und aus dem Staatsdienst entlassen, obwohl beide Prozesse mit einem Freispruch ausgingen. Unter dem Titel 'Erinnerungen von J. D. H. Temme' wurden die publizistischen Arbeiten herausgegeben. Sie sind ein historisches Dokument von hohem Rang, weil hier Geschichte aus der Perspektive eines Mannes erzählt wird, der die revolutionären Ereignisse mitgestaltete und von diesen geprägt wurde.…mehr

Produktbeschreibung
J. D. H. Temme, Richter im preußischen Staatsdienst, stand 1848/49 als Abgeordneter in der Constituierenden Versammlung in Berlin und in der Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche an vorderster Front der Revolution. Er wurde vor Gericht gestellt und aus dem Staatsdienst entlassen, obwohl beide Prozesse mit einem Freispruch ausgingen. Unter dem Titel 'Erinnerungen von J. D. H. Temme' wurden die publizistischen Arbeiten herausgegeben. Sie sind ein historisches Dokument von hohem Rang, weil hier Geschichte aus der Perspektive eines Mannes erzählt wird, der die revolutionären Ereignisse mitgestaltete und von diesen geprägt wurde.
Autorenporträt
Der Herausgeber Michael Hettinger, Dr. jur. utr., geb. 1948, ist Professor für Strafrecht und Strafprozessrecht in Würzburg.
Rezensionen

Frankfurter Allgemeine Zeitung - Rezension
Frankfurter Allgemeine Zeitung | Besprechung von 11.12.1996

Das Ziel erreicht und alle Quellen offen
Freiheit, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit: Die Revolution von 1848 in Augenzeugenberichten

Auf das 1998 anstehende Jubiläum der deutschen Revolution darf man gespannt sein. Erstmals scheint nämlich jener einheitliche deutsche Staat, parlamentarisch geformt und international anerkannt, um den die 1848er vergeblich rangen, nicht nur erreicht, sondern auch sicher verankert.

Vorangegangene Gedenkfeiern zeigen, wie verschlungen der Weg hierher war. Angesichts offenkundiger Demokratiedefizite des Kaiserreichs hatte 1873 und 1898 nur die oppositionelle Linke Anlaß, an die Tradition der deutschen Revolution zu erinnern. 1923 herrschte keine Feierstimmung, da die Weimarer Republik in ihren Grundfesten wankte. 1948 beschwor man vergeblich das "andere Deutschland", für das 1848 bemüht wurde, um die Einheit Deutschlands zu retten. Schließlich suchte 1973 vornehmlich die DDR aus dem Revolutionsjahr Teile herauszupräparieren, um sich eine eigene Staatstradition zu zimmern.

Vieles spricht nun dafür, daß die vorliegenden Studien den Auftakt für eine zugleich würdige und aufrechte Rückbesinnung bilden. Fenskes mustergültig angelegte Quellensammlung bietet jedenfalls eine präzise und grundsolide Basis, um die große Politik des Jahres 1848 zu erfassen, und der Bericht Temmes läßt hoffen, daß der parlamentarischen Linken des Revolutionsjahres endlich ein angemessener Platz in unserer Staatstradition eingeräumt wird.

Dem Freiburger Historiker Fenske geht es mit seiner einhundertzwanzig Dokumente umfassenden Edition darum, "die Empfindungen, Absichten und Aktionen derer zu verdeutlichen, die in der Revolutionszeit im Zentrum des Geschehens standen". Angesprochen ist damit die politische Führung in Frankfurt, wo sich das neue Deutsche Reich konstituierte, sowie in Wien und Berlin, also in Hauptstädten von Großmächten, die sich auch ihrerseits rasch modernisierten. Die Quellen bezeugen minutiös, daß es seit den Erfolgen der Märzrevolution des Jahres 1848 einen einheitlichen Trend zur Errichtung eines "gesamtdeutschen Staatswesens mit modernen politischen Institutionen" gab. Vor allem über Parlamente sollte die Vielzahl der anstehenden Probleme gemeistert werden.

Doch schon die Mittelstaaten und erst recht die "deutschen" Großmächte hegten unterschiedliche Absichten, als es darum ging, die Konturen des neuen Deutschland im einzelnen festzulegen. Durch solchen Partikularismus kamen auch die schon scheinbar besiegten vornationalen und vorkonstitutionellen Kräfte wieder ins Spiel. Dennoch beobachtet Fenske auch konkrete Schwächen der 1848er und stellt fest, daß "eine solide Teillösung, ein Zusammenschluß des außerösterreichischen Deutschland in engem Verbund mit der Habsburger Monarchie jedenfalls phasenweise möglich" war.

Wie stets bei Editionen dieser Art stehen die Auswahlkriterien im Zentrum des Interesses. Der Herausgeber konzentriert sich auf den Hauptstrang des politischen Geschehens und verweist darauf, daß andere Bereiche, zum Beispiel Augenzeugenberichte, ohnehin viel besser dokumentiert sind. Problematischer erscheint es demgegenüber, wenn Fenske - wieder unter Hinweis auf bereits vorliegende Quellenwerke - das selbständige Handeln der Paulskirche und der von ihr errichteten Reichsregierung nur indirekt, zumeist durch Berichte von solchen Politikern vorführt, die den "deutschen" Großmächten besonders verbunden waren. Fenske sucht vor allem in einer ausgewogenen Einleitung einer dadurch drohenden Relativierung der Politik der Paulskirche gegenzusteuern. Schließlich nimmt er ein solches Risiko aber vor allem deshalb in Kauf, um eine kompakte und höchst kompetente Dokumentation vorzulegen, die eine Forschungslücke füllt und die neben dem politischen Wollen der Akteure gerade auch auf den realen Ausgang des Revolutionsjahres hin ausgerichtet ist.

Ganz anderer Art sind die kleinen publizistischen Beiträge Temmes (1798 bis 1881), die dieser aufrechte Demokrat einst in seinem Schweizer Exil zum Broterwerb verfaßte. 1883 fügte der gleichfalls exilierte Stephan Born diese Texte zu einer Art Memoirenwerk zusammen, das der Arbeiterschaft Mut zusprechen sollte. Hettinger hat diese Studie jetzt wiederentdeckt. Temme war ein begnadeter, häufig mit Anekdoten arbeitender Erzähler. So berichtet er in der ersten Hälfte des Buches von seinem Leben und Wirken als Jurist in Preußen, das zwischen 1815 und 1848 erst sehr gemächlich zu einem modernen Staat zusammenwuchs. Von Leitvorstellungen des Freiherrn vom Stein geprägt, wurde der exzellente Jurist in Wort und Tat zum Verfechter staatsbürgerlicher Gleichheit und Rechtsstaatlichkeit. Und so verwundert es nicht, daß seine Karriere aufgrund der polizeistaatlichen Enge des restaurativen Preußen stagnierte.

Obwohl er der Basisdemokratie ebenso fernstand wie den Liberalen mit burschenschaftlicher Tradition, erzielte Temme 1848/49 dank seiner Bürgernähe Wahlsieg um Wahlsieg. Er wurde zum bestgehaßten Widersacher König Friedrich Wilhelms IV., der ihm in Prozessen den Tod androhte und schließlich außer Landes trieb. Die gut achtzig Seiten, in denen Temme über diese Zeit berichtet, haben es in sich. Bestechend sind seine Beobachtungen zum Vorrücken der Konterrevolution in Berlin, die darauf basieren, daß seine damalige Tätigkeit in der Staatsanwaltschaft ihm genauen Einblick verschaffte und daß er die Vertrauensseligkeiten der Liberalen nie teilte. Nicht weniger überzeugend ist seine Analyse der verheerenden Reaktions-Politik des preußischen Monarchen.

Temme gehört zu jenen faszinierenden demokratischen Richtern und Politikern, die - abgesehen von Benedikt Waldeck - völliger Vergessenheit anheimgefallen sind. Sein Namen würde jedem Gericht zur Ehre gereichen. GÜNTER WOLLSTEIN

Hans Fenske (Hrsg.): "Quellen zur deutschen Revolution 1848 bis 1849".Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte der Neuzeit. Freiherr-vom-Stein-Gedächtnisausgabe, Bd. XXIV. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996. 381 S., geb., 128,- DM.

J. D. H. Temme: "Augenzeugenberichte der deutschen Revolution 1848/49". Ein preußischer Richter als Vorkämpfer der Demokratie. Neu herausgegeben und mit einem Anhang von Michael Hettinger. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1996. 376 S., geb., 98,- DM.

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